Index
10 VerfassungsrechtNorm
B-VG Art139 Abs1 / PräjudizialitätLeitsatz
Zurückweisung eines Antrags eines Unabhängigen Verwaltungssenates auf Aufhebung einer wasserrechtlichen Verordnung mangels Legitimation infolge Außerkrafttretens der vor dem UVS angefochtenen Bescheide wegen Ablaufs der im VStG normierten FristSpruch
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. 1. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich stellt durch sein nach der Geschäftsverteilung zuständiges Mitglied gemäß Art129 a iVm Art89 Abs2 und Art139 Abs1 B-VG den beim Verfassungsgerichtshof am 17. Jänner 1995 eingelangten, näher begründeten Antrag, §2 Z2 und §4 der Verordnung der Bezirkshauptmannschaft Rohrbach vom 5. März 1993, Zl. Wa-150/10- 1988, über die Erklärung des Mündungsbereiches der Großen Mühl als Laichschonstätte (Laichschonstättenverordnung), kundgemacht im Amtsblatt zur Linzer Zeitung, Folge 7/1993, S. 19, als gesetzwidrig aufzuheben.
Anlaß für den Antrag bilden zwei Verfahren über Berufungen gegen Straferkenntnisse des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz als Bezirksverwaltungsbehörde vom 22. November 1993, Zlen. 501/Wa-109/93b-Str und 501/Wa-108/93e-Str, mit denen der jeweilige Berufungswerber wegen einer Verwaltungsübertretung nach §137 Abs1 lita des Wasserrechtsgesetzes 1959 - WRG 1959 bestraft wurde. Beide Berufungswerber wurden schuldig erkannt, eine Verwaltungsübertretung nach dieser Gesetzesstelle dadurch begangen zu haben, daß sie am 6. Juni 1993 um 13.30 Uhr die Große Mühl im Mündungsbereich mit einem Motorboot (amtliche Kennzeichen O-20612 bzw. O-20025) befahren haben, obwohl dieser Bereich mit der Laichschonstättenverordnung als Laichschonstätte erklärt und das Befahren mit Motorfahrzeugen, ausgenommen Behördenfahrzeuge und bestimmte andere Fahrzeuge, ganzjährig verboten wurde und obwohl gemäß §15 Abs5 WRG 1959 in der Laichschonstätte während der von der Wasserrechtsbehörde zu bestimmenden Zeit jede mit einer Gefährdung des Laichens oder der Fischbrut verbundene Tätigkeit, insbesondere auch das Befahren mit Wasserfahrzeugen, verboten ist.
2. Der Unabhängige Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich vertritt mit näherer Begründung die Auffassung, daß er bei der ihm obliegenden Entscheidung über die in Rede stehenden Berufungen die angefochtenen Bestimmungen der Laichschonstättenverordnung anzuwenden habe.
3.a) Die Bezirkshauptmannschaft Rohrbach hat in einer Äußerung die Gesetzmäßigkeit der angefochtenen Verordnungsbestimmungen verteidigt und die Abweisung des Antrages des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich (als unbegründet) beantragt.
b) Der Landeshauptmann von Oberösterreich hat sich dahin geäußert, daß eine der angefochtenen Verordnungsbestimmungen unter bestimmten Voraussetzungen im Gesetz Deckung finden könne.
II. Der Antrag ist unzulässig.
1. Gemäß Art139 Abs1 B-VG iVm Art129 a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen einer Bundes- oder Landesbehörde auf Antrag eines unabhängigen Verwaltungssenates, wenn diese Behörde gegen die Anwendung solcher Normen aus dem Grunde der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat. Der Verfassungsgerichtshof hat hiebei die ihm unterbreitete Auffassung zur Präjudizialitätsfrage nach ständiger Rechtsprechung auf ihre Denkmöglichkeit hin zu untersuchen (vgl. zB VfSlg. 13424/1993 uvam.). Tritt dabei die Unrichtigkeit des Standpunktes des unabhängigen Verwaltungssenates offen zutage, so ist der Antrag unzulässig.
2. Eben dies trifft auf den vorliegenden Antrag zu.
Gemäß §51 Abs1 VStG, idF des Bundesgesetzes BGBl. 666/1993, steht dem Beschuldigten (in einem Verwaltungsstrafverfahren) das Recht der Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zu. §51 Abs7 erster Satz VStG ordnet an, daß ein beim unabhängigen Verwaltungssenat bekämpfter Bescheid - vom hier nicht gegebenen Fall des zweiten Satzes des §51 Abs7 VStG abgesehen - als aufgehoben gilt und das Verfahren einzustellen ist, wenn eine Berufungsentscheidung nicht innerhalb von 15 Monaten ab Einbringung der Berufung erlassen wird. In diese Frist ist mangels einer anderslautenden Bestimmung die Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof einzurechnen (vgl. dazu etwa Thienel, Das Verfahren der Verwaltungssenate2, S. 331 f.).
3. Aus den dem Verfassungsgerichtshof vorliegenden Akten geht hervor, daß in den beiden hier in Rede stehenden Berufungsfällen die jeweils mit 17. Dezember 1993 datierte und am selben Tag zur Post gegebene Berufung am 20. Dezember 1993 im Büro des Bürgermeisters der Landeshauptstadt Linz eintraf (vgl. zum Lauf der Frist ab dem Tag des Einlangens der Berufung bei der Behörde und nicht ab dem Tag der Postaufgabe zB VwSlg. 11790 A/1985).
Die - im Zeitpunkt der Antragstellung durch den Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich noch offene - 15-monatige Frist des §51 Abs7 erster Satz VStG ist somit spätestens mit 20. März 1995 abgelaufen. Die Anordnung des §51 Abs7 VStG idF der Novelle BGBl. 620/1995, wonach die "Zeit eines Verfahrens vor dem Verfassungsgerichtshof ... nicht in diese Frist einzurechnen" ist, ist erst mit 1. Juli 1995 in Kraft getreten, also zu einem Zeitpunkt, in dem die 15-monatige Frist bereits abgelaufen war und die Bescheide außer Kraft getreten waren. Da die mit Berufung vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat des Landes Oberösterreich bekämpften Bescheide ex lege nicht mehr gelten, ist es offenkundig, daß dieser die beim Verfassungsgerichtshof bekämpfte Verordnungsbestimmung nicht mehr anzuwenden hat (vgl. auch §57 Abs4 VerfGG).
4. Der Antrag war daher mangels Legitimation gemäß §19 Abs3 Z2 lite VerfGG ohne vorausgegangene Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen.
Schlagworte
VfGH / Präjudizialität, Verwaltungsverfahren, Fristen (Verwaltungsverfahren), Unabhängiger VerwaltungssenatEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1995:V18.1995Dokumentnummer
JFT_10048996_95V00018_00