TE Bvwg Beschluss 2020/10/7 W240 2234781-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.10.2020
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Entscheidungsdatum

07.10.2020

Norm

AsylG 2005 §35
AsylG 2005 §60
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W240 2234781-1/2E
W240 2234780-1/2E
W240 2234779-1/2E
W240 2234778-1/2E
W240 2234777-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. FEICHTER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 28.07.2020, Zl. Addis-Abeba-ÖB/RECHT/0007/2020, aufgrund der Vorlageanträge von XXXX alle StA. Somalia, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Addis Abeba vom 10.01.2020, beschlossen:

A) In Erledigung der Beschwerden werden die bekämpften Bescheide und die Beschwerdevorentscheidungen behoben und die jeweilige Angelegenheit zur Erlassung neuer Entscheidungen an die Österreichischen Botschaft Addis Abeba zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der übrigen minderjährigen Beschwerdeführer. Alle sind somalische Staatsbürger. Sie stellten am 02.08.2018 bei der Österreichischen Botschaft Addis Abeba (künftig: ÖB) jeweils einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005.

Als Bezugsperson wurde der Ex-Ehemann der Erstbeschwerdeführerin und angebliche Vater der übrigen Beschwerdeführer bezeichnete XXXX , StA. Somalia, genannt dem mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.10.2014, rechtskräftig seit 19.11.2014, Zl. 1015782905-14549711, Asyl zuerkannt wurde sowie die als Tochter der Erstbeschwerdeführerin bezeichnete XXXX , StA. Somalia, welcher gem. § 34 Abs. 2 AsylG die Asylberechtigung zuerkannt wurde.

Mit Verbesserungsauftrag vom 02.08.2018 wurde den Beschwerdeführern aufgetragen, ein Passfoto in Farbe, die Geburtsurkunde in Original und Kopie, die Heiratsurkunde im Original und Kopie sowie eine Kopie der Asylkarte der Bezugsperson und den Nachweis über ausreichend finanzielle Mittel vorzulegen.

Es wurden folgende Dokumente vorgelegt:

-        Passkopien der Beschwerdeführer und der Bezugsperson

-        Asylkarte der Bezugspersonen

-        Geburtsurkunde der Erstbeschwerdeführerin, Marital Status: „Married“, Ausstellungsdatum unleserlich

-        Geburtsurkunden der übrigen Beschwerdeführer, der Vater wird nicht erwähnt

-        Bescheid der Bezugsperson über bedarfsorientierte Mindestsicherung und Wohnbedarfshilfe vom 20.06.2018

-        „Kostenblatt“

-        Heiratsurkunde, Ausstellungsdatum XXXX .2018

-        Meldeauszug der Bezugsperson und einer Tochter

-        Meldebestätigung der Tochter

-        E-cards der Bezugspersonen

-        Bescheid der Bezugsperson

-        Wohnplatznutzungsvertrag aus dem hervorgeht, dass in der näher bezeichneten Wohnung neben der Bezugsperson seine Ehefrau und neun Kinder wohnhaft seien

3. Nach Weiterleitung der Anträge auf Einreiseerlaubnis an das BFA teilte dieses der ÖB mit Schreiben vom 01.02.2019 gemäß § 35 Abs. 4 AsylG mit, dass die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei, da die Beschwerdeführer die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gem. § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG, (Rechtsanspruch auf eine Unterkunft, die für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehen werde; das Vorliegen eines eine alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes und deren Leistungspflicht in Österreich; Nachweis, dass der Aufenthalt zu keiner finanziellen Belastung der Gebietskörperschaft führen könnte) nicht nachweisen könnten und die Einreise der Beschwerdeführer zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine.

In der angeschlossenen Stellungnahme wird vom BFA hierzu näher ausgeführt, dass der männlichen Bezugsperson mit Bescheid des BFA vom 31.10.2014 der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei und dieser Bescheid am 19.11.2014 in Rechtskraft erwachsen sei. Die Einreiseanträge der Beschwerdeführer seien am 02.08.2018 gestellt worden. Nachdem dies nicht innerhalb der Dreimonatsfrist gem. § 35 Abs. 1 AsylG eingebracht worden sei, hätten die Voraussetzungen gem. § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG geprüft werden müssen. Die Überprüfung habe ergeben, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt werden würden, daher seien von weiteren Verfahrensschritten, wie die Einholung eines DNA-Gutachtens zum Feststellen der Familieneigenschaft Abstand gehalten worden. Es sei festgestellt worden, das jener in Österreich lebende Teil der Familie, bestehend aus der Bezugsperson, seiner Ehefrau und neun minderjährigen Kindern ausschließlich auf Kosten der öffentlichen Hand lebe. Die elfköpfige Familie lebe in einer 120 Quadratmeter Wohnung, wofür die öffentliche Hand aufkomme. Ebenso bestehe keine über die Pflichtversicherung hinausreichende Krankenversicherung. Es sei somit absehbar, dass im Falle der Einreise der fünf Beschwerdeführer eine erhebliche Belastung der österreichischen Gebietskörperschaft entstehe.

4. Die ÖB räumte den Beschwerdeführern mit Schreiben vom 04.02.2019 die Möglichkeit zur Stellungnahme zur Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ein, dazu langte keine Stellungnahme ein.

5. Nach neuerlicher Prüfung des Sachverhalts am 09.01.2020, teilte das BFA neuerlich mit, dass auch nach Vorlage eines Arbeitsvertrages und einem Lohnzettel eine Einreise der Beschwerdeführer zu einer erheblichen Belastung der österreichischen Gebietskörperschaften führen würde und daher die Zuerkennung des Status iSd §°35°Abs.°4°AsylG nicht wahrscheinlich sei.

6. Am 29.01.2019 wurde die von den Beschwerdeführern angegebene männliche Bezugsperson einer niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA, unter Beiziehung der weiblichen Bezugsperson als Vertrauensperson, unterzogen. Hierbei gab die männliche Bezugsperson an, dass es eine Zeit gegeben habe, wo er mit zwei Frauen gleichzeitig verheiratet gewesen sei. Nun sei er aber nur mehr mit der Frau, mit der er in Österreich zusammenlebe, verheiratet. Von der Erstbeschwerdeführerin habe er sich rechtskräftig scheiden lassen, Urkunden diesbezüglich würden keine existieren. Es sei korrekt, dass er mit seiner Ehefrau und neun Kindern im gemeinsamen Haushalt lebe, die neun Kinder seien aber nicht alles seine leiblichen Kinder, vier ältere Kinder seien die Kinder der Erstbeschwerdeführerin. Dies sei beim seinerzeitigen Einreiseverfahren im Jahr 2016 beim DNA-Test berücksichtigt worden. Die Erstbeschwerdeführerin habe sich mit den vier Kindern immer in Addis Abeba aufgehalten. Nachgefragt, warum für diese nicht seinerzeit (2016) der Einreiseantrag gestellt worden sei, erklärte die Bezugsperson, sie hätten keinen Kontakt gehabt, er habe nicht gewusst, wo sie sich aufgehalten hätten. Die Schwester der Erstbeschwerdeführerin habe schließlich den Kontakt wiederhergestellt. Befragt, wie groß seine Wohnung sei und wer dafür aufkomme, erklärte die Bezugsperson, die Wohnung sei etwa 120 Quadratmeter groß, aufkommen würde der österreichische Staat dafür. An der Adresse würden nur er und seine Familie wohnen. Sodann wurde die Bezugsperson zu ihrem Leben in Somalia befragt. Sie gab an, dass die Frauen an unterschiedlichen Adressen gelebt hätten. Der Ehemann müsse die Frauen versorgen, wenn das Geld reiche, könne er auch eine zweite Frau haben. In Somalia habe er sein eigenes Geschäft gehabt, er habe mit Textilien, Schmuck und Schuhen gehandelt. In Österreich beziehe er Sozialleistungen vom AMS und Sozialhilfe. Er habe nur einmalig eine Arbeit bekommen und fünfzehn Tage gearbeitet. Er habe kein Glück gehabt und sei krank geworden und nach fünfzehn Tagen gekündigt. Seine Familie würde von Sozialhilfe leben, andere Einkünfte hätten sie nicht. Nachgefragt, von was, seine Zweitfrau und vier weitere Kinder seiner Meinung nach in Österreich leben würden, gab die Bezugsperson an, er hoffe, dass er Arbeit finde.

Die Bezugsperson legte weiter Dokumente vor.

7. Mit den angefochtenen Bescheiden vom 10.01.2020, verweigerte die ÖB den Beschwerdeführern die Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG mit der Begründung, das BFA habe nach Prüfung mitgeteilt, dass in dem Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels zugrunde liegenden Fall die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei, und verwies – unter Wiedergabe der Argumente des BFA - auf die negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA.

8. Gegen diese Bescheide richtet sich die gegenständliche Beschwerde. In dieser wird ausgeführt, dass die Unterkunft angesichts der familiären Verhältnisse als ortsüblich anzusehen sei, die Bezugsperson inzwischen gemäß dem Arbeitsvertrag auf Vollzeit-Basis angestellt sei und es ihm nicht möglich sei, durch seine Erwerbstätigkeit ein den Richtsätzen entsprechendes Einkommen zu erzielen, das ihm dauerhaft eine Familienzusammenführung ermöglichen würde. Somit wäre er an einem adäquaten Familienleben iSd Art. 8 EMRK dauerhaft gehindert. Obwohl die genannten Zusatzvoraussetzungen nicht vollständig erfüllt werden könnten, sei hier dennoch eine Mitteilung über die wahrscheinliche Asylgewährung zu erteilen, da der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zur Anwendung komme Die Familie sei lediglich aufgrund der notwendigen Flucht der Bezugsperson voneinander getrennt worden und beabsichtige, das Familienleben fortzusetzen. Die Ehegatten hätten lange Zeit zusammengelebt und die Geburt der Kinder sei vor der Ausreise der Bezugsperson erfolgt. Im Zeitpunkt der Familiengründung hätten die Beschwerdeführer und die Bezugsperson davon ausgehen können, dass das Familienleben fortgesetzt werden könne. Somit sei das Familienleben besonders schützenswert iSd Art. 8 EMRK.

Den Beschwerden waren ein Dienstvertrag-Arbeitskräfteüberlassung vom 10.01.2020 beigelegt.

9. Mit nunmehr angefochtener Beschwerdevorentscheidung vom 28.07.2020, wies die ÖB die Beschwerden gemäß §°14 Abs. 1 VwGVG ab. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden im Ausland bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG an die Mitteilung des BFA hinsichtlich der Prognose einer Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Auch nach dem Beschwerdevorbringen sei unstrittig, dass die Beschwerdeführer einen Antrag nach §°35°Abs.°1 AsylG 2005 gestellt hätten und dass eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des BFA ergangen sei. Auch sei die Stellungnahme der Beschwerdeführer ordnungsgemäß dem BFA zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung vorgelegt und erst in der Folge bescheidmäßig abgesprochen worden. Als alleintragender Grund für die Abweisung des von den Beschwerdeführern gestellten Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels gem. §°35°Abs.°1°AsylG 2005 komme somit (nur) in Betracht, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erfolgsaussichten eines Antrags der Beschwerdeführer auf Gewährung desselben Schutzes (wie der Bezugsperson) als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden.

Unabhängig von der Bindungswirkung vertrete auch die belangte Behörde die Ansicht, dass im gegenständlichen Fall jedenfalls die Einreisetitel zu verweigern seien, da es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um die Ex-Ehefrau der Bezugsperson handle und die Voraussetzungen gem. § 60 Abs. 2 § 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt seien.

So sei im Beschwerdefall unstrittig, dass es sich bei der Erstbeschwerdeführerin um die Ex-Frau der Bezugsperson handle und eine Ehe zwischen der Erstbeschwerdeführerin und der Bezugsperson nicht mehr bestehe. Die Erstbeschwerdeführerin werde somit vom Personenkreis des § 35 Abs. 5 AsylG nicht erfasst. So sei es Rechtsprechung der Höchstgerichte, dass das Bestehen einer Ehe nach dem klaren Wortlaut des § 35 Abs. 5 AsylG für die Qualifikation von Ehepartnern als Familienangehörige maßgeblich sei. Auch konnte zutreffend davon ausgegangen werden, dass die Tatbestandvoraussetzungen des
§ 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG nicht vorliegen würden. Die Beschwerdeführer hätten Gelegenheit erhalten, die näher angeführten Ablehnungsgründe nach § 60 AsylG durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen. Darauf hätten die Beschwerdeführer nicht reagiert und keine Stellungnahme abgegeben, was in der Beschwerde auch eingeräumt werde. Wenn nunmehr in der Beschwerde versucht werde, eine Stellungnahme „nachzuholen“ bzw die Auffassung des BFA über das Nichtvorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1-3 AsylG erst in der Beschwerde zu bekämpfen, so unterliege dies dem Neuerungsverbot des § 11a FPG. Abgesehen davon, habe die Bezugsperson bereits seine zweite Ehefrau mitsamt neun Kindern mithilfe der Familienzusammenführung nach Österreich geholt und würden diese zum Zeitpunkt der abweisenden Bescheide ausschließlich auf Kosten der öffentlichen Hand leben und reiche die bedarfsorientierte Mindestsicherung niemals aus, um die Ex-Ehefrau und vier weitere Kinder nach Österreich zu holen.

10. Am 03.08.2020 wurde bei der ÖB ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht.

11. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 03.09.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 07.09.2020, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.


II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A) Stattgebung der Beschwerden und Zurückverweisung:

Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:

§ 34 AsylG 2005:

„§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“

§ 35 AsylG 2005:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

„§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.“

§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG)

Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

„§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.“

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 FPG lautet:

„§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

§ 13 Abs. 4 BFA-VG lautet:

„Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält.“

§ 28 Abs. 1 bis 3 VwGVG lautet wie folgt:

„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

3.1. Das Bundesverwaltungsgericht fasst an dieser Stelle den entscheidungserheblichen Sachverhalt zusammen:

Die männliche Bezugsperson ist seit 31.10.2014 in Österreich asylberechtigt. Die männliche Bezugsperson holte im Rahmen eines Familienverfahrens seine Zweitfrau nach Österreich und lebt mit insgesamt neun Kindern (wovon eines die weibliche Bezugsperson ist) in Österreich. Die weibliche Bezugsperson erhielt eine im Familienverfahren abgeleiteten Status als Asylberechtigte gem. § 34 Abs. 2 AsylG. Bei der Erstbeschwerdeführerin handelt es sich um die Ex-Erstfrau der männlichen Bezugsperson und um die Mutter der weiblichen Bezugsperson.

Zu den Abstammungen der in Österreich aufhältigen neun Kinder, insbesondere welche die gemeinsamen Kinder der männlichen Bezugsperson und der Erstbeschwerdeführerin bzw. welche nur die Kinder der Erstbeschwerdeführerin sind, kann an dieser Stelle keine Aussage getroffen werden.

Richtig ist, dass die Erstbeschwerdeführerin als geschiedene Ehefrau der männlichen Bezugsperson keine Familienangehörige von ihm im Sinne des § 35 Abs. 5 AsylG mehr ist.

Ebenso richtig ist es, dass § 34 Abs. 6 AsylG die Ableitung eines Status nach dem AsylG auf einen Familienangehörigen nach bereits über das Familienverfahren erstreckter Zuerkennung eines Titels nicht mehr ermöglicht.

3.2. Der VfGH hat in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert, im Visaverfahren nach § 35 AsylG auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15).

Zunächst ist festzuhalten, dass die belangte Behörde korrekt davon ausging, dass die Voraussetzungen des § § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt werden. Der männlichen Bezugsperson wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31.10.2014, rechtskräftig seit 19.11.2014, der Status der Asylberechtigten zuerkannt. Der Einreiseantrag der Beschwerdeführer wurde am 02.08.2018, somit jedenfalls außerhalb der in § 35 Abs. 1 AsylG vorgesehenen dreimonatigen Frist und auch außerhalb der in § 75 Abs. 24 AsylG vorgesehenen dreimonatigen Übergangsfrist nach Inkrafttreten des BGBl. I Nr. 24/2016 am 01.06.2016, innerhalb derer die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt werden müssten, gestellt.

Im gegenständlichen Fall sind die Erteilungsvoraussetzungen nach § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG nicht erfüllt worden. Die Beschwerdeführer konnten (mit Hilfe der Bezugsperson) den Nachweis eigener und fester Einkünfte nicht erbringen und verfügen sie somit nicht über ausreichende Mittel zur Bestreitung des Lebensunterhaltes in Österreich. Es konnte daher kein Nachweis erbracht werden, dass der Aufenthalt der Beschwerdeführer zu keiner finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte. Auch das Erfordernis einer für eine vergleichbar große Familie als ortsüblich angesehenen Unterkunft konnte nicht erbracht werden. Auch der Nachweis eines alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes wurde nicht erbracht. Es ist zudem auszuführen, dass die männliche Bezugsperson bereits mit einer Ehefrau und neun Kindern in Österreich lebt und die Lebenserhaltungskosten der elfköpfigen Familie vom österreichischen Staat getragen werden.

Sohin liegen die Voraussetzungen nach § 60 AsylG nicht vor.

Im gegenständlichen Fall ist jedoch auch die Ermessensregel des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zu beachten. Voraussetzung dieser Ausnahme ist, dass die Einreise des Antragstellers zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens „dringend geboten ist“. So ist im Zuge dieser Beurteilung unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalls eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VfGH vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, sowie sinngemäß VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Eine derartige Abwägung der privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführer iSd Art. 8 EMRK setzt jedoch voraus, dass die Familienangehörigeneigenschaft der Beschwerdeführer als minderjährige Kinder bzw. Mutter der Bezugsperson(en) zweifelsfrei feststeht. Dies ist jedoch nicht der Fall, weshalb der Behörde ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren vorzuwerfen ist.

Aus der Stellungnahme der ÖB Addis Abeba vom 01.02.2019 geht hervor, dass von weiteren Verfahrensschritten, wie die Einholung eines DNA-Gutachtens zum Feststellen der Familieneigenschaft, Abstand genommen wurde, da die Voraussetzungen
gem. §°60°Abs.°2°Z°1 AsylG nicht erfüllt werden. Der Verfassungsgerichtshof hat jedoch in seiner oben angeführten Entscheidung vom 23.09.2019, E 2226-2230/2019, festgehalten, dass bei Nichterfüllung der Voraussetzungen immer eine Abwägung zu erfolgen hat, ob die Stattgebung des Antrages dennoch gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist.

Da aus dem Sachverhalt nicht hervorgeht, ob die Erstbeschwerdeführerin die Mutter der weiblichen Bezugsperson ist und auch nicht hervorgeht, dass die männliche Bezugsperson der Vater der übrigen Beschwerdeführer ist, wären DNA-Analysen zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft erforderlich gewesen. Für den Fall, dass ein Verwandtschaftsverhältnis vorliegt, wäre zudem zu prüfen, warum den in Österreich aufhältigen Kindern der Erstbeschwerdeführerin, die angeblich nicht die Kinder der männlichen Bezugsperson sind, trotzdem mittels Familiennachzug in Österreich eine Asylberechtigung zuerkannt wurde. Zudem sind weitere Ermittlungen zum Personenstand der männlichen Bezugsperson anzustellen und ist gegebenenfalls die Erstbeschwerdeführerin und die männliche Bezugsperson zur vorgebrachten Scheidung zu befragen, da der Status der Erstbeschwerdeführerin entgegen der behaupteten Scheidung in den vorgelegten Urkunden als „verheiratet“ eingetragen ist.

Erst dann kann eine Abwägung der Interessen der Beschwerdeführer an einer Fortsetzung des Familienlebens in Österreich erfolgen. Gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG hat eine organisatorische Hilfestellung zur Beibringung des DNA-Nachweises und die entsprechende Belehrung zu erfolgen (arg: "hat ihm (...) zu ermöglichen"; "ist (...) zu belehren").

Die Behörde wird daher im fortgesetzten Verfahren – unter Berücksichtigung der höchstgerichtlichen Judikatur (vgl. VwGH 22.02.2018, RA2017/18/0131) – eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und den Beschwerdeführern Gelegenheit zur Vornahme einer solchen DNA-Analyse zu geben haben.

Hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die ständige Rechtsprechung des EGMR, wonach ein von Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Familienleben zwischen Eltern und Kind mit dem Zeitpunkt der Geburt entsteht (vgl. EGMR 21.6.1988, Fall Berrehab, Appl. 10730/84 [Z 21]; 26.5.1994, Fall Keegan, Appl. 16969/90 [Z 44]). Diese besonders geschützte Verbindung kann in der Folge nur unter außergewöhnlichen Umständen als aufgelöst betrachtet werden (EGMR 19.2.1996, Fall Gül, Appl. 23218/94 [Z 32]). Dies ist im Hinblick auf die Erstbeschwerdeführerin und ihren angeblichen in Österreich aufhältigen Kindern von Belangen.

Sollte es im fortgesetzten Verfahren im Zuge der DNA-Gutachtensergebnisse erweislich sein, dass die Beschwerdeführer die Kinder der männlichen Bezugsperson sind bzw. die Erstbeschwerdeführerin minderjährige Kinder in Österreich hat, ist in weiterer Folge eine Abwägung des öffentlichen Interesses mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen an einer Familienzusammenführung trotz Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 AsylG, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien, vorzunehmen. Nicht außer Acht gelassen werden darf in Hinblick auf die Erstbeschwerdeführerin jedenfalls, dass es gem. § 34 Abs. 6 AsylG zu einer Einschränkung von „Kettenasyl“ kommt (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Kommentar Asyl und Fremdenrecht [2016] § 34 AsylG 3. RV 330 XXIV. GP Abs. 6, K23.).

Im Sinne obiger Rechtsprechung des VfGH muss also gegenständlich geprüft werden, ob es trotz der entgegenstehenden rechtlichen Rahmenbedingungen geboten sein könnte, den Beschwerdeführern zu ermöglichen, ein Familienleben in Österreich fortzusetzen bzw. eine entsprechende dies verweigernde Entscheidung ausreichend zu begründen.

Aus obgenannten Gründen spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war das Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

DNA-Daten Ermittlungspflicht Familienangehöriger Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W240.2234781.1.00

Im RIS seit

14.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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