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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1991 §1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Miftar Bahtiri in Himmelberg, geboren am 27. Mai 1966, vertreten durch Dr. Friedrich Staudacher, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Alter Platz 30, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1996, Zl. 4.340.710/6-III/13/96, betreffend Feststellung der Flüchtlingseigenschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 5. April 1996 wurde die Berufung des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen der "Jugosl. Föderation", der am 31. März 1992 in das Bundesgebiet eingereist ist und am 2. April 1992 den Antrag auf Asylgewährung gestellt hat, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Kärnten vom 13. November 1992, mit welchem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer nicht Flüchtling sei, abgewiesen.
Der Beschwerdeführer (ein Moslem aus dem Kosovo) hatte anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz am 1. April 1992 angegeben:
"Ich war noch nie im Gefängnis in Jugoslawien, habe weder Verwandte noch Bekannte in Österreich und habe in Slowenien keinen Asylantrag eingebracht. Ich glaube nicht, daß die Polizei in Slowenien von meinem Aufenthalt Kenntnis erlangt hat. Ich war 1988 bis 1989 für einige Monate bei der JVA und in Slowenien eingesetzt.
Da sich Serbien nach wie vor im Krieg mit den Anrainerländern befindet und ich bei einer Rückkehr in den Kosovo mit einer Einberufung bzw. zuvor mit Gefängnis wegen Republiksflucht rechnen muß, bin ich nach Österreich gegangen. Nachdem ich in Slowenien keine weitere Aussicht mehr auf Arbeit hatte, habe ich mich telefon. bei meinem Bruder in Pristina, Kosovo, erkundigt, wie denn die Lage sei. Er teilte mir mit, daß ich unter keinen Umständen nach Serbien in den Kosovo zurückkehren könnte, da ich sofort zur JVA eingezogen werden würde. Auch teilte er mir mit, daß mich die serbische Polizei derzeit sucht. Da ich nicht für Serbien, sondern nur für die Albaner aus dem Kosovo in den Krieg ziehen würde, verweigere ich den Militärdienst.
Einen Reisepaß habe ich nie besessen und bin das erste Mal in Österreich."
Anläßlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 6. April 1992 hatte er zu seinen Fluchtgründen angegeben:
"Ich verfüge über keine Barmittel. In der Heimat war ich bei keiner Partei Mitglied. Ich bin Angehöriger der albanischen Minderheit, konnte jedoch meine Religion ohne Probleme ausüben. Im Juni 1991 bekam ich einen Einberufungsbefehl, ich habe ihn jedoch nicht angenommen. Ich sollte mich am selben Tag noch in der Kaserne in Pristina melden. Bereits am selben Tag wurde ich mehrmals von der Polizei gesucht. Es gelang mir, mich zu verstecken und ich trat gleich die Flucht an, weil ich nicht in diesen sinnlosen Krieg, wo so viele unschuldige Menschen ihr Leben lassen müssen, hineingezogen werden will. Außerdem würde mich in der Heimat eine langjährige Haftstrafe erwarten, weil ich nicht zum Militär eingerückt bin."
In seiner Berufung brachte der Beschwerdeführer vor:
"Ich bin nach Österreich geflüchtet, weil ich ansonsten an die Front einrücken müßte. Die Polizei kam ins Haus und wollte mich zwingen an die Front zu gehen, was ich ablehnte. Dann ist es mir gelungen nach Slowenien zu flüchten, wo ich aber auch nicht weiterleben konnte. Während der Nacht flüchtete ich zu Fuß über die Grenze nach Österreich. Letzte Nachricht von zu Hause ist diese, daß die Polizeibehörden meine Familienangehörigen malträtiert haben, aufgrund einer falschen Aussage: ich solle auf die Polizeibehörden am 04.06.1990 geschossen haben."
Die belangte Behörde wies die Berufung mit dem Bescheid vom 3. Februar 1994 ab, weil der Beschwerdeführer vor seiner Einreise in das Bundesgebiet in Slowenien Sicherheit vor Verfolgung erlangt habe. Der Verwaltungsgerichtshof hob mit dem Erkenntnis vom 19. Oktober 1994, Zl. 94/01/0283, diesen Bescheid auf, weil die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage bereits von der Anwendbarkeit des Asylgesetzes 1991 ausgegangen ist und der von ihr angenommene Ausschließungsgrund dem Asylgesetz (1968), das richtigerweise anzuwenden gewesen wäre, fremd war.
Daraufhin erließ die belangte Behörde den nunmehr angefochtenen Bescheid. Die belangte Behörde gelangte, nunmehr in Anwendung des Asylgesetzes (1968), unter Berücksichtigung des gesamten Vorbringens des Beschwerdeführers zur Ansicht, daß der Beschwerdeführer nicht habe glaubhaft machen können, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden. Sie stützte diese Ansicht darauf, daß aus der beabsichtigten Einziehung zur Militärdienstleistung keine Indizien für eine beabsichtigte asylrechtlich relevante Verfolgung des Beschwerdeführers zu erkennen sei. Die Beweggründe, der Militärdienstpflicht nicht nachzukommen, könnten die Flüchtlingseigenschaft nicht indizieren. Es bestehe grundsätzlich allgemeine Wehrpflicht, nach den gesetzlichen Bestimmungen seien keine ethnischen Unterschiede vorgesehen. Hinsichtlich der Volksgruppenzugehörigkeit würden bei der Verwendung der einrückenden Wehrpflichtigen grundsätzlich keine Unterschiede gemacht, dies gelte auch in der Strafverfolgung und -bemessung. Auch die Tatsache, daß der Beschwerdeführer allenfalls gezwungen gewesen wäre, im Rahmen des Bürgerkrieges gegen seine Landsleute vorzugehen, könne die Anerkennung als Flüchtling nicht nach sich ziehen, da es sich auch hiebei nicht um eine gegen ihn persönlich gerichtete Verfolgung im Sinne der Genfer Konvention handle. Abgesehen davon hätten sich die Truppen der ehemaligen SFRJ, als deren Nachfolgestaat sich die "Jugoslawische Föderation" sehe, beginnend mit Ende April 1992 aus dem Gebiet des durch Sezession neu entstandenen Staates Bosnien-Herzegowina und zuvor aus Slowenien und Kroatien zurückgezogen, sodaß die Befürchtung eines Fronteinsatzes im Falle des Aufgreifens nicht mehr mit den tatsächlichen Gegebenheiten übereinstimme, was jedoch nicht entscheidungsrelevante Grundlage sei. Zu den angeblich seine Familienangehörigen betreffenden Vorfällen sei festzuhalten, daß in einem Verfahren nur solche Umstände Berücksichtigung finden könnten, "die die antragstellende Person unmittelbar betreffen und daher Ereignisse gegen deren Familienmitglieder nicht den gewünschten Verfahrensausgang bewirken" könnten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe "bezüglich seiner Einberufung zum Militärdienst unter anderem auch einen Zusammenhang mit seiner Eigenschaft als Angehöriger der von den Serben unterdrückten albanischen Minderheit im Kosovo behauptet und ausgeführt, daß er als Angehöriger dieser ethnisch verfolgten Minderheit einer besonders unmenschlichen Behandlung und Haft preisgegeben würde".
Die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, daß die Einberufung zur Militärdienstleistung im allgemeinen keine asylrechtlich relevante Verfolgung darstelle, entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Die Furcht vor der Ableistung des Militärdienstes stellt in der Regel keinen Grund für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft dar, da die Militärdienstpflicht alle in einem entsprechenden Alter befindlichen männlichen Staatsbürger in gleicher Weise trifft. Eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung wird in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Flüchtlingskonvention angesehen. Der Verwaltungsgerichtshof hat diese Auffassung auch in Fällen vertreten, in denen in den betroffenen Heimatstaaten Bürgerkrieg, Revolten oder bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen stattgefunden haben. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst bzw. Desertion könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründen erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung schwerer als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 29. Juni 1994, Zl. 93/01/0377 = Slg. Nr. 14.089/A). Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers ist aus seinen Angaben im Verwaltungsverfahren ein asylrechtlich relevanter Zusammenhang im obigen Sinne nicht zu erkennen. Damit erweisen sich die nunmehrigen Sachverhaltsbehauptungen in der Beschwerde als im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung.
Der Wertung der belangten Behörde im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer in der Berufung behaupteten behördlichen Maßnahmen gegen seine Familienangehörigen als für seine Person asylrechtlich unbeachtlich tritt der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht entgegen.
Da die Beschwerde bereits aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen ist, erübrigt sich eine Befassung mit dem von der belangten Behörde - im übrigen in nicht nachvollziehbarer Weise - angenommenen fehlenden zeitlichen Zusammenhang zwischen dem behaupteten furchtauslösenden Ereignis und dem Verlassen der Heimat.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010435.X00Im RIS seit
20.11.2000