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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §68 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. C, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. August 1996, Zl. MA 61/IV-A 749/95, betreffend Widerruf der Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft und Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 30. August 1996 wurde die mit Bescheid vom 23. Mai 1995 zugesicherte Verleihung der Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer, einen nigerianischen Staatsangehörigen, gemäß § 20 Abs. 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) widerrufen sowie das Begehren des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG abgewiesen. Begründend führte die belangte Behörde aus, daß der Beschwerdeführer am 11. November 1994 um Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft angesucht habe. Er lebe seit 1977 in Österreich und sei mit einer Nigerianerin verheiratet. Zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 23. Mai 1995 (8. Juni 1995) habe der Beschwerdeführer die für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Weitere Ermittlungen hätten jedoch ergeben, daß der Beschwerdeführer nach Übernahme des Zusicherungsbescheides zweimal straffällig geworden sei. Er sei im Oktober 1995 wegen Lenken eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einer Geldstrafe von S 8.000,--, im Fall der Nichteinbringlichkeit sieben Tage Ersatzfreiheitsstrafe, belegt worden. Des weiteren sei er im Dezember 1995 durch den Jugendgerichtshof Wien wegen des Vergehens nach § 198 Abs. 1 StGB (Verletzung der Unterhaltspflicht) zu einer Freiheitsstrafe von zwei Wochen, Probezeit drei Jahre, verurteilt worden. Das alkoholisierte Lenken eines Kraftfahrzeuges stelle ein Delikt dar, welches sich in einer gröblichen Verletzung der öffentlichen Sicherheit manifestiere. Diese Übertretung stelle eine schwerwiegende Verwaltungsübertretung dar. Des weiteren müsse auch die Gefährdung des Unterhaltes seiner leiblichen Kinder durch beharrliche Nichtleistung der ihm obliegenden Unterhaltszahlungen als ein grober Verstoß gegen die öffentliche Ordnung gesehen werden. Das Gesamtverhalten eines Bewerbers werde wesentlich durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt. Die angeführten Verurteilungen ließen eine Zukunftsprognose dahingehend, daß der Bewerber künftig keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen werde, nicht zu. Damit erfülle er die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 StbG nicht mehr. Somit sei gemäß § 20 Abs. 2 StbG die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu widerrufen und der Antrag auf Verleihung der Staatsbürgerschaft abzuweisen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, er halte sich seit 1977 in Österreich auf und sei in diesem langen Zeitraum lediglich zweimal straffällig geworden. Bei der Verurteilung gemäß § 198 Abs. 1 StGB habe die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen, daß er nur deshalb in Verzug geraten sei, weil er von seinem Arbeitgeber, der nigerianischen Botschaft, zeitweise nur schleppend bezahlt worden und daher "selbst und unverschuldet nicht in der Lage" gewesen sei, seinen Zahlungsverpflichtungen nachzukommen, was aus dem Akt des Jugendgerichtshofes Wien erkennbar gewesen wäre. Bei der Verwaltungsübertretung des "Lenkens eines Fahrzeuges im alkoholisierten Zustand" habe es sich um einen einmaligen Verstoß gegen Straßenverkehrsvorschriften gehandelt. Zudem habe die belangte Behörde im konkreten Fall eine materielle Prüfung der Persönlichkeit des Einbürgerungswerbers rechtswidrig unterlassen, ohne die Hintergründe der Bestrafungen zu prüfen und ohne nachvollziehbare Schlüsse hieraus für das zukünftige Verhalten des Beschwerdeführers zu ziehen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 20 Abs. 2 StbG ist die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft zu widerrufen, wenn der Fremde auch nur eine der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft erforderlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt.
Gemäß § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall StbG darf die Staatsbürgerschaft einem Fremden nur dann verliehen werden, wenn er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, daß er keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit bildet. Bei der gemäß der angeführten Gesetzesstelle vorzunehmenden Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Verleihung der Staatsbürgerschaft ist - wie die belangte Behörde richtig ausgeführt hat - vom Gesamtverhalten des Einbürgerungswerbers, welches durch das sich aus den von ihm begangenen Straftaten ergebende Charakterbild bestimmt ist, auszugehen. Hiebei stellt der Gesetzgeber nicht auf formelle Gesichtspunkte ab, sondern es ist lediglich maßgebend, ob es sich um Rechtsbrüche handelt, die den Schluß rechtfertigen, der Betreffende werde auch in Zukunft wesentliche, zum Schutz vor Gefahren für das Leben, die Gesundheit, die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit erlassene Vorschriften mißachten (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 26. Februar 1997, Zl. 95/01/0215). Dies ist auch bei einem Verstoß gegen eine Schutznorm, die der Ordnung und Sicherheit des Straßenverkehrs dient, der Fall (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 19. Juni 1996, Zl. 95/01/0376), wobei es sich im konkreten Fall um eine der schwerstwiegenden, die Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer in gröbster Weise gefährdende Übertretung - Lenken eines Kraftfahrzeuges in alkoholbeeinträchtigendem Zustand - handelt.
Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe "unverschuldet" seine Zahlungsverpflichtungen gegenüber seinen Kindern vernachlässigt, ist - abgesehen davon, daß dem gerichtlichen Strafrecht eine Bestrafung bei mangelndem Verschulden des Täters fremd ist - entgegenzuhalten, daß das Verwaltungsverfahren betreffend Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht der Ort ist, um ein rechtskräftig abgeschlossenes gerichtliches Strafverfahren neu aufzurollen. Zudem finden sich die nunmehrigen Behauptungen des Beschwerdeführers durch das im Akt einliegende Urteil des Jugendgerichtshofes Wien nicht gedeckt.
Der Einwand des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe die diesen Bestrafungen zuvorliegende Zeit von 17 Jahren, in welcher er nicht straffällig geworden sei, nicht ausreichend berücksichtigt, ist zu entgegnen, daß selbst ein langer Zeitraum des Wohlverhaltens, welchem in relativ kurzem Zeitabstand begangene strafbare Handlungen folgten (die Bestrafung gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1a StVO beruhte auf einer am 17. September 1995 begangenen Übertretung, die Verurteilung gemäß § 198 Abs. 1 auf der Verletzung der Unterhaltspflicht in den Zeiträumen 1. April 1994 bis 31. Mai 1994, 1. Juli 1994 bis 30. September 1994,
1. Dezember 1994 bis 31. Jänner 1995, 1. März 1995 bis 30. April 1995, 1. Juli 1995 bis 31. August 1995 und 1. Oktober 1995 bis 31. Oktober 1995), die negative Zukunftsprognose der belangten Behörde als zulässig und nicht rechtswidrig erscheinen läßt. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer nach Stellung des Antrages auf Verleihung der Staatsbürgerschaft straffällig geworden ist, ist auch nicht dazu geeignet, zu einer für den Beschwerdeführer günstigeren Zukunftsprognose zu gelangen. Die belangte Behörde handelte nicht rechtswidrig, wenn sie aus den der rechtskräftigen Verwaltungsstrafe gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1a StVO bzw. der gerichtlichen Verurteilung gemäß § 198 Abs. 1 StGB zugrundeliegenden Rechtsbrüchen, begangen nach der Erlassung des Bescheides über die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft, den Schluß zog, daß eine Zukunftsprognose dahingehend, daß der Beschwerdeführer künftig keine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen werde, nicht gerechtfertigt sei und der Beschwerdeführer daher die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 6 zweiter Fall StbG jetzt nicht mehr erfülle, weshalb die Zusicherung der Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 20 Abs. 2 StbG zu Widerrufen und der Verleihungsantrag abzuweisen sei.
Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Individuelle Normen und Parteienrechte Bindung der Verwaltungsbehörden an gerichtliche Entscheidungen VwRallg9/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1996010968.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
03.11.2010