TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W169 1305768-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs11
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

W169 1305768-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Barbara MAGELE als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.03.2017, Zl. 760912806-160014770, nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 30.07.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 31.08.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 20.09.2006, FZ. 0609.128-EASt Ost, abgewiesen wurde. Dem Beschwerdeführer wurde gemäß § 3 Abs. 1 AsylG weder der Status des Asylberechtigten, noch gemäß § 8 Abs. 1 AsylG jener des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien zuerkannt und wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen.

2. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.06.2010, Zl. C4 305.768-1/2008/4E, als unbegründet abgewiesen.

3. Am 05.01.2016 brachte der Beschwerdeführer beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG ein.

4. Mit Schreiben des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2016 wurde der Beschwerdeführer darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei, seinen Antrag vom 05.01.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 1 AsylG zurückzuweisen und eine Rückkehrentscheidung zu erlassen. Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, ein gültiges Reisedokument vorzulegen, ihm wurden diverse Fragen zu seinem Privat- und Familienleben in Österreich gestellt und zur Abgabe einer entsprechenden Stellungnahme eine Frist von 14 Tagen gewährt.

5. Am 10.11.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ein Antrag auf Gewährung einer Fristerstreckung ein.

6. Am 13.12.2016 langte beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine Stellungnahme des Beschwerdeführers ein. Darin wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer persönlich bei der zuständigen indischen Botschaft vorgesprochen habe, er jedoch eine Bestätigung über diese persönliche Vorsprache nicht ausgehändigt erhalten habe. Auch sei ihm keine Bestätigung darüber ausgehändigt worden, dass ihm ein Reisedokument derzeit nicht ausgestellt werde, weshalb er um Heilung des Mangels betreffend die Vorlage eines Reisedokumentes bitten würde. Der Umstand, dass ein gültiges Reisedokument vom Beschwerdeführer derzeit nicht zur Vorlage gebracht werden könne, könne nicht zu seinen Lasten ausgelegt werden.

7. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.02.20017 führte der Beschwerdeführer nach Vorhalt, dass er trotz einer rechtskräftigen Ausweisung nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens das österreichische Bundesgebiet nicht verlassen und sich auch nicht um Ausstellung eines Dokumentes bemüht habe, an, dass er keine Bestätigung von der indischen Botschaft bekommen habe. Er sei nicht in Besitz eines gültigen oder abgelaufenen Reisepasses. Seinen Reisepass habe der Schlepper weggeworfen. Er könne keine Bestätigung vorlegen, dass er sich mit seiner Vertretungsbehörde in Verbindung gesetzt habe. Er sei mit einem Freund zur indischen Botschaft in Wien gegangen. Die Adresse wisse er aber nicht mehr. Die Botschaft liege im 1. Bezirk. Er sei seit 2016 durchgehend in Österreich aufhältig und wohne mit einem Freund in Wien. Auf die Frage, wo er sich vom 10.11.2010 bis 18.05.2015 aufgehalten habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er die ganze Zeit in 1100 Wien, XXXX , gewohnt habe, aber behördlich abgemeldet worden sei. Auf die Frage, wie er seinen Aufenthalt in Österreich finanziere, gab der Beschwerdeführer an, dass er Zeitungen zustelle, eine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung besitze er nicht. Er habe keine Angehörigen in Österreich, seine Eltern und sein Bruder würden in Indien leben. Mit diesen habe er telefonischen Kontakt. Er wolle nicht mehr nach Indien zurück, da es für ihn nur Probleme dort gebe. Weiters gab der Beschwerdeführer an, dass er in Indien, im Bundesstaat Punjab, gewohnt habe. Er habe keine Kinder. Er habe keine familiären, beruflichen oder sonstigen Bindungen zu Österreich. Er sei nicht Mitglied in irgendeinem Verein in Österreich und habe einen A1-Kurs absolviert. Einen A2-Kurs habe er nicht bestanden. Er habe österreichische Bekannte. Eine Schwester von ihm lebe in England. Sein Asylverfahren habe sich hinsichtlich seines Privat- und Familienlebens in Österreich nicht verändert.

Der Beschwerdeführer wurde aufgefordert, sich nochmals mit seiner Vertretungsbehörde in Verbindung zu setzen und zu versuchen, ein Reisedokument zu erlangen. Sollte er kein Dokument erhalten, sei dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eine diesbezügliche Bestätigung vorzulegen.

Dem Beschwerdeführer wurde im Rahmen der Einvernahme das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien ausgehändigt und ihm die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist von 14 Tagen dazu Stellung zu nehmen.

8. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 AsylG gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 iVm 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 3 FPG eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde festgestellt, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Unter Spruchpunkt V. wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13.12.2016 gemäß § 4 Abs. 2 AsylG-DV abgewiesen.

Begründend wurde zu Spruchpunkt I. und V ausgeführt, dass der Beschwerdeführer bis dato keinen gültigen Reisepass vorgelegt habe, obwohl er mehrmals zur Vorlage eines solchen aufgefordert worden sei. Stattdessen habe er am 13.12.2016 einen Antrag auf Zulassung der Heilung des Mangels zur Vorlage eines Reisepasses eingebracht. Er habe keine Bestätigung vorgelegt, dass er bei der indischen Botschaft einen neuen Reisepass beantragt habe bzw. die Ausstellung eines solchen verweigert worden wäre, weshalb der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 zurückzuweisen und der Antrag auf Heilung abzuweisen sei.

Zur Rückkehrentscheidung wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer seit rechtskräftig negativem Abschluss seines Asylverfahrens und Erlassung einer rechtskräftigen Ausreiseentscheidung unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei. Zudem sei er von 10.11.2010 bis zum 17.05.2015 in Österreich nicht behördlich gemeldet gewesen, obwohl der Beschwerdeführer Beweismittel beigebracht habe, dass er sich in diesem Zeitraum in Österreich aufgehalten habe, weshalb die Behörde dem Beschwerdeführer vorwerfe, dass er in diesem Zeitraum bewusst untergetaucht sei, anstatt das Bundesgebiet nach asylrechtlicher Ausweisung aus dem Jahre 2010 zu verlassen. Hinsichtlich seines Privatlebens wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer über kein verfahrensrelevantes Privatleben in Österreich verfüge. Er gehe keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nach, habe einen Deutschkurs auf dem Niveau A1 bestanden, sei kein Mitglied in einem Verein und habe lediglich österreichische Bekannte. Der Beschwerdeführer sei in Österreich zwar selbsterhaltungsfähig, zumal er Zeitungen verteile, jedoch würde dafür keine Bewilligung vorliegen. Zudem sei der Beschwerdeführer diese Tätigkeit in einem Zeitraum nachgegangen, in welchem er sich unrechtmäßig in Österreich aufgehalten habe. Aufgrund der Tatsache, dass sämtliche Familienangehörige in Indien aufhältig seien und er zu diesen auch in Kontakt stehe, seien Bindungen zum Heimatland vorhanden. Der Beschwerdeführer sei zwar strafgerichtlich unbescholten, er habe jedoch durch seinen unrechtmäßigen Aufenthalt und der Weigerung auszureisen, sowie durch die Tatsache, dass er für ca. fünf Jahre in Österreich untergetaucht sei, gegen die öffentliche Ordnung verstoßen. Die bisherige Dauer seines Aufenthaltes in Österreich sei somit zum großen Teil seinem beharrlichen Verbleiben im Bundesgebiet trotz bestehender Ausreiseverpflichtung zuzuschreiben. Das Privatleben, das er sich in Österreich aufgebaut habe, sei zudem zu einem Zeitpunkt entstanden, als er sich seines unsicheren Aufenthaltes hätte bewusst sein müssen. Folglich habe kein verfahrensrelevantes und schützenswertes Privat- und Familienleben in Österreich festgestellt werden können. Die öffentlichen Interessen an der Erlassung einer Rückkehrentscheidung würden daher höher gewertet werden, als die privaten Interessen des Verbleibs des Beschwerdeführers in Österreich. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung sei daher zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele geboten. Im Falle des Beschwerdeführers liege zudem keine Gefährdung iSd § 50 Abs. 1 und 2 FPG vor, zumal sich weder aus seinem Vorbringen, noch aus der amtsbekannten allgemeinen Lage zu Indien ein Hinweis darauf ergebe, dass ihm die Flüchtlingseigenschaft zukäme oder er diese begehren würde. Im Fall der Abschiebung sei auch nicht davon auszugehen, dass ihm eine reale Gefahr einer Menschenrechtsverletzung drohe. Auch eine Empfehlung des europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte existiere für Indien nicht, weshalb die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ergebe sich aus § 55 FPG, da persönliche Umstände, die der Beschwerdeführer bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hätte, nicht gegeben seien.

9. Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter fristgerecht Beschwerde erhoben und seine bisher getätigten Angaben wiederholt. Zudem gab der Beschwerdeführer an, dass er seit 2006, daher seit mehr als 10 Jahren, im österreichischen Bundesgebiet aufhältig sei. Schlussendlich wurde der Antrag gestellt, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

10. Für den 30.07.2020 wurde beim Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche, mündliche Beschwerdeverhandlung anberaumt und der Beschwerdeführer im Wege seines ausgewiesenen Vertreters nachweislich geladen. Daraufhin teilte der ausgewiesene Vertreter des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 30.06.2020 mit, dass das Vertretungsverhältnis mit dem Beschwerdeführer seit 16.05.2019 zur Auflösung gebracht worden sei. Folglich wurde vom Bundesverwaltungsgericht versucht, die Ladung zur Verhandlung am 30.07.2020 an den Beschwerdeführer an seine aktuelle Meldeadresse persönlich zuzustellen und wurde die Ladung zur Verhandlung dort am 03.07.2020 hinterlegt. Da der Beschwerdeführer die Ladung nicht behoben hat, wurde das Stadtpolizeikommando XXXX vom Bundesverwaltungsgericht um Amtshilfe betreffend Aufenthaltsermittlung des Beschwerdeführers und Zustellung der Ladung zur Verhandlung am 30.07.2020 ersucht.

11. Am 29.07.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Kurzbrief der LPD XXXX , XXXX , vom selben Tag ein. Daraus ergibt sich, dass seit Einlangen des gegenständlichen Ersuchens an verschiedenen Tagen zu unterschiedlichen Tages- und Nachtzeiten versucht worden sei, den Beschwerdeführer an der im Ersuchen angeführten Adresse in Wien 10, XXXX , anzutreffen. An der besagten Adresse habe jedoch niemand angetroffen werden können und es sei jeweils eine Verständigung zwecks dringender Kontaktaufnahme mit der dortigen Dienststelle an der Wohnungstür hinterlegt worden. Eine durchgeführte Meldeauskunft habe ergeben, dass der Beschwerdeführer seit 18.05.2015 in Wien 10, XXXX , aufrecht mit Hauptwohnsitz gemeldet sei und keinen weiteren Wohnsitz im Bundesgebiet besitze. Bis zum heutigen Tage hätten sich weder der Beschwerdeführer, noch ein anderer Bewohner der zuvor genannten Wohnung mit der dortigen Dienststelle persönlich oder telefonisch in Verbindung gesetzt, obwohl sämtliche an der Wohnungstüre hinterlegte Verständigungen vom Hinterlegungsort entfernt worden seien. Aufgrund des Sachverhalts sei am 29.07.2020 erneut versucht worden, den Beschwerdeführer in Wien 10, XXXX , anzutreffen. Dieser Versuch sei wiederrum negativ verlaufen. Eine ebenfalls durchgeführte Erhebung an den umliegenden Wohnungen habe ergeben, dass an der Adresse Wien 10, XXXX , der Beschwerdeführer sowie ein Mitbewohner aufrecht gemeldet und auch dort aufhältig seien. Offensichtlich würden der Beschwerdeführer bzw. die Bewohner der besagten Wohnung keinen Wert auf eine Zusammenarbeit mit den Behörden legen. Aufgrund der vorgelegten Umstände sei die Zustellung der Sendung nicht möglich und werde das gegenständliche Ersuchen dem Bundesverwaltungsgericht rückgemittelt.

12. Da der Beschwerdeführer die Ladung zur Verhandlung trotz mehrmaliger Zustellversuche seitens der Polizei nicht übernommen hat bzw. die Ladung zur Verhandlung an den Beschwerdeführer nicht zugestellt werden konnte, wurde die Beschwerdeverhandlung am 30.07.2020 in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt.

Verlesen und erörtert wurde der gesamte Akteninhalt; zum Akt genommen und erörtert wurde das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Indien vom 09.08.2019.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen (Sachverhalt):

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger aus dem Bundesstaat Punjab und gehört der Religionsgemeinschaft der Sikh an. Seine Eltern und sein Bruder halten sich in Indien auf; zu diesen hat er telefonischen Kontakt. Der Beschwerdeführer arbeitete bis zu seiner Ausreise in der elterlichen Landwirtschaft. Er ist gesund, jung, arbeitsfähig und ledig.

Der Beschwerdeführer reiste im August 2006 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 31.08.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher vom Bundesasylamt mit Bescheid vom 20.06.2006 sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wurde. Zudem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die dagegen fristgerecht eingebrachte Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.06.2010, Zahl C4 305.768-1/2008/4E, als unbegründet abgewiesen. Der Beschwerdeführer hat sich im Bundesgebiet aufgrund einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber vier Jahre rechtmäßig aufgehalten. Seit Abschluss seines Asylverfahrens hält sich der Beschwerdeführer bis zum heutigen Tag unrechtmäßig im Bundesgebiet auf; er ist seiner Ausreiseverpflichtung nach Indien bisher nicht nachgekommen. Er ist in Österreich für fünf Jahre untergetaucht, da er vom 10.11.2010 bis 17.05.2015 in Österreich nicht aufrecht gemeldet war. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich, er hat österreichische Bekannte. Er hat einen A1-Deutschkurs besucht und eine diesbezügliche Prüfung abgelegt. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder in einer sonstigen Organisation. Der Beschwerdeführer arbeitete in Österreich von Jänner bis Mai 2011 bzw. November und Dezember 2011 sowie von 2012 bis 2014 als Zeitungszusteller. Der Beschwerdeführer nimmt keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch und ist strafgerichtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer stellte am 05.01.2016 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen.

Hinweise auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen für den Aufenthalt aus berücksichtigungswürdigen Gründen kamen nicht hervor.

1.2. Zur Situation in Indien wird Folgendes festgestellt:

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 18.9.2018).

Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2018). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 18.9.2018). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden. Es gibt glaubhafte Berichte über extralegale Tötungen (AA 18.9.2018).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung.

Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung bei, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit (USDOS 20.4.2018).

Eine verallgemeinernde Bewertung der Menschenrechtslage ist für Indien kaum möglich:

Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehende bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 18.9.2018). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 18.9.2018). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niederer Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 12.2018). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt, teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nichtstaatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen. Die Stimmung wird durch hindu-nationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 12.2018).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im „Maoistengürtel“ begingen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 20.4.2018).

In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein, Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 20.4.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in

der Republik Indien
- BICC - Bonn International Centre for Conversion (12.2018): Informationsdienst -

Sicherheit, Rüstung und Entwicklung in Empfängerländern deutscher Rüstungsexporte:

Länderinformation Indien, http://www.ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/

indien/2018_indien.pdf, Zugriff 29.1.2019
- ÖB – Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018: Asylländerbericht Indien -

Arbeitsversion
- USDOS - US Department of State (20.4.2018): Country Report on Human Rights

Practices 2015 – India, https://www.ecoi.net/de/dokument/1430388.html, Zugriff 18.10.2018

Grundversorgung und Wirtschaft

In Indien lebt etwa ein Viertel der Bevölkerung unter dem veranschlagten Existenzminimum der Vereinten Nationen. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine das Überleben sichernde Nahrungsversorgung auch der untersten Schichten der Bevölkerung zum Großteil gewährleistet. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe gibt es nicht, die Rückkehrer sind auf die Unterstützung der eigenen Familie oder von Bekannten angewiesen (ÖB 12.2018).

Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2016/2017 bei 7,1 Prozent und in 2017/18 bei 6,75 Prozent mit wieder steigender Tendenz. Indien zählt damit nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt (AA 11.2018a). 2016 lag die Erwerbsquote laut Schätzungen der ILO bei 55,6 Prozent. Der Hauptteil der Menschen arbeitet im Privatsektor. Es gibt immer noch starke Unterschiede bei der geschlechtlichen Verteilung des Arbeitsmarktes. Indien besitzt mit 478,3 Millionen Menschen die zweitgrößte Arbeitnehmerschaft der Welt (2012). Jährlich kommen 12,8 Millionen Arbeitskräfte hinzu. Im Jahr 2015 lag die Arbeitslosenquote bei 3,4 Prozent (nach ILO 2016) (BAMF 3.9.2018).

Schätzungen zufolge stehen nur circa 10 Prozent aller Beschäftigten in einem vertraglich geregelten Arbeitsverhältnis. Die übrigen 90 Prozent werden dem sogenannten „informellen Sektor“ zugerechnet – sie sind weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert, noch haben sie Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung (AA 11.2018a). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 16,4 Prozent (2017/18) der Gesamtwirtschaft, obgleich fast 50 Prozent der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 11.2018a).

Die Regierung hat überall im Land rund 1.000 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle frei ist (BAMF 3.9.2018; vgl. PIB 23.7.2018). Das Nationale Mahatma Gandhi Beschäftigungsgarantieprogramm für die ländliche Bevölkerung (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act, MGNREGA), läuft bis 2019. Das Ziel des laufenden Programms besteht darin, die ländliche Infrastruktur zu verbessern, die Land- und Wasserressourcen zu vergrößern und der armen Landbevölkerung eine Lebensgrundlage zu bieten: Jedem Haushalt, dessen erwachsene Mitglieder bereit sind, manuelle Arbeiten zu verrichten, welche keiner besonderen Qualifikation bedarf, wird mindestens 100 Tage Lohnarbeit pro Haushaltsjahr garantiert (SNRD 26.3.2018). Einige Staaten in Indien geben Arbeitssuchenden eine finanzielle Unterstützung für die Dauer von drei Jahren. Für weitere Informationen sollte die jeweilige lokale Vermittlungsagentur kontaktiert werden. Diese bieten auch Beratungen an, bei denen sie Informationen zu Verfügung stellen (BAMF 3.9.2018).

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei rund 1.970 USD. Auf dem Human Development Index der UNDP (Stand: September 2016) steht Indien auf Platz 130 unter 188 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 11.2018a).

Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an, welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 3.9.2018).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 3.9.2018). 55,3 Prozent der Bevölkerung (642,4 Mio.) lebt in multi-dimensionaler Armut (HDI 2016).

Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 18.9.2018).

Im September 2018 bestätigte der Oberste Gerichtshof die Verfassungsmäßigkeit des biometrischen Identifikationsprojekts Aadhaar (HRW 17.1.2019). Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar-ID Nummer ausgestellt. Ursprünglich wurde das System eingeführt, um Steuerbetrug entgegenzuwirken. In den folgenden Jahren wurde der Umfang jedoch stark ausgeweitet: In einigen indischen Bundesstaaten werden mittels Aadhaar Pensionen, Stipendien und die Essensausgabe für arme Menschen abgewickelt (ORF 27.9.2018). Aadhaar stellt für den Großteil der Bevölkerung den einzigen Zugang zu einem staatlich anerkannten Ausweis dar. Diejenigen, die sich bei Aadhaar angemeldet haben, erhielten nach der Übermittlung ihrer Fingerabdrücke und Netzhautscans eine eindeutige zwölfstellige Identifikationsnummer (BBC 26.9.2018).

Menschenrechtsgruppen äußern Bedenken, dass die Bedingungen zur Registrierung für Aadhaar, arme und marginalisierte Menschen daran hindern, wesentliche, verfassungsmäßig garantierte Dienstleistungen wie etwa Nahrung und Gesundheitsversorgung zu erhalten (HRW 18.1.2018).

Quellen:

- AA - Auswärtiges Amt (18.9.2018): Bericht zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in

der Republik Indien

- AA - Auswärtiges Amt (11.2018a): Indien, Wirtschaft,

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/indien-node/-/205976, Zugriff

17.1.2019

- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (3.9.2018): Länderinformationsblatt

Indien, http://files.returningfromgermany.de/files/CFS_2018_India_DE.pdf, Zugriff

17.12.2018

- BBC British Broadcasting Corporation (26.9.2018): Aadhaar: India top court upholds

world's largest biometric scheme, https://www.bbc.com/news/world-asia-india-44777787,

Zugriff 20.11.2018

- HRW - Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 - India, ttps://www.ecoi.net/

de/dokument/2002249.html, Zugriff 23.1.2019

- HRW - Human Rights Watch (13.1.2018): India: Identification Project Threatens Rights,

https://www.ecoi.net/de/dokument/1422175.html, Zugriff 19.11.2018

- ORF - Österreichischer Rundfunk (27.9.2018): Indiens Form der digitalen Überwachung,

https://orf.at/stories/3035121/, Zugriff 20.11.2018

- ÖB - Österreichische Botschaft New Delhi (12.2018): Asylländerbericht Indien -

Arbeitsversion

- PIB - Press Information Bureau Government of India Ministry of Labour & Employment

(23.7.2018): Modernisation of Employment Exchanges,

http://pib.nic.in/newsite/PrintRelease.aspx?relid=180854, Zugriff 20.11.2018

- SNRD - Sector Network Natural Resources and Rural Development Asia (26.3.2018):

Environmental Benefits of the Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee

Act (MGNREGA-EB), https://snrd-asia.org/environmental-benefits-of-the-mahatmagandhi-

national-rural-employment-guarantee-act-mgnrega-eb/, Zugriff 29.1.2019

- WKO - Außenwirtschaft Austria (26.9.2018): Außen Wirtschaft Update Indien,

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/indien-update.pdf, Zugriff 20.11.2018

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Identität, zur Herkunft des Beschwerdeführers, zu seiner beruflichen Tätigkeit in Indien sowie zu seiner familiären Situation im Heimatland beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in seinem Asylverfahren sowie in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.02.2017. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer in Österreich einen A1-Deutschkurs besuchte und die diesbezügliche Prüfung bestanden hat, in Österreich einige Jahre als Zeitungszusteller arbeitete, nicht Mitglied in einem Verein oder einer sonstigen Organisation ist, österreichische Bekannte hat, sowie gesund ist, ergeben sich aus den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen des Asylverfahrens sowie in der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vom 06.02.2017 und den diesbezüglich im Verfahren vorgelegten Unterlagen.

Dass der Beschwerdeführer in Österreich nach Abschluss seines Asylverfahrens für fünf Jahre untertauchte und nicht aufrecht gemeldet war, obwohl er sich in dieser Zeit in Österreich aufhielt und auch einer Arbeit nachging, ergibt sich aus einem im Akt aufliegenden ZMR-Auszug, den Angaben des Beschwerdeführers im Rahmen der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 06.02.2017 und den im Verfahren vorgelegten Bestätigungen von Bekannten des Beschwerdeführers bzw. den diesbezüglichen Abrechnungen der WNB-Zustell GmbH, wonach der Beschwerdeführer von 2011 bis 2014 in Österreich als Zeitungszusteller gearbeitet hat.

Die Feststellungen zum Asylverfahren des Beschwerdeführers in Österreich und der gegen ihn verhängten Ausweisungsentscheidung sowie zum gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK ergeben sich aus den Verwaltungs- und Gerichtsakten.

Dass der Beschwerdeführer keine Leistungen aus der Grundversorgung in Anspruch nimmt und strafgerichtlich unbescholten ist, ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Grundversorgungssystem und in das österreichische Strafregister.

2.2. Die oben wiedergegebenen Feststellungen zur Lage in Indien ergeben sich aus den in der mündlichen Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 30.07.2020 erörterten Länderberichten, die dieser Entscheidung zu Grunde gelegt werden. Bei den angeführten Quellen handelt es sich um Berichte verschiedener anerkannter teilweise vor Ort agierender staatlicher und nichtstaatlicher Organisationen, die in ihren Aussagen ein übereinstimmendes, schlüssiges Gesamtbild der Situation in Indien ergeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der BAO, des AgrVG, und des DVG und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Zum Spruchteil A)

3.1. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt I und V des angefochtenen Bescheides:

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs darf eine Berufungsbehörde auf Grund einer gegen eine Zurückweisung erhobenen Berufung nur über die Rechtmäßigkeit des Zurückweisungsbescheides (VwGH 3.3.2011, 2009/22/0080), nicht hingegen über den Antrag selbst entscheiden (VwGH 16.12.1996, 93/10/0165; 27.1.2010, 2008/03/0129; 29.4.2010, 2008/21/0302).

Wenngleich § 66 Abs. 4 AVG einerseits und § 28 Abs. 2 und Abs. 3 VwGVG andererseits unter jeweils verschiedenen Tatbestandsvoraussetzungen eine Pflicht zur Entscheidung "in der Sache selbst" normieren, ist das Verständnis dessen, was unter "Sache des Verfahrens" zu verstehen ist, unverändert geblieben. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist "Sache" sowohl eines Berufungsverfahrens vor einer im administrativen Instanzenzug übergeordneten Berufungsbehörde als auch eines Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die "Rechtmäßigkeit der Zurückweisung" (VwGH 18.12.2014, 2014/07/0002).

Im gegenständlichen Beschwerdeverfahren ist daher nur darüber zu entscheiden, ob die Zurückweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikels 8 EMRK durch die belangte Behörde zu Recht erfolgt ist oder nicht.

Soweit die Beschwerde die Abänderung des angefochtenen Bescheides dahingehend, dass der beantragte Aufenthaltstitel erteilt werde, beantragt, geht sie sohin ins Leere.

Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist (Z 1) und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 ASVG), BGBI. Nr. 189/1955 erreicht wird (Z 2). Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Gemäß § 58 Abs. 5 AsylG 2005 sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 sowie auf Verlängerung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 persönlich beim Bundesamt zu stellen. Soweit der Antragsteller nicht selbst handlungsfähig ist, hat den Antrag sein gesetzlicher Vertreter einzubringen. Im Antrag ist gemäß § 58 Abs. 6 AsylG 2005 der angestrebte Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 genau zu bezeichnen. Ergibt sich auf Grund des Antrages oder im Ermittlungsverfahren, dass der Drittstaatsangehörige für seinen beabsichtigten Aufenthaltszweck einen anderen Aufenthaltstitel benötigt, so ist er über diesen Umstand zu belehren; § 13 Abs. 3 AVG gilt.

Gemäß § 58 Abs. 8 AsylG 2005 hat das Bundesamt, wenn ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 zurück- oder abgewiesen, darüber im verfahrensabschließenden Bescheid abzusprechen.

Gemäß § 58 Abs. 9 AsylG 2005 ist ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück als unzulässig zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige

1. sich in einem Verfahren nach dem NAG befindet,

2. bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt oder

3. gemäß § 95 FPG über einen Lichtbildausweis für Träger von Privilegien und Immunitäten verfügt oder gemäß § 24 FPG zur Ausübung einer bloß vorübergehenden Erwerbstätigkeit berechtigt ist

soweit dieses Bundesgesetz nicht anderes bestimmt. Dies gilt auch im Falle des gleichzeitigen Stellens mehrerer Anträge.

Gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 ist der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zurückzuweisen, wenn der Drittstaatsangehörige seiner allgemeinen Mitwirkungspflicht im erforderlichen Ausmaß, insbesondere im Hinblick auf die Ermittlung und Überprüfung erkennungsdienstlicher Daten, nicht nachkommt; darüber ist der Drittstaatsangehörige zu belehren.

Gemäß § 8 Abs. 1 der Asylgesetz-Durchführungsverordnung 2005 (AsylG-DV 2005) sind folgende Urkunden und Nachweise– unbeschadet weiterer Urkunden und Nachweise nach den Abs. 2 und 3 – im amtswegigen Verfahren zur Erteilung eines Aufenthaltstitels (§ 3) beizubringen oder dem Antrag auf Ausstellung eines Aufenthaltstitels (§ 3) anzuschließen:

1. gültiges Reisedokument (§ 2 Abs. 1 Z 2 und 3 NAG);

2. Geburtsurkunde oder ein dieser gleichzuhaltendes Dokument;

3. Lichtbild des Antragstellers gemäß § 5;

4. erforderlichenfalls Heiratsurkunde, Urkunde über die Ehescheidung, Partnerschafts-urkunde, Urkunde über die Auflösung der eingetragenen Partnerschaft, Urkunde über die Annahme an Kindesstatt, Nachweis oder Urkunde über das Verwandtschaftsverhältnis, Sterbeurkunde.

Die Nichtvorlage eines gültigen Reisedokuments rechtfertigt bei Unterbleiben einer Antragstellung nach § 4 Abs. 1 Z 3 und § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG-DV grundsätzlich eine auf § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG 2005 gestützte zurückweisende Entscheidung (VwGH 15.09.2016, Ra 2016/21/0206-7; 17.05.2017, Ra 2017/22/0059).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde den gegenständlichen Antrag nach § 55 AsylG zu Recht gemäß § 58 Abs. 11 Z 2 AsylG zurückgewiesen, da der Beschwerdeführer dem Bundesamt – trotz mehrmaliger Aufforderung – keinen gültigen Reisepass vorgelegt hat. Da der Beschwerdeführer auch mehrmals über die Rechtsfolgen der Nichtvorlage von Identitätsdokumenten vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl belehrt wurde und er keine Bestätigung vorgelegt hat, dass er bei der indischen Botschaft in Wien einen neuen Reisepass beantragt hat bzw. die Ausstellung eines solchen verweigert worden wäre, ging das Bundesamt zu Recht davon aus, dass mangels Nachweises der Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit der Erlangung eines Reisepasses der Antrag auf Heilung abzuweisen war, weshalb auch die Beschwerde gegen Spruchpunkt I und V des angefochtenen Bescheides abzuweisen war.

3.2. Zur Beschwerde gegen Spruchpunkt II bis IV des angefochtenen Bescheides:

Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 hat das Bundesamt, wenn der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen wird, die Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Gemäß § 52 Abs. 3 FPG hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung gegen einen Drittstaatsangehörigen zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

Gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG sind bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG ist über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische - Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§§ 45 und 48 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl I Nr 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Ob eine Verletzung des Rechts auf Schutz des Privat- und Familienlebens iSd Art. 8 EMRK vorliegt, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte sowie des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes jeweils von den konkreten Umständen des Einzelfalles ab. Die Regelung erfordert eine Prüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit des staatlichen Eingriffes; letztere verlangt eine Abwägung der betroffenen Rechtsgüter und öffentlichen Interessen. In diesem Sinn wird eine Rückkehrentscheidung nicht erlassen werden dürfen, wenn ihre Auswirkungen auf die Lebenssituation des Fremden (und seiner Familie) schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung.

Die Verhältnismäßigkeit einer Rückkehrentscheidung ist dann gegeben, wenn der Konventionsstaat bei seiner aufenthaltsbeendenden Maßnahme einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interesse des Fremden auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits, also dem Interesse des Einzelnen und jenem der Gemeinschaft als Ganzes gefunden hat. Dabei variiert der Ermessensspielraum des Staates je nach den Umständen des Einzelfalles und muss in einer nachvollziehbaren Verhältnismäßigkeitsprüfung in Form einer Interessenabwägung erfolgen.

Bei dieser Interessenabwägung sind – wie in § 9 Abs. 2 BFA-VG unter Berücksichtigung der Judikatur der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ausdrücklich normiert wird – die oben genannten Kriterien zu berücksichtigen (vgl. VfSlg. 18.224/2007; VwGH 26.06.2007, 2007/01/0479; 26.01.2006, 2002/20/0423).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem auch, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. In der bisherigen Spruchpraxis der Straßburger Instanzen wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen neben den zwischen Ehegatten und ihren minderjährigen Kindern ipso iure zu bejahenden Familienleben bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; s. auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Als Kriterien hiefür kommen in einer Gesamtbetrachtung etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Intensität und die Dauer des Zusammenlebens bzw. die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht. Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Kommission auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 6.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215). Sich bei der Prüfung allein auf das Kriterium der Abhängigkeit zu beschränken, greift jedenfalls zu kurz (vgl. VwGH 26.01.2006, Zl. 2002/20/0423).

Der Beschwerdeführer hat keine Verwandten oder sonstigen nahen Angehörigen in Österreich. Die Rückkehrentscheidung bildet daher keinen unzulässigen Eingriff in das Recht des Beschwerdeführers auf Schutz des Familienlebens.

Die aufenthaltsbeendende Maßnahme könnte daher allenfalls lediglich in das Privatleben des Beschwerdeführers eingreifen.

Unter dem "Privatleben" sind nach der Rechtsprechung des EGMR persönliche, soziale und wirtschaftliche Beziehungen, die für das Privatleben eines jeden Menschen konstitutiv sind, zu verstehen (vgl. Sisojeva ua gg Lettland, EuGRZ 2006, 554). In diesem Zusammenhang komme dem Grad der sozialen Integration des Betroffenen eine wichtige Bedeutung zu.

Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Peter Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 EMRK, in ÖJZ 2007, 852 ff, aber auch VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479, wonach ein dreijähriger Aufenthalt „jedenfalls“ nicht ausreichte, um daraus eine rechtlich relevante Bindung zum Aufenthaltsstaat abzuleiten, so im Ergebnis auch VfGH 12.06.2013, Zl. U485/2012). Die Umstände, dass ein Fremder perfekt Deutsch spricht sowie sozial vielfältig vernetzt und integriert ist, stellen keine über das übliche Maß hinausgehenden Integrationsmerkmale dar (Hinweis E 26. November 2009, 2008/18/0720). Auch die strafgerichtliche Unbescholtenheit (vgl. § 66 Abs. 2 Z. 6 FrPolG 2005) vermag die persönlichen Interessen des Fremden nicht entscheidend zu stärken (VwGH 25.02.2010, Zl. 2010/18/0029). Vom Verwaltungsgerichtshof wurde im Ergebnis auch nicht beanstandet, dass in Sprachkenntnissen und einer Einstellungszusage keine solche maßgebliche Änderung des Sachverhalts gesehen wurde, die eine Neubeurteilung im Hinblick auf Art. 8 MRK erfordert hätte (vgl. VwGH 19.11.2014, Zl. 2012/22/0056; VwGH 19.11.2014, Zl. 2013/22/0017)

Außerdem ist nach der bisherigen Rechtsprechung auch auf die Besonderheiten der aufenthaltsrechtlichen Stellung von Asylwerbern Bedacht zu nehmen, zumal das Gewicht einer aus dem langjährigen Aufenthalt in Österreich abzuleitenden Integration dann gemindert ist, wenn dieser Aufenthalt rechtswidrig oder lediglich auf unberechtigte Asylanträge zurückzuführen ist (vgl. VfGH 12.06.2007, B 2126/06; VfGH vom 29.09.2007, Zl. B 1150/07-9; VwGH 24.04.2007, 2007/18/0173; VwGH 15.05.2007, 2006/18/0107, und 2007/18/0226).

Der Beschwerdeführer reiste erstmals im August 2006 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 31.08.2006 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher letztlich mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 11.06.2010, Zahl C4 305.768-1/2008/4E, gemäß §§ 3, 8 AsylG 2005 negativ entschieden wurde. Zudem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Ab diesem Zeitpunkt – somit seit 10 Jahren - hielt sich der Beschwerdeführer rechtswidrig in Österreich auf, zumal er, entgegen seiner Verpflichtung zur Ausreise, Österreich nicht verlassen hat. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens des Beschwerdeführers ist dadurch als deutlich gemindert anzusehen (vgl. VwGH 15.02.2016, Ra 2015/21/0180), zumal der Aufenthalt des Beschwerdeführers auch nicht geduldet war. Der Beschwerdeführer verfügte somit nie über ein Aufenthaltsrecht außerhalb des bloß vorübergehenden Aufenthaltsrechtes auf Grund des Asylverfahrens.

Nach ständiger Rechtsprechung der Gerichtshöfe öffentlichen Rechts kommt dem öffentlichen Interesse aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK ein hoher Stellenwert zu. Der Verfassungsgerichtshof und der Verwaltungsgerichtshof haben in ihrer Judikatur ein öffentliches Interesse in dem Sinne bejaht, als eine über die Dauer des Asylverfahrens hinausgehende Aufenthaltsverfestigung von Personen, die sich bisher bloß auf Grund ihrer Asylantragsstellung im Inland aufhalten durften, verhindert werden soll (VfSlg. 17.516 und VwGH 26.06.2007, Zl. 2007/01/0479). Der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass beharrliches illegales Verbleiben eines Fremden nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens bzw. ein länger dauernder illegaler Aufenthalt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf ein geordnetes Fremdenwesen darstellen würde, was eine Ausweisung als dringend geboten erscheinen lässt (VwGH 31. 10. 2002, 2002/18/0190).

Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, werden Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (vgl. etwa VwGH vom 23.02.2017, Ra 2016/21/0340, mwN).

Allerdings ist auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt in Verbindung mit dem Vorliegen gewisser integrationsbegründeter Aspekte dann nicht zwingend von einem Überwiegen des persönlichen Interesses auszugehen, wenn dem Umstände entgegenstehen, die das gegen einen Verbleib im Inland sprechende öffentliche Interesse verstärken bzw. die Länge der Aufenthaltsdauer im Inland relativieren. Auch bei einem mehr als zehnjährigen Inlandsaufenthalt ist daher eine Gesamtabwägung unter Einbeziehung aller fallbezogenen maßgeblichen Aspekte vorzunehmen, wenn auch unter besonderer Gewichtung der langen Aufenthaltsdauer (vgl. VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005; jüngst VwGH 29.08.2018, Ra 2018/22/0180).

Auch wenn sich der Beschwerdeführer seit nunmehr vierzehn Jahren im österreichischen Bundesgebiet aufhält, wird das Gewicht des mehrjährigen Aufenthaltes insbesondere dadurch wesentlich relativiert, dass die Einreise illegal und der Aufenthalt bloß aufgrund der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung als Asylwerber vier Jahre rechtmäßig war, und der Beschwerdeführer nach rechtskräftigen Abschluss seines Asylverfahrens im Juni 2010 illegal in Österreich verblieb, wodurch der Inlandsaufenthalt des Beschwerdeführers überwiegend unrechtmäßig ist, was jedenfalls bei der Gesamtabwägung entscheidend zu berücksichtigen ist (Vgl. VwGH 29.08.2018, Ra 2018/22/0180 mit weiteren Nachweisen). Zudem ist dem Beschwerdeführer vorzuwerfen, dass er von 10.11.2010 bis 17.05.2015 in Österreich behördlich nicht gemeldet war, obwohl er sich in dieser Zeit in Österreich aufhielt und auch ohne Bewilligung einer Arbeit nachging, er sohin bewusst untertauchte, um für die Behörden nicht greifbar zu sein und einer Ausreise zu entgehen. Schließlich ist dem Beschwerdeführer auch anzulasten, dass er offensichtlich kein Interesse an der Durchführung seines Verfahrens auf Erlangung eines Aufenthaltstitels hat, zumal der Beschwerdeführer die Ladung zur mündlichen Beschwerdeverhandlung für den 30.07.2020 nicht behob bzw. diese Ladung trotz mehrmaliger Zustellversuche seitens der Polizei an den Beschwerdeführer nicht zugestellt werden konnte, obwohl sämtliche an der Wohnungstüre hinterlegte Verständigungen vom Hinterlegungsort entfernt wurden und der Beschwerdeführer dort – nach durchgeführter Erhebung an den umliegenden Wohnungen – auch tatsächlich dort wohnt (siehe der im Akt aufliegender Bericht der LPD XXXX , XXXX , vom 29.07.2020, OZ 5Z), sodass die vom Bundesverwaltungsgericht anberaumte mündliche Verhandlung in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführt werden musste. Das Gericht geht somit davon aus, dass der Beschwerdeführer seiner Mitwirkungspflicht am Verfahren im erforderlichen Ausmaß nicht nachgekommen ist und offenbar keinen Wert legt, mit den Behörden zusammenzuarbeiten bzw. hofft, sich durch dieses Verhalten den Behörden entziehen zu können.

Zugunsten des Beschwerdeführers ist lediglich zu berücksichtigen, dass er bemüht war, sich von 2011 bis 2014 in Österreich beruflich zu integrieren, zumal er in dieser Zeit als Zeitungszusteller arbeitete. Für diese Tätigkeit hatte der Beschwerdeführer jedoch, auch nach seinen eigenen Angaben, keine arbeitsmarktrechtliche Bewilligung und übte er diese Tätigkeiten auch in einem Zeitraum aus, in dem er in Österreich untergetaucht und behördlich nicht gemeldet war. Weiters kann der Beschwerdeführer lediglich eine bestandene A1-Prüfung vorweisen, obwohl er sich bereits seit 14 Jahren in Österreich aufhält. Darüber hinaus wurden diese Integrationsschritte aber nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens gesetzt, sohin ab einem Zeitpunkt, in welchem sich der Beschwerdeführer seines unsicheren bzw. unrechtmäßigen Aufenthaltsstatus bewusst gewesen sein musste und der Beschwerdeführer nach negativem Abschluss seines Asylverfahrens und seiner Ausreiseverpflichtung keine Veranlassung hatte, von der Erlaubnis zu einem dauernden Aufenthalt auszugehen, weshalb das durch eine soziale Integration erworbene Interesse an einem Verbleib in Österreich in seinem Gewicht gemindert ist (Vgl. wiederrum VwGH Ra 2016/22/0056). Der Beschwerdeführer hat somit im Verfahren keine intensiven Bindungen zu Österreich dargetan. Hingegen hat der Beschwerdeführer den überwiegenden Teil seines Lebens in Indien verbracht, wo er seine gesamte Sozialisierung erfuhr. Er wurde in Indien geboren, ist dort aufgewachsen und ging dort einer Arbeit in der elterlichen Landwirtschaft nach. Er spricht die Sprachen seines Herkunftsstaates, sodass nichts darauf hindeutet, dass sich der Beschwerdeführer nach 14-jähriger Abwesenheit von seinem Heimatland nicht wieder in die dortige Gesellschaft integrieren können wird, zumal sich dort auch seine Eltern und sein Bruder befinden und er mit diesen auch regelmäßig in telefonischem Kontakt steht. Im Lichte des Gesagten ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer auch nach längerer Abwesenheit und trotz möglicher Anfangsschwierigkeiten in die dortige Gesellschaft wieder eingliedern können wird.

Dass die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist, ist nicht ersichtlich. Hingegen ist anzumerken, dass der Beschwerdeführer trotz eines rechtskräftig negativ entschiedenen Asylantrages nicht ausreiste, sondern beharrlich im Bundesgebiet verblieb und auch fünf Jahre untertauchte.

Aufgrund dieser Erwägungen ist davon auszugehen, dass die Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen aus der Sicht des Schutzes der öffentlichen Ordnung, dem nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein hohe

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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