TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/21 W250 2234226-3

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Veröffentlicht am 21.10.2020
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Entscheidungsdatum

21.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76
FPG §77

Spruch

W250 2234226-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Mag. Michael BIEDERMANN als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl XXXX über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , StA. Nigeria, in Schubhaft zu Recht:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge als BF bezeichnet), ein nigerianischer Staatsangehöriger, stellte am 16.07.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz in Griechenland. Diesem Verfahren entzog er sich, reiste unrechtmäßig nach Österreich ein und stellte am 21.08.2010 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Dabei gab er an, minderjährig zu sein. Mit gerichtsmedizinischem Gutachten vom 15.10.2010 wurde festgestellt, dass beim BF ein Mindestalter von 19 Jahren bestehe und das geltend gemachte Alter von 16 Jahren ausgeschlossen werden könne. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 04.11.2010 wurde der Asylantrag als unzulässig zurückgewiesen, da für die Prüfung des Antrages Griechenland zuständig sei. Gleichzeitig wurde der BF aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Griechenland ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem BF durch Hinterlegung im Akt zugestellt, da er an der angegebenen Zustelladresse nicht mehr aufhältig war und eine neuerliche Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte. Eine Überstellung des BF nach Griechenland erfolgte innerhalb der gesetzlichen Frist nicht, weshalb der Bescheid vom 04.11.2010 mit Bescheid vom 19.06.2012 aufgehoben wurde.

2. Bereits am 28.03.2011 wurde mit Bescheid einer Bundespolizeidirektion ein auf die Dauer von 10 Jahren befristetes Aufenthaltsverbot gegen den BF erlassen. Der dagegen erhobenen Beschwerde wurde mit Bescheid eines Unabhängigen Verwaltungssenates vom 26.04.2012 insofern Folge gegeben, als anstelle des auf 10 Jahre befristeten Aufenthaltsverbotes eine Rückkehrentscheidung getroffen und ein auf die Dauer von acht Jahren befristetes Einreiseverbot ausgesprochen wurde.

3. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 28.08.2012 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 21.08.2010 vollinhaltlich abgewiesen und der BF nach Nigeria ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 09.12.2015 als unbegründet ab und verwies das Verfahren hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge als Bundesamt bezeichnet) zurück.

Mit Bescheid vom 20.07.2017 wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Nigeria festgestellt und einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2017 wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

4. Am 21.03.2018 stellte der BF seinen ersten Asyl-Folgeantrag. Diesen wies das Bundesamt mit Bescheid vom 15.09.2018 vollinhaltlich wegen entschiedener Sache zurück. Zugleich erteilte es dem BF keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei und gewährte keine Frist für eine freiwillige Ausreise. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2019 wurde die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

5. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 13.03.2020 wurde über den BF Schubhaft angeordnet. Dieser Bescheid wurde noch am selben Tag in Vollzug gesetzt. Am 27.04.2020 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen und bis 29.04.2020 stationär in einem Landeskrankenhaus behandelt, da er bei einer körperlichen Auseinandersetzung mit einer anderen in Schubhaft angehaltenen Person verletzt wurde. Mit Bescheid vom 29.04.2020 wurde über den BF wiederum die Schubhaft verhängt, seither wird er in Schubhaft angehalten.

6. Am 07.07.2020 stellte der BF einen Antrag auf unterstütze freiwillige Rückkehr. Auf Grund der Sperre des nigerianischen Luftraumes für internationale Flüge war eine Flugbuchung jedoch nicht möglich.

7. Am 17.08.2020 stellte der BF seinen zweiten Asyl-Folgeantrag. Mit Aktenvermerk vom 17.08.2020 stellte das Bundesamt gemäß § 76 Abs. 6 Fremdenpolizeigesetz 2005 – FPG fest, dass Gründe zur Annahme vorliegen, dass dieser Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Dieser Aktenvermerk wurde dem BF am 17.08.2020 zur Kenntnis gebracht.

Am 26.08 2020 widerrief der BF seinen Antrag auf freiwillige Ausreise, da er nicht mehr nach Nigeria ausreisen wolle.

Mit mündlich verkündetem Bescheid vom 31.08.2020 hob das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 Asylgesetz 2005 – AsylG auf. Eine Aufhebung dieses Bescheides durch das Bundesverwaltungsgericht ist bisher nicht erfolgt.

8. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 28.08.2020 und 23.09.2020 wurde festgestellt, dass zum Zeitpunkt der jeweiligen Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig war.

9. Am 13.10.2020 legte das Bundesamt den Verwaltungsakt neuerlich zur amtswegigen Prüfung gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1. Zum Verfahrensgang (I.1. – I.9.)

Der unter Punkt I.1. – I.9. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

2. Zur Person des BF und zu den Voraussetzungen der Schubhaft:

2.1. Der BF führt die im Spruch dieses Erkenntnisses genannten Identitätsdaten, er ist nigerianischer Staatsangehöriger. Dokumente, die seine Identität bescheinigen, hat der BF nicht vorgelegt, über ein Reisedokument verfügt er nicht. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht. Der BF ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter.

2.2. Der BF wird seit 29.04.2020 in Schubhaft angehalten, die gesetzliche Frist zur neuerlichen Überprüfung der Schubhaft endet am 21.10.2020. Der BF wurde bereits von 13.03.2020 bis 27.04.2020 in Schubhaft angehalten.

2.3. Der BF ist haftfähig und hat in der Schubhaft Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Versorgung. Es liegen keine die Haftfähigkeit ausschließenden gesundheitlichen Beeinträchtigungen oder Erkrankungen beim BF vor.

3. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

3.1. Der BF stellte am 16.07.2009 einen Antrag auf internationalen Schutz in Griechenland. Diesem Verfahren entzog er sich und reiste unrechtmäßig nach Österreich ein. Der BF behauptete in seinem Asylverfahren minderjährig zu sein, obwohl er tatsächlich bereits volljährig war. In Österreich entzog er sich seinem Verfahren insofern, als eine Zustellung des Bescheides vom 04.11.2010 an den BF nicht möglich war, da er seine Abgabestelle nicht mehr benutzte und eine neue Abgabestelle nicht ohne Schwierigkeiten festgestellt werden konnte.

3.2. Am 21.03.2018 stellte der BF einen Asyl-Folgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt lag eine mit Bescheid des Bundesamtes vom 20.07.2017 erlassene Rückkehrentscheidung vor, die auf Grund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 27.10.2017, mit dem die Beschwerde gegen den genannten Bescheid abgewiesen wurde, in Rechtskraft erwachsen war.

3.3. Am 17.08.2020 stellte der BF wiederum einen Asyl-Folgeantrag. Zu diesem Zeitpunkt wurde er in Schubhaft angehalten und lag auf Grund des Bescheides des Bundesamtes vom 15.09.2018 eine Rückkehrentscheidung vor, die auf Grund des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.02.2019, mit dem die Beschwerde gegen den genannten Bescheid abgewiesen wurde, in Rechtskraft erwachsen war.

3.4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 31.08.2020 wurde der faktische Abschiebeschutz, der dem BF auf Grund des Asyl-Folgeantrages vom 17.08.2020 zukam, aufgehoben. Der diesbezügliche Akt langte am 07.09.2020 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Der Bescheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht bisher nicht aufgehoben. Es liegt auf Grund der mit Bescheid vom 15.09.2018 erlassenen Rückkehrentscheidung eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor.

3.5. Der BF stellte am 07.07.2020 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr, den er jedoch am 26.08.2020 wieder zurückzog.

3.6. Der BF kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach, er wurde in Österreich straffällig. Der BF achtet die österreichische Rechtsordnung nicht. Selbst gerichtliche Verurteilungen konnten den BF nicht zu einem rechtskonformen Verhalten bewegen. Der BF ist weder vertrauenswürdig noch kooperativ.

3.7. Der BF verfügt über keine nennenswerten familiären Kontakte in Österreich. Er hat zur Mutter seines Kindes und zum Kind, welche sich beide in Österreich befinden, keinen Kontakt und schon länger keine Beziehung mehr. Zudem verfügt der BF über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und ist wirtschaftlich nicht verankert. Der BF ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft.

4. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

4.1. Der BF weist in Österreich folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

4.1.1. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 23.03.2011 wurde der BF wegen der Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß § 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und Abs. 3 SMG, § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten, davon sechs Monate bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF vorschriftswidrig Suchtgift anderen gewerbsmäßig durch Verkauf am 18.02.2011 einem unbekannten Abnehmer eine Kugel Kokain mit unbekanntem Gewicht um 50 Euro und am 19.02.2011 einem verdeckten Ermittler zwei Kugeln Kokain zu 2,0 Gramm um 100 Euro überlassen hat und am 19.02.2011 weitere vier Kugeln Kokain zu 1,8 Gramm zum unmittelbaren bevorstehenden Weiterverkauf an Suchtgiftabnehmer im Mund verwahrt bereit hielt und hiedurch zu überlassen versucht hat. Mildernd wertete das Gericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den teilweisen Versuch, das reumütige Geständnis, die teilweise Sicherstellung des Suchtgiftes und das Alter unter 21 Jahren, als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Vergehen.

4.1.2. Mit Urteil eines Bezirksgerichtes vom 06.11.2013 wurde der BF gemäß § 125 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Wochen, bedingt unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am 10.12.2012 in Wien fremde bewegliche Sachen, nämlich durch das Treten gegen einen Kotflügel des Fahrzeuges einer Person, wodurch eine Delle am Kotflügel entstand, beschädigte. Mildernd wertete das Gericht das Geständnis, die Bereitschaft zur Schadenswiedergutmachung, das Alter, die Provokation und die Begehung unter Alkoholeinfluss, als erschwerend das getrübte Vorleben.

4.1.3. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 10.12.2014 wurde der BF erneut wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäߧ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall und Abs. 3 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten rechtskräftig verurteilt. Der Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am 10.10.2014 drei Kugeln Kokain (insgesamt 0,5 Gramm) um 15 Euro gewerbsmäßig gewinnbringend einer Person und auch unbekannten Abnehmern zu überlassen versucht hat. Der BF wollte sich eine fortlaufende beträchtliche Einnahmequelle über zumindest einige Wochen durch den wiederkehrenden Verkauf von Suchtgift verschaffen. Das Kokain wies einen durchschnittlichen Reinheitsgehalt von etwa 20% Cocain(base) auf. Mildernd wurde die Tatbegehung unter 21 Jahren und erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen gewertet. Von einem Widerruf wurde abgesehen, jedoch die Probezeit auf fünf Jahre verlängert.

4.1.4. Mit Urteil eines Landesgerichtes vom 13.02.2019 wurde der BF wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 1 und 2 Fall, Abs. 2 sowie Abs. 2a, Abs. 3 SMG iVm § 15 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 14 Monaten verurteilt. Dieser Verurteilung lag zugrunde, dass der BF am 15.01.2019 Kokain gewerbsmäßig in der Straßenbahn öffentlich überlassen hat und zwar einer Person eine Kugel zu einem Preis von 10 Euro; zu überlassen versucht hat und zwar zumindest 51 Kugeln Kokain mit insgesamt 18,9 Gramm Kokain an mehrere unbekannte Abnehmer durch Bereithalten an einer szenetypischen Örtlichkeit. Zusätzlich hat er von August 2015 bis 15.01.2019 zum Eigenkonsum Cannabiskraut und Kokain erworben und besessen. Der BF wollte sich durch wiederkehrenden, gewinnbringenden Verkauf ein fortlaufendes Einkommen verschaffen, welches bei einer jährlichen Durchschnittsbetrachtung 400 Euro monatlich übersteigen sollte. Er ist zwar an Suchtmittel gewöhnt, verübte die Tat jedoch nicht deshalb, um sich für den eigenen Gebrauch Suchtmittel oder Mittel zu deren Erwerb zu verschaffen, sondern wollte überwiegend seine sonstigen Ausgaben finanzieren. Mildernd wurden das reumütige Geständnis und der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist gewertet, erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen und die einschlägigen Vorstrafen.

4.2. Die für 18.03.2020 und 28.05.2020 geplanten Abschiebungen des BF nach Nigeria wurden wegen der Covid-19-Pandemie abgesagt. Von der nigerianischen Vertretungsbehörde wurden in der Vergangenheit bereits Heimreisezertifikate für den BF ausgestellt, zuletzt am XXXX mit einer Gültigkeitsdauer bis XXXX . Derzeit liegt kein Heimreisezertifikat für den BF vor. Mit der neuerlichen Ausstellung eines Heimreisezertifikates ist in wenigen Wochen zu rechnen, Termine für eine Abschiebung nach Nigeria sind für Oktober und November 2020 geplant. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft besteht weiterhin.

4.3. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit der letzten Überprüfung ihrer Verhältnismäßigkeit hat sich im Verfahren nicht ergeben.

2. Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den Verwaltungs- und Gerichtsakt, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, in die Akte des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des BF betreffend, in das Grundversorgungs-Informationssystem, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.

1. Zum Verfahrensgang, zur Person des BF und den Voraussetzungen der Schubhaft:

1.1. Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes, den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes das bisherige Schubhaftverfahren des BF betreffend, aus den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die Asylverfahren des BF betreffend, aus dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister sowie aus dem Auszug aus dem Zentralen Fremdenregister und aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des Bundesministeriums für Inneres.

1.2. Die Feststellungen zur Identität des BF beruhen auf dem im Verwaltungsakt erliegenden Heimreisezertifikat. Anhaltspunkte dafür, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt sind im Verfahren nicht hervorgekommen, ebenso wenig besteht ein Zweifel an der Volljährigkeit des BF. Da seine Asylanträge rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurden bzw. über den zuletzt gestellten Asylfolgeantrag inhaltlich noch nicht entschieden wurde, handelt es sich beim BF weder um einen Asylberechtigten noch um einen subsidiär Schutzberechtigten.

1.3. Der Zeitpunkt, seit dem der BF in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Angaben in der Anhaltedatei. Dass der BF bereits von 13.03.2020 bis 27.04.2020 in Schubhaft angehalten wurde, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt.

1.4. Dem Verwaltungsakt sind keine Hinweise auf gesundheitliche Probleme des BF zu entnehmen, auch in der Anhaltedatei finden sich keine Eintragungen von Arztbesuchen, die auf eine Erkrankung des BF hinweisen. Insbesondere ergeben sich aus dem Krankhausaufenthalt des BF auf Grund der Folgen eines Raufhandels keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen, zumal der BF bereits nach zwei Tagen aus dem Krankenhaus entlassen wurde und er insbesondere in der Einvernahme vom 31.08.2020 keine gesundheitlichen Probleme vorgebracht hat. Insofern konnten die Feststellungen zur Haftfähigkeit des BF getroffen werden. Dass der BF Zugang zu allenfalls benötigter medizinischer Behandlung hat, ist unzweifelhaft.

2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf:

2.1. Dass der BF am 16.07.2009 einen Asylantrag in Griechenland gestellt hat, ergibt sich aus dem diesbezüglich im Zentralen Fremdenregister vermerkten Eurodac-Treffer und wurde vom BF insbesondere auch in seiner Erstbefragung am 22.08.2010 angegeben. Dass er sich seinem Verfahren in Griechenland entzogen hat, ergibt sich insbesondere aus den Angaben des BF in der genannten Erstbefragung. So gab er an, dass er in Griechenland keine Chance auf Asyl habe und er Griechenland verlassen hätte sollen. Er sei schlepperunterstützt von Griechenland ausgereist und nach Österreich weitergereist. Dass der BF in Österreich angab minderjährig zu sein, ergibt sich aus dem von ihm bei der Erstbefragung am 22.08.2010 angegebenen Geburtsdatum. Dass er zum Zeitpunkt der Antragstellung jedoch mindestens 19 Jahre und damit volljährig war, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden gerichtsmedizinischen Gutachten zur Feststellung seines Alters. Dass eine Zustellung des Bescheides des Bundesasylamtes vom 04.11.2010 an den BF nicht möglich war, ergibt sich aus dem Aktenvermerk über die Hinterlegung dieses Bescheides.

2.2. Dass zum Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgeantrages vom 21.03.2018 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorlag, ergibt sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 20.07.2017 betreffend.

2.3. Dass zum Zeitpunkt der Stellung des Asylfolgeantrages vom 17.08.2020 eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vorlag, ergibt sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde gegen den Bescheid vom 15.09.2018 betreffend.

2.4. Die Feststellungen zur Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes auf Grund des am 17.08.2020 gestellten Asyl-Folgeantrages ergeben sich aus dem Akt des Bundesverwaltungsgerichtes die amtswegige Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes betreffend.

2.5. Dass der BF am 07.07.2020 einen Antrag auf freiwillige Rückkehr gestellt hat, steht auf Grund des im Verwaltungsakt einliegenden Antragsformulars fest. Der Widerruf dieses Antrages ergibt sich aus dem vom Bundesamt vorgelegten Mailverkehr zwischen dem Bundesamt und jener Organisation, die den BF bei der Organisation seiner freiwilligen Rückkehr unterstützte.

2.6. Die Feststellungen zur Vertrauensunwürdigkeit und dass der BF nicht kooperativ ist ergeben sich aus seinen Verurteilungen, der Straffälligkeit kurz nach Betreten des Bundesgebietes und „Steigerung“ der Straffälligkeit dadurch, dass er mit der letzten Verurteilung sogar Kokain an einem öffentlichen Ort, nämlich der Straßenbahn, verkauft hat sowie er ausreiseunwillig ist, was sich aus der Nichtbeachtung der Ausreiseverpflichtung ergibt, er bereits zwei unberechtigte Aslyanträge gestellt hat und, da er am 17.08.2020 in Missbrauchsabsicht einen zweiten Folgeantrag (somit dritten Asylantrag) gestellt hat, in dem er die gleichen Fluchtgründe, die bereits in den beiden negativ entschiedenen Asylverfahren vorgebracht wurden, erneut vorgebracht hat.

2.7. Die Feststellungen zu den familiären Kontakten und der Integration des BF ergeben sich aus der Einvernahme der Mutter des Kindes des BF vom 18.06.2020, seinen Angaben beim Bundesamt am 13.03.2020 und den Angaben in den bisherigen Asylverfahren.

3. Zur Verhältnismäßigkeit der Schubhaft:

3.1. Die Feststellungen zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF beruhen auf einer Einsichtnahme in das Strafregister sowie auf den im Verwaltungsakt einliegenden Urteilsausfertigungen.

3.2. Die Feststellungen zu den geplanten Abschiebungen ergeben sich aus den diesbezüglichen Unterlagen im Akt des Bundesamtes. Dass für den BF bereits Heimreisezertifikate ausgestellt wurden ergibt sich aus den diesbezüglichen Eintragungen im Zentralen Fremdenregister. Aus dem Vorlagebericht des Bundesamtes vom 13.10.2020 ergibt sich glaubwürdig, dass davon auszugehen ist, dass bereits in einigen Wochen abermals ein Heimreisezertifikat für den BF ausgestellt wird und auch in den kommenden beiden Monaten eine realistische Möglichkeit besteht, dass es tatsächlich zu einer Flugabschiebung des BF kommen könnte.

3.4. Eine Änderung der Umstände für die Aufrechterhaltung der Schubhaft seit ihrer letzten Überprüfung ist dem Verwaltungsakt nicht zu entnehmen. Gegenteiliges ist auch im durchgeführten Ermittlungsverfahren nicht hervorgekommen.

Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht aufzunehmen.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A. – Fortsetzungsausspruch

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

§ 77 Gelinderes Mittel

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

§ 22a Abs. 4 BFA-VG lautet:

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

3.1.2. Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

Gemäß § 22a Abs. 4 dritter Satz BFA-VG gilt mit der Vorlage der Verwaltungsakten durch das BFA eine Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. In einem gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG ergangenen Erkenntnis wird entsprechend dem Wortlaut der genannten Bestimmung (nur) ausgesprochen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist. Diese Entscheidung stellt - ebenso wie ein Ausspruch nach § 22a Abs. 3 BFA-VG - einen neuen Hafttitel dar. Über vor (oder nach) der Entscheidung liegende Zeiträume wird damit nicht abgesprochen (VwGH vom 29.10.2019, Ra 2019/21/0270; VwGH vom 30.08.2018, Ra 2018/21/0111).

3.1.3. Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft und ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist.

3.1.4. Über den Asyl-Folgeantrag des BF vom 17.08.2020 hat das Bundesamt noch nicht entschieden. Mit Aktenvermerk vom 17.08.2020 wurde festgehalten, dass der BF diesen zweiten Folgeantrag in Missbrauchsabsicht gestellt hat. So hat der BF am 07.07.2020 einen Antrag auf freiwillige unterstützte Rückkehr gestellt und sich vermeintlich ausreisewillig gezeigt, die Stellung eines Folgeantrages während aufrechter Schubhaft, wobei bereits zwei Asylanträge in der Vergangenheit rechtskräftig negativ entschieden wurden, und der Widderruf dieses Verfahrens zur freiwilligen Rückkehr mit 26.08.2020 bezeugen aber das Gegenteil. Der BF hat auch kein neues Vorbringen erstattet und jene Fluchtgründe vorgebracht, die er bereits in den beiden negativ entschiedenen Asylverfahren vorgebracht hat. Auf die Frage, was der BF bei der Rückkehr nach Nigeria befürchte, hat der BF überdies angegeben, dass er sich vor „Corona“ fürchte.

Auch das Bundesverwaltungsgericht geht vor dem Hintergrund der beiden negativ entschiedenen und rechtskräftigen Asylverfahren, der bis zum 17.08.2020 vorgelegenen durchsetzbaren Rückkehrentscheidung und dem zweiten Folgeantrag davon aus, dass der zweite Folgeantrag in Missbrauchsabsicht gestellt wurde, um den Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern und eine Abschiebung nach Nigeria zu verhindern bzw. hinauszuzögern, zumal auch keine neuen Fluchtgründe vorgebracht wurden. Eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache und die Aberkennung des faktischen Abschiebeschutzes sind – ohne diesen Entscheidungen vorzugreifen – vor dem Hintergrund, dass bereits zwei Asylanträge nicht erfolgreich waren und auch kein neues relevantes Vorbringen erstattet wurde im Rahmen einer Prognose als wahrscheinlich zu betrachten.

Die Anhaltung in Schubhaft und die Fortsetzung derselben gründen sich im Entscheidungszeitpunkt des Bundesverwaltungsgerichtes daher auf § 76 Abs. 6 FPG.

3.1.5. Da sich der BF bereits einmal seinem Asylverfahren entzogen hat, eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er über keinerlei soziale, familiäre oder berufliche Anknüpfungspunkte in Österreich verfügt und überdies weder über einen eigenen gesicherten Wohnsitz noch über die finanziellen Mittel zur Finanzierung seines Aufenthaltes verfügt, ist weiterhin im Sinne des § 76 Abs. 3 Z. 1, 3 und 9 FPG von Fluchtgefahr auszugehen.

Da der BF überdies seinen zweiten Asylfolgeantrag während seiner Anhaltung in Schubhaft stellte und zu diesem Zeitpunkt eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorlag, ist der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 5 FPG erfüllt. Der faktische Abschiebeschutz auf Grund dieses Antrages wurde aufgehoben, sodass auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z. 4 FPG vorliegt.

3.1.6. Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Verhängung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Diese Beurteilung hat ergeben, dass mehrere Kriterien für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sprechen. Es war daher eine konkrete Einzelfallbeurteilung vorzunehmen welche ergeben hat, dass sowohl das Vorverhalten als auch die vorzunehmende Verhaltensprognose einen Sicherungsbedarf ergeben haben, da im Fall des BF ein beträchtliches Risiko des Untertauchens gegeben ist. Der BF hat sich bereits seinem Asylverfahren in Griechenland entzogen und ist unrechtmäßig nach Österreich eingereist. In Österreich stellte er unter Angabe eines falschen Geburtsdatums, mit dem er fälschlicherweise seine Minderjährigkeit behauptete, einen Asylantrag und entzog sich wiederum seinem Verfahren. Der BF hat noch während sein Asylverfahren anhängig war Straftaten begangen. Anstatt seiner Ausreiseverpflichtung nachzukommen ist er unrechtmäßig in Österreich verblieben und hat wiederholt Straftaten begangen. Der BF hält sich unrechtmäßig in Österreich auf und es liegt eine ihn betreffende durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vor. In diesem schon fortgeschrittenen Verfahrensstadium reichen grundsätzlich weniger ausgeprägte Hinweise auf eine Vereitelung oder Erschwerung der Aufenthaltsbeendigung, weil hier die Gefahr des Untertauchens eines Fremden erhöht ist (VwGH vom 20.02.2014, 2013/21/0178). Überdies hat der BF durch die Stellung von Asyl-Folgeanträgen seine Abschiebung verzögert.

In Österreich befinden sich weder Familienangehörige des BF noch ist er sonst sozial verankert. Der BF verfügt in Österreich über keinen gefestigten Wohnsitz und auch nicht über ausreichende Mittel zur Existenzsicherung. Einer legalen Beschäftigung ging er in Österreich bisher nicht nach.

Es ist daher auch weiterhin Sicherungsbedarf gegeben.

3.1.7. Höchstzulässige Dauer der Schubhaft

Der BF wird seit 29.04.2020 durchgehend in Schubhaft angehalten und zwar von 29.04.2020 bis 17.08.2020 gemäß dem Schubhaftbescheid auf Basis von § 76 Abs. 2 Z 2 FPG und seit 17.08.2020 auf Basis des § 76 Abs. 6 FPG. Von 13.03.2020 bis 27.04.2020 wurde der BF auch auf Basis des § 76 Abs. 2 Z 2 FPG angehalten, welche mit Bescheid vom 13.03.2020 angeordnet worden war aber aus demselben Grund wie die Schubhaft, welche mit Bescheid vom 29.04.2020 verhängt wurde, angeordnet worden ist. Die derzeitige weitere Anhaltung in Schubhaft stützt sich auf § 76 Abs. 6 FPG, weshalb für die Höchstfristen § 80 Abs. 5 FPG heranzuziehen ist. Der BF kann daher auf Basis der im Entscheidungszeitpunkt anzuwendenden Sach- und Rechtslage längstens 10 Monate in Schubhaft angehalten werden. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes sind in die Berechnung dieser Frist auch die Zeiten der Anhaltung von 13.03.2020 bis 27.04.2020 einzurechnen.

3.1.8. Verhältnismäßigkeit der Aufrechterhaltung der Schubhaft

Die Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist im Wesentlichen auf die aktuell vorherrschende COVID-19 Pandemie zurückzuführen, da im gegenständlichen Fall für den BF von der nigerianischen Vertretungsbehörde bereits in der Vergangenheit mehrfach und jüngst ein bis XXXX gültiges Heimreisezertifikat ausgestellt worden war. Verzögerungen, die in der Sphäre des Bundesamtes liegen, sind nicht zu erkennen. Vielmehr ist in diesem Zusammenhang darauf hinzuweisen, dass bei rechtmäßigem Verhalten des BF im gegenständlichen Fall die Verhängung einer Schubhaft oder die Fortsetzung gar nicht notwendig gewesen wäre, da er zum einen zur Ausreise verpflichtet war und diese nicht selbständig vorgenommen hat, aber zum anderen auch zwar die freiwillige Rückkehr bekannt gegeben hat, aber auch dieser nicht nachgekommen ist. Zusätzlich ist auch das kürzlich gesetzte Verhalten des BF – die Stellung eines zweiten Folgeantrages während aufrechter Schubhaft in Missbrauchsabsicht – ein Zeichen dafür, dass der BF gerade nicht ausreisewillig ist und mit allen Mitteln versucht, seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu verlängern bzw. eine allfällige Abschiebung hinauszuzögern. Ebenso ist der Widerruf der freiwilligen Rückkehr mit 26.08.2020 zu werten. Zudem hat der BF selbst auch bei der Befragung vor dem Bundesamt am 13.03.2020 angegeben, dass er nach Spanien reisen wolle.

Der BF verfügt über keine nennenswerten familiären Kontakte in Österreich. Zu der Mutter seines Kindes bzw. zu seinem Kind hat er schon länger keinen Kontakt mehr. Seit 19.01.2019 befindet sich der BF fast ausschließlich in Anhaltung – zunächst in Strafhaft und anschließend in Schubhaft. Weiters verfügt der BF über keine substanziellen sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Er ging in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach, ist mittellos und verfügt über keine gesicherte Unterkunft. Der Umstand, dass der BF am 22.06.2020 eine Bestätigung vorgelegt hat, dass er an einer Adresse in Wien wohnen könne, wenn er aus der Schubhaft entlassen werde, belegt nur, dass der BF nicht unterstandslos wäre, würde man ihn aus der Schubhaft entlassen. Es belegt hingegen keine familiären Beziehungen oder ein entsprechend soziales Netz, das den BF auffangen würde und davon auszugehen wäre, dass er seine Abschiebung abwarten und nicht untertauchen würde.

Am 20.04.2020 war der BF im Polizeianhaltezentrum in einen Raufhandel verwickelt.

Darüber hinaus ist der BF in der Vergangenheit mehrfach straffällig geworden und weist insbesondere wiederholte Verurteilungen, insgesamt drei, im Zusammenhang mit dem Suchtmittelgesetz auf. Der BF hat dabei seit Februar 2011, sohin nicht einmal sechs Monate, nachdem er seinen ersten Asylantrag gestellt hatte, bereits Suchtgift, nämlich Kokain, an Abnehmer gewerbsmäßig verkauft. 2014 wurde der BF abermals durch den Verkauf von Kokain, das er an Abnehmer verkauft hat, und durch den er sich eine gewinnbringende fortlaufende beträchtliche Einnahmequelle verschafft hat, verurteilt. Im Jahr 2019 hat der BF Suchtgift nicht nur gewinnbringend und gewerbsmäßig, sondern auch in der Straßenbahn, somit an einem öffentlichen Ort an Abnehmer verkauft und wurde mit 51 Kugeln Kokain angetroffen. Auch diese Steigerung – sowohl in quantitativer Hinsicht, als auch der Verkauf in der Öffentlichkeit – rechtfertigen ein hohes Interesse an einer baldigen Abschiebung des BF. Die wiederholte Straffälligkeit des BF seit Februar 2011 im Zusammenhang mit der Suchtgiftdelinquenz und auch die soeben dargestellte Steigerung lassen auch auf eine Wiederholungsgefahr des BF schließen, da der BF all diese Straftaten seit Februar 2011 gewerbsmäßig begangen hat. Auch seine familiären Beziehungen im Bundesgebiet, konnten ihn nicht von der Begehung weiterer Straftaten abhalten.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände bleibt im Zuge der durchzuführenden Abwägung festzuhalten, dass aufgrund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens (insbesondere der missbräuchlichen Asylantragstellung am 17.08.2020 nachdem bereits zwei Asylanträge negativ entschieden wurden und des wiederholten Verkaufs von Kokain an Abnehmer seit Februar 2011), das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung seiner Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des BF weiterhin überwiegt und auch der Gesundheitszustand des BF der weiteren Anhaltung in Schubhaft nicht entgegensteht.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher davon aus, dass die seit 29.04.2020 durchgehende Anhaltung in Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt. Dies auch unter Berücksichtigung der Verpflichtung der Behörde auf eine möglichst kurze Dauer der Schubhaft hinzuwirken. Selbst wenn es aufgrund der gegenwärtigen Restriktionen im Zusammenhang mit COVID-19 noch immer zu Verzögerungen der Abschiebung aufgrund der auch weiterhin bestehenden Einschränkungen im internationalen Flugverkehr kommt, besteht jedoch die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) aus aktueller Sicht weiterhin. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand - kooperatives Verhalten des BF vorausgesetzt - mit wenigen Monaten einzustufen. Eine Abschiebung im Herbst 2020 ist aus derzeitiger Sicht realistisch. Auch die Ausstellung eines weiteren Heimreisezertifikates ist – da in der Vergangenheit bereits mehrfach Heimreisezertifikate für den BF ausgestellt wurden - realistisch. Eine Verzögerung der Abschiebung unmittelbar aufgrund dieser Umstände ist zum Entscheidungszeitpunkt (zumindest noch) nicht ersichtlich. Eine bereits jetzt bestehende faktische Unmöglichkeit der Abschiebung des BF ist aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht ersichtlich.

Den persönlichen Interessen des BF kommt jedenfalls aktuell ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an seiner Außerlandesbringung zumal der BF bereits in der Vergangenheit und kürzlich (am 17.08.2020) gezeigt hat, dass er Maßnahmen wie die missbräuchliche Stellung eines zweiten Folgeantrages setzt, um seinen Aufenthalt zu verlängern und eine Abschiebung zu verhindern.

Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist zudem jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft einer neuerlichen gerichtlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein. Bei einer wie im vorliegenden Fall aufgrund der anzuwendenden Sach- und Rechtslage im Sinne des § 80 Abs. 5 FPG höchstzulässigen Dauer der Schubhaft von 10 Monaten scheint die Aufrechterhaltung der seit 29.04.2020 durchgehenden Anhaltung des BF - wobei auch der Zeitraum von 13.03.2020 bis 27.04.2020 hinzuzurechnen ist - in Schubhaft weiterhin – auch im Hinblick auf eine mögliche Abschiebung im Oktober 2020 bzw. November 2020 - verhältnismäßig.

Das erkennende Gericht geht daher davon aus, dass die Schubhaft auch weiterhin das Kriterium der Verhältnismäßigkeit erfüllt.

3.1.9. Gelinderes Mittel

Zu prüfen ist, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt. Eine Sicherheitsleistung sowie die konkrete Zuweisung einer Unterkunft oder einer Meldeverpflichtung kann auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens und angesichts fehlender persönlicher Vertrauenswürdigkeit nicht zum Ziel der Sicherung der Abschiebung führen, da diesfalls die konkrete Gefahr des Untertauchens des BF besteht.

Die Verhängung eines gelinderen Mittels kommt daher weiterhin nicht in Betracht.

Die hier zu prüfende Schubhaft stellt daher nach wie vor eine „ultima ratio“ dar, da sowohl Fluchtgefahr und Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorliegen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllt. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten.

3.1.10. Es war daher gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG festzustellen, dass die angeordnete Schubhaft nach wie vor notwendig und verhältnismäßig ist und dass die maßgeblichen Voraussetzungen für ihre Fortsetzung im Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.

3.1.11. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte unterbleiben, da der Sachverhalt im Rahmen des behördlichen Verfahrens hinreichend geklärt wurde und das gerichtliche Verfahren keine wesentlichen Änderungen ergeben hat.

3.2. Zu Spruchteil B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ausreisewilligkeit falsche Angaben Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Heimreisezertifikat Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafgerichtliche Verurteilung Strafhaft Ultima Ratio Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit Verzögerung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W250.2234226.3.00

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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