Entscheidungsdatum
30.09.2020Norm
BBG §40Spruch
L503 2228524-1/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DIEHSBACHER als Vorsitzenden und die Richterin Mag.a JICHA sowie den fachkundigen Laienrichter RgR PHILIPP über die Beschwerde von XXXX gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Oberösterreich, vom 17.12.2019, OB XXXX , zu Recht erkannt:
A.) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B.) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang
1. Der nunmehrige Beschwerdeführer (im Folgenden kurz: „BF“) beantragte am 11.7.2019 beim Sozialministeriumservice (im Folgenden kurz: „SMS“) unter Vorlage diverser ärztlicher Unterlagen die Ausstellung eines Behindertenpasses.
2. Daraufhin holte das SMS ein Sachverständigengutachten ein und wurde der BF am 28.10.2019 von Dr. R. H., einer Ärztin für Allgemeinmedizin und Fachärztin für Orthopädie, untersucht.
In dem in weiterer Folge von Dr. R. H. am 17.11.2019 erstellten medizinischen Sachverständigengutachten wird auszugsweise wie folgt ausgeführt:
„Anamnese:
Vorgutachten vom 15.3.2004 (40 %).
Discusprolaps L4/5, Neuroforamenstenose L5/S1 - Z.n. Sequestrektomie L5/S1 2x an der Uniklinik in Innsbruck 2003.
Z.n. Arthroskopie und partieller Meniskektomie linkes Kniegelenk 1987.
Z.n. Bandplastik rechtes Sprunggelenk 1986 - Metall entfernt.
Z.n. Deckplattenimpression Th2-9 sowie Fraktur der Quer,-und Dornfortsätze in diesem Bereich der Wirbelsäule.
Derzeitige Beschwerden:
Im Vordergrund der Beschwerden von Herrn K. stehen Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich im Sinne von Dauerschmerzen, die sich im Liegen noch verstärken. Die Schmerzen strahlen in das linke Bein aus, die rechtsseitige Ausstrahlung ist seit der operativen Sanierung nicht mehr vorhanden. Zusätzlich wird eine subjektive Kraftminderung im Bereich des linken Fußes beschrieben es besteht eine berichtete Narbenbildung im Wirbelsäulenoperationsbereich - entsprechende Befunde sind nicht vorliegend. Es komme immer wieder zum Auslassen des linken Beines mit daraus resultierenden Stürzen. Die Wegstrecke ist tageweise sehr unterschiedlich. Pausen müssen allerdings nach kurzer Strecke immer wieder gemacht werden. Nach viermaligem Rehaaufenthalt bisher keine Besserung zu vermerken - der Antragsteller war in A., auf der S.-alpe, in B. bei Wien und in H.
Heilgymnastik wird regelmäßig selbstständig unter physiotherapeutischer Anleitung durchgeführt.
Auch auf Nachfrage werden keine weiteren Beschwerden angegeben.
[…]
Sozialanamnese:
Polizist […]“
Zusammengefasst wurde als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Funktionseinschränkung Lendenwirbelsäule nach 2xiger Bandscheibenoperation auf Höhe L5/S1, Bandscheibenvorfall L4/5
Schmerzen mit Ausstrahlung, einfache Schmerzmedikation ausreichend, aktive Therapie wird durchgeführt
02.01.02
40 vH
02
Z.n. Bandplastik oberes Sprunggelenk rechts 1986
minimale Restbeschwerden
02.05.32
10 vH
03
Einschränkungen des Hörvermögens (rechts 4%, links 20%)
Einschätzung lt. Tabelle
12.02.01
0 vH
Gesamtgrad der Behinderung
40 vH
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, Hauptleiden sei das Leiden in Position 1, die weiteren Leiden würden den GdB bei fehlender zusätzlicher erheblicher Einschränkung nicht erhöhen.
3. Mit Schreiben zur Wahrung des Parteiengehörs vom 19.11.2019 teilte das SMS dem BF mit, dass, da ein Grad der Behinderung von 40 v. H. festgestellt worden sei, die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht vorliegen würden. Beigelegt wurde das Gutachten von Dr. R. H. vom 17.11.2019. Der BF könne dazu binnen zwei Wochen schriftlich Stellung nehmen.
Eine Stellungnahme des BF ist nicht aktenkundig.
4. Mit dem nunmehr bekämpften Bescheid vom 17.12.2019 sprach das SMS aus, dass der BF mit einem Grad der Behinderung von 40 vH die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses nicht erfülle; sein Antrag vom 11.7.2019 sei daher abzuweisen.
Neben der Zitierung der rechtlichen Grundlagen (§§ 40, 41 und 45 BBG) wurde nochmals betont, dass laut eingeholtem Gutachten beim BF lediglich ein Grad der Behinderung in Höhe von 40 vH vorliege. Im Ermittlungsverfahren sei ein Gutachten zur Feststellung des Grades der Behinderung eingeholt worden. Nach diesem Gutachten betrage der Grad der Behinderung 40 vH. Die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens seien der Beilage, die einen Bestandteil der Begründung bilde, zu entnehmen. Gemäß § 45 Abs 3 AVG sei dem BF mit Schreiben vom 19.11.2019 Gelegenheit gegeben worden, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen. Da eine Stellungnahme innerhalb der gesetzten Frist nicht eingelangt sei, habe vom Ergebnis des Ermittlungsverfahrens nicht abgegangen werden können. Beigelegt wurde das Gutachten von Dr. R. H. vom 17.11.2019.
5. Mit Schreiben vom 24.1.2020 erhob der BF fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid vom 17.12.2019. Darin führte der BF aus, im Jahr 2003 habe er einen Unfall in Ausübung seines Dienstes als Polizeibeamter erlitten, wodurch eine zweimalige Operation an der Wirbelsäule notwendig geworden sei. Im Jahre 2004 sei auf Grund eines Antrages der Grad der Behinderung durch das Bundessozialamt mit 40 % festgestellt worden. Wie den zum Antrag vom 11.7.2019 eingereichten Unterlagen zu entnehmen sei, sei er in der Zeit vom 9.8.2018 bis zum 20.8.2018 stationär im Krankenhaus St. P. gewesen, da er zu den bereits bestehenden Beschwerden an einer aufgetretenen Lumbalischialgie mit Vorfußheberparese links gelitten habe.
Zum gegenständlichen Gutachten von Dr. R. H. vom 17.11.2019 merkte der BF an, dass 1. bei der Untersuchung der oberen Extremität Kraftgrad 4 links sowie eine Hypästhesie links festgestellt worden seien; dass 2. bei den unteren Extremitäten beidseits Kraftgrad 5 festgestellt worden sei, wobei dies im Widerspruch zu den Feststellungen aller bisher befassten Ärzte stehe; auch die Sensibilität sei in dem Gutachten als seitengleich und unauffällig beschrieben worden und seien ebenfalls beide Sprunggelenke als unauffällig beschrieben worden; dass 3. in dem von der untersuchenden Ärztin erhobenen klinischen Status - Fachstatus auf seine Schwerhörigkeit gar nicht eingegangen worden sei.
Zu Punkt 1 merkte der BF an, bis dato seien weder ihm noch den bisher befassten Ärzten davon etwas bekannt gewesen; auch bei der Untersuchung zur Gutachtenserstellung sei von einem verminderten Kraftgrad sowie einer Hypästhesie nie die Rede gewesen.
Zu Punkt 2 führte der BF aus, er sei selbst medizinischer Laie und könne ich nicht beurteilen, wie der Kraftgrad gemessen wird. Fakt sei jedenfalls, dass er bereits auf der rechten Seite eine subjektive Kraftgradverminderung gegenüber einer Person mit intakter Wirbelsäule habe. Objektiv feststellbar sei für ihn jedenfalls auch eine deutliche Verminderung der Kraft am Vorfuß links. Ebenfalls für ihn deutlich feststellbar sei eine Reduktion der Sensibilität der linken unteren Extremität in gewissen Arealen, wobei dies auch bereits während des stationären Aufenthaltes im Klinikum St. P. näher festgestellt worden sei. Obwohl seine Beschwerden im rechten Sprunggelenk als minimal angeführt werden, so sei Fakt, dass er an einer Instabilität leide und auch immer wieder umkippe (verknöchle) und dadurch auch eingeschränkt sei.
Zu Punkt 3 führte der BF aus, laut einem dem SMS vor vorliegenden Befund sei seine Schwerhörigkeit links in einem Ausmaß angesiedelt, dass er nur 60% der gesprochenen Wörter verstehen könne, was im Bescheid nicht berücksichtigt worden sei.
Der BF ersuche um neuerliche Befundung und Erstellung eines neuen Gutachtens oder um Änderung des festgestellten Grades der Behinderung auf Grund der bestehenden Unterlagen. Sollte eine neuerliche Befundung erforderlich sein, so lehne er es ab, neuerlich von Dr. R. H. untersucht zu werden, da ihm zu ihr das erforderliche vertrauen schlichtweg fehle. Zudem ersuchte der BF noch um Berücksichtigung, dass er seit geraumer Zeit auf Grund der bekannten Leiden an einem chronischen neurogenen Dauerschmerz leide, wobei eine einfache analgetische Therapie mit nichtsteroidalen Antirheumatika nicht mehr ausreichend sei. Weiters werde ihm auch öfters von Personen berichtete, dass er einen hinkenden Gang hätte, welcher ihm selbst nicht auffalle. Was ihm persönlich sehr wohl auffalle, sei, dass er beim Stiegen steigen mit dem linken Vorfuß immer wieder an die Kante der nächst höheren Stiege anstoße, was er auch auf die Vorfußheberschwäche mit Lähmungserscheinung zurückführe. Da er sich nun schon seit fast zwei Jahren diesbezüglich ohne nachhaltigen Erfolg therapieren lasse, würde er dieses Leiden als therapieresistent einstufen. Ebenfalls nicht berücksichtigt worden seien seine Hämorrhoiden, welche sich immer wieder entzünden wurden; sie seien bereits einmal operativ behandelt worden, allerdings mit mäßigem Erfolg. Ebenfalls unberücksichtigt seien seine Narben im Gesicht geblieben, welche als Folge einer Operation nach einem Autounfall im Jahre 1989 zurückgeblieben seien; diese würden ihm, insbesondere bei Kälte, schmerzhafte Probleme bereiten.
Auf Grund all dieser Umstände ersuche er um neuerliche Feststellung bzw. Korrektur des Grades der Behinderung.
6. Am 13.2.2020 legte das SMS den Akt dem BVwG vor.
7. Im Gefolge des Beschwerdevorbringens des BF holte das BVwG einerseits ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie und andererseits ein Sachverständigengutachten eines Facharztes für HNO-Krankheiten ein und ersuchte den Facharzt für Orthopädie um anschließende Erstellung eines Gesamtgutachtens.
8. Am 18.6.2020 wurde der BF von Dr. P. L., Facharzt für HNO-Krankheiten, untersucht und führte der Sachverständige in seinem Teilgutachten vom 20.6.2020 auszugsweise wie folgt aus:
„Derzeitige Beschwerden:
Seit 2 - 3 Jahren zunehmende Hörstörung links. Beim Liegen auf dem rechten Ohr hört er links nichts mehr. Seit 1 1/2 - 2 Jahren besteht ein Pfeifton im linken Ohr. Dieser ist ständig da, vor allem in Ruhe. Die HNO-Ärztin wurde vor 1 Jahr konsultiert. Derzeit bestehen Schwerhörigkeit links und ein ständiges Pfeifen links. Wenn mehrere reden, versteht er schlecht. Wenn der Gesprächspartner leise spricht, ist die Kommunikation anstrengend.
Zusammenfassung Befunde (inkl. Datumsangabe):
HNO-Befund Dr. W. vom 24.06.2019: ausgeprägte Hochtonschwerhörigkeit links und entsprechender Tinnitus links bei Zustand nach Knalltrauma im Jahr 2000 (Arbeitsunfall), leichte Hochtonschwerhörigkeit rechts.
SV-Gutachten Dr. H., Allgemeinmedizin, Orthopädie vom 4.11.2019:
Lfd. Nr. 3: Einschränkung des Hörvermögens (rechts 4%, links 20%) Einschätzung lt. Tabelle, Pos. Nr. 12.02.01, GdB 0%.
Gesamt-GdB 40% wegen orthopädischer Leiden Lfd. Nr 1 und 2.
[…]
Untersuchungsbefund:
[…]
Gehör:
Weber nicht lateralisiert, Rinne beidseits positiv
Flüstersprache rechts 5,0 m, links 0,5 m, Umgangssprache rechts 6,0 m, links 5,0 m.
Tonaudiometrie (liegt bei): rechts bis auf eine minimale Senke bei 3 und 4 kHz auf 20 dB Normalverlauf der Hörschwellenkurve, links Hochtonabfall ab 2 kHz auf 60 dB bei 3 und 4 kHz.
Der Tinnitus links wird als Ton von etwa 3 kHz angegeben und ist mit 5 dB überschwellig verdeckbar.
Sprachaudiometrie (liegt bei):
Hörverlust für Zahlen rechts 5 dB, links 5 dB,
Wortverstehen bei 60 dB rechts 100%, links 45%,
Wortverstehen bei 80 dB rechts 100%, links 90%, Wortverstehen bei 100 dB rechts 95%, links 95%.
Gesamtwortverstehen rechts 290, links 230, gewichtetes Gesamtwortverstehen rechts 295, links 205.
Hörverlust:
berechnet aus dem Tonaudiogramm nach der 4-Frequenztabelle von Röser (1973) rechts 2%, links 200/0,
berechnet aus dem Tonaudiogramm nach der 3-Frequenztabelle von Röser (1980) rechts 0%, links 5%,
berechnet aus dem Sprachaudiogramm nach der Tabelle von Bönninghaus und Röser (1973) rechts 0%, links 10%, unter Berücksichtigung des gewichteten Gesamtwortverstehens rechts 0%, links 20%.“
Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde wie folgt ausgeführt:
„Diagnosen:
Eben schon geringgradige Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts, Chronischer Tinnitus links.
Stellungnahme zu Gutachten 1. Instanz:
Die Hörstörung ist offensichtlich nach der 4-Frequenztabelle von Röser (1973) aufgrund des Tonaudiogrammes Dr. W. vom 24.06.2019 eingeschätzt. Der Tinnitus ist nicht berücksichtigt.
Stellungnahme zu Beschwerdevorbringen sowie vorgelegten Befunden:
Zu Punkt 3 des Beschwerdevorbringens:
Im Gutachten Dr. H. wurde die Hörstörung auf Seite 5 unter lfd. Nr 3 angegeben.
Im HNO-Befund Dr. W. vom 24.06.2019 ist das Wortverstehen von 60% für die Lautstärke von 65 dB angegeben. Aus diesem Wert alleine kann der prozentuale Hörverlust nicht berechnet werden.
Art der Behinderung, Ausmaß und Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel + Beantwortung der Fragen
Den HNO-Bereich betreffend leidet Herr K. an einer geringgradigen Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit rechts, sowie an einem chronischen, derzeit kompensierten Tinnitus links.
Der Grad der Behinderung von HNO-Seite ist nach der Einschätzungsverordnung in Hinsicht auf den kompensierten Tinnitus (12.02.02: GdB 10%) und der einseitigen geringgradigen Schwerhörigkeit bei Normalhörigkeit des anderen Ohres (12.02.01: GdB 0%) mit 10% einzuschätzen.
Öffentliche Verkehrsmittel können benützt werden.“
9. Am 10.8.2020 wurde der BF von Dr. B. H., Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie, untersucht und führte der Sachverständige in seinem Gesamtgutachten vom 26.8.2020 eingangs auszugsweise wie folgt aus:
„Derzeitige Beschwerden:
Nach zweimaliger Bandscheiben OP anhaltende Kreuzschmerzen mit Ausstrahlung ins li. Bein seitlich (früher eher Schmerzausstrahlung re. Bein).
Schmerzverstärkung beim längeren Stehen und Sitzen und Arbeiten in gebückter Stellung.
Kraftminderung des li. Beines. Zeitweise Hängenbleiben des Vorfußes.
Auch Schwierigkeiten mit der Feinmotorik zum Beispiel bei Betätigung der Kupplung (verwendet daher Automatikgetriebe.) Leichte Restbeschwerden am li. Kniegelenk bei Belastungen. Keine Schwellneigung keine Blockaden kein Instabilitätsgefühl.
Belastungsschmerzen und Instabilitätsgefühl Sprunggelenk re.
Nach einem Knalltrauma Ohrgeräusch und Schwerhörigkeit li.
Wechselnde Gehstrecke im beschwerdearmen Intervall mehrere Kilometer möglich, im Schmerzschub nur wenige 100m möglich.
Gehhilfen werden nicht verwendet. Stiegensteigen zwei Stockwerke mit Hand am Geländer möglich.
Behandlung/en / Medikamente / Hilfsmittel
Mehrmals Reha Aufenthalte zuletzt 01/2019 Bad H.
09.08-20.08.2018 Stationäre Schmerztherapie Klinik St. P. Laufende Physikotherapie und Heilgymnastik in Linz.
Medikation:
Pregabalin 100mg 2 0 2
Seractil forte bei Bedarf ca. 6-8 Tabletten pro Woche
Mit Bettungseinlagen versorgt (heute nicht mitgebracht). Vorfußschiene wird schon länger nicht mehr verwendet.
Sozialanamnese:
Polizeibeamter aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung ausschließlich im Innendienst tätig. Lebensgemeinschaft, zwei erwachsene Kinder.
[…]
Aktueller Untersuchungsbefund:
Beckengeradstand. WS gerade. Beweglichkeit eingeschränkt. Finger-Bodenabstand 40cm bei muskulärer Verkürzung.
Reizlose Narbe nach Bandscheiben OP LWS. Erhöhter LWS Tonus.
Lokal an der WS kein Druck- Klopf- und Stauchschmerz.
Leichter Hartspann der Trapeziusmuskulatur. Seitneigung HWS 40 0 40° Rotation 60 0 60°
Keine segmentale Einschränkung.
Schultergelenke seitengleich frei beweglich, neg. Impingementzeichen.
Ellbogengelenke reizlos, seitengleich frei beweglich mit S 0 5 150°
Handgelenke re. 60 0 50° li. S 50 0 60°
Fingergelenke frei beweglich. Insbesondere am re. Daumen seitengleiche Beweglichkeit. Keine Schwellung an den Fingergelenken. Faustschluss problemlos.
Hüfte Bewegungsausmaß re. S 0 0 110° F 40 0 30° R 45 0 25°, li. S 0 0 110° F 45 0 30° R 45 0 20°, Beidseits kein Provokationsschmerz.
Kniegelenk bds. reizlos S 0 0 150° bandstabil, Meniskuszeichen neg. Kniescheibe läuft zentriert. Leichtes Patellareiben re. Schublade und Lachmann neg.
Sprunggelenke beidseits reizlos seitengleich frei beweglich S 15 0 45°. Leichte fibulare Bandinstabilität bds. re. eine Spur stärker. Schublade Sprunggelenk bds. neg.
Leichte Abflachung des Längsgewölbes. Spreizfüße. An den Füßen keine auffällige Beschwielung.
Leichte Varikositas. Fußpulse tastbar.
Laseguezeichen li. pos. 60° re. neg. Keine peripheren Paresen, keine sensiblen Ausfälle an der unteren Extremität. Reflexe seitengleich auslösbar.
Umfang:
Oberschenkel re 44cm li 45cm Unterschenkel re 40cm li 40cm
Gesamtmobilität — Gangbild:
Kommt mit gewöhnlichen Konfektionsschuhen ohne Gehhilfen zur Untersuchung, damit unauffälliges Gangbild, kein Hinken, Zehenspitzengang ist li. erschwert Fersengang ist bds. möglich.
Psycho(patho)logischer Status:
Pat. örtlich und zeitlich orientiert, regelrechter Gedankenductus. Orthopädischerseits keine Stimmungsschwankungen feststellbar. Unterhaltung bei Zimmerlautstärke gut verständlich.“
Als Ergebnis der durchgeführten Begutachtung wurde zusammengefasst sodann wie folgt festgehalten:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach 2xiger Bandscheibenoperation auf Höhe L5/S1. Weiterer Bandscheibenvorfall L4/5. Schmerzen mit Ausstrahlung ohne radiculär motorische Ausfälle. Oberer Rahmensatz.
02.01.02
40 vH
02
Z.n. Bandverletzung rechtes Sprunggelenk. Leichte Instabilität. Freie Beweglichkeit. Unterer Rahmensatz.
02.05.32
10 vH
03
kompensierter Tinnitus
12.02.02
10 vH
04
Einseitige geringgradige Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit des anderen Ohres. Aktuelle HNO fachärztliche Begutachtung liegt vor.
12.02.01
0
vH
Gesamtgrad der Behinderung
40 vH
Begründend für den Gesamtgrad der Behinderung wurde ausgeführt, Grundleiden seien die Bandscheibendegenerationen (Laut gerichtsmedizinischem Gutachten teilweise auch posttraumatisch bedingt) der unteren LWS (GS1) mit Schmerzausstrahlung ins linke Bein. Radikulär motorische Ausfälle seien nicht feststellbar. Sprunggelenksbeschwerden (GS2) und Tinnitus (GS3) sowie einseitige leichte Schwerhörigkeit (GS4) würden den GdB wegen Geringfügigkeit der Leiden nicht steigern.
Im Hinblick auf die „Begründung der Positionen bzw. der Rahmensätze“ wurde wie folgt ausgeführt:
„In Vorbefunden wird eine Kraftabschwächung der Fußmuskulatur mit unterschiedlichen Kraftgraden beschrieben.
In der elektrophysiologischen Abklärung konnte kein Hinweis auf eine Denervierung festgestellt werden.
Eine länger anhaltende Kraftabschwächung würde unweigerlich zu einer Verschmächtigung der Muskulatur führen. Diese konnte bei der heutigen Untersuchung bei der Umfangmessung nicht festgestellt werden.
Das Wirbelsäulenleiden war daher nach Pos 02.01.02 einzustufen. Diese ist nach oben hin mit einem GdB von 40% limitiert.
Pos 02.01.03 kann nicht angewandt werden, da die in den Erläuterungen der EVO geforderten radiologisch und klinisch korrelierenden Einschränkungen mit muskulären Ausfällen nicht gegeben sind.“
Folgende beantragten bzw. in den zugrunde gelegten Unterlagen diagnostizierten Gesundheitsschädigungen würden keinen Grad der Behinderung erreichen:
Narben im Gesichtsbereich nach Schnittverletzung
Z.n. Meniskus OP
Z.n. Quetschverletzung und Fraktur Daumen re.
Z.n. Arthroskopie re. Handgelenk bei Läsion FCC (Discus triangularis)
Als Stellungnahme zum Gutachten 1. Instanz wurde wie folgt ausgeführt:
„Bei der aktuellen klinischen Untersuchung konnte ebenso wie bei der Voruntersuchung bei Frau Dr. H. keine Kraftabschwächung der Fußmuskulatur festgestellt werden.
Sprunggelenk hat bei geringer Instabilität nur eine leichte Funktionseinschränkung und wird gleich beurteilt.
Zwischenzeitlich erfolgte eine zusätzliche HNO Begutachtung, wobei Hörminderung und Ohrgeräusch separat eingestuft wurden.“
Weiters wurde betont, dass ein aktuelles HNO-fachärztliches Gutachten vorliege; in diesem werde ein kompensierter Tinnitus mit einem GdB von 10% festgestellt. Die leichte Hörminderung li nach Knalltrauma verursache keinen GdB.
Als Stellungnahme zum Beschwerdevorbringen sowie den vorgelegten Befunden wurde ergänzend ausgeführt, aufgrund der aktuellen klinischen Untersuchung und der vorliegenden Befunde könne keine zusätzliche Beeinträchtigung durch das Wirbelsäulenleiden festgestellt werden. Die in Vorbefunden angeführte Muskelabschwächung der Fußmuskulatur könne bei den aktuellen Untersuchungen nicht festgestellt werden.
10. Mit Schreiben vom 31.8.2020 übermittelte das BVwG dem BF (wie auch dem SMS) das Gutachten von Dr. P. L. vom 20.6.2020 und das Gesamtgutachten von Dr. B. H. vom 26.8.2020.
Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der BF ist 1966 geboren, von Beruf Polizeibeamter und in Österreich wohnhaft.
Beim BF bestehen folgende Funktionseinschränkungen und daraus resultierend folgender Gesamtgrad der Behinderung:
Lfd. Nr.
Funktionseinschränkung
Position
GdB
01
Chronisches Schmerzsyndrom der Lendenwirbelsäule bei Zustand nach 2xiger Bandscheibenoperation auf Höhe L5/S1. Weiterer Bandscheibenvorfall L4/5. Schmerzen mit Ausstrahlung ohne radiculär motorische Ausfälle. Oberer Rahmensatz.
02.01.02
40 vH
02
Z.n. Bandverletzung rechtes Sprunggelenk. Leichte Instabilität. Freie Beweglichkeit. Unterer Rahmensatz.
02.05.32
10 vH
03
kompensierter Tinnitus
12.02.02
10 vH
04
Einseitige geringgradige Schwerhörigkeit links bei Normalhörigkeit des anderen Ohres. Aktuelle HNO fachärztliche Begutachtung liegt vor.
12.02.01
0
vH
Gesamtgrad der Behinderung
40 vH
Das Grundleiden sind die Bandscheibendegenerationen der unteren Lendenwirbelsäule (Pos.-Nr. 1) mit Schmerzausstrahlung ins linke Bein. Radikulär motorische Ausfälle sind nicht feststellbar. Die Sprunggelenksbeschwerden (Pos.-Nr. 2) und Tinnitus (Pos.-Nr. 3) sowie die einseitige leichte Schwerhörigkeit (Pos.-Nr. 4) steigern den Grad der Behinderung wegen Geringfügigkeit der Leiden nicht.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Beweis wurde erhoben durch den Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes des SMS, durch die Einholung weiterer Gutachten durch das BVwG und die diesbezügliche Gewährung von Parteiengehör durch das BVwG.
2.2. Die oben getroffenen Feststellungen zu den beim BF bestehenden Funktionseinschränkungen beruhen auf dem vom BVwG eingeholten Gutachten von Dr. P. L. vom 20.6.2020 (betreffend HNO-Bereich) und von Dr. B. H. vom 26.8.2020 (betreffend insbesondere orthopädischen Bereich und Erstellung des Gesamtgutachtens).
Dazu ist zunächst zu betonen, dass diese Sachverständigengutachten ausführlich begründet, schlüssig und nachvollziehbar sind und keine Widersprüche aufweisen. Die getroffenen Einschätzungen, basierend auf dem im Rahmen der klinischen Untersuchung am 18.6.2020 bzw. 10.8.2020 erhobenen Befund, entsprechen den festgestellten Funktionseinschränkungen. Die vom BF vorgelegten Befunde wurden von den Sachverständigen eingesehen und in die Einschätzung miteinbezogen.
2.3. In seiner Beschwerde monierte der BF insbesondere einerseits, bislang sei eine Kraftabschwächung in der Fußmuskulatur nicht berücksichtigt worden und andererseits, dass seine Schwerhörigkeit links nicht berücksichtigt worden sei.
Diesbezüglich kam der vom BVwG beigezogene Sachverständige aus dem HNO-Bereich nachvollziehbar – anhand konkreter Messungen der Hörleistung des BF – zum Ergebnis, dass die Schwerhörigkeit links ein dermaßen geringes Ausmaß erreicht, dass diese keinen Grad der Behinderung darstellt. Lediglich ein kompensierter Tinnitus sei mit 10% zu bewerten.
Der Gesamtgutachter – ein Facharzt für Orthopädie – wiederum legte eingehend dar, dass keine Kraftabschwächung der Fußmuskulatur festgestellt werden habe können. Eine länger anhaltende Kraftabschwächung würde unweigerlich zu einer Verschmächtigung der Muskulatur führen, welche bei der Umfangmessung nicht festgestellt werden habe können. Das Sprunggelenk habe bei geringer Instabilität nur eine leichte Funktionseinschränkung.
Das Wirbelsäulenleiden sei nach Position 02.01.02 einzustufen; diese sei nach oben hin mit einem GdB von 40% limitiert. Position 02.01.03 könne nicht angewandt werden, da die laut Einschätzungsverordnung geforderten radiologisch und klinisch korrelierenden Einschränkungen mit muskulären Ausfällen nicht gegeben seien.
Zum Gesamtgrad der Behinderung führte der Gesamtgutachter zudem nachvollziehbar aus, Grundleiden seien die Bandscheibendegenerationen (teilweise auch posttraumatisch bedingt) der unteren Lendenwirbelsäule (Pos.-Nr. 1) mit Schmerzausstrahlung ins linke Bein; radikulär motorische Ausfälle seien nicht feststellbar. Die Sprunggelenksbeschwerden (Pos.-Nr. 2) und Tinnitus (Pos.-Nr. 3) sowie die einseitige leichte Schwerhörigkeit (Pos.-Nr. 4) würden den Gesamtgrad der Behinderung wegen Geringfügigkeit der Leiden nicht steigern. Die vom BF erwähnte Narben im Gesichtsbereich nach Schnittverletzung würden im Übrigen keinen Grad der Behinderung darstellen.
Zu alldem kommt hinzu, dass dem BF die Gutachten von Dr. P. L. vom 20.6.2020 und von Dr. B. H. vom 26.8.2020 seitens des BVwG zum Parteiengehör übermittelt worden waren und der BF keine Stellungnahme abgab. Auch insofern ist davon auszugehen, dass der BF diesen Gutachten nichts entgegenzusetzen vermag. Folglich stützt das BVwG die getroffenen Feststellungen auf diese Gutachten.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
3.1. Allgemeine rechtliche Grundlagen
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gemäß § 45 Abs 3 BBG hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen. Gemäß § 45 Abs 4 BBG hat bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs 3 eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.
Gegenständlich liegt somit die Zuständigkeit eines Senats vor.
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
3.2. Die hier einschlägigen Bestimmungen des BBG (bzw. EStG) lauten:
§ 1. […] (2) Unter Behinderung im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.
§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpass auszustellen, wenn
1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder
2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder
3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder
4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder
5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.
[…]
§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn
1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen […]
§ 35 EStG lautet auszugsweise:
§ 35. (1) Hat der Steuerpflichtige außergewöhnliche Belastungen
– durch eine eigene körperliche oder geistige Behinderung,
[…]
und erhält weder der Steuerpflichtige noch sein (Ehe-)Partner noch sein Kind eine pflegebedingte Geldleistung (Pflegegeld, Pflegezulage, Blindengeld oder Blindenzulage), so steht ihm jeweils ein Freibetrag (Abs. 3) zu.
(2) Die Höhe des Freibetrages bestimmt sich nach dem Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung). Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) richtet sich in Fällen,
1. in denen Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden, nach der hiefür maßgebenden Einschätzung,
2. in denen keine eigenen gesetzlichen Vorschriften für die Einschätzung bestehen, nach § 7 und § 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 bzw. nach der Einschätzungsverordnung, BGBl. II Nr. 261/2010, für die von ihr umfassten Bereiche.
Die Tatsache der Behinderung und das Ausmaß der Minderung der Erwerbsfähigkeit (Grad der Behinderung) sind durch eine amtliche Bescheinigung der für diese Feststellung zuständigen Stelle nachzuweisen. Zuständige Stelle ist:
[…]
– In allen übrigen Fällen sowie bei Zusammentreffen von Behinderungen verschiedener Art das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen; dieses hat den Grad der Behinderung durch Ausstellung eines Behindertenpasses nach §§ 40 ff des Bundesbehindertengesetzes, im negativen Fall durch einen in Vollziehung dieser Bestimmungen ergehenden Bescheid zu bescheinigen.
[…]
3.3. Im konkreten Fall bedeutet dies:
Die vom BVwG eingeholten Sachverständigengutachten von Dr. P. L. vom 20.6.2020 (betreffend HNO-Bereich) und von Dr. B. H. vom 26.8.2020 (betreffend insbesondere orthopädischen Bereich und Erstellung des Gesamtgutachtens) sind - wie bereits im Zuge der Beweiswürdigung dargelegt - richtig, vollständig und schlüssig. Die aktuellen Funktionseinschränkungen des BF wurden gemäß der Einschätzungsverordnung eingestuft, es ist beim BF sohin von einem Grad der Behinderung von 40 vH auszugehen. Der BF erfüllt somit nicht die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs 1 BBG.
Folglich ist die Beschwerde spruchgemäß als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Gemäß Art 133 Abs 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen. Das BVwG konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des VwGH bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage betreffend Verfahren und Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses stützen.
Absehen von einer Beschwerdeverhandlung:
Gemäß § 24 Abs 2 Z 1 VwGVG kann eine Verhandlung entfallen, wenn der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist, oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist.
Gemäß § 24 Abs 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt und einem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, [EMRK] noch Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 [GRC] entgegenstehen.
Die Zulässigkeit des Unterbleibens einer mündlichen Verhandlung ist am Maßstab des Art 6 EMRK zu beurteilen. Dessen Garantien werden zum Teil absolut gewährleistet, zum Teil stehen sie unter einem ausdrücklichen (so etwa zur Öffentlichkeit einer Verhandlung) oder einem ungeschriebenen Vorbehalt verhältnismäßiger Beschränkungen (wie etwa das Recht auf Zugang zu Gericht). Dem entspricht es, wenn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung für gerechtfertigt ansieht, etwa wenn der Fall auf der Grundlage der Akten und der schriftlichen Stellungnahmen der Parteien angemessen entschieden werden kann (vgl. EGMR 12.11.2002, Döry / S, RN 37). Der Verfassungsgerichtshof hat im Hinblick auf Art 6 EMRK für Art 47 GRC festgestellt, dass eine mündliche Verhandlung vor dem Asylgerichtshof im Hinblick auf die Mitwirkungsmöglichkeiten der Parteien im vorangegangenen Verwaltungsverfahren regelmäßig dann unterbleiben könne, wenn durch das Vorbringen vor der Gerichtsinstanz erkennbar werde, dass die Durchführung einer Verhandlung eine weitere Klärung der Entscheidungsgrundlagen nicht erwarten lasse (vgl. VfGH 21.02.2014, B1446/2012; 27.06.2013, B823/2012; 14.03.2012, U466/11; VwGH 24.01.2013, 2012/21/0224; 23.01.2013, 2010/15/0196).
Im gegenständlichen Fall ergab sich aus der Aktenlage, dass von einer mündlichen Erörterung keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten war. Der entscheidungswesentliche Sachverhalt erweist sich aufgrund der Aktenlage als geklärt.
Schlagworte
Behindertenpass Grad der Behinderung SachverständigengutachtenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L503.2228524.1.00Im RIS seit
16.12.2020Zuletzt aktualisiert am
16.12.2020