TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 W220 2165221-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

W220 2165221-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Indien, vertreten durch den Verein LegalFocus, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 03.07.2017, Zahl 750183708/150914170, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 55, 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG, §§ 52 Abs. 3 und 9, 46, 55 Abs. 1 bis 3 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer, ein indischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.02.2005 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des vormals zuständigen Bundesasylamtes vom 12.07.2006, Zl. 0501.837-BAW, abgewiesen wurde; unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.09.2010, Zahl C13 303.802-1/2008/3E, als unbegründet abgewiesen.

Am 23.07.2015 stellte der Beschwerdeführer gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Mit oben genanntem, gegenständlich angefochtenem Bescheid vom 03.07.2017, Zahl 750183708/150914170, wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 23.07.2015 gemäß § 55 AsylG 2005 ab, erließ gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 FPG (Spruchpunkt I.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Indien zulässig sei (Spruchpunkt II.), und legte gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers eine Frist von vierzehn Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkte III.).

Gegen diesen Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und zum Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer ist ein volljähriger Staatsangehöriger Indiens und führt den Namen XXXX sowie das Geburtsdatum XXXX ; seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer ist in Indien geboren und aufgewachsen und hat dort in der familieneigenen Landwirtschaft gearbeitet. Er beherrscht die Sprache Punjabi.

Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 08.02.2005 unter der falschen Identität XXXX , geboren am XXXX , einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des vormals zuständigen Bundesasylamtes vom 12.07.2006, Zl.: 0501.837-BAW, abgewiesen wurde; unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 22.09.2010, Zahl C13 303.802-1/2008/3E, als unbegründet abgewiesen.

Zahlreiche, an die indische Botschaft gerichtete Urgenzen hinsichtlich der Ausstellung eines Heimreisezertifikates für den Beschwerdeführer zu den vom Beschwerdeführer angegebenen, falschen Identitätsdaten blieben erfolglos (zuletzt im Jahr 2012).

Am 23.07.2015 stellte der Beschwerdeführer unter erstmaliger Vorlage eines gültigen indischen Reisepasses bzw. der Verwendung seiner richtigen Identitätsdaten XXXX , geboren am XXXX , den gegenständlichen Erstantrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005.

Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen, sondern verblieb nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz im österreichischen Bundesgebiet. Er war von 07.03.2005 bis 09.11.2011, 26.01.2012 bis 29.11.2012, 03.01.2013 bis 02.07.2013, 07.08.2013 bis 14.04.2014, 27.06.2014 bis 25.07.2016 und 01.06.2017 bis 26.02.2020 im österreichischen Bundesgebiet meldebehördlich gemeldet. Der Beschwerdeführer war in der Vergangenheit bzw. ist auch derzeit für die österreichischen Behörden nicht greifbar; er hat gegen melderechtliche Vorschriften verstoßen.

Der Beschwerdeführer verfügte in Österreich niemals über ein Aufenthaltsrecht außer der ihm während des Verfahrens über seinen Antrag auf internationalen Schutz zukommenden vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung.

Der Beschwerdeführer hat die Prüfung ÖSD Zertifikat A2 bestanden und eine mit der Erteilung eines Aufenthaltstitels aufschiebend bedingte Einstellungszusage für eine unbefristete Beschäftigung als Botenfahrer mit einem Beschäftigungsausmaß von vierzig Stunden sowie einer Entlohnung von 1.600,00 Euro brutto pro Monat vorgelegt; abgesehen davon, hat er in Österreich keine wirtschaftlichen Anknüpfungspunkte. Er verfügt weder über eine Möglichkeit, einer legalen Erwerbstätigkeit nachzugehen, noch über sonstige Mittel zur Finanzierung seines Unterhalts im österreichischen Bundesgebiet. Familiäre Bindungen des Beschwerdeführers in Österreich bestehen ebenso wenig wie enge soziale Bezugspunkte.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

1.2. Zur Situation in Indien sowie einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers dorthin:

Der Beschwerdeführer läuft nicht konkret Gefahr, in seinem Herkunftsstaat der Folter, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung oder Strafe beziehungsweise der Todesstrafe unterworfen zu werden oder in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Notlage zu geraten.

Zur Lage in Indien wird unter auszugsweiser Heranziehung der seitens des Bundesamtes getroffenen Länderfeststellungen nachstehend festgestellt:

„[…]

Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven. Widersprüche, Gegensätze oder Konflikte entladen sich in den gesellschaftlichen Arenen und werden von der Politik aufgegriffen, verarbeitet und teilweise instrumentalisiert (GIZ 11.2016). Blutige Terroranschläge haben in den vergangenen Jahren in Indiens Millionen-Metropolen wiederholt Todesopfer gefordert (Eurasisches Magazin 24.5.2014). Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 11.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der „Naxaliten“ in Frage gestellt (AA 16.8.2016).

Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011

Mumbai, September 2011 New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 Chennai und Dezember 2014 Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.4.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 1.073 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 803, für das Jahr 2013 885, für das Jahr 2014 976 für das Jahr 2015 722 und für das Jahr 2016 835 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People’s Liberation Front etc.). Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, vielmehr als „communal violence“ bezeichnet (ÖB 12.2016).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 16.8.2016).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 9.2016b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege, davon zwei aufgrund des umstrittenen Kaschmirgebiets. Friedensgespräche, die 2004 begannen, wurden trotz Spannungen wegen der Kaschmirregion und sich immer wieder ereignenden schweren Bombenaschlägen bis zu den von Islamisten durchgeführten Anschlägen in Mumbai 2008, fortgesetzt (BBC 27.9.2016).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und der jüngste terroristische Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Indien reagierte auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation („surgical strike“) im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. In der Folge kommt es immer wieder zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 9.2016b). Bei einem Treffen in New York Ende September 2013 vereinbarten die Premierminister Singh und Sharif lediglich, den Waffenstillstand künftig besser einhalten zu wollen (GIZ 11.2016a). Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen. Noch am Weihnachtstag 2015 hatte Premierminister Modi seinem pakistanischen Amtskollegen einen Überraschungsbesuch abgestattet und damit kurzzeitig Hoffnungen auf eine Entspannung aufkeimen lassen (AA 9.2016b).

Jammu und Kaschmir

Erhebliches Unruhepotential besteht weiterhin im Bundesstaat Jammu und Kaschmir, wo Angriffe eindringender Militanter, der ungeklärte Konflikt zwischen Indien und Pakistan um die Region, die Unzufriedenheit der mehrheitlich muslimischen kaschmirischen Bevölkerung und teils drakonische Sonderrechte indischer Sicherheitskräfte ein Klima des Misstrauens und der Angst schaffen (AA 9.2016b). Militante Gruppen in Jammu und Kaschmir kämpfen weiterhin gegen Sicherheitskräfte, kaschmirische Einrichtungen und lokale Politiker, die sie für „Statthalter” und „Kollaborateure” der indischen Zentralregierung halten. Überläufer zur Regierungsseite und deren Familien werden besonders grausam „bestraft“ (AA 16.8.2016).

Indien zählt weltweit zu den zehn am stärksten vom islamistischen Fundamentalismus betroffenen Staaten. In den letzten zehn Jahren wurden über 6.000 Menschen Opfer islamistischer Gewalt. Den Schwerpunkt bildet dabei der von Indien kontrollierte Teil Kaschmirs. Das zentrale Ziel islamistischer Fundamentalisten in Indien bleibt die Abspaltung Kaschmirs. Im Einklang mit der Dschihad-Ideologie sehen sich viele islamistische Gruppierungen zudem im Krieg gegen alle Ungläubigen und streben die gewaltsame Islamisierung des gesamten Subkontinents an. Befördert wird der Konflikt durch die anhaltende wirtschaftliche Benachteiligung und Diskriminierung vieler Muslime (BPB 12.11.2015).

Seit September 2014 ist es wiederholt zu Feuergefechten gekommen. Zehntausende Zivilisten auf beiden Seiten mussten ihre Häuser verlassen. Indische Regierungsvertreter erklären die Verletzungen des Waffenstillstands als Taktik Pakistans, um Kämpfer und Terroristen in den von Indien kontrollierten Teil Kaschmirs zu schleusen. Die Lage in der Region ist seit Jahrzehnten angespannt, weil dort mehrere bewaffnete Gruppen aktiv sind, u.a. militante Separatistengruppen, die den indischen Staat bekämpfen und in Pakistan Zuflucht finden (BPB 20.11.2015). Seit Monaten wird die Provinz Kaschmir von einer Spirale der Gewalt beherrscht. Die Unruhen sind in ihrer Intensität stärker als die von 2010. Manche Beobachter interpretieren sie gar als die blutigsten in der Geschichte Kaschmirs (GIZ 11.2016).

Der von 2014 bis 2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist über die aktuellen Entwicklungen zum Stillstand gekommen (AA 9.2016b). Pakistanische Streitkräfte haben das Waffenstillstandsabkommen allein im August 2014 16mal verletzt. Berichten zufolge waren Aufständische jedoch nicht in der Lage, die internationale Grenze zu überschreiten (FH 28.1.2015). Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2011 183 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt, für das Jahr 2012 117, für das Jahr 2013 181, für das Jahr 2014 193 für das Jahr 2015 174 und für das Jahr 2016 267 [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 9.1.2017).

Im indischen Teil Kaschmirs bleibt weiterhin der Armed Forces (Special Powers) Act (AFSPA) in Kraft (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: BPB 20.11.2015). Unter dem Sonderermächtigungsgesetz für das indische Militär kam es wiederholt zu außergerichtlichen Tötungen, Vergewaltigungen und Folter durch Angehörige der Sicherheitskräfte. Im September 2015 wurden sechs indische Soldaten aufgrund ihrer Rolle bei der Tötung von Zivilisten in Kaschmir von einem Militärgericht zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt. Allgemein gilt die steigende Wahlbeteiligung im indischen Unionsstaat Jammu und Kaschmir als Indikator für eine wachsende Anerkennung der Legitimität Indiens in der Region (BPB 20.11.2015). Die 1997 eingesetzte staatliche Menschenrechtskommission von Jammu und Kaschmir hat kaum Wirkungen entfaltet. Insbesondere hat sie keine Möglichkeit, Übergriffe von Armee und paramilitärischen Kräften zu untersuchen (ÖB 12.2016).

Naxaliten

Die ländlichen Gebiete im Osten haben sich zum Schauplatz für den schwersten innerstaatlichen Konflikt in Indien entwickelt. Gewalttätige linksextremistische Gruppen (sogenannte „Naxaliten“ oder „maoistische Guerilla“) (AA 16.8.2016) führen einen "Volksbefreiungskrieg" gegen den indischen Staat (BPB 12.11.2015) und stellen weiter eine große innenpolitische Herausforderung für die indische Regierung dar (AA 16.8.2016). Dem seit Jahrzehnten existierenden Phänomen des maoistischen (naxalitischen) Terrors wurde bislang nur mit geringem Erfolg mit polizeilichen Maßnahmen auf lokaler Ebene begegnet (ÖB 12.2016). Die Naxaliten, die überwiegend in der landesweit verbotenen Communist Party of India (CPI-Maoist) zusammengeschlossenen sind verüben regelmäßig Anschläge auf Sicherheitskräfte, politische Gegner und die öffentliche Infrastruktur (BPB 12.11.2015). Sie operieren in weiten Teilen des östlichen Kernindiens, vor allem im ländlichen Raum. In Chhattisgarh, Jharkhand, Bihar, Madhya Pradesh, Westbengalen, Odisha und Andhra Pradesh ist es den Naxaliten in zahlreichen Distrikten gelungen, eigene Herrschaftsstrukturen zu errichten (AA 16.8.2016). Die Naxaliten streben die gewaltsame Errichtung einer kommunistischen Gesellschaftsordnung an. Ihre maoistische Guerillastrategie zielt auf die Kontrolle über die ländliche Bevölkerung und die Zerstörung der zentralen Institutionen des Staates (BPB 12.11.2015).

Die Naxaliten verfolgen eine Doppelstrategie: Auf der einen Seite stehen soziales Engagement, Arbeitsbeschaffung und die Verteidigung der Armen und Schwachen, auf der anderen Seite brutale Gewalt, Guerillaaktionen, Einschüchterung und Erpressung gegen echte und vermeintliche, auch zivile „Gegner“. Mordkommandos gegen Polizeieinheiten sind nicht selten. Allerdings sind auch Menschenrechtsverletzungen der Sicherheitskräfte in den Naxaliten-Gebieten dokumentiert. Die Zivilbevölkerung findet sich zwischen den Fronten wieder (AA 16.8.2016).

Nach einer zunehmenden Militarisierung und räumlichen Ausdehnung des Konflikts zwischen 2005 und 2009 hat die indische Zentralregierung im Frühjahr 2009 einen nationalen sicherheits- und entwicklungspolitischen Aktionsplan zur Eindämmung der Gewalt beschlossen. Hierdurch konnten die Naxaliten vielerorts zurückgedrängt und durch die Verhaftung, Tötung oder Kapitulation führender Kader erheblich geschwächt werden. Trotz des Rückgangs des Gewaltniveaus seit 2012 ist ein Ende des Konflikts nicht in Sicht. Die Rebellen verüben auch weiterhin Anschläge auf Sicherheitskräfte. Im Mai 2013 griffen sie einen Konvoi der regierenden Kongress-Partei im indischen Bundesstaat Chhattisgarh an, wobei 27 Kongress-Politiker ums Leben kamen (BPB 12.11.2015). In jüngster Vergangenheit kam es zu einer Häufung spektakulärer Attentate der Maoisten, nicht nur gegen Sicherheitskräfte der Regierung, sondern auch gegen zivile Ziele, wie Eisenbahnverbindungen (ÖB 12.2016).

Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Millionen. im Punjab (MoHA o.D.) und bilden dort die Mehrheit (USDOS 10.8.2016).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren aus anderen Unionsstaaten oder Pakistan. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2016). Nichtstaatliche Kräfte, darunter organisierte Aufständische und Terroristen, begehen jedoch zahlreiche Morde und Bombenanschläge im Punjab und Konfliktregionen wie etwa Jammu und Kaschmir (USDOS 13.4.2016). Im Juli 2015 griffen Mitglieder einer bewaffneten Gruppe eine Polizeiwache und einen Busbahnhof in Gurdaspur im Bundesstaat Punjab an und töteten drei Zivilpersonen und vier Polizisten. 15 Personen wurden verletzt (USDOS 2.7.2016; vgl. auch: AI 24.2.2016). Es handelte sich dabei um den ersten größeren Anschlag seit den Aktivitäten militanter Sikhs in 1980er und 1990er Jahren (USDOS 2.7.2016).

Im Oktober 2015 gab es in fünf Distrikten des Punjab weitverbreitete und gewalttätige Proteste der Sikhs gegen die Regierung in Punjab. Dabei hat die Polizei auf Protestanten geschossen und zwei Personen getötet sowie 80 Personen verletzt. Grund der Proteste waren Berichte, laut denen unbekannte Täter das heilige Buch der Sikhs entweiht hätten. Die Polizei hat ein Duzend Protestanten wegen versuchten Mordes, Beschädigung öffentlichen Eigentums und des Tragens von illegalen Waffen festgenommen. Was die Aufarbeitung der Gewaltausbrüche im Jahr 1984, bei denen 3.000 Menschen, darunter hauptsächlich Sikhs, ums Leben gekommen seien betrifft, so kommen Gerichtsverfahren nur langsam voran. Zivilgesellschaftliche Aktivisten und Interessensverbände der Sikhs zeigen sich weiterhin besorgt, dass die Regierung die Verantwortlichen noch nicht zur Rechenschaft ziehen konnte (USDOS 10.8.2016).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne der ISI bekannt, die gemeinsam mit BKI und anderen militanten Sikh- Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2016). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 13.4.2016; vgl. auch: BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2016). Ehrenmorde stellen vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar. Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bis zu 10% aller Tötungen in diesen Staaten sogenannte Ehrenmorde sind (USDOS 13.4.2016).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte (Folter, Folter mit Todesfolge, extra-legale Tötungen etc.) interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2016).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte Die Sikhs, 60% der Bevölkerung des Punjabs, stellen im Punjab einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 12.2016).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 12.2016).

Folter und unmenschliche Behandlung

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet, jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 16.8.2016). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 6.2016). Ein innerstaatlicher Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter, welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN-Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament nicht verabschiedet (AA 16.8.2016).

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 16.8.2016) und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2016). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 13.4.2016). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 16.8.2016).

Nach zuverlässigen Angaben des „Asia Pacific Human Rights Network“ wird Folter systematisch von der Polizei als Mittel der Befragung und der Gelderpressung oder der summarischen Bestrafung vermeintlicher Täter angewendet (AA 16.8.2016; vgl. auch: USDOS 13.4.2016); Todesfälle von Häftlingen stehen nach belastbaren Einschätzungen von NROs mit der Anwendung von Folter in Zusammenhang (AA 16.8.2016).

Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 13.4.2016).

Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des Internationalen Komitees des Roten Kreuzes (IKRK) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir. Folter wird aber auch in anderen Landesteilen, vor allem in sozial schwachen und bevölkerungsreichen Staaten wie Uttar Pradesh und Bihar, angewandt. Folter und Misshandlungen in Gefängnissen sind nach belastbaren Erkenntnissen von Amnesty International verbreitet (AA 16.8.2016).

Trotz der Trainings für senior police officers, bleiben willkürliche Verhaftungen, Folter und erzwungene Geständnisse durch Sicherheitskräfte verbreitet (ÖB 12.2016).

Es kommt immer wieder zu willkürlichen Übergriffen der Staatsorgane, insbesondere der Polizeikräfte, vor allem gegenüber Häftlingen in Polizeigewahrsam. In einigen Fällen wird von willkürlichen und nicht gemeldeten Verhaftungen berichtet, bei denen dem Verhafteten mitunter ausreichend Wasser und Nahrung vorenthalten werden. Von etlichen Ausnahmen abgesehen, werden gesetzeswidrige Handlungen in diesem Bereich geahndet. Die angerufenen Gerichte haben hierbei in den letzten Jahren verstärkt Verantwortung gezeigt, zumal NGOs und die Presse kritisch über die ihnen bekannt gewordenen Fälle berichten. Auch über Übergriffe der Militärs und der paramilitärischen Gruppen bei ihren Einsätzen im Inneren (vor allem in Jammu und Kaschmir sowie in Indiens Nordosten) berichten Menschenrechtsorganisationen und die Nationale Menschenrechtskommission. Auch diese werden vereinzelt (militär-) gerichtlich geahndet, Prozess und Prozessausgang bleiben allerdings geheim (ÖB 12.2016).

Allgemeine Menschenrechtslage

Indien hat 1948 die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte unterzeichnet (AA 16.8.2016). Die nationale Gesetzgebung in Menschenrechtsangelegenheiten ist breit angelegt. Alle wichtigen Menschenrechte sind verfassungsrechtlich garantiert (ÖB 12.2016). Die Umsetzung dieser Garantien ist allerdings häufig nicht in vollem Umfang gewährleistet (AA 16.8.2016). Eine Reihe von Sicherheitsgesetzen schränken die rechtsstaatlichen Garantien, z.B. das Recht auf ein faires Verfahren, aber ein. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt. Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 16.8.2016).

Die wichtigsten Menschenrechtsprobleme sind Missbrauch durch Polizei und Sicherheitskräfte einschließlich außergerichtlicher Hinrichtungen, Folter und Vergewaltigung. Korruption bleibt weit verbreitet und trägt zur ineffektiven Verbrechensbekämpfung, insbesondere auch von Verbrechen gegen Frauen, Kinder und Mitglieder registrierter Kasten und Stämme sowie auch gesellschaftlicher Gewalt aufgrund von Geschlechts-, Religions-, Kasten- oder Stammeszugehörigkeit bei (USDOS 13.4.2016).

Die Menschenrechtslage ist in Indien regional sehr unterschiedlich (BICC 6.2016), eine verallgemeinernde Bewertung kaum möglich: Drastische Grundrechtsverletzungen und Rechtsstaatsdefizite koexistieren mit weitgehenden bürgerlichen Freiheiten, fortschrittlichen Gesetzen und engagierten Initiativen der Zivilgesellschaft. Vor allem die Realität der unteren Gesellschaftsschichten, die die Bevölkerungsmehrheit stellen, ist oftmals von Grundrechtsverletzungen und Benachteiligung geprägt (AA 16.8.2016). Ursache vieler Menschenrechtsverletzungen in Indien bleiben tiefverwurzelte soziale Praktiken wie nicht zuletzt das Kastenwesen (AA 16.8.2016). Frauen, Mitglieder ethnischer und religiöser Minderheiten sowie niedriger Kasten werden systematisch diskriminiert (BICC 6.2016). Während die Bürger- und Menschenrechte von der Regierung größtenteils respektiert werden, ist die Lage in den Regionen, dort wo es interne Konflikte gibt teilweise sehr schlecht. Dies trifft insbesondere auf Jammu und Kaschmir und den Nordosten des Landes zu. Den Sicherheitskräften, aber auch den nicht-staatlichen bewaffneten Gruppen, seien es separatistische Organisationen oder regierungstreue Milizen, werden massive Menschenrechtsverletzungen angelastet. Dem Militär und den paramilitärischen Einheiten werden Entführungen, Folter, Vergewaltigungen, willkürliche Festnahmen und außergerichtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Insbesondere hinsichtlich der Spannungen zwischen Hindus und Moslems, welche im Jahr 2002 zu Tausenden von Todesfällen führten, wird den Sicherheitskräften Parteilichkeit vorgeworfen Die Stimmung wird durch hindunationalistische Parteien angeheizt, welche auch in der Regierung vertreten sind (BICC 6.2016).

Separatistische Rebellen und Terroristen in Jammu und Kaschmir, den nordöstlichen Bundesstaaten und im Maoistengürtel begehen schwerwiegende Menschenrechtsverletzungen, darunter Morde an Zivilisten, Polizisten, Streitkräften und Regierungsbeamten. Aufständische sind für zahlreiche Fälle von Entführung, Folter, Vergewaltigung, Erpressung und den Einsatz von Kindersoldaten verantwortlich (USDOS 13.4.2016).

Die Behörden verstoßen auch weiterhin gegen die Privatsphäre der Bürger. In manchen Bundesstaaten schränkt das Gesetz die religiöse Konversion ein und es gibt Berichte von Verhaftungen, aber keine Verurteilungen nach diesem Gesetz. Manche Einschränkungen in Bezug auf die Bewegungsfreiheit dauern an (USDOS 13.4.2016).

Im Oktober 1993 wurde die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) gegründet. Ihre Satzung beinhaltet den Schutz des Menschenrechtgesetzes aus dem Jahre 1993. Die Kommission verkörpert das Anliegen Indiens für den Schutz der Menschenrechte. Sie ist unabhängig und wurde durch ein Umsetzungsgesetz des Parlaments gegründet. Die NHRC hat die Befugnis eines Zivilgerichtes (NHRC o.D.). Die NHRC empfiehlt, dass das Kriminalermittlungsbüro alle Morde, in denen die angeblichen Verdächtigen während ihrer Anklage, Verhaftung, oder bei ihrem Fluchtversuch getötet wurden, untersucht. Viele Bundesstaaten sind diesem unverbindlichen Rat nicht gefolgt und führten interne Revisionen im Ermessen der Vorgesetzten durch. Die NHRC Richtlinien weisen die Bundesstaatenregierungen an, alle Fälle von Tod durch Polizeihandlung binnen 48 Stunden an die NHRC zu melden, jedoch hielten sich viele Bundesstaatenregierungen nicht an diese Richtlinien. Die NHRC forderte von den Bundesstaatenregierung, den Familien von Opfern eine finanzielle Kompensation zu bieten, aber die Bundesstaatenregierungen erfüllten diese Richtlinien nicht konsequent. Die Behörden haben die Streitkräfte nicht dazu aufgefordert, Todesfälle während der Haft an die NHRC zu melden (USDOS 13.4.2016).

Todesstrafe

Die indische Regierung hat im Jahr 2012 das inoffizielle Memorandum in Bezug auf die Todesstrafe aufgehoben (HRW 27.1.2016). 59 Straftatbestände verschiedener Gesetze bzw. des indischen Strafgesetzbuch erlauben das Verhängen der Todesstrafe. In Militärgesetzen ist die Todesstrafe als Regelstrafe für schwere Fälle von Kollaboration, Meuterei und Fahnenflucht, seit Ende 2014 auch für gewaltsame Flugzeugentführung mit Todesfolge vorgesehen. Weder die indische Regierung noch die einzelnen Unionsstaaten führen eine Statistik über zum Tode Verurteilte (AA 16.8.2016).

Jedes Strafgericht kann die Todesstrafe verhängen. Der Oberste Gerichtshof hat eine restriktive Rechtsprechung zur Verhängung der Todesstrafe aufgestellt, wonach diese nur unter zwei engen Voraussetzungen verhängt werden kann: Die Tat muss außerordentlich schwerwiegend ("rarest of the rare cases") sein, und für den Täter bestehen keine Aussichten auf Resozialisierung (AA 16.8.2016). Eine Erhebung der renommierten National Law University zeigte im Mai 2016 jedoch auf, dass die Todesstrafe von lokalen Strafgerichten weiterhin kontinuierlich verhängt wird; die Gesamtzahl an Gefangenen im Todestrakt beträgt derzeit ca. 400. Zwischen 2000 und 2015 wurden 1.468 Todesurteile verhängt; davon wurden rund 30% in nächster Instanz freigesprochen, nur etwa 5% der Todesurteile wurden letztinstanzlich bestätigt (AA 16.8.2016).

Zum Tode Verurteilte haben das Recht, ein Gnadengesuch einzureichen. Das Begnadigungsrecht steht je nach Instanzenzug dem Staatspräsidenten bzw. dem Gouverneur des jeweiligen Bundesstaates zu. Der Oberste Gerichtshof hat am 21.1.2014 eine überlange, nicht zu rechtfertigende Dauer des Gnadenverfahrens als verfassungswidrig qualifiziert. Die Todesurteile von 15 Personen wurden daraufhin in lebenslange Haft umgewandelt. Außerdem urteilte das Gericht, dass eine solche Umwandlung auch bei Geisteskrankheit des Täters - unabhängig vom Zeitpunkt der Erkrankung - erfolgen müsse. Mit Entscheidung vom 18.2.2014 ist das Todesurteil gegen drei Attentäter von Premierminister Rajiv Gandhi vom Supreme Court wegen der überlangen Dauer des Gnadenverfahrens in lebenslange Freiheitsstrafe umgewandelt worden (AA 16.8.2016).

Im August 2015 empfahl die Law Commission of India (beratendes Gremium der Regierung) die Abschaffung der Todesstrafe - mit Ausnahme von Straftaten, die mit Terrorismus und Aufstacheln zum Angriffskrieg im Zusammenhang stehen. Da weite Teile von Parlament und Bevölkerung in Indien die Todesstrafe weiterhin befürworten, ist mit einer baldigen Abschaffung nicht zu rechnen. Zuletzt im November 2014 stimmte Indien im Menschenrechtsausschuss der VN-Vollversammlung gegen eine Resolution, die die weltweite Aussetzung der Todesstrafe zum Ziel hat (AA 16.8.2016; vgl. auch: HRW 27.1.2016).

Im April 2014 verhängte ein Gericht in Mumbai die Todesstrafe gegen drei Männer wegen Vergewaltigung. Grundlage des Urteils war ein neues Gesetz aus dem Jahr 2013, das für mehrfache Vergewaltigung die Todesstrafe vorsieht (AI 25.2.2015). Im Jahr 2015 wurde in Indien eine Person hingerichtet und in mehr als 75 Fällen die Todesstrafe verhängt (AI 6.4.2016).

Religionsfreiheit

Die Verfassung garantiert Religionsfreiheit (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), ordnet eine säkularen Staat an, fordert den Staat auf, alle Religionen unparteilich zu behandeln und verbietet Diskriminierung auf religiöser Basis. Nationales und bundesstaatliches Recht setzen die Religionsfreiheit jedoch unter dem Vorbehalt der öffentlichen Ordnung, Gesundheit und Moral (USDOS 10.8.2016). Der Schutz umfasst sowohl die innere Glaubensfreiheit als auch die Ausübung und im Prinzip auch die Verbreitung der Religion (AA 16.8.2016). Religionsfreiheit wird im Allgemeinen auch in der Praxis respektiert (FH 27.1.2016) und kaum eingeschränkt (AA 16.8.2016). Premierminister Modi hat sich im Februar 2015 zur Religionsfreiheit und der Gleichwertigkeit aller Religionen bekannt (AA 25.4.2015). Gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Religionsgruppen werden von der Regierung nicht geduldet (AA 25.4.2015). Das friedliche Nebeneinanderleben im multi-ethnischen, multi-religiösen Indien ist zwar die Norm, allerdings sind in einigen Unionsstaaten religiöse Minderheiten immer wieder das Ziel fundamentalistischer Fanatiker, oft auch mit Unterstützung lokaler Politiker (ÖB 12.2016). Die existierenden Spannungen, haben in der Vergangenheit auch zu massiven Gewaltausbrüchen geführt (zuletzt 2013 in Muzzafarnagar/Uttar Pradesh mit mehr als 40 Toten) (AA 16.8.2016). Berichten zufolge kommt es zu religiös motivierten Morden, Überfällen, Unruhen, Zwangskonvertierungen, Aktionen, die das Recht des Einzelnen auf Änderung seiner religiösen Überzeugung zum Ziel haben sowie zu Diskriminierung und Vandalisumus. Es kommt auch zu Bedrohungen und Übergriffen von Hindu-Nationalisten auf Muslime und Christen sowie zur Zerstörung ihres Eigentums aufgrund ihres Glaubens und im Zuge von Streitereien über die örtliche Lage von Kirchen und Moscheen (USDOS 10.8.2016).

Die größten religiösen Gruppen, nach ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung bei der Volkszählung aus dem Jahr 2001, sind Hindus (79,8%), Muslime (14,2%), Christen (2,3%) und Sikhs (1,7%) (CIA Factbook 12.12.2016). Muslime, Sikhs, Christen, Parsis, Janais und Buddhisten gelten als gesetzlich anerkannte Minderheitengruppen unter den religiösen Gruppierungen (USDOS 10.8.2016; vgl. auch: AA 16.8.2016), deren Vertreter in einer staatlichen Nationalen Minderheitenkommission sitzen. Hinzu kommen eine schier unüberschaubare Vielzahl unterschiedlicher indigener Volksgruppen mit eigenen animistischen Riten („Adivasis“ genannt), und die zahlenmäßig kleinen jüdischen und Bahai-Gemeinschaften (AA 16.8.2016). Das Gesetz legt fest, dass die Regierung die Existenz dieser religiösen Minderheiten schützt und Konditionen für die Förderung ihrer individuellen Identitäten begünstigt. Bundesstaatliche Regierungen sind dazu befugt, religiösen Gruppen gesetzlich den Status von Minderheiten zuzuerkennen (USDOS 10.8.2016).

Die Gesetzgebung in mehreren Staaten mit Hindumehrheit verbietet religiöse Konversion, die aus Zwang oder „Verlockung“ erfolgt - was sehr weit ausgelegt werden kann, um Personen, die missionarisch tätig sind, zu verfolgen. Manche Bundesstaaten fordern für Konversion eine Genehmigung der Regierung (FH 27.1.2016). In sechs der 29 Bundesstaaten (Arunachal Pradesh, Gujarat, Himachal Pradesh, Chhattisgarh, Odisha, und Madhya Pradesh) bestehen Anti-Konvertierungsgesetze. Es gibt in diesem Zusammenhang Berichte über Verhaftungen, jedoch nicht über Verurteilungen nach diesem Gesetz In Arunachal Pradesh ist dieses Anti-Konvertierungsgesetz aufgrund fehlender Freigabe der Gesetzgebung nicht implementiert. Ausländische Missionare jeglicher Religionszugehörigkeit benötigen „Missionsvisa“ („missionary visa“) (USDOS 10.8.2016).

Bundesorgane, einschließlich des Ministeriums für Minderheitenangelegenheiten (Ministry for Minority Affairs), die Nationale Menschenrechtskommission (National Human Rights Commission - NHRC) und die Nationale Kommission für Minderheiten (National Commission for Minorities - NCM) können Behauptungen über religiöse Diskriminierung untersuchen (USDOS 10.8.2016). Religiöse Minderheiten, vor allem Muslime und Christen, werfen den Behörden vor, nicht genug zum Schutz ihrer Rechte zu tun (HRW 27.1.2016).

Personenstandsgesetze gelten nur für bestimmte Religionsgemeinschaften in Fragen der Ehe, Scheidung, Adoption und Vererbung. Die Regierung gewährt bei der Ausarbeitung dieser Gesetze erhebliche Autonomie für die Personenstandsgremien. Das hinduistische, das christliche, das Parsi und das islamisches Personenstandsgesetz sind rechtlich anerkannt und gerichtlich durchsetzbar (USDOS 10.8.2016). Im Familienrecht genießen Muslime wie auch Christen besondere Freiheiten, die ihnen die Beachtung ihrer Traditionen ermöglichen (AA 16.8.2016).

Der Wahlsieg der hindu-nationalen BJP im Jahr 2014 löste in der Öffentlichkeit eine intensive Diskussion über das Spannungsfeld zwischen den Werten einer säkularen Verfassung und einer in Teilen zutiefst religiösen Bevölkerung aus; die Debatte zu religiös motivierter Gewalt wird lebhaft und kontrovers geführt (AA 16.8.2016). Im Vorfeld der Wahlen kam es 2013 zu Vorfällen von Gewalt gegen religiöse Minderheiten. Regierungsquellen zufolge wurden dabei in 823 Vorfällen 133 Personen getötet und 2.269 verletzt (HRW 29.1.2015). Die gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Religionsgruppen im Jahr 2015 haben nach offiziellen Angaben zugenommen: Im Vergleich zum Vorjahr gab es rund 17% mehr Zwischenfälle (von 644 auf 751), mit insgesamt 97 Toten (95 in 2014). 2.264 Personen wurden bei derartigen Zwischenfällen verletzt (1.921 im Vorjahreszeitraum). Die Mehrzahl der Übergriffe dürfte hindu-fundamentalistisch motiviert sein; eine offizielle Aufschlüsselung gibt es nicht. Gewalttätige Übergriffe durch selbsternannte Retter der "gau mata" (Heilige Mutter Kuh im Hinduismus) haben an Intensität und Zahl zugenommen (AA 16.8.2016).

Ethnische Minderheiten

Minderheiten sind nach indischem Recht als religiöse und sprachliche Minderheiten definiert (ÖB 12.2016). Die Verfassung enthält eine Garantie zum Schutz vor Diskriminierungen wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Religion, Rasse, Kaste, Geschlecht oder Geburtsort. Minderheiten haben das Recht auf eigene Bildungseinrichtungen sowie auf Pflege ihrer Sprache und Kultur (AA 16.8.2016). Das Gesetz räumt dem Präsidenten auch die Befähigung ein, benachteiligte Kasten und Stämme für spezielle Quoten und Begünstigungen zu bestimmen (USDOS 13.4.2016). Gesetze setzen Quoten bei Bildungseinrichtungen und Regierungsanstellungen für sogenannte „registrierte“ Kasten (Dalits) und Stämme, sowie einige andere sogenannte „benachteiligte Klassen“, fest (FH 27.1.2016).

Historisch sind weite Teile der Gesellschaft in Kasten oder Clans organisiert (USDOS 13.4.2016) und Mitglieder unterer Kasten und Minderheiten sind weiterhin alltäglicher Diskriminierung ausgesetzt (FH 27.1.2016). Die Kaste ist ein komplexes traditionelles Hierarchiesystem, das auf ritueller Reinheit und Berufsgruppen beruht. Obwohl mit der Verfassung von 1949 Kastendiskriminierung verboten wurde, bleibt die Registrierung zum Zwecke positiver Förderprogramme bestehen und die Regierung betreibt weiterhin verschiedene Programme, um Mitglieder niederer Kasten zu stärken (USDOS 13.4.2016). Besonders auf dem Land bleiben Diskriminierungen aufgrund der Kastenzugehörigkeit, die in der Struktur der indischen Gesellschaft angelegt sind und auf sozialen und religiösen Traditionen fußen und vielfach implizit verlaufen, jedoch weit verbreitet (USDOS 13.4.2016).

Um Minderheiten stärker in das öffentliche Leben zu integrieren und ihre Teilhabe zu erhöhen, erfahren die unterste Schicht der Kastenordnung (sog. „Dalits“ oder „Unberührbare“) sowie die Adivasis eine positive Diskriminierung, deren Zulässigkeit in der Verfassung festgeschrieben ist. Im Bildungswesen (u.a. Studienplätze) und in der staatlichen Verwaltung (u.a. Stellenvergabe) sind Quoten von bis zu 49,5% für die sogenannten „Scheduled“ Castes and „Scheduled“ Tribes („scheduled“ = in der Verfassung erwähnte Kasten und Stämme) sowie für andere benachteiligte Gruppen, „Other Backward Castes“, vorgesehen. Quoten werden auf zentralstaatlicher Ebene nur nach Kastenzugehörigkeit und sozialem Status, nicht aber nach Religion, zugeordnet. Allerdings gibt es in einigen Bundesstaaten Quotenregelungen für bestimmte religiöse Gemeinschaften, so z.B. in Tamil Nadu, Kerala und Andhra Pradesh für „rückständige“ Christen und Muslime (AA 16.8.2016).

Trotz dieser umfangreichen positiven Förderprogramme, weitreichender gesetzlichen Schutzbestimmungen und verfassungsmäßigem Verbot von „Unberührbarkeit“ (Artikel 17) werden Angehörige von niederen Kasten und Dalits in Indien noch immer massiv und systematisch diskriminiert, vor allem auch durch Polizei und Strafjustiz (AA 16.8.2016; vgl. auch: FH 27.1.2016).

Zum Schutz der benachteiligten Gruppen und zur Gewährleistung ihrer Repräsentation im Unterhaus des Parlaments, muss jeder Bundesstaat Sitze für die geschützten Kasten und Stämme in Proportion zur Bevölkerung des Staates reservieren. Nur Kandidaten, die diesen Gruppen angehören dürfen an den Wahlen in den reservierten Wahlkreisen teilnehmen. Bei den Wahlen 2014 waren 84 Sitze für Kandidaten der geschützten Kasten und 47 für jene der geschützten Stämme reserviert, was insgesamt 24% der Sitze im Unterhaus ergab. Mitglieder der Minderheitenbevölkerung dienten als Premierminister, Vizepräsidenten, Richter des Obersten Gerichts und Mitglieder des Parlaments (USDOS 13.4.2016).

Englisch genießt den Status der sekundär offiziellen Sprache, ist aber die wichtigste Sprache für nationale, politische und wirtschaftliche Kommunikation. Hindi ist die am weitest verbreitet gesprochene Sprache und die Hauptsprache von 41% der Menschen. Es gibt 14 weitere offizielle Sprachen: Bengali, Telugu, Marathi, Tamil, Urdu, Gujarati, Malayalam, Kannada, Oriya, Punjabi, Assamese, Kashmiri, Sindhi, und Sanskrit. Hindustani ist eine populäre Variante des Hindi/Urdu und wird weitgehend im Norden Indiens gesprochen, ist aber gemäß Zensus aus dem Jahr 2001 keine offizielle Sprache (CIA Factbook 12.12.2016). Die nationale Volkszählung kategorisiert die Bevölkerung anhand der gesprochenen Sprachen, aber nicht nach rassischen oder ethnischen Gruppen (USDOS 13.4.2016).

Vor allem in Indiens abgelegenen Nordosten gibt es eine Vielzahl unterschiedlicher Stämme und Ethnien. Ihr Verhältnis untereinander und gegenüber der Zentralregierung birgt großes

Konfliktpotential. Dieses beruht v.a. auf der Missachtung der großen ethnischen und kulturellen Vielfalt der dortigen Bevölkerungsgruppen, ihren Bestrebungen zur Wahrung ihrer kulturellen Identität sowie auf der wirtschaftlichen Vernachlässigung seitens der indischen Zentralregierung (AA 16.8.2016). Kinder aus vulnerablen Gemeinschaften sind Formen der Diskriminierung aufgrund ihrer Kasten- oder Religionszugehörigkeit sowie ihrer Ethnie ausgesetzt (HRW 27.1.2016).

Konfliktfördernd ist v.a. auch der als Bedrohung wahrgenommene, unkontrollierte Zustrom illegaler (muslimischer) Einwanderer, vor allem aus Bangladesch. Es gibt ca. 100 Rebellengruppen, deren Aktivitäten bis heute zehntausende Menschenleben gekostet haben. Aktionen von Polizei und Militär richten sich gegen diese militante Gewalt, nicht aber gegen bestimmte Ethnien (AA 16.8.2016).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährt landesweite Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Migration und Repatriierung und die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 13.4.2016). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der „Naxaliten“ in Frage gestellt. Abgesehen davon ist Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes gewährleistet (AA 16.8.2016).

Die Regierung lockerte Einschränkungen in Bezug auf Reisen nach Arunachal Pradesh, Nagaland, Mizoram, Manipur und Teilen von Jammu und Kaschmir, außer für Ausländer aus Pakistan, China und Burma. Das Innenministerium und die Bundesstaatenregierungen verlangen vor Reiseantritt von den Bürgern spezielle Genehmigungen einzuholen, um in bestimmte gesperrte Regionen bzw. Sperrzonen zu reisen. Die Sicherheitskräfte untersuchen Wagen und deren Inhaber bei Checkpoints im Kaschmirtal, vor öffentlichen Veranstaltungen in Neu Delhi oder nach großen terroristischen Angriffen (USDOS 13.4.2016).

Die Regierung darf die legale Ausstellung eines Passes, an einen Anwärter, von dem geglaubt wird, dass er in Aktivitäten außerhalb des Landes verwickelt ist, die „schädlich für die Souveränität und Integrität der Nation“ sind, verweigern Bürger von Jammu und Kaschmir sind auch weiterhin mit massiven Verzögerungen bei der Ausstellung eines Passes konfrontiert, oft dauert es bis zu zwei Jahre, bis ihnen das Außenministerium einen Pass ausstellt oder erneuert. Die Regierung setzt Antragsteller - geboren in Jammu und Kaschmir -, darunter auch Kinder von Militäroffizieren Berichten zufolge zusätzlichen Kontrollen aus, bevor sie einen Pass erhalten (USDOS 16.8.2016).

Mit dem geplanten Datenverbundsystem für die zentralen Sicherheitsbehörden und die Unionsstaaten, Crime and Criminal Tracking Network System (CCTNS), soll künftig ein Informationsaustausch auf allen Ebenen gewährleistet sein. Für 2012 war eine Anbindung von 15.000 Polizeistationen und 6.000 übergeordneten Stellen vorgesehen. Die Umsetzung des ambitionierten Vorhabens liegt jedoch weit hinter dem ursprünglichen Zeitplan (AA 3.3.2014).

Indien ist das siebtgrößte Land der Erde mit über einer Milliarde Einwohnern (ÖB 12.2016). Es ist davon auszugehen, dass Betroffene sich durch Flucht in einen anderen Landesteil jeglicher Art der privaten/halbstaatlichen Probleme entziehen können, da nicht davon auszugehen ist, dass über das Dorf hinaus Anwohner oder lokale Behörden Hinweise erhalten oder recherchieren können oder sich überhaupt dafür interessieren, was ein Zugezogener in der Vergangenheit gemacht haben könnte. Es fehlen jegliche zentrale Aktenführung oder Informationsaustausch. Es bedarf lediglich eines sehr einfachen, öffentlichen Namensänderungsverfahrens, um seine Identität zu verschleiern (AA 3.3.2014).

Es gibt kein staatliches Melde- oder Registrierungssystem, so dass ein Großteil der Bevölkerung keinen Ausweis besitzt. Dies begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil im Falle von Verfolgung. Auch bei laufender strafrechtlicher Verfolgung ist nicht selten ein unbehelligtes Leben in ländlichen Bezirken eines anderen Landesteils möglich, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss (AA 16.8.2016). Ob der Betreffende nach der Umsiedlung dort die Möglichkeit hat, sich ein wirtschaftliches Auskommen zu verschaffen, hängt ausschließlich von seiner Eigeninitiative ab (AA 3.3.2014).

In den großen Städten ist die Polizei jedoch personell und materiell besser ausgestattet, so dass die Möglichkeit, aufgespürt zu werden, dort größer ist. Bekannte Persönlichkeiten („high profile“ persons) können nicht durch einen Umzug in einen anderen Landesteil der Verfolgung entgehen, wohl aber weniger bekannte Personen („low profile“ people) (ÖB 12.2016).

Grundversorgung/Wirtschaft

Indiens Wirtschaft hat sich zuletzt erholt und an Dynamik gewonnen. Indien zählt nach wie vor zu den am stärksten expandierenden Volkswirtschaften der Welt. Das Wirtschaftswachstum lag im Haushaltsjahr 2015/2016 bei 7,6% (AA 9.2016).

Das Land hat eine aufstrebende urbane Mittelschicht. Die große Zahl an Facharbeitskräften macht es zu einem beliebten Ziel für internationale Firmen, die versuchen ihre Arbeit auszulagern. Der Großteil der ländlichen Bevölkerung ist weiterhin arm, da deren Leben auch weiterhin durch das altertümliche Hindukastensystem beeinflusst wird, welches jeder Person einen Platz in der sozialen Hierarchie zuweist (BBC 27.9.2016)

Das hohe Wachstum der Jahre bis 2011 hat die regionalen Entwicklungsunterschiede auf dem Subkontinent und das zunehmende Einkommensgefälle zwischen der expandierenden städtischen Mittelschicht und der überwiegend armen Bevölkerung auf dem Lande, wo noch knapp 70% aller Inder leben, schärfer hervortreten lassen. Ende September 2014 verkündete Premierminister Modi die „Make in India“ Kampagne und rief ausländische Investoren dazu auf, in Indien bei verbesserten Investitionsbedingungen zu produzieren. Zur Ankurbelung der weiteren Industrialisierung werden groß angelegte Infrastrukturprojekte verfolgt. Auch im Bereich Schiene, den Häfen und im Luftverkehr sind erhebliche Investitionen nötig und geplant. Wachstum und Wohlstand verdankt Indien vor allem dem Dienstleistungssektor mit einem Anteil von über 53% am BIP. Hiervon profitiert aber bei einem Beschäftigungsanteil von etwa 30% nur ein kleiner Teil der Bevölkerung. Zur Überwindung der Massenarmut sollen neue Arbeitsplätze geschaffen werden, vor allem auch für nicht oder gering qualifizierte Kräfte (AA 9.2016).

Indien hat eine Erwerbsbevölkerung von 404,5 Millionen, von welchen 43 Millionen im formellen Sektor und 361 Millionen im informellen Sektor arbeiten, wo sie weder gegen Krankheit oder Arbeitsunfälle abgesichert sind, noch Anspruch auf soziale Leistungen oder Altersversorgung haben (AA 9.2016). Der Hauptteil der Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind im privaten Sektor tätig (BAMF 12.2015). Die überwiegende Mehrheit der indischen Bevölkerung lebt in ländlich-bäuerlichen Strukturen und bleibt wirtschaftlich benachteiligt. Der Anteil der Landwirtschaft an der indischen Wirtschaftsleistung sinkt seit Jahren kontinuierlich und beträgt nur noch etwa 17,4% (2015/16) der Gesamtwirtschaft, obgleich rund 50% der indischen Arbeitskräfte in diesem Bereich tätig sind (AA 9.2016).

Die Regierung hat überall im Land mehr als 900 Arbeitsagenturen (Employment Exchanges) eingeführt um die Einstellung geeigneter Kandidaten zu erleichtern. Arbeitssuchende registrieren sich selbständig bei den Arbeitsagenturen und werden informiert sobald eine geeignete Stelle im Regierungssekte frei ist. Das MGNREGA Gesetz (Mahatma Gandhi National Rural Employment Guarantee Act) ist ein Arbeitsgarantieprogramm. Erwachsenen eines ländlichen Haushalts, welche gewillt sind Handwerksarbeit zum Mindestlohn zu verrichten, wird hierdurch eine gesetzliche Jobgarantie für 100 Tage im Jahr gewährt. Das Kommissariat oder Direktorat der Industrie (The Commissionerates or Directorates of Industries) bieten Hilfe bei der Geschäftsgründung in den verschiedenen Staaten. Einige Regierungen bieten Arbeitslosenhilfe für Personen, die bereits mehr als drei Jahre bei der Stellenbörse registriert sind (BAMF 12.2015)

Indien steht vor gewaltigen Herausforderungen bei der Armutsbekämpfung und in der Bildungs- und Infrastrukturentwicklung. Das durchschnittliche jährliche Pro-Kopf-Einkommen liegt bei 1.313 Euro. Etwa 30% der Bevölkerung leben unterhalb der Armutsgrenze von 1 USD pro Kopf und Tag. Rund 70% haben weniger als 2 USD pro Tag zur Verfügung. Auf dem Human Development Index des Entwicklungsprogramms der Vereinten Nationen (United Nations Development Programme - UNDP) steht Indien auf Platz 135 unter 187 erfassten Staaten. Während es weltweit die meisten Millionäre und Milliardäre beheimatet, liegt Indien bei vielen Sozialindikatoren deutlich unter den Durchschnittswerten von Subsahara-Afrika. Gleichzeitig konnten in den letzten beiden Jahrzehnten hunderte Millionen Menschen in Indien der Armut entkommen (AA 9.2016).

In Indien haben derzeit von 400 Millionen Arbeitskräften nur etwa 35 Millionen Zugang zum offiziellen Sozialen Sicherungssystem in Form einer Altersrentenabsicherung. Dies schließt Arbeiter des privaten Sektors, Beamte, Militärpersonal und Arbeitnehmer von Unternehmen des staatlich öffentlichen Sektors ein (BAMF 8.2014). Die Regierung betreibt eine Vielzahl von Programmen zur Finanzierung von Wohnungen. Diese richten sich jedoch zu meist an Personen unterhalb der Armutsgrenze. Weiters bieten die Regierungen eine Vielzahl an Sozialhilfen an welche sich jedoch an unterprivilegierte Gruppen, wie die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze richten. Diese Programme werden grundsätzlich durch die lokalen Verwaltungen umgesetzt (Panchayat) (BAMF 12.2015).

Die Arbeitnehmerrentenversicherung ist verpflichtend und mit der Arbeit verknüpft. Das staatliche Sozialversicherungsprogramm (National Social Assistance Programme) erfasst nur die Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze oder physisch Benachteiligte. Das staatliche Rentensystem National Pension System (NPS) ist ein freiwilliges, beitragsbasiertes System, welches es den Teilnehmer ermöglicht systematische Rücklagen während ihres Arbeitslebens anzulegen (BAMF 12.2015).

Etwa ein Viertel der Bevölkerung lebt unter dem Existenzminimum. Sofern es nicht zu außergewöhnlichen Naturkatastrophen kommt, ist jedoch eine für das Überleben ausreichende Nahrungsversorgung auch den schwächsten Teilen der Bevölkerung grundsätzlich sichergestellt. Es gibt keine staatlichen Aufnahmeeinrichtungen für Rückkehrer, Sozialhilfe oder ein anderes soziales Netz. Rückkehrer sind auf die Unterstützung der Familie oder Freunde angewiesen. Vorübergehende Notlagen können durch Armenspeisungen im Tempel, insbesondere der Sikh-Tempel, die auch gegen kleinere Dienstleistungen Unterkunft gewähren, ausgeglichen werden (AA 16.8.2016).

Als Teil einer Armutsbekämpfungsinitiative wurde seit 2010 Millionen indischer Bürger eine Aadhaar ID Nummer ausgestellt. Obwohl diese nicht verpflichtend ist, gaben Beamte an, dass der Nichtbesitz den Zugang zur Staatshilfe limitieren werden könnte (FH 3.10.2013). Die unverwechselbare Identitätsnummer ermöglicht es beispielsweise, dass staatliche Zuschüsse direkt an den Verbraucher übermittelt werden. Anstatt diese auf ein Bankkonto zu senden, wird sie an die unverwechselbare Identitätsnummer überwiesen, die mit der Bank verbunden ist und geht so an das entsprechende Bankkonto. 750 Millionen Inder haben derzeit eine derartige Identitätsnummer, ca. 130 Millionen haben diese auch mit ihrem Bankkonto verknüpft (International Business Times, 2.2.2015).

Die Identifizierungsbehörde Indiens wurde eingerichtet, um die rechtliche und technische Infrastruktur zu schaffen, die notwendig ist, um allen indischen Einwohnern eine 12-stellige Identitätsnummer (UID) auszustellen, die online überprüft werden können. Dieses Projekt soll gefälschte und doppelte Identitäten ausschließen. Das neue Identitätssystem wird mit Fotos, demographischen und biometrischen Details (Fingerabdrücke und IrisBild) verbunden. Der Erwerb einer UID ist freiwillig und kostenlos. Es gibt keine rechtliche Verpflichtung, sich registrieren zu lassen (UK Home Office 2.2015).

Da die im Rahmen des UID bzw. Aadhaar Projektes gesammelten Daten nicht in das nationale Bevölkerungsregister (NPR) integriert werden, stellt dieses jedoch nur eine bloße Auflistung von Namen und demographischen Details dar. Bisher wurden 1,04 Milliarden Aadhaar Nummern generiert, mit dem Plan der vollständigen Erfassung der Bevölkerung bis März 2017. Die zuständige Behörde für die einheitliche Identifikationsnummer weigert sich, die gesammelten Daten an das für das Bevölkerungsregister zuständige Innenministerium weiterzuleiten, da sie aufgrund des im Juli 2016 verabschiedeten Gesetzes von einem Datenaustausch ausgeschlossen ist (HT 8.8.2016).

Medizinische Versorgung

Die Struktur von Indiens Gesundheitssystems ist vielseitig. Nach der indischen Verfassung haben die verschiedenen Staaten die Leitung über die meisten Aspekte des Gesundheitswesens, inklusive öffentlicher Gesundheit und Krankenhäuser. Rund 80% der Finanzierung des öffentlichen Gesundheitswesens kommt von den Staaten (BAMF 12.2015).

Die gesundheitliche Grundversorgung wird vom Staat kostenfrei gewährt. Sie ist aber durchweg unzureichend (AA 16.8.2016) und schließt keine kostenfreie Gesundheitsversorgung für die gesamte Bevölkerung ein (BAMF 8.2014). Staatliche Krankenhäuser bieten Gesundheitsversorgung kostenfrei oder zu sehr geringen Kosten (BAMF 12.2015).

Staatliche Gesundheitszentren bilden die Basis des öffentlichen Gesundheitswesens. Dies sind meist Ein-Mann-Kliniken, die auch kleine Operationen anbieten. Diese Zentren sind grundsätzlich in der Nähe aller Dörfer zu finden. Insgesamt gibt es mehr als 23.000 solcher Kliniken in Indien. Gemeindegesundheitszentren (Community Health Centres) sind als Basis des Gesundheitswesens in städtischen Gegenden verfügbar. Taluk Krankenhäuser werden von der Regierung und dem zuständigen Taluk [Anmerkung: Verwaltungseinheit] betrieben Bezirkskrankenhäuser (District level hospitals) und spezialisierte Kliniken sind für alle möglichen Gesundheitsfragen ausgestattet (BAMF 12.2015).

Der private Sektor hat ebenfalls eine wesentliche Rolle bei der Gesundheitsversorgung. (BAMF 12.2015) und da der Andrang auf Leistungen des staatlichen Sektors sehr stark ist, weichen viele für eine bessere oder schnellere Behandlung auf private Anbieter aus. Die privaten Gesundheitsträger genießen wegen der fortschrittlicheren Infrastruktur und des qualifizierteren Personals einen besseren Ruf. In allen größeren Städten gibt es medizinische Einrichtungen, in denen überlebensnotwendige Behandlungen durchgeführt werden können. Dies gilt mit den genannten Einschränkungen auch für den öffentlichen Bereich (AA 16.8.2016). Einige wenige private Krankenhäuser in den größten Städten gewährleisten einen Standard, der dem westlicher Industriestaaten vergleichbar ist. Im wirtschaftlich starken Punjab und in New Delhi ist die Gesundheitsversorgung im Verhältnis zu anderen Landesteilen gut (AA 16.8.2016). Private Gesundheitsversorgung ist vergleichbar teuer und den Großteil der Kosten zahlen die Patienten und deren Familien selbst. Für den Zugang zu den Leistungen ist grundsätzlich ein gültiger Personenausweis nötig (Adhaar card, Voter ID, PAN, driving license) (BAMF 12.2015).

Mehrere Versicherungsgesellschaften bieten eine Krankenversicherung an, die bestimmte medizinische Kosten abdeckt, unter anderen auch statio

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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