TE Vwgh Erkenntnis 1997/9/3 96/01/0691

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Veröffentlicht am 03.09.1997
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Index

41/02 Staatsbürgerschaft;

Norm

StbG 1985 §10 Abs3;
StbG 1985 §11;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Bachler, Dr. Rigler und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Mag. Unterer, über die Beschwerde des Ali Nasir Al-Badry in Graz, vertreten durch Dr. Hella Ranner und Dr. Franz Krainer, Rechtsanwälte in Graz, Herrengasse 19/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 18. Juni 1996, Zl. 5-11.A/152-95/14, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 18. Juni 1996 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers, eines irakischen Staatsangehörigen, vom 21. August 1995 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 3 in Verbindung mit § 39 Abs. 1 und 2 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Die belangte Behörde hat die Abweisung des Verleihungsantrages des Beschwerdeführers, der nach dem angefochtenen Bescheid seit 19. Dezember 1991, nach seinen eigenen Antragsangaben seit 20. Dezember 1991 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich hat, damit begründet, daß im Fall des Beschwerdeführers ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG nicht vorliege. Denn weder die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers, der Umstand, daß er "durch den Nichtbesitz der österreichischen Staatsbürgerschaft ständigen inneren Spannungen ausgesetzt" sei, noch die "Absicht als selbständiger Unternehmer Arbeitsplätze zu schaffen, da es bis jetzt nur bei der Absicht geblieben" sei, bildeten einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund für die Verleihung.

Gemäß § 10 Abs. 3 StbG kann bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft von der Voraussetzung des Abs. 1 Z. 1 (seit 10 Jahren ununterbrochener Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik) abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z. B. das hg. Erkenntnis vom 9. April 1997, Zl. 96/01/0513, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung. Eine Ermessensausübung gemäß § 11 StbG kann erst dann einsetzen, wenn alle Verleihungsvoraussetzungen des § 10 StbG - somit bei einer das Ausmaß von 10 Jahren unterschreitenden Aufenthaltsdauer auch das Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes - gegeben sind. Liegt ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund nicht vor, kann die in § 11 verankerte Bedachtnahme auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Gesamtverhalten der Partei sowie auf die Flüchtlingseigenschaft eines Verleihungswerbers nicht dazu führen, daß in Ausübung des freien Ermessens von der angeführten Verleihungsvoraussetzung abgesehen werden könnte.

Die belangte Behörde befindet sich mit ihrer Rechtsanschauung, die ins Treffen geführte Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers stelle für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG dar, auf dem Boden der ständigen hg. Rechtsprechung (vgl. für viele andere z.B. das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 95/01/0251, mit weiteren Judikaturhinweisen).

Daß die im Antrag behauptete volle soziale Integration (in der Beschwerde gibt der Beschwerdeführer dagegen an, er spreche "nur gebrochen deutsch" und benötige einen Dolmetscher bei Kontakten mit Behörden), das Vorliegen einer gesicherten Unterkunft und unselbständige Erwerbstätigkeit einen besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstellten, behauptet der Beschwerdeführer in der Beschwerde nicht. Diese Umstände verstärken zwar die Integration des Beschwerdeführers, können aber schon deshalb keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund darstellen, weil die Sicherung des Lebensunterhaltes gemäß § 10 Abs. 1 Z. 7 eine zwingende Verleihungsvoraussetzung darstellt.

Daß sich der Beschwerdeführer "aufgrund der Umstände seiner Flucht nicht mehr als irakischer Staatsbürger fühlen kann und die österreichische Staatsbürgerschaft noch nicht besitzt" und dadurch "einer ständigen inneren Spannung ausgesetzt", ist - wie die belangte Behörde richtig erkennt - kein berücksichtigungswürdiger Grund, weil eine solche auf der Flüchtlingssituation beruhende innere Spannung durch die Anerkennung als Flüchtling bereits hinreichend berücksichtigt ist.

Der Beschwerdeführer behauptet darüber hinaus, er habe in einer Stellungnahme vom 21. März 1996 darauf hingewiesen, daß er "gerade die Firma "Al-Go-Al OHG Export-Import" mit Sitz in Graz" gründe. Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft stelle eine enorme Erleichterung bei der Ausübung dieser unternehmerischen Tätigkeit dar. Er habe eine Kopie des Gesellschaftsvertrages vom 18. Mai 1994 übermittelt. Im Zusammenhang mit diesem Vorbringen rügt der Beschwerdeführer mehrere Verfahrensmängel. Insoferne er mangelndes Parteiengehör geltend macht, weil im angefochtenen Bescheid ausgeführt sei, daß "im Zuge einer Vorsprache beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung am 6.2.1996, dem Genannten Akteneinsicht gewährt" und er eingeladen worden sei, dazu eine Stellungnahme abzugeben, und er daraus eine persönliche Vorsprache des Beschwerdeführers trotz dessen anwaltlicher Vertretung ableitet, ist ihm die Aktenwidrigkeit seiner Behauptung vorzuhalten. Denn diese Akteneinsicht vom 6. Februar 1996 erfolgte durch einen Kanzleiangestellten der Beschwerdevertreter. Damit gehen die darauf gestützten Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich seiner schlechten Sprachkenntnisse ins Leere. Des weiteren behauptet der Beschwerdeführer eine "Akteneinsicht" durch einen Kanzleiangestellten "im Feber 1996", bei der diesem lediglich "die Stellungnahme der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark" zur Kenntnis gebracht worden sei. Abgesehen davon, daß eine "Stellungnahme" der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark im Akt gar nicht enthalten ist, sondern lediglich eine (negative) Auskunft dieser Behörde über bestehende Verwaltungsstrafvormerkungen bzw. Strafregistereintragungen einliegt, ist diese Behauptung des Beschwerdeführers insbesondere deshalb nicht nachvollziehbar, weil er in einem Fristerstreckungsantrag vom 6. März 1996 die Erstreckung der zur Stellungnahme eingeräumten vierwöchigen Frist um weitere zwei Wochen begehrte, weil "bis heute eine Informationsaufnahme mit dem Antragsteller nicht möglich" gewesen sei. Wäre dem Vertreter des Beschwerdeführers tatsächlich nur eine negative Strafregister- und Verwaltungsstrafauskunft vorgehalten worden, entbehrte ein solcher Fristerstreckungsantrag jeder sinnvollen Grundlage. Darüber hinaus erwähnt der Beschwerdeführer in seiner Stellungnahme vom 21. März 1996 in keiner Weise diese negative Auskunft, sondern geht inhaltlich auf den übrigen Akteninhalt ein. Die Verfahrensrüge entbehrt auch der Relevanz. Denn der Beschwerdeführer hat über die in der Stellungnahme vom 21. März 1996 gemachten Ausführungen, daß er gerade eine OHG gründe, wobei zu "dieser Gesellschaftsgründung" und "überhaupt beim Aufbau seiner unternehmerischen Existenz" die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "eine enorme Erleichterung" darstelle, in der Beschwerde keinen darüber hinausgehenden Sachverhalt vorgebracht.

Insoferne der Beschwerdeführer der belangten Behörde einen Ermittlungsmangel dergestalt vorwirft, sie hätte aufgrund seiner Stellungnahme vom 21. März 1996 und der darin behaupteten Gesellschaftsgründung eine neuerliche Anfrage an das Arbeitsmarktservice Steiermark stellen müssen, bringt der Beschwerdeführer nicht vor, was diese Erhebung in tatsächlicher Sicht im Hinblick auf eine tatsächlich ausgeübte unternehmerische Tätigkeit des Beschwerdeführers hätte erbringen sollen. Insbesondere behauptet der Beschwerdeführer auch nicht, daß der in der zuvor abgegebenen Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Steiermark vom 17. November 1995 erwähnte Umstand, er stehe seit August 1995 bei einer Grazer Firma als Autowäscher in Arbeit, unrichtig sei. Eine allfällige aus rechtlichen Gründen befürwortete oder nicht befürwortete Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft an den Beschwerdeführer wäre aber unerheblich, da die belangte Behörde die Rechtsfrage, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliege, selbständig zu lösen hatte. Der Beschwerdeführer behauptet auch in der Beschwerde nicht, daß er tatsächlich unternehmerisch aktiv geworden sei. Die in der Beschwerde versuchte Uminterpretation seiner Angaben in der Stellungnahme vom 21. März 1996 dahingehend, er habe bereits damals vorgebracht, daß er unternehmerisch tätig sei und durch seine unternehmerische Tätigkeit Arbeitsplätze schaffe und die Wirtschaft belebe, kann angesichts des eindeutigen, zur beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeiten in die Zukunft gerichteten Wortlautes in der Stellungnahme vom 21. März 1996 nicht gefolgt werden. Doch selbst wenn man darin ein eigenständiges neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde derart sähe, daß der Beschwerdeführer bereits zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides unternehmerisch tatsächlich tätig gewesen wäre, führte das Vorbringen die Beschwerde nicht zum Erfolg, da es dann - mangels Vorliegens der behaupteten Verfahrensmängel - dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG unterläge. Darüber hinaus ist eine zum Zeitpunkt der Entscheidung der belangten Behörde bereits ausgeübte unternehmerische Tätigkeit aufgrund des Umstandes, daß der Gesellschaftsvertrag vom 18. Mai 1994 als Beginn der Gesellschaft den 1. Juni 1994 festsetzt, der Beschwerdeführer aufgrund seiner eigenen Angaben im Antrag vom 16. August 1995 eine "derzeit" (d.h. nach Beginn der Gesellschaft) ausgeübte unselbständige Erwerbstätigkeit angibt und er in der Stellungnahme vom 21. März 1996 von einer soeben stattfindenden Gründung sowie davon spricht, er werde durch den Betrieb seines Unternehmens Arbeitsplätze schaffen, nicht anzunehmen. Daher ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht davon ausgegangen, daß es "bis jetzt nur bei der Absicht geblieben" sei, selbständige Unternehmertätigkeit tatsächlich zu entfalten. Eine bloße Gesellschaftsgründung ohne tatsächliche Ausübung unternehmerischer Tätigkeit ist jedenfalls nicht als besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG anzusehen, was die belangte Behörde richtig erkannt hat.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1996010691.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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