TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/21 W117 2236156-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 21.10.2020
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Entscheidungsdatum

21.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1 Z3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
FPG §76 Abs3 Z1
FPG §76 Abs3 Z3
FPG §76 Abs3 Z9
VwGVG §35 Abs1

Spruch

W117 2236156-1/22E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. DRUCKENTHANER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, RD Wien vom 08.10.2020, IFA-Zahl/Verfahrenszahl: 1118574609/200968024, sowie die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 22a Abs. 1 Z 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 9 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG idgF, § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG idgF iVm § 76 Abs. 3 Z 1, Z 3, Z 9 FPG idgF wird festgestellt, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft vorliegen.

III. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF, hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen

IV. Der Antrag der beschwerdeführenden Partei auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG idgF abgewiesen.

B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer wurde am 08.10.2020 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen.

Diese Einvernahme gestaltete sich wie folgt:

„(…)

F: Sind Sie gesund und können Sie dieser Einvernahme folgen? Nehmen Sie Medikamente?

A: Ja, ich bin gesund. Ich nehme Schlafmittel.

F: Sind Sie derzeit rechtsfreundlich vertreten?

A: Ja, ich bin rechtlich vertreten. Durch RA Nikolaus Rast.

Anmerkung: Partei gibt an, dass RA Rast ihn im Strafverfahren vertreten hat.

F: Wie heißen Sie, wann und wo wurden Sie geboren?

A: Ich heiße XXXX und bin am XXXX in XXXX geboren.

Sie sind afghanischer Staatsangehöriger und somit Fremder gem. § 2 Abs 4 Z 1 FPG, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

Sie stellten Ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz am 27.04.2016 in Bulgarien, verließen jedoch noch vor Entscheidung darüber das Land, reisten weiter nach Ungarn, wo Sie ebenfalls nach Aufgriff durch die dortige Polizei am 28.05.2016 einen weiteren Asylantrag stellten. Sie warteten jedoch wiederum den Ausgang Ihres Verfahrens nicht ab und reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 13.06.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes Ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit 13.06.2016 führte das Bundesamt ein „Dublin out“ Verfahren und Konsultationen in Form

einer Anfrage mit Ungarn und Bulgarien. Am 22.12.2016 wurde Ihr Dublin-Verfahren eingestellt und Ihr Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zugelassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2017 wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass Ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Dagegen brachten Sie am 26.05.2017 fristgerecht durch Ihre

rechtsfreundliche Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Am 17.07.2018 wurden Sie von der Polizei wegen des Verdachts des Suchtgifthandels § 28 Abs 1 SMG angezeigt und mussten am 06.11.2018 durch die Staatsanwaltschaft Linz zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben werden, da Sie trotz laufendem Asylbeschwerde- und

Strafermittlungsverfahren untertauchten, von 18.10.2018 – 05.07.2019 keine Meldung und

keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet aufwiesen, sich dem Zugriff der Behörden somit entzogen und nicht greifbar waren, da Sie sich zum Großteil während dieser Zeit auch im Ausland aufhielten.

Am 12.11.2018 stellten Sie Ihren vierten Antrag auf internationalen Schutz in Belgien, reisten wiederum illegal nach Frankreich weiter, wo Sie, durch die Polizei aufgegriffen, am 04.03.2019 ebenfalls einen neuerlichen Asylantrag stellten. Nach durchgeführten Konsultationen und Dublin-In-Verfahren wurden Sie am 25.06.2019 mit dem Flugzeug von Belgien nach Österreich rücküberstellt.

Am 31.07.2019 wurde Anklage wegen einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung durch die Staatsanwaltschaft Linz erhoben. Daraufhin wurde Ihnen mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.08.2019 das Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 31.07.2019 abgesprochen. Dagegen erhoben Sie fristgerecht am 05.09.2019 durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde.

Am 09.09.2019 wurden Sie schließlich festgenommen und in die Justizanstalt Linz eingeliefert. Sie wurden mit Urteil des LG Linz vom 11.09.2019, GZ 33 Hv 40/19g, r. k. 11.09.2019, wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 1., 2., und 3. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

Aufgrund Ihrer strafrechtlichen Verurteilung wurde Ihnen mit Schreiben vom 23.09.2019 (nachweislich hinterlegt und zugestellt am 02.10.2019) mitgeteilt, dass seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot sowie die Schubhaft im Falle einer vollinhaltlichen Abweisung Ihrer Beschwerde betreffend Ihr Asylverfahren beabsichtigt ist und Ihnen wurde die Gelegenheit einer persönlichen Stellungnahme binnen 2 Wochen gewährt. Sie machten von der Möglichkeit Ihres Parteiengehörs keinen Gebrauch und wirkten nicht weiter am Verfahren mit.

Es wurde am 17.04.2020 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit Ihrer

Vertretungsbehörde eingeleitet. Seit 18.05.2020 ist ein EU-Laissez Passer möglich.

Mit Bescheid vom 30.04.2020 wurde eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gegen Sie erlassen. Das Einreiseverbot wurde auf 6 Jahre festgesetzt. Der Bescheid erwuchs mit 07.07.2020 in Rechtskraft 1. Instanz.

Am 21.08.2020 wurden Sie vom Landesgericht für ‚Strafsachen Wien rechtskräftig wegen §§ 28 (1) 2. Fall, 28 (2) SMG, §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (3) 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 bedint, verurteilt.

Am 07.07.2020 wurde eine Festnahmeauftrag gegen Sie erlassen. Auf Basis dessen wurden Sie bei Ihrer Entlassung aus der JA Josefstadt festgenommen und ins PAZ HG überstellt.

F: Was sagen Sie dazu?

A: Ich habe niemanden im Heimatland, meine ganze Familie ist verstorben. Ich habe einen jüngeren Bruder. Er befindet sich zurzeit in Belgien. Ich habe sonst niemanden. Meine Verlobte ist in Österreich und meine zukünftigen Schwiegereltern.

F: Seit wann sind Sie im Bundesgebiet?

A: Seit 2016.

F: Sind Sie im Besitz eines Reisepasses oder einem ähnlichen identitätsbezeugenden Dokument?

A: Ich habe eine Taszkira.

F: Haben Sie jemals ein Reisedokument beantragt?

A: Nein

F: Wo waren Sie bis zu Ihrer Festnahme aufhältig?

A: Zu Hause. XXXX .

F: Wo würden Sie im Fall einer Entlassung Unterkunft nehmen?

A: An der oben genannten Adresse. Meine Verlobte hat eine Therapie für mich besorgt. Einen Tage vor meiner Entlassung habe ich ein Gutachten bekommen. Ich bin drogenabhängig. Meine Verlobte hilft mir.

F: Wie heißt Ihre Verlobte?

A: Sie heisst XXXX . Sie ist asylberechtigt. Sie ist am XXXX geboren. Sie lebt im 21. Bezirk, XXXX . Hausnummer weiß ich nicht.

F: Über wie viel Bargeld verfügen Sie?

A: 300 EUR

F: Wie finanzieren Sie sich Ihren Aufenthalt?

A: Ich war in der Grundversorgung.

F: Haben Sie Bekannte oder Verwandte hier in Österreich?

A: Nein

F: Wie lautet Ihr Familienstand?

A: Verlobt, keine Kinder.

F: Haben Sie Obsorgepflichten?

A: Nein

F: Würden Sie gegen eine beabsichtigte Abschiebung Widerstand leisten?

A: Ja, ich werde Widerstand leisten. Ich möchte hier bleiben, mein ganzes Leben ist hier.

F: Wo lebt Ihre Familie?

A: Nein, ich habe keine Familie in Afghanistan.

Aufgrund der rechtskräftigen Rückkehrentscheidung (iVm einem Einreiseverbot), sowie der Tatsache, dass Sie Ihren Lebensunterhalt durch legale Arbeit nicht sichern können und über keine aufrechte Meldung verfügen, ist geplant, die Schubhaft gegen Sie zu erlassen. Sie verfügen über kein eigenes Reisedokument. Sie sind im Bundesgebiet massiv straffällig geworden.

Gem. §76 Abs 2 Zif. 2 FPG werden Sie in Schubhaft genommen.

(…)

F: Haben Sie alles verstanden? Möchten Sie noch etwas angeben?

A: Ich kann hier nicht bleiben. Wenn Sie mich abschieben wollen, dann bitte schnell.

(…)

Mit im Spruch angeführtem Bescheid der Verwaltungsbehörde wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft angeordnet; die Verwaltungsbehörde begründete ihre Entscheidung wie folgt:

A)       Verfahrensgang

Sie sind afghanischer Staatsangehöriger und somit Fremder gem. § 2 Abs. 4 Z 1 FPG, da Sie die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzen.

Sie stellten Ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz am 27.04.2016 in Bulgarien, verließen jedoch noch vor Entscheidung darüber das Land, reisten weiter nach Ungarn, wo Sie ebenfalls nach Aufgriff durch die dortige Polizei am 28.05.2016 einen weiteren Asylantrag stellten. Sie warteten jedoch wiederum den Ausgang Ihres Verfahrens nicht ab und reisten illegal nach Österreich ein und stellten am 13.06.2016 vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes Ihren dritten Antrag auf internationalen Schutz.

Mit 13.06.2016 führte das Bundesamt ein „Dublin out“ Verfahren und Konsultationen in Form

einer Anfrage mit Ungarn und Bulgarien. Am 22.12.2016 wurde Ihr Dublin-Verfahren eingestellt und Ihr Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zugelassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2017 wurde Ihr Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze abgewiesen, kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass Ihre Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Dagegen brachten Sie am 26.05.2017 fristgerecht durch Ihre

rechtsfreundliche Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Am 17.07.2018 wurden Sie von der Polizei wegen des Verdachts des Suchtgifthandels § 28 Abs. 1 SMG angezeigt und mussten am 06.11.2018 durch die Staatsanwaltschaft Linz zur Aufenthaltsermittlung ausgeschrieben werden, da Sie trotz laufendem Asylbeschwerde- undStrafermittlungsverfahren untertauchten, von 18.10.2018 – 05.07.2019 keine Meldung und keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet aufwiesen, sich dem Zugriff der Behörden somit entzogen und nicht greifbar waren, da Sie sich zum Großteil während dieser Zeit auch im Ausland aufhielten.

Am 12.11.2018 stellten Sie Ihren vierten Antrag auf internationalen Schutz in Belgien, reisten wiederum illegal nach Frankreich weiter, wo Sie, durch die Polizei aufgegriffen, am 04.03.2019 ebenfalls einen neuerlichen Asylantrag stellten. Nach durchgeführten Konsultationen und Dublin-In-Verfahren wurden Sie am 25.06.2019 mit dem Flugzeug von Belgien nach Österreich rücküberstellt.

Am 31.07.2019 wurde Anklage wegen einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung durch die Staatsanwaltschaft Linz erhoben. Daraufhin wurde Ihnen mit Bescheid des Bundesamtes vom 06.08.2019 das Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 31.07.2019 abgesprochen. Dagegen erhoben Sie fristgerecht am 05.09.2019 durch Ihre rechtsfreundliche Vertretung das Rechtsmittel der Beschwerde.

Am 09.09.2019 wurden Sie schließlich festgenommen und in die Justizanstalt Linz eingeliefert. Sie wurden mit Urteil des LG Linz vom 11.09.2019, GZ 33 Hv 40/19g, r. k. 11.09.2019, wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 1., 2., und 3. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

Aufgrund Ihrer strafrechtlichen Verurteilung wurde Ihnen mit Schreiben vom 23.09.2019 (nachweislich hinterlegt und zugestellt am 02.10.2019) mitgeteilt, dass seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot sowie die Schubhaft im Falle einer vollinhaltlichen Abweisung Ihrer Beschwerde betreffend Ihr Asylverfahren beabsichtigt ist und Ihnen wurde die Gelegenheit einer persönlichen Stellungnahme binnen 2 Wochen gewährt. Sie machten von der Möglichkeit Ihres Parteiengehörs keinen Gebrauch und wirkten nicht weiter am Verfahren mit.

Es wurde am 17.04.2020 ein Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates mit Ihrer

Vertretungsbehörde eingeleitet. Seit 18.05.2020 ist ein EU-Laissez Passer möglich.

Mit Bescheid vom 30.04.2020 wurde eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gegen Sie erlassen. Das Einreiseverbot wurde auf 6 Jahre festgesetzt. Der Bescheid erwuchs mit 07.07.2020 in Rechtskraft 1. Instanz.

Am 21.08.2020 wurden Sie vom Landesgericht für ‚Strafsachen Wien rechtskräftig wegen §§ 28 (1) 2. Fall, 28 (2) SMG, §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (3) 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt, verurteilt.

Sie wurden am 05.10.2020 zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen.

(…)

B)       Beweismittel

Es wurden alle in Ihrem Akt IFA: 1118574609 befindlichen Beweismittel sowie Ihre Befragungs- und Einvernahmeprotokolle herangezogen und gewürdigt.

C)       Feststellungen

Der Entscheidung liegen folgende Feststellungen zugrunde:

Zu Ihrer Person:

Sie sind nicht österreichischer Staatsbürger, sohin Fremder.

Sie sind afghanischer Staatsangehöriger und gehören zur Volksgruppe der Paschtunen.

Sie sind in einem arbeitsfähigen Alter. Sie leiden unter einem Drogenproblem.

Zu Ihrer rechtlichen Position in Österreich:

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot aus einem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme. Ihr Verfahren auf internationalen Schutz wurde ebenfalls negativ entschieden. Sie halten sich (nicht) rechtmäßig im Bundesgebiet auf.

Zu Ihrem bisherigen Verhalten:

?        Sie halten sich unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Sie sind Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen.

?        Sie sind nach Österreich illegal eingereist.

?        Sie gehen keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden.

?        Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen.

?        Im bisherigen Verfahren verhielten Sie sich unkooperativ, indem Sie Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachkamen und über keine behördliche Meldung mehr verfügen. Sie sind für das weitere Verfahren nicht greifbar.

?        Sie missachteten die österreichische Rechtsordnung, indem Sie sich unrechtmäßig hier aufhielten und zudem massiv straffällig wurden.

?        Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach.

?        Sie haben keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich und sind in keinster Weise integriert.

Zu Ihrem Privat- und Familienleben:

Sie sind in Österreich weder beruflich noch sozial verankert.

Sie verfügen in Österreich über keine Familienangehörigen und haben keine Obsorgepflichten. Sie haben familiäre Anknüpfungspunkte in Afghanistan.

D)       Beweiswürdigung

Die von der Behörde getroffenen Feststellungen resultieren aus dem Inhalt Ihres BFA-Aktes, Zl.: 1118574609, sowie aus Ihrer Einvernahme am 08.10.2020.

E)       Rechtliche Beurteilung

(…)

In diesem Zusammenhang sind die Kriterien gem. § 76 Abs. 3 FPG zu beachten. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigten,

1.       ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

(…)

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

(…);

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

Gemäß § 76 Abs. 2a FPG ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung insbesondere auch ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an der baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit überwiegt.

Entsprechend ihres bisherigen Verhaltens begründen folgende Kriterien in Ihrem Fall eine Fluchtgefahr:

Die Punkte 1, 3, 9 treffen auf Sie zu.

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot. Sie sind Ihrer Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Ursprünglich sind Sie illegal nach Österreich eingereist. Sie weisen keine behördliche Meldung mehr im Bundesgebiet auf. Sie sind für das weitere Verfahren nicht greifbar. Sie besitzen kein gültiges Reisedokument. Sie können Österreich aus eigenem Entschluss nicht legal verlassen. Sie verfügen nicht über ausreichend Barmittel um Ihren Unterhalt zu finanzieren. Einer legalen Beschäftigung gehen Sie nicht nach und es besteht keine begründete Aussicht, dass Sie eine Arbeitsstelle finden. Sie weisen keine verfahrensrelevanten Integrationsmerkmale auf.

Daher ist die Entscheidung auch verhältnismäßig, notwendig und erforderlich.

Die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung ist erforderlich, da Sie sich aufgrund Ihres oben geschilderten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen haben. Es ist davon auszugehen, dass Sie auch zukünftig nicht gewillt sein werden, die Rechtsvorschriften einzuhalten.

Aus Ihrer Wohn- und Familiensituation, aus Ihrer fehlenden sonstigen Verankerung in Österreich sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens kann geschlossen werden, dass bezüglich Ihrer Person ein beträchtliches Risiko des Untertauchens vorliegt.

Sie verfügen über keine Dokumente, um Ihren unrechtmäßigen Aufenthalt aus eigenem zu beenden. Sie sind behördlich nicht gemeldet und somit für das fremdenrechtliche Verfahren nicht greifbar. Zu Österreich bestehen keine beruflichen, sozialen oder relevanten familiären Bindungen. Eine verfahrensrelevante Integration ist nicht erkennbar.

Bei der Prüfung der Fluchtgefahr ist auch ein massives strafrechtliches Verhalten des Fremden in Bezug auf Gewalt- und Vermögensdelikte in Verbindung mit der wegen seiner Mittellosigkeit naheliegenden Wiederholungsgefahr einzubeziehen (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276). Der VwGH hat auch ausgesprochen, dass eine erhebliche Deliquenz des Fremden das Gewicht des öffentlichen Interesses an der Effektivität einer baldigen Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 25.03.2010, 2009/21/0276).

Am 09.09.2019 wurden Sie schließlich festgenommen und in die Justizanstalt Linz eingeliefert. Sie wurden mit Urteil des LG Linz vom 11.09.2019, GZ 33 Hv 40/19g, r. k. 11.09.2019, wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1 1., 2., und 3. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre, verurteilt.

Am 21.08.2020 wurden Sie vom Landesgericht für ‚Strafsachen Wien rechtskräftig wegen §§ 28 (1) 2. Fall, 28 (2) SMG, §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27 (2) SMG, §§ 28a (1) 5. Fall, 28a (3) 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt, verurteilt.

Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Es besteht die Verpflichtung Österreichs, seinen europarechtlichen Vorgaben, als auch den Pflichten gegenüber seinen Staatsbürgern und anderen legal aufhältigen Personen nachzukommen.

Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft und ihrer Notwendigkeit ergibt daher in Ihrem Fall, dass Ihr privates Interesse an der Schonung Ihrer persönlichen Freiheit dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen hat.

Dabei wurde auch berücksichtigt, dass die Schubhaft eine ultima - ratio – Maßnahme darstellt. Es ist daher zu prüfen, ob die Anordnung gelinderer Mittel gleichermaßen zur Zweckerreichung dienlich wäre. In Betracht käme dabei das gelindere Mittel gem. § 77 FPG mit den dafür vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten bzw. der Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit. Dabei kommt die finanzielle Sicherheitsleistung aufgrund Ihrer finanziellen Situation schon von vornherein nicht in Betracht.

Doch auch was die Unterkunftsnahme in bestimmten Räumlichkeiten und die periodische Meldeverpflichtung betrifft, kann in Ihrem Fall damit nicht das Auslangen gefunden werden.

Gegen Sie besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung. Die Behörde geht davon aus, dass bei Ihnen das gelindere Mittel nicht ausreichend ist, zumal Sie – gemessen an Ihrem bisher gezeigten persönlichen Verhalten - nicht bereit sind an die österreichischen Rechtsnormen zu halten.

Wie oben ausführlich dargelegt, besteht in Ihrem Fall aufgrund Ihrer persönlichen Lebenssituation sowie aufgrund Ihres bisherigen Verhaltens ein beträchtliches Risiko des Untertauchens. Damit wäre jedoch der Zweck der Schubhaft, nämlich die Sicherung des Verfahrens bzw. der Abschiebung, vereitelt. Es liegt somit eine ultima – ratio – Situation vor, die die Anordnung der Schubhaftverhängung unabdingbar erfordert und eine Verfahrensführung, während derer Sie sich in Freiheit befinden, ausschließt.

Es ist weiters aufgrund Ihres Gesundheitszustandes davon auszugehen, dass auch die subjektiven Haftbedingungen, wie Ihre Haftfähigkeit, gegeben sind.

Sie haben in Ihrer Einvernahme angegeben, drogenabhängig zu sein. Sollten Sie ärztlicher Hilfe bedürfen, so kann Ihnen eine solche auch im Stande der Schubhaft gewährt werden.

Die Verhängung von Schubhaft erweist sich sohin auch aus diesem Grunde nicht a priori als unverhältnismäßig.

(…)“

Der Beschwerdeführer erhob gegen diesen Bescheid und die darauf basierende Anhaltung binnen offener Frist Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Er begründete seine Beschwerde wie folgt (Hervorhebungen gemäß der Beschwerde):

„(…)

II. Sachverhalt (Kurzdarstellung)

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger. Er reiste spätestens am 13.06.2016 als Minderjähriger in Österreich ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz. Am 22.12.2016 wurde das Dublin-Verfahren des BF eingestellt und sein Antrag auf internationalen Schutz in Österreich zugelassen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.05.2017 wurde der Antrag des BF vollinhaltlich abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung erlassen, festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig ist und eine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Dagegen brachte der BF am 26.05.2017 fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde ein.

Als dem BF ein Foto geschickt wurde, auf dem er meinte, seinen Bruder zu erkennen, reiste er, in der Hoffnung, diesen wiederzufinden, nach Belgien und in der Folge auch nach Frankreich. Aus diesem Grund war der BF im Zeitraum seiner Suche nach dem Bruder auch nicht im Bundesgebiet behördlich gemeldet. Nach Dublin-In-Verfahren wurde der BF am 25.06.2019 mit dem Flugzeug nach Österreich rücküberstellt.

Nachdem die Staatsanwaltschaft Linz Anklage gegen den BF wegen Suchtgifthandels nach § 28 Abs 1 SMG erhob, wurde diesem mit Bescheid des BFA vom 06.08.2019 das Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 31.07.2019 abgesprochen. Dagegen erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde.

Am 09.09.2019 wurde der BF in die Justizanstalt Linz eingeliefert und mit Urteil des LG Linz vom 11.09.2019 wegen des Vergehens der Vorbereitung von Suchtgifthandel nach § 28 Abs 1, 1., 2. Und 3. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 6 Monaten, bedingt, Probezeit 3 Jahre verurteilt.

Mit Schreiben vom 23.09.2019 wurde dem BF mitgeteilt, dass seitens des BFA die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm Einreiseverbot sowie die Schubhaft im Falle einer vollinhaltlichen Abweisung seiner Beschwerde betreffend das Asylverfahren beabsichtigt ist.

Mit Erkenntnis vom 16.04.2020 wies das BVwG die Beschwerde gegen den Bescheid vom 10.05.2017 als unbegründet ab.

Mit Bescheid vom 30.04.2020 wurde eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot gegen den BF erlassen. Das Einreiseverbot wurde auf 6 Jahre festgesetzt. Der Bescheid erwuchs mit 07.07.2020 in Rechtskraft 1. Instanz.

Am 21.08.2020 wurde der BF vom Landesgericht für Strafsachen Wien rechtskräftig wegen §§ 28 Abs 1, 2. Fall, 28 Abs 2 SMG, §§ 27 Abs 1, Z 1, 1. Fall, 27 Abs 1, Z 1,2. Fall, 27 Abs 2 SMG, §§ 28a Abs 1, 5. Fall, 28a Abs 3, 1. Fall SMG zu einer Freiheitsstrafe von 20 Monaten, davon 14 Monate bedingt, verurteilt.

Am 05.10.2020 wurde der BF zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen. Am 07.10.2020 wurde ein Festnahmeauftrag erlassen, auf dessen Basis der BF bei Verlassen der JA Josefstadt festgenommen und in das PAZ HG überstellt wurde. Am 08.10.2020 wurde der BF abermals zur möglichen Schubhaftverhängung einvernommen und schließlich über ihn die Schubhaft gem § 76 Abs 2 Z 2 verhängt.

Die Anordnung der Schubhaft sowie die Anhaltung in Schubhaft seit dem 08.10.2020 sind rechtswidrig. Der Beschwerdeführer erhebt gegen die Anordnung der Schubhaft mittels Bescheids und die auf diesen Bescheid gestützte Anhaltung in Schubhaft das gegenständliche Rechtsmittel.

Wie nachfolgend dargelegt wird, ist der angefochtene Schubhaftbescheid mangelhaft begründet. Die Voraussetzungen für die Verhängung der Schubhaft lagen und liegen nicht vor. Im Falle des Beschwerdeführers liegt keine Fluchtgefahr vor. Der Beschwerdeführer ist bereit, mit den Behörden zu kooperieren und an einem von der Behörde angesetzten Abschiebungstermin nach Afghanistan auszureisen.

Der Beschwerdeführer ist zudem in Österreich sozial verankert, da er eine Verlobte und eine eng befreundete Familie in Wien hat, die sich seiner angenommen hat und die ihn als ein Familienmitglied betrachten.

Die Behörde hat das Vorliegen gelinderer Mittel nicht geprüft. Im Falle des Beschwerdeführers kommen insbesondere die gelinderen Mittel der periodischen Meldeverpflichtung und der Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten gern § 77 Abs 3 Z 1 FPG in Betracht.

III. Zur Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Anordnung der Schubhaft und der Anhaltung des Beschwerdeführers

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ist die Verhängung der Schubhaft nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit zulässig. Im gegenständlichen Fall liegt weder Fluchtgefahr vor, noch ist die Verhängung der Schubhaft verhältnismäßig.

1. Nichtvorliegen von Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs 2 Z 2 FPG

Gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ist die Verhängung der Schubhaft nur bei Vorliegen von Fluchtgefahr und Verhältnismäßigkeit zulässig. Im gegenständlichen Fall liegen weder Fluchtgefahr noch Verhältnismäßigkeit vor: Die belangte Behörde begründet das Vorliegen von Fluchtgefahr damit, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, er keine behördliche Meldung aufweist und somit „nicht greifbar“ ist, er kein gültiges Reisedokument besitzt, mittellos ist und keine „verfahrensrelevanten“ Integrationsmerkmale aufweist. Dem ist Folgendes entgegenzuhalten:

Die belangte Behörde moniert, dass der BF seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei. Zwar wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung erlassen, die am 07.07.2020 in Rechtskraft erwuchs, jedoch befand sich der BF zu diesem Zeitpunkt bereits in Untersuchungshaft, wodurch es ihm faktisch nicht möglich war, auszureisen. Aus dem bisherigen Verfahrensinhalt geht auch nicht hervor, dass es bereits einen Abschiebetermin gab, insofern konnte der BF auch seine Rückkehr oder Abschiebung nicht verhindern.

Der BF war lediglich während der oben erwähnten Suche nach seinem verlorenen Bruder in Österreich nicht behördlich gemeldet. Zudem hat er in Österreich mehrere

Wohnmöglichkeiten. Zum einen könnte der BF, wie er auch im Rahmen seiner Einvernahme am 08.10.2020 vor der belangten Behörde angegeben hat, nach wie vor in seiner ehemaligen Wohnung an der Adresse XXXX , die er vor seiner Haft mit seinem Mitbewohner bewohnt hat, Unterkunft nehmen. Darüber hinaus lebt die asylberechtigte Verlobte des BF, XXXX , XXXX , in der XXXX im 21. Wiener Gemeindebezirk. Zudem hat der BF eine eng befreundete Familie in Wien, die er als seine Familie betrachtet. So bezeichnet er XXXX und XXXX als seine „Eltern“ und deren Sohn XXXX als seinen „Bruder“. Alle genannten Personen leben im 21. Wiener Gemeindebezirk. Bei einer Haftentlassung könnte der BF, neben seiner ehemaligen Wohnung in XXXX , auch bei seiner Verlobten XXXX oder seinem engen Freund XXXX Unterkunft nehmen. Alle oben genannten Personen würden den BF finanziell unterstützen und, wie der BF bereits im Rahmen seiner Einvernahme am 08.10.20 angab, unterstützt ihn seine Verlobte auch in Bezug auf seinen psychischen Gesundheitszustand.

Der BF verfügt daher über eine gesicherte Unterkunft und kann sich umgehend nach Entlassung aus der Schubhaft auch wieder an der Adresse XXXX , alternativ bei seiner Verlobten XXXX oder seinem guten Freund XXXX behördlich melden. Mit deren Hilfe kann sich der BF auch seine Lebenshaltungskosten bis zu seiner Ausreise aus Österreich finanzieren. Der BF wäre somit bis zu seiner Ausreise für die Behörden problemlos greifbar.

Obwohl der BF im Rahmen seiner Einvernahme vor der belangten Behörde angab, dass seine Verlobte in Wien lebe und er von dieser unterstützt werde, ging die Behörde von einem unbeachtlichen Grad der sozialen Verankerung des BF in Österreich aus. Das Gegenteil ist jedoch der Fall: Nicht nur die Verlobte des BF, sondern auch die eng befreundete, bereits erwähnte Familie XXXX lebt in Wien und ist bereit, den BF umfassend zu unterstützen. In Anbetracht des jugendlichen Alters des BF zum Zeitpunkt seiner Einreise nach Österreich und seines fehlenden Kontakts zu seiner eigenen Familie in Afghanistan, ist dessen familiärer Mittelpunkt aufgrund der Familie XXXX , die er als „seine“ Familie bezeichnet sowie seiner Verlobten in Österreich, wodurch von einer besonders intensiven sozialen Verankerung in Österreich ausgegangen werden muss.

Zum Beweis der Wohn- und Unterstützunqsmöqlichkeiten sowie der sozialen Verankerung des BF werden die Einvernahmen der Zeugen XXXX und XXXX im Rahmen einer mündlichen Verhandlung beantragt.

Zudem kann die Behörde auch nicht ausschließlich gestützt auf die vermeintlich mangelnde soziale Verankerung des Beschwerdeführers in Österreich sowie auf dessen Mittellosigkeit (somit nur gestützt auf § 76 Abs 3 Z 9) das Vorliegen einer Fluchtgefahr begründen. Denn bei der von der Behörde argumentierten Mittellosigkeit und fehlenden sozialen Verankerung handelt es sich um Umstände, die bei noch nicht lange in Österreich aufhältigen Asylwerbern typischerweise vorliegen und die für sich allein noch keine tragfähigen Argumente für das Bestehen eines Sicherungsbedarfes sind (vgl VwGH 28.05.2008, 2007/21/0233, Materialien zum FRÄG 2015 - BlgNR 582 d. B. (XXV. GP), Anmerkung zu § 76 Abs 3 Z 9 FPG).

Der Umstand, dass der BF im Bundesgebiet bereits straffällig geworden ist, lässt nicht den Schluss zu, dass Fluchtgefahr besteht und darf auch nicht als Kriterium für die Beurteilung, ob Fluchtgefahr besteht herangezogen werden. Die Behörde kann nicht alleine gestützt auf das Kriterium der Straffälligkeit das Vorliegen einer Fluchtgefahr des Beschwerdeführers bejahen und die Schubhaft über ihn verhängen - eine solche Praxis würde gegen die Grundsätze des § 76 FPG verstoßen, denn dann müsste das BFA ohne Prüfung der Fluchtgefahr die Schubhaft über alle straffällig gewordenen Personen verhängen und es würde jede Einzelfallprüfung entfallen. Die Heranziehung der Straffälligkeit als Kriterium für das Bestehen einer Fluchtgefahr verbietet sich auch dadurch, weil in keinem der Tatbestände des § 76 Abs 3 FPG Straffälligkeit Erwähnung findet. Ein allfälliges strafrechtliches Fehlverhalten kann gern. § 76 Abs 2a FPG bloß im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten herangezogen werden. Die Schubhaft dient weder der Aufdeckung oder Verhinderung von Straftaten noch ihrer Sanktionierung, sondern lediglich der Erfüllung eines administrativen Sicherungszweckes (vgl VwGH 22.12.2009, 2009/21/0185). Schließlich kann die Schubhaft keinesfalls dazu dienen, den Beschwerdeführer von der Begehung von Tatbeständen des StGB in Österreich abzuhalten (vgl. das Erkenntnis vom 28. März 2006, ZI.2004/21/0039) (VwGH 07.02.2008, 2007/21/0446).

Der BF zeigt sich zudem in allen bisher durchgeführten Einvernahmen kooperativ und machte umfassende Angaben. Er ist auch weiterhin bereit, mit den Behörden zu kooperieren und an einem von der Behörde angesetzten Abschiebungstermin freiwillig nach Afghanistan auszureisen.

2. Zur Nicht-Anwendung eines gelinderen Mittels Selbst bei Vorliegen von Fluchtgefahr - welche der Beschwerdeführer ausdrücklich in Abrede stellt - ist die Schubhaft nur bei Vorliegen von Verhältnismäßigkeit zulässig und nur, wenn gelindere Mittel nicht zur Zweckerreichung geeignet wären (§ 77 Abs 1 FPG).

Es gilt der Vorrang des gelinderen Mittels (VfGH 03.10.2012, G140/11 ua - G86/12 ua). Gegen den BF wurde bislang kein gelinderes Mittel verhängt und wurde der BF auch nicht dazu befragt, ob er einem solchen Folge leisten würde.

Im Falle des BF kommen jedenfalls gelindere Mittel in Betracht: So wäre im Falle des BF etwa das gelindere Mittel einer periodischen Meldeverpflichtung naheliegend.

Alternativ wäre neben einer periodischen Meldeverpflichtung auch das gelindere Mittel der Unterkunftnahme in von der Behörde bestimmten Räumlichkeiten in Betracht gekommen, zumal die Landespolizeidirektionen gern § 77 Abs 9 FPG Vorsorge betreffend derartiger Räumlichkeiten getroffen haben. So stehen für diesen Zweck entsprechende Räumlichkeiten etwa an der Adresse Zinnergasse 29a, 1110 Wien, oder an der Adresse Hauptstraße 38, 2540 Bad Vöslau, zur Verfügung.

Bei einer Entlassung aus der Schubhaft könnte der BF sofort wieder in seiner ehemaligen Wohnung an oben genannter Adresse oder alternativ bei seiner in Wien lebenden Verlobten oder seinem ebenfalls in Wien lebenden engen Freundes Unterkunft nehmen und wäre auch für seine sonstige Verpflegung aufgrund der Unterstützung durch diese Personen gesorgt.

Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen und kann

dem Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten (§ 77 Abs 5 FPG).

Der Beschwerdeführer ist bereit, mit Behörden zu kooperieren und würde insbesondere einer periodischen Meldeverpflichtunq sowie einer anfälligen anqeordneten Unterkunftnahme Folge leisten.

Die genannten gelinderen Mittel wären zur Erfüllung des angenommenen Sicherungszweckes jedenfalls ausreichend gewesen. Durch die mangelnde Prüfung der gelinderen Mittel erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig und der angefochtene Bescheid als rechtswidrig. 3. Zur Anordnung der Schubhaft im Mandatsverfahren In Fällen, in denen ein Fremder vor der geplanten Verhängung der Schubhaft in Gerichtshaft angehalten wird, bedeutet dies, dass das Bundesamt die Schritte zur Vorbereitung der Abschiebung bereits während der Gerichtshaft zu setzen hat. Sollte die Abschiebung nicht unmittelbar im Anschluss an die Entlassung aus der Strafhaft möglich sein, ist zudem ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen. (Vgl Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 76 FPG, K 29).

Im vorliegenden Fall verbüßte der BF eine mehrmonatige Ftaftstrafe. Aufgrund der gesetzlichen Informationspflichten gern § 30 Abs 5 BFA-VG ist davon auszugehen, dass die belangte Behörde bereits seit langer Zeit in Kenntnis vom Entlassungstermin war. Die belangte Behörde hätte daher die Schubhaft im ordentlichen Ermittlungsverfahren gern § 76 Abs 4 FPG anzuordnen gehabt.

Dieser Verfahrensmangel hatte u.a. zur Folge, dass die belangte Behörde zwar die strafrechtliche Verurteilung des BF heranzieht, jedoch nicht dessen Verhalten während der Haftzeit, da offenbar die Einholung des Strafvollzugsaktes unterblieben ist. Bei Durchführung eines ordentlichen Ermittlungsverfahrens hätte sich die belangte Behörde ein - positiveres - Bild von der Person des BF machen und auch feststellen können, dass der BF über Wohnmöglichkeiten bei den unter Punkt 1. genannten Personen verfügt.

Die Schubhaft wurde gegenständlich jedoch im Mandatsverfahren angeordnet, es wurde kein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren geführt. Schubhaft wurde daher auch nicht auf die gesetzlich vorgesehene Weise iSd Art 1 Abs 2 des Bundesverfassungsgesetzes zum Schutz der persönlichen Freiheit angeordnet.

IV. Notwendigkeit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung Sollte das Bundesverwaltungsgericht beabsichtigen, nicht antragsgemäß zu entscheiden, beantragt der Beschwerdeführer ausdrücklich die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes -insbesondere zur Klärung der Kooperationsbereitschaft des Beschwerdeführers, des Vorlieqens von Fluchtqefahr sowie zur Frage des Vorlieqens der Voraussetzungen für die Anordnung eines gelinderen Mittels - unter Einvernahme des Beschwerdeführers sowie der oben genannten Zeugen.

Eine Voraussetzung für das Unterbleiben der mündlichen Verhandlung wäre, dass die Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt wird. Dies ist im angefochtenen Bescheid jedoch nicht erfolgt (die „Beweiswürdigung“ beschränkt sich lediglich auf einen Hinweis auf den Akt sowie die Einvernahme). Das BVwG hat also eine mündliche Verhandlung durchzuführen, sollte es der Beschwerde nicht schon aufgrund der Aktenlage stattgeben (§ 24 Abs 2 Z 1 VwGVG).

(…)

VI. Anträge

Aus den genannten Gründen wird beantragt, das BVwG möge

• eine mündliche Verhandlung mit Einvernahme des BF sowie der namhaft gemachten Zeugen durchführen;

• aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgte;

• im Rahmen einer „Flabeas Corpus Prüfung“ aussprechen, dass die Voraussetzungen zur weiteren Anhaltung des BF nicht vorliegen;

• der belangten Behörde den Ersatz der Aufwendungen des BF gern VwG- Aufwandersatzverordnung sowie der Kommissionsgebühren und Barauslagen, für die der BF aufzukommen hat, auferlegen.

(…)“

Die Verwaltungsbehörde legte den Schubhaftakt vor, beantragte die Abweisung der Beschwerde und den Ausspruch der Fortsetzung der Anhaltung sowie Kostenzuspruch für Vorlage-, Schriftsatz- und im Falle einer Verhandlung Verhandlungsaufwand. In ihrer Stellungnahme führte sie unter anderem aus (Hervorhebungen entsprechend der Stellungnahme):

„(…)

Bestritten wird in der Beschwerde eingangs, dass überhaupt Fluchtgefahr vorliege.

Dazu wird festgehalten, dass diese Behauptung schlicht akten-, und faktenwidrig ist.

Der Fremde hat sich über einen erheblichen Zeitraum hindurch jedem Verfahren entzogen und hielt sich geraume Zeit sogar nachweislich im europäischen Ausland wissentlich rechtswidrig auf.

Er hat damit eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass er – trotz der behaupteten sozialen Bindungen innerhalb Österreichs – über ein derart tragfähiges persönliches Netzwerk verfügt, dass ihm ein mehrmonatiger Aufenthalt im Ausland in der Illegalität möglich war.

Die in der Beschwerde als nicht existent beschriebene Fluchtgefahr zur Person des BF erweist sich nach Einsichtnahme in den Akt durchaus als vorliegend.

Bestritten wird in der Beschwerde weiter, dass sich die Anordnung von Schubhaft den Umständen nach als zulässig erwiese, wozu die folgende Stellungnahme ergeht.

Es wurde im Rahmen einer minutiös durchgeführten Einzelfallprüfung das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes sowie das Vorliegen einer ultima-ratio-Situation nachvollziehbar geprüft.

Es darf dabei explizit auf Niederschrift vom 08.10.2020 hingewiesen werden.

Der zum BF a priori vorliegende Sicherungsbedarf wurde iSd § 76/2a FPG noch weiter zu seinem Nachteil gewichtet, sodass letztlich zurecht vom Vorliegen einer ultima-ratio-Situation ausgegangen wurde.

Das in der Beschwerde monierte soziale Netzwerk des BF - sei es die Verlobte oder die Ersatzfamilie des BF – hat sich vor dem Hintergrund der zweifachen erheblichen strafrechtlichen Verurteilung auf Grund von Übertretungen des SMG als nicht tragfähig erwiesen und war es den Bezugspersonen offensichtlich nicht möglich so auf den BF einzuwirken, dass er die Begehung gerichtlich strafbarer Handlungen unterlassen hätte.

Warum dies nun in Bezug auf die Greifbarkeit für ein weiteres fremdenpol. Verfahren anders sein sollte, bleibt nach Dafürhalten der Behörde im Dunkeln.

Auf Grund des dokumentierten Vorverhaltens des BF ist es ihm nach ha Dafürhalten zuzumuten, bis zur Abschiebung in Schubhaft zu verweilen – ein gelinderes Mittel scheint dafür nicht als verfahrenssichernd geeignet.

Dabei geht die Behörde davon aus, dass dem BF die Zeit bis zur Abschiebung im Stande der Schubhaft auch zugemutet werden kann.

Die Ausstellung eines „Laissez-Passer“ ist jederzeit möglich und laufen derzeit Bemühungen, so rasch als möglich einen Flug ins Heimatland des BF zu organisieren.

Dabei ist es unumgänglich, dass es im Lichte der internationelen COVID-19-Maßnahmen zu zeitlichen Verzögerungen kommt.

Diese stehen einer Verhältnismäßigkeit der Anordnung von Schubhaft jedoch nicht a priori so entgegen, dass überhaupt die Anordnung von Schubhaft per se unverhältnismäßig wäre.

Diese Sichtweise der Behörde wurde auch bereits in anderer Sache durch den BVwG inhaltlich bestätigt:

BVwG W171 2168857-2/8E

„Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des BF in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin.“

Dabei ist anzumerken, dass die Anhaltung des BF ohnedies laufend einer amtswegigen Kontrolle unterliegt und diese auch wahrgenommen wird.

Auch die sonst in der Beschwerde durch den RV ins Treffen gebrachten Beschwerdegründe gehen nach Ansicht der belangten Behörde und des BVwG ins Leere:

BVwG W171 2168857-2/8E

„Nach Ansicht des Gerichts ist es derzeit zu früh, verlässliche Prognosen über den weiteren Verlauf der Pandemie in Österreich und im Herkunftsland des BF abzugeben und kann auch die Wirksamkeit und Wechselwirkungen der in vielen Ländern gesetzten Maßnahmen zur Eindämmung der Weiterverbreitung des Virus für einen in der Zuknft liegenden Zeitpunkt (mehrere Monate im Voraus) nicht verlässlich beurteilt werden. Derartige Prognosen stellen aus heutiger Sicht lediglich Spekulationen dar, die zur Begründung einer gerichtlichen Entscheidung nicht hinreichen können.“

Letztlich wird in der Beschwerde ausgeführt, die Behörde habe fälschlicher Weise einen Mandatsbescheid erlassen, obwohl sie über die Dauer der gerichtlichen Anhaltung in Kenntnis gewesen sei. Dabei wird seitens des RV des BF die widerlegliche Vermutung aufgestellt, dass auf Grund der Vorschrift des § 30/5 BFA-VG die Behörde in Kenntnis hätte sein müssen.

Dass dies jedoch nicht zutreffend ist, sollte dem RV bekannt sein. Es ist im Akt schlüssig festgehalten, dass der BF spontan aus der Strafhaft entlassen wurde, ohne, dass die Behörde davon in Kenntnis gewesen wäre.

Zwar wurde vorab eine „Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme“ an den BF im Stande der Untersuchungshaft zugestellt (und damit ist ersichtlich, dass eine ordentliche Bescheiderlassung beabsichtigt gewesen wäre), jedoch wurde der BF kurze Zeit nach der Hauptverhandlung vor dem LG-Wien entlassen.

Es ist somit erwiesen, dass der Behörde der Entlassungszeitpunkt gar nicht bekannt sein konnte und demnach die Bescheiderlassung in Form eines Mandatsbescheids rechtlich zutreffend war.

Die durch den RV behauptete Unverhältnismäßigkeit der Schubhaft kann ha nicht einmal ansatzweise nachvollzogen werden – es existiert langjährige Judikatur des BVwG und VwGH, im Zuge welcher bei gleichgelagerten Sachverhalten Schubhaft jedenfalls als verhältnismäßig angesehen wurde.

Der Sicherungsbedarf zum Fremden besteht auch weiterhin in einem solchen Ausmaß, dass die Anwendung eines gelinderen Mittels – allenfalls in der Form einer Meldeverpflichtung – mit Sicherheit kein geeignetes Mittel darstellt, um die Greifbarkeit des BF zu sichern.

Abschließend darf angeführt werden, dass vor dem Hintergrund der zeitverzögerten Außerlandesbringungen nach Afghanistan immer mehr Fremde zum Mittel der freiwilligen Ausreise unter Aufsicht des VMÖ greifen – es stünde dem BF daher frei, durch eine freiwillige Ausreise seine Anhaltung in Schubhaft erheblich zu verkürzen.

Der BF ist aktuell uneingeschränkt haftfähig und im normalen Vollzug untergebracht.

Zum heutigen Tage erweist sich der Fremde jedenfalls als haftfähig!

(…)“.

Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Sachverhalt:

Die von der Verwaltungsbehörde im oben angeführten Schubhaftbescheid gemachten Ausführungen im Rahmen der Rubrik „Verfahrensgang“ sowie die getroffenen und im gegenständlichen Verfahrensgang dargestellten Feststellungen werden zum gegenständlichen Sachverhalt erhoben.

Ergänzend wird festgestellt:

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes W252 2159751-1/16E, 2159751-2/6E, vom 06.04.2020 wurde die von der Verwaltungsbehörde mit Bescheid vom 10.05.2027, Zl. 1118574609/160825425 ausgesprochene Rückkehrentscheidung bereits mit der Zustellung an den Rechtsvertreter – der gegenständliche Rechtsvertreter zeichnete auch im Rückkehrentscheidungsverfahren als Rechtsvertreter verantwortlich – am 06.04.2020 rechtskräftig.

Der so in Kenntnis gesetzte Beschwerdeführer, der erst seit 07.06.2020 in Untersuchungshaft angehalten wurde, kam aber seiner Verpflichtung, Österreich zu verlassen, tatsächlich nicht nach.

Am 21.05.2020 verlief ein Erhebungsersuchen an die LPD Niederösterreich, den aktuellen Aufenthalt des Beschwerdeführers betreffend, negativ – der Beschwerdeführer war seit langem nicht mehr an seiner Meldeadresse aufhältig.

In der Folge erließ die Verwaltungsbehörde eine weitere Rückkehrentscheidung, diesmal aber in Verbindung mit einem sechsjährigen Einreiseverbot, und zwar mit Bescheid vom 30.04.2020, rechtskräftig seit 07.07.2020.

Der Beschwerdeführer gab in der Schubhafteinvernahme zur beabsichtigen Abschiebung ausdrücklich folgendes an:

„F: Würden Sie gegen eine beabsichtigte Abschiebung Widerstand leisten?

A: Ja, ich werde Widerstand leisten. Ich möchte hier bleiben, mein ganzes Leben ist hier.“

Der Beschwerdeführer hätte die Gelegenheit, entweder bei seiner Freundin/Verlobten oder bei Freunden Unterkunft zu nehmen und würde auch von diesen unterstützt werden.

Obwohl der Beschwerdeführer in Grundversorgung und damit sein Auskommen in Österreich gesichert war, verübte er schwerste Straftaten gegen das Suchtmittelgesetz.

Vor dem Hintergrund, dass „seit 18.05.2020 ein EU-Laissez Passer möglich ist“, was ihm in der Schubhafteinvernahme zur Kenntnis gebracht wurde, und der Beschwerdeführer auch über eine Taszkira verfügt, droht dem Beschwerdeführer jederzeit die Abschiebung.

Es bestand und besteht (daher) erhebliche Fluchtgefahr.

Beweiswürdigung:

Hinsichtlich der vom angeführten Schubhaftbescheid übernommenen Feststellungen und aus dem Verfahrensgang übernommenen Sachverhaltsparameter ist auf die eindeutige Aktenlage im Zusammenhang mit den erwägenden Ausführungen der Verwaltungsbehörde zu verweisen, mögen sich solche disloziert auch im Rahmen der rechtlichen Beurteilung finden.

Die ergänzenden Feststellungen sind unzweifelhaft der Aktenlage zu entnehmen bzw. stellen eine Übernahme des vom Beschwerdeführer in der Schubhafteinvernahme Gesagten oder in der Beschwerde Vorgebrachten dar.

Die Beschwerdeausführungen, vorwiegend mit Zielrichtung des Nichtbestehens von Fluchtgefahr, sind nicht stichhältig:

Das Beschwerdeargument, wonach der Beschwerdeführergar nicht ausreisen hätte können, weil er zum Zeitpunkt des Rechtskräftigwerdens der Rückkehrentscheidung am 07.07.2020 bereits in Untersuchungshaft angehalten war und ihm so gar nicht erst die Ausreise möglich gewesen sei, übersieht, dass der Beschwerdeführer bereits aufgrund der Beschwerdeentscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes (nach Durchführung einer Verhandlung mit dem Beschwerdeführer) vom 06.04.2020 zur Ausreise verpflichtet war und dieser Ausreise tatsächlich nicht nachkam, obwohl er zum damaligen Zeitpunkt noch nicht in U-Haft angehalten wurde. Dass die Verwaltungsbehörde eine weitere Rückkehrentscheidung am 30.04.2020 (in Verbindung mit einem Einreiseverbot) „nachschoss“, änderte nichts an der bereits zuvor bestehenden Ausreiseverpflichtung.

Dass die Rechtsvertretung, die schon damals einschritt und also in Kenntnis der bereits bestehenden Rückkehrentscheidung war, mit diesem Argument zu reüssieren versucht, wirkt befremdlich.

Die Beschwerde versucht die Rechtfertigung der Ausreise des Beschwerdeführers mit dem Umstand, dass ein Bruder des Beschwerdeführers in Belgien lebe, lässt aber völlig unberücksichtigt, wie auch bereits im Schubhaftbescheid angeführt, dass sich der Beschwerdeführer auch noch zusätzlich nach Frankreich begab, wo er am 04.03.2019 einen Asylantrag stellte, sodass sich das schon rechtlich nicht haltbare Argument der illegalen Weiterreise nach Belgien auch menschlich gesehen sehr stark relativiert.

Dass der Beschwerdeführer hier in Österreich über verschiedenste Wohnmöglichkeiten verfügt, tut der von der Verwaltungsbehörde schon angenommenen Fluchtgefahr keinen Abbruch, verfügte er offensichtlich auch in Belgien und Frankreich über entsprechende Möglichkeiten – der Beschwerdeführer kehrte nach seiner Asylantragstellung in Frankreich wieder nach Belgien zurück, von wo er nach Österreich rücküberstellt wurde. Mit den verschiedensten Wohn- und Unterbringungsmöglichkeiten zeigt der Beschwerdeführer nur seine große Mobilität und Organisationsfähigkeit – siehe dazu auch sogleich – auf.

Wenn man bedenkt, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 11.09.2029 noch ausdrücklich davon sprach, aktuell über keinen Bekannten- und Freundeskreis zu verfügen, wie auch vom Bundesverwaltungsgericht in seinem angeführten Erkenntnis vom 06.04.2020 festgehalten, und auch in der Schubhafteinvernahme die ausdrücklich an ihn gerichtete Frage F: „Haben Sie Bekannte oder Verwandte hier in Österreich?“ mit „Nein“ beantwortete, dann zeigt das zum Sachverhalt erhobene erstmals in der Beschwerde erstattete Vorbringen namentlich angeführter enger Bekannter, wie schnell sich der Beschwerdeführer zu organisieren weiß, was im Sinne der Gesamtbetrachtung gerade für seine schon gezeigte Mobilität spricht und damit verbunden die Gefahr des Untertauchens (auch wieder ins Ausland) unterstreicht.

Mit dieser eindeutigen Antwort erscheint das weitere Beschwerdevorbringen hinsichtlich des Bestehens einer „besonders intensiven sozialen Verankerung in Österreich“ im Hinblick auf den „familiären Mittelpunkt aufgrund der Familie XXXX , die er als „seine“ Familie bezeichnet sowie seiner Verlobten in Österreich“ doch insofern stark relativiert, als sich beide Vorbringen nur insofern in Einklang bringen lassen, als man die Intensivierung erst ab Anhaltung in Schubhaft (!!) annimmt. Abgesehen davon kann der Verwaltungsbehörde bei einer derartigen Rechtsuntreue, wie sie der Beschwerdeführer an den Tag legte, nicht entgegengetreten werden, wenn sie offensichtlich nicht nur von Fehlen jeglicher sozialer Verankerung ausgeht, sondern diese auch als Indikator für ein neuerliches Untertauchen ansieht.

Auch mit dem Argument, er würde von seinen Bekannten finanziell unterstützt werden, ist nichts gewonnen; wie festgestellt, war dem Beschwerdeführer auch der Grundversorgungsbezug zu wenig und verübte er schwerste Verstöße gegen das Suchtmittelgesetz.

Auch das weitere Argument, der Beschwerdeführer würde sich behördlich anmelden und wäre somit „für die Behörden problemlos greifbar“, hält einer näheren Prüfung nicht stand:

So war der Beschwerdeführer am 21.05.2020, obwohl polizeilich gemeldet, längst nicht mehr

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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