TE Bvwg Beschluss 2020/10/6 W175 2234407-1

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Veröffentlicht am 06.10.2020
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Entscheidungsdatum

06.10.2020

Norm

AsylG 2005 §35
AsylG 2005 §60
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W175 2234409-1/2E

W175 2234407-1/2E

W175 2234406-1/2E

W175 2234408-1/2E

beschluss

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Neumann über die Beschwerden von 1.) mj. XXXX , geb. XXXX , 2.) mj. XXXX , geb. XXXX , 3.) mj. XXXX , geb. XXXX und 4.) mj. XXXX , geb. XXXX , gesetzlich vertreten durch die Kindesmutter XXXX , alle StA. Somalia, gegen die Bescheide der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 21.06.2019, beschlossen:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit zur Erlassung neuer Entscheidungen an die Behörde zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die minderjährigen Erst- bis Viertbeschwerdeführer (BF1 bis BF4) gaben an, Geschwister zu sein. Die BF, Staatsangehörige Somalias, stellten am 20.12.2018 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (ÖB Addis Abeba) Anträge auf Erteilung von Einreisetitel gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Als Bezugsperson wurde die Mutter der BF, ebenfalls somalische Staatsangehörige, genannt, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 19.05.2015 gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status eines Asylberechtigten, abgeleitet von ihrem Sohn, zuerkannt wurde.

Am 20.12.2018 erteilte die ÖB Addis Abeba einen Verbesserungsauftrag und forderte die BF auf, folgende Dokumente vorzulegen:

?        Zustimmung des zweiten Elternteils zur Ausreise für die minderjährigen BF

?        Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG

?        Nachweis über ausreichend finanzielle Mittel

?        Kopie des Mietvertrages

?        Kopie des letzten Urteils/Verlängerung vom Bundesasylamt, Asylgerichtshof, BVwG

Mit Mail vom 20.02.2019 teilte die rechtliche Vertretung der BF per Mail mit, dass die BF mit ihrer Begleitperson schon wieder in Somalia seien und die geforderten Dokumente nicht mehr persönlich nachbringen könnten. Es werde um Weiterleitung der Anträge an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) gebeten. Die Stellungnahme zu den Zusatzvoraussetzungen werde dann nachgereicht werden.

Mit Mail vom 21.02.2019 teilte die ÖB Addis Abeba der rechtlichen Vertretung mit, dass die Anträge (auf Wunsch der BF) an das BFA weitergeleitet würden. Es könne jedoch voraussichtlich nicht von einer positiven BFA Mitteilung ausgegangen werden.

Mit Mail vom 21.02.2019 teilte die rechtliche Vertretung der BF mit, dass ihnen dies durchaus bewusst sei. Es werde trotzdem um Weiterleitung der Anträge an das BFA gebeten.

2. Mit Schreiben vom 21.02.2019 übermittelte die ÖB Addis Abeba die Anträge dem BFA und teilte mit, dass die Bezugsperson im Jahr 2015 im Rahmen des Familienverfahrens zu ihrem Sohn nach Österreich gekommen sei. Die BF hätten somalische Reisepässe vorgelegt. Diese würden generell nicht anerkannt werden, daher könne die ÖB die Identität der BF nicht prüfen und verifizieren. Eine Altersfeststellung betreffend den BF1 werde angeregt, da dieser älter aussehe, als im Reisepass angegeben. Auch sei betreffend den BF1 lediglich eine Sterbeurkunde des Vaters, jedoch keine Abtretungserklärung der Obsorge, vorgelegt worden, sodass von einer erfolgten Zustimmung des Vaters keinesfalls automatisch ausgegangen werden könne. Auch eine Zustimmungserklärung des Vaters der BF2 bis BF4 sei nicht vorgelegt worden. Der Verbesserungsauftrag sei nicht erfüllt worden. Die unvollständigen Anträge würden auf Wunsch der BF vorgelegt werden. In Bezug auf somalische Dokumente wurde darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit, diese nicht automatisch als korrekt eingestuft werden könnten. Eine Überprüfung durch die ÖB sei nicht möglich, da in Somalia keine funktionierenden behördlichen Strukturen bestehen würden, der ÖB keine Unterschrifts- und Stempelproben vorliegen würden und die ÖB über keine Vertrauensleute in Somalia verfüge, welche allfällige Recherchen durchführen könnten. Es bestünden Zweifel an der Identität, dem Verwandtschaftsverhältnis mit der Bezugsperson und an den sonstigen Angaben der BF. Um die angegebenen Familienverhältnisse sicher feststellen zu können, werde die Durchführung von DNA-Tests zum Beweis der leiblichen Mutterschaft der Bezugsperson und eine Altersfeststellung betreffend den BF1 angeregt.

3. Nachdem die Unterlagen dem BFA übermittelt wurden, teilte dieses der belangten Behörde in seiner Mitteilung nach § 35 Abs. 4 AsylG, datiert mit 05.06.2019, mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die BF hätten die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzung gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG nicht nachgewiesen und die Einreise der BF erscheine zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten. Näheres ergebe sich aus der beiliegenden Stellungnahme.

In der diesbezüglichen Stellungnahme wurde ausgeführt, dass der Bescheid der Bezugsperson am 06.06.2015 rechtskräftig geworden sei. Vom Prüfen der Familienvoraussetzungen werde vorerst Abstand genommen, da die Einreiseanträge nicht innerhalb der Dreimonatsfrist nach Erteilung des Status der Asylberechtigten an die Bezugsperson gestellt worden seien und bei der Prüfung die grundsätzlichen Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z1-3 AsylG nicht erfüllt werden würden. Durch die Abfrage des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger und der am 28.05.2019 durchgeführten Einvernahme der Bezugsperson sei festgestellt worden, dass die Bezugsperson gemeinsam mit drei Kindern in einer mit öffentlichen Geldern finanzierten etwa 70m² großen Mietwohnung lebe. Die Bezugsperson gehe auch keiner Beschäftigung nach und sei ausschließlich im Jahr 2018 für zwei Wochen in einem Beschäftigungsverhältnis gewesen. Dass die Einreise der BF zu einer finanziellen Belastung der österreichischen Gebietskörperschaft führen werde, werde auch durch die Angaben der Bezugsperson, wonach sie Hausfrau sei und in Österreich von staatlicher Unterstützung lebe, unterstrichen. Die Bezugsperson habe angegeben, dass zurzeit nicht genügend Wohnraum vorhanden sei. Sie habe aber bereits eine größere Wohnung beantragt, welche von der Stadt bezahlt werden würde. Es sei somit absehbar, dass im Falle der Einreise der vier BF eine erhebliche Belastung der österreichischen Gebietskörperschaft entstehe, weshalb von weiteren Verfahrensschritten, wie dem Einholen eines DNA-Gutachtens zum Feststellen der Familieneigenschaft abzusehen gewesen sei und die Zuerkennung der Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei.

4. Mit Schreiben vom 06.06.2019 wurde den BF eine Aufforderung zur Stellungnahme übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das BFA nach Prüfung der Anträge mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Die BF würden die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG nicht erfüllen und die Einreise erscheine zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK nicht geboten. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Stellungnahme des BFA zu entnehmen. Es werde hiermit Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.

5. In ihrer Stellungnahme, datiert mit 12.06.2019, brachten die BF zusammengefasst vor, dass die Kriterien des § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG im vorliegenden Fall nicht erfüllt werden würden. Die Bezugsperson könne das Erfordernis des Einkommens nicht nachweisen, da sie längere Zeit krank gewesen sei, unter Schmerzen im Schulter-Arm-Bereich und an einer durch einen Bandscheibenvorfall verursachten hochgradigen Schädigung der Nervenwurzel leide. Der Bandscheibenvorfall sei 2016 operativ behandelt worden. Die Bezugsperson sei jedoch bis dato nicht vollständig genesen. Die Bezugsperson habe Deutschkurse besucht, habe aber bisher keine Prüfungen abgelegt und diese auch aufgrund ihrer Krankheit unterbrechen müssen. Sie besuche nunmehr wieder einen A1 Deutschkurs. Sie sei auf Arbeitssuche, habe aber aufgrund der kaum vorhandenen Deutschkenntnisse bislang keine Beschäftigung erlangen können. Ihre in Österreich aufhältigen, bereits selbstständigen Kinder würden die Bezugsperson mit Sach- und Geldleistungen unterstützen. Die Familie würde im Zuge eines Familiennachzuges der BF für gegenseitige Unterstützung sorgen. Es sei § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG anzuwenden. Die Trennung der Familie habe aufgrund der Fluchtgründe der Familie stattgefunden. Ein Sohn der Bezugsperson sei als erster aus dem Heimatland geflohen und habe über den Familiennachzug die Bezugsperson und drei weitere direkte Geschwister nachgeholt. Ein Bruder sei damals vermisst gewesen und sei nunmehr einer der Antragsteller. Die BF würden sich bei einer Angehörigen aufhalten; diese habe jedoch schon ein hohes Alter erreicht. Da die BF noch minderjährig seien und sich ohne Eltern in Äthiopien aufhalten würden, werde auf das Kindeswohl verwiesen. Die Einreise der BF sei zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK dringend geboten. Der Stellungnahme waren Deutschkursbesuchsbestätigungen sowie medizinische Unterlagen betreffend die Bezugsperson angeschlossen.

6. Nachdem die Stellungnahme dem BFA übermittelt wurde, teilte dieses am 19.06.2019 mit, dass an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Eine in der Stellungnahme beschriebene Dringlichkeit könne nicht erkannt werden, zumal mit der Antragstellung über drei Jahre zugewartet worden sei. Da zwischen Statuszuerkennung an die Bezugsperson und Einreiseantragstellung über drei Jahre liegen würden, müssten die Einreiseanträge gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG geprüft werden. Die Bezugsperson sei am 28.05.2019 einvernommen worden. Es stehe fest, dass der Wohnraum der Bezugsperson (70m²) unzureichend sei, die Bezugsperson von Geldern der öffentlichen Hand lebe und über keinerlei erwerbsmäßiges Einkommen verfüge und dass ausschließlich der in Österreich gesetzlich geregelte Pflichtversicherungsschutz vorliege. Die Einreise der BF würde zu einer erheblichen Mehrbelastung der österreichischen Gebietskörperschaft führen. Die vorgelegten medizinischen Bestätigungen würden den entscheidungswesentlichen Sachverhalt nicht verändern. Wenn die Voraussetzungen gemäß § 60 AsylG erfüllt seien, könnten zu einem späteren Zeitpunkt erneut Einreiseanträge eingebracht werden.

7. Mit Bescheiden vom 21.06.2019 wies die ÖB Addis Abeba die Anträge auf Erteilung von Einreisetitel gem. § 26 FPG iVm § 35 AsylG 2005 ab. Das BFA habe nach erneuter Prüfung mitgeteilt, dass durch die Stellungnahme der BF nicht unter Beweis gestellt werden habe können, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten entgegen der seinerzeit erfolgten Mitteilung wahrscheinlich sei.

8. Am 17.07.2019 brachten die BF im Wege ihrer rechtlichen Vertretung Beschwerden bei der ÖB Addis Abeba ein. Darin wurden die Ausführungen der Stellungnahme vom 12.06.2019 wiederholt.

9. Am 10.09.2019 übermittelte das Bundesministerium für Inneres (BMI) der ÖB Addis Abeba einen Entwurf für eine Beschwerdevorentscheidung und bat um Zustellung an die BF.

10. Die rechtliche Vertretung der BF richtete am 29.07.2020 eine Mail an die ÖB Addis Abeba. Darin wurde vorgebracht, dass bereits im Juli 2019 eine Beschwerde eingebracht worden sei. Das Bundesverwaltungsgericht habe mitgeteilt, dass dort kein Beschwerdeakt vorliege. Es werde um Information gebeten, wann die Beschwerde weitergeleitet worden sei oder ob bekannt sei, wo das Rechtsmittel untergegangen sein könnte.

Mit Mail vom 03.08.2020 bat die ÖB Addis Abeba um erneute Übermittlung der Beschwerde.

Am 05.08.2020 wurde die Beschwerde erneut vorgelegt.

11. Am 10.08.2020 teilte die ÖB Addis Abeba dem BMI mit, dass die Beschwerdevorentscheidung im vorliegenden Fall untergegangen sei.

Das BMI bat die ÖB Addis Abeba, die Beschwerdevorentscheidung nicht mehr an die BF zu übermitteln, sondern den Akt dem BMI weiterzuleiten.

12. Mit Schreiben des BMI vom 24.08.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 26.08.2020, wurde der Verwaltungsakt samt nicht zugestellten Beschwerdevorentscheidungsentwurf übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Behebung der Bescheide und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:

„Ausübung der Verwaltungsgerichtsbarkeit

§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).

Beschwerdevorentscheidung

§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.

(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.

Vorlageantrag

§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.

(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde

1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;

2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.

Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.

(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.

Anzuwendendes Recht

§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.“

Gemäß § 9 Abs. 3 FPG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen der Vertretungsbehörden.

Erkenntnisse und Beschlüsse

§ 28 (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

[…]“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005) lauten wie folgt:

„Familienverfahren im Inland

§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen

§60

[…]
(2) Aufenthaltstitel gemäß § 56 dürfen einem Drittstaatsangehörigen nur erteilt werden, wenn

1.der Drittstaatsangehörige einen Rechtsanspruch auf eine Unterkunft nachweist, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen wird,

2.der Drittstaatsangehörige über einen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfügt und diese Versicherung in Österreich auch leistungspflichtig ist,

3.der Aufenthalt des Drittstaatsangehörige zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (§ 11 Abs. 5 NAG) führen könnte, und

[…]

Übergangsbestimmungen

§ 75

[…]

(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde. § 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.

[…]“

Die gegenständlichen Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln wurden am 20.12.2018 persönlich, und somit nach Inkrafttreten des § 35 AsylG idF BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, eingebracht. Gemäß der Übergangsbestimmung § 75 Abs. 24 AsylG 2005 war daher § 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 in der geltenden Fassung anzuwenden. Der Bezugsperson wurde der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 am 06.06.2015 rechtskräftig zuerkannt. Die Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln wurden am 20.12.2018 persönlich und sohin nicht innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 am 01.06.2016 gestellt; die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1-3 sind daher zu erfüllen.

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten wie folgt:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

[…]

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005:

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) idgF lauten wie folgt:

„Mitwirkung eines Fremden

§ 13

[…]

(4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.

[…]“

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz – FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegengehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).

Der VfGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 06.06.2014, B 369/2013, und vom 23.11.2015, E 1510- 1511/2015-15).

Im gegenständlichen Fall ging die Behörde davon aus, dass die BF die Voraussetzungen des § § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG nicht erfüllen würden. Es wurde jedoch unterlassen, die Grundvoraussetzung für die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG, nämlich die Familienangehörigeneigenschaft der BF, zu klären. Der Behörde ist daher ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen.

Aus den Stellungnahmen des BFA vom 05.06.2019 und 19.06.2019 geht hervor, dass vom Prüfen der Familienvoraussetzungen vorerst Abstand genommen werde, da die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG nicht erfüllt seien bzw., dass im Falle der Einreise der BF eine erhebliche Belastung der österreichischen Gebietskörperschaft entstehen werde, weshalb von weiteren Verfahrensschritten, wie dem Einholen eines DNA-Gutachten zum Feststellen der Familieneigenschaft abzusehen gewesen sei.

Die Familienangehörigeneigenschaft der BF wurde im vorliegenden Fall durch die Behörde nicht geprüft und ist daher nicht feststellbar.

Im gegenständlichen Fall wurde Verfahrensvorschriften auch insofern nicht ausreichend Rechnung getragen, als die BF von der Behörde nicht entsprechend § 13 Abs. 4 BFA-VG über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse belehrt wurden. Eine korrekte Anwendung des § 13 Abs. 4 BFA-VG erfordert eine Belehrung des Fremden über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse. Ihm ist auf sein Verlangen und auf seine Kosten eine solche zu ermöglichen (vgl etwa BVwG W175 2142004-1f vom 17.05.2017; W205 21009987-1f vom 16.06.2016; W192 2009649-1f vom 24.03.2016 und W165 2012710-1 vom 07.01.2019).

Vor Abweisung eines Antrags gemäß § 35 AsylG aufgrund von Zweifeln an einem Verwandtschaftsverhältnis hat jedenfalls gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung eines DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: „hat ihm … zu ermöglichen“; „ist zu belehren“; vgl VwGH 22.02.2018, Ra 2017/18/0131).

Aus dem Verfahrensakt ist jedenfalls nicht ersichtlich, dass den BF eine derartige Belehrung erteilt bzw. eine organisatorische Hilfestellung gewährt worden wäre, was einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 13 Abs. 4 BFA-VG darstellt.

Die Behörde hat im vorliegenden Fall die Familienangehörigeneigenschaft der BF nicht geprüft. Dies wird sie im fortgesetzten Verfahren evtl. durch (erneute) Einvernahme der Bezugsperson und der BF sowie allfälliger DNA-Analyse oder Altersfeststellungsgutachten nachzuholen haben.

Für den Fall, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt sind, ist die Ermessensregel des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zu beachten. Voraussetzung dieser Ausnahme ist, dass die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens „dringend geboten ist“. So ist im Zuge dieser Beurteilung unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VfGH vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, sowie sinngemäß VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Eine derartige Abwägung der privaten und familiären Interessen des BF iSd Art. 8 EMRK setzt jedoch voraus, dass die Familienangehörigeneigenschaft der BF als minderjährige Kinder der Bezugsperson zweifelsfrei feststeht.

Da im gegenständlichen Fall schon die primäre Voraussetzung für die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Asyl nicht festgestellt werden kann, ist der Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen. Da diese Vorfrage ungeklärt ist, war auch auf die Frage, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG im gegenständlichen Fall erfüllt sind, nicht näher einzugehen.

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren festzustellen haben, ob die Familienangehörigeneigenschaft zweifelsfrei vorliegt oder nicht. Dazu werden die Angaben der BF und der Bezugsperson sowie die vorgelegten Unterlagen heranzuziehen sowie gegebenenfalls eine Paralleleinvernahme durchzuführen sein. Sollten die Beweismittel als nicht geeignet befunden werden, um das behauptete Verwandtschaftsverhältnis zwischen den BF und der Bezugsperson nachzuweisen, wäre eine DNA-Analysen zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft der BF erforderlich. Erst dann kann gegebenenfalls eine Abwägung der Interessen der BF an einer Fortsetzung des Familienlebens in Österreich erfolgen. Gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG hat eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren"). Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren unter Umständen – unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH 22.02.2018, RA2017/18/0131) – eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und den BF Gelegenheit zur Vornahme einer solchen DNA-Analyse zu geben haben.

Hinzuweisen ist in dem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]).

Aus obgenannten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG zu beheben und die Angelegenheit zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die ÖB Addis Abeba zurückverwiesen.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) der gegenständlichen Beschwerdeverfahren hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zur Familienangehörigeneigenschaft der BF nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A) wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

DNA-Daten Ermittlungspflicht Familienangehöriger Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W175.2234407.1.00

Im RIS seit

14.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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