TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/3 96/01/0123

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Veröffentlicht am 03.09.1997
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1991 §5 Abs1 Z3;
AVG §37;
FlKonv Art1 AbschnC Z5;
VwGG §41 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter im Beisein der Schriftführerin OKoärin. Mag. Unterer, über die Beschwerde des Levente Laszlo Szep in Gumpoldskirchen, geboren am 10. Juli 1969, vertreten durch Dr. Stephan Gruböck, Rechtsanwalt in Baden, Hauptplatz 13, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Jänner 1996, Zl. 4.270.199/5-III/13/95, betreffend Feststellung gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 10.410,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Rumäniens, war mit Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark vom 30. Jänner 1989 als Flüchtling im Sinne des Asylgesetzes (1968) anerkannt worden. Mit dem gemäß § 66 Abs. 4 AVG ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. Jänner 1996 wurde in Erledigung der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 3. November 1995 gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 festgestellt, daß hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers der in Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 der Genfer Flüchtlingskonvention genannte Tatbestand eingetreten sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Gemäß § 5 Abs. 1 Z. 3 Asylgesetz 1991 verliert ein Flüchtling das Asyl, wenn festgestellt wird, daß hinsichtlich seiner Person einer der in Art. 1 Abschnitt C oder F lit. a oder c oder Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Tatbestände eingetreten ist.

Gemäß Art. 1 Abschnitt C Z. 5 der Genfer Flüchtlingskonvention wird dieses Abkommen auf eine Person, die unter die Bestimmungen des Abschnittes A fällt, nicht mehr angewendet, wenn die Umstände, aufgrund deren sie als Flüchtling anerkannt worden ist, nicht mehr bestehen und sie es daher nicht weiterhin ablehnen kann, sich unter den Schutz ihres Heimatlandes zu stellen.

Die Behörde erster Instanz ging davon aus, daß aufgrund der politischen Umwälzungen in Rumänien, die unter anderem in der Abhaltung freier Wahlen und der demokratischen Legitimierung der Regierung ihren Ausdruck gefunden hätten, sowie der Änderungen der Rechtslage und -anwendung kein Anlaß bestanden habe, jene Umtände, die im Jahre 1989 zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers geführt hätten, weiterhin als aktuell anzusehen.

Dem hat der Beschwerdeführer in der Berufung entgegengehalten, es sei zwar richtig, daß sich in Rumänien politische Umwälzungen ereignet hätten. Der Beschwerdeführer sei in Rumänien insbesondere wegen seiner ungarischen Volksgruppenzugehörigkeit und in conreto deshalb verfolgt worden, weil er die "Szekler-Hymne" gesungen habe. Diese sei ein äußeres Zeichen der Volksgruppenzugehörigkeit zur ungarischen Minderheit. Das Absingen der "Szekler-Hymne", das Bekenntis zur ungarischen Volksgruppe, insbesondere das Führen von Symbolen, die auf diese Zugehörigkeit hinwiesen, sei in Rumänien nach wie vor untersagt und werde bestraft. Es bestehe nach wie vor die Gefahr einer Verfolgung aufgrund des Bekenntnisses zur ungarischen Volksgruppenzugehörigkeit, das durch das Absingen der "Szekler-Hymne" durch den Beschwerdeführer abgelegt worden sei.

Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid darauf gestützt, daß dem seinerzeitigen Vorbringen des Beschwerdeführers ausschließlich vor dem damals amtsbekannten Hintergrund des totalitären rumänischen Staatssystems, das - wie wohl unbestreitbar sei - in der Gegenwart nicht mehr existiere, die Qualität des asylbegründenden Sachverhaltes habe beigemessen werden können. Aus objektiver Sicht - insbesondere mit Blick auf die nach den revolutionären Ereignissen zwischenzeitig erfolgte Entfernung des Deliktes der "Republikflucht" aus der rumänischen Rechtsordnung - entfiele daher das Erfordernis der weiteren Asylgewährung an den Beschwerdeführer. Das Vorliegen von seiner Person subjektiv innewohnender Furcht vor - im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention tatbestandsmäßiger - Verfolgung habe der Beschwerdeführer während des gesamten Verfahrens nicht konkret und substantiiert behauptet. Den Berufungsausführungen sei entgegenzuhalten, daß entgegen der dort dargetanen Ansicht dem gesamten Akt keinerlei bescheidmäßige Feststellung entnehmbar sei, daß der Beschwerdeführer in Rumänien insbesondere wegen seiner ungarischen Volksgruppenzugehörigkeit und in concreto deshalb verfolgt worden sei, weil er die "Szekler-Hymne" gesungen habe. Diese Ausführungen des Beschwerdeführers entbehrten einerseits daher und andererseits deshalb, weil der Beschwerdeführer weder im gegenständlichen noch im ursprünglichen Verfahren betreffend die Feststellung seiner Flüchtlingseigenschaft nach Qualität und Intensität die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft rechtfertigende Sachverhalte vorgebracht habe, jeglicher Relevanz.

Die belangte Behörde hat - wie dargelegt - den Verlust des Rechtes auf Asyl auf den Umstand gestützt, daß das seinerzeitige totalitäre Staatssystem in Rumänien nicht mehr existiere. Hiebei hat sie es - wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt - jedoch unterlassen, anzugeben, auf welchen Ermittlungsergebnissen ihre diesbezüglichen Feststellungen beruhten. Die Durchführung von Ermittlungen über die tatsächliche Situation im Heimatland des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides wäre aber im Hinblick auf das sowohl im Verfahren zur Feststellung als auch im Verfahren zur Aberkennung der Flüchtlingseigenschaft vom Beschwerdeführer getätigte Vorbringen, aufgrund seiner Zugehörigkeit zur ungarischen Minderheit verfolgt zu werden, erforderlich gewesen (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0590, und vom 19. März 1997, Zl. 95/01/0051). Die belangte Behörde hätte sich - weil das erstinstanzliche Ermittlungsverfahren infolge unterlassener Wahrung des Parteiengehörs mangelhaft war - insbesondere damit auseinanderzusetzen gehabt, ob ein manifestiertes Bekenntnis zur ungarischen Volksgruppenzugehörigkeit in Rumänien trotz geänderter politischer Verhältnisse unter Strafe gestellt würde. Da die Auswirkungen des Wegfalles des totalitären Regimes in Rumänien in bezug auf Angehörige der ungarischen Minderheit von der belangten Behörde somit nicht geklärt wurden, kann nicht ausgeschlossen werden, daß dem Beschwerdeführer auch nunmehr Verfolgung drohen könnte.

Soweit die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch damit begründet hat, daß eine Verfolgung des Beschwerdeführers wegen seiner Zugehörigkeit zur ungarischen Volksgruppe und wegen Singens der "Szekler-Hymne" nicht bescheidmäßig festgestellt worden sei, ist ihr entgegenzuhalten, daß der Beschwerdeführer bei seiner Befragung durch die Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich am 4. Jänner 1989 ausdrücklich diese Umstände ins Treffen geführt hat. Daß dieses Vorbringen des Beschwerdeführers im Bescheid dieser Behörde vom 30. Jänner 1989, mit dem die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers festgestellt wurde, keinen Niederschlag gefunden hat, ergibt sich daraus, daß die Behörde in Anwendung des § 58 Abs. 2 AVG von einer Begründung des Bescheides Abstand genommen hat. Aus den nicht erfolgten bescheidmäßigen Feststellungen hinsichtlich der behaupteten Fluchtgründe kann somit eine mangelnde Relevanz der in Übereinstimmung mit seinen seinerzeitigen Darlegungen stehenden nunmehrigen Argumentation nicht abgeleitet werden.

Es ergibt sich daraus, daß die belangte Behörde infolge der Versäumung gebotener Ermittlungen und der Unterlassung der Wahrung des Parteiengehörs den angefochtenen Bescheid mit Verfahrensmängeln belastet hat. Da der Sachverhalt sohin in wesentlichen Punkten einer Ergänzung bedarf und Verfahrensvorschriften außer acht gelassen wurden, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010123.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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