Entscheidungsdatum
23.10.2020Norm
AsylG 2005 §15bSpruch
W220 1428061-4/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Daniela UNTERER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Gambia (alias Mali), vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.08.2020, Zl. 811335907-200277528, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 68 Abs. 1 AVG idgF als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte III. und IV. gemäß § 57 AsylG 2005 idgF und § 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
III. Der Beschwerde zu Spruchpunkt V. wird stattgegeben und dieser ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
1.1. Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.11.2011 einen Antrag auf internationalen Schutz, der mit Bescheid des vormals zuständigen Bundesasylamtes vom 22.06.2012, Zl. 11 13.359-BAI, abgewiesen wurde. Gleichzeitig wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Mali – seinem damals angeblichen Herkunftsstaat - ausgewiesen.
1.2. Der vom Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 17.12.2013, Zl. A9 428.061-1/2012/10E, insofern Folge gegeben, als der bekämpfte Bescheid gemäß § 66 Abs. 2 AVG an die belangte Behörde zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen wurde. In den Entscheidungsgründen führte der Asylgerichtshof aus, dass es Zweifel an der Herkunft des Beschwerdeführers gäbe, insbesondere, ob Mali überhaupt der Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sei.
1.3. Ein von der belangten Behörde in Auftrag gegebenes Sprachgutachten zur Abklärung der Herkunft des Beschwerdeführers vom 09.10.2017 hatte zum Ergebnis, dass eine Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in Mali mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auszuschließen sei und mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einer Hauptsozialisierung des Beschwerdeführers in Gambia auszugehen sei. Positive Hinweise auf eine Haupt- oder Teilsozialisierung des Beschwerdeführers außerhalb Gambias gäbe es nicht.
1.4. Der Beschwerdeführer wurde am 22.02.2018 vor der belangten Behörde niederschriftlich einvernommen und mit ihm das linguistische Gutachten zu seiner Herkunft erörtert. Zu seinen Lebensumständen in Österreich führte er aus, dass er seit 2011 in Österreich sei und für ein Jahr als Hausmeister und für fünf Monate in einem Kindergarten gearbeitet habe, jetzt würde er nur noch die Straßenzeitung „20er“ verkaufen. Er bekomme von der Stadt monatlich € 350,-- und bezahle damit seine Wohnungsmiete. Er habe die A2 Prüfung nicht bestanden und auch keine Kurse oder sonstigen Ausbildungen in Österreich absolviert. Er sei weder Mitglied in einem Verein noch in einer Organisation, er würde aber jeden Freitag in die Moschee gehen. Er habe keine Verwandten oder Familienangehörige in Österreich und würde auch in keiner Lebensgemeinschaft leben.
1.5. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 30.03.2018, Zl. 13-811335907/2359374, wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Gambia abgewiesen. Gleichzeitig wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und die Zulässigkeit seiner Abschiebung nach Gambia festgestellt.
1.6. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 11.05.2018, Zl. I416 1428061-2/4E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 30.03.2018 als unbegründet abgewiesen.
2.1. Am 26.03.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels gemäß § 55 Abs. 2 AsylG. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, dass er Vater einer im September 2018 geborenen Tochter deutscher Staatsangehörigkeit sei und gemeinsam mit dieser und der Kindesmutter, einer deutschen Staatsbürgerin, in XXXX lebe. Die Mutter seines Kindes sei nur eingeschränkt erziehungsfähig und ein Hilfeplan des Jugendamtes XXXX sehe vor, dass sie sich einer (allenfalls auch stationären) Entwöhnungstherapie unterziehen solle. Daher habe der Beschwerdeführer derzeit die Haupterziehungsverantwortung für das neugeborene Kind. Aufgrund der Dauer seines Aufenthaltes und der Tatsache, dass er für einen EU-Bürger obsorge- und unterhaltspflichtig sei, würden Gründe iSd Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Dem Antrag beigelegt wurde eine am 01.10.2018 vom Standesamt XXXX ausgestellte Geburtsurkunde seiner Tochter.
2.2. Mit Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme vom 09.05.2019, Zl. 13-811335907/190310648, trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer auf, innerhalb einer Frist von vier Wochen im Detail bezeichnete Mängel seines Antrages zu beheben. Es erging der Hinweis, dass sein Antrag nicht behandelt und zurückgewiesen würde, sollten die Mängel nicht rechtzeitig behoben werden. Weiters wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, bezüglich der Vorlage von Dokumenten einen Antrag auf Heilung gemäß § 4 AsylG-DV zu stellen. Dem Beschwerdeführer wurde auch die Möglichkeit eingeräumt, eine schriftliche Stellungnahme zu seinen persönlichen Umständen und zu seiner Antragsstellung abzugeben.
2.3. Der Beschwerdeführer reagierte auf dieses Schreiben trotz erfolgter Zustellung an seinen bevollmächtigten Rechtsvertreter nicht.
2.4. Mit Bescheid vom 05.07.2019, Zl. 13-811335907/190310648, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 26.03.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 3 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Gambia zulässig ist (Spruchpunkt III.) und legte gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine 2-wöchige Frist für seine freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.). Außerdem erließ sie gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von einem Jahr befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt V.).
2.5. Gegen diesen Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seine ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 06.08.2019 Beschwerde wegen wesentlicher Verfahrensmängel und Rechtswidrigkeit des Inhaltes an das Bundesverwaltungsgericht. Die Erstbehörde habe es unterlassen, Erhebungen zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers anzustellen. Mittlerweile habe sich die Mutter des gemeinsamen Kindes vom Beschwerdeführer getrennt. Sie pendle zwischen Deutschland und XXXX hin und her, sei jedoch nicht erziehungsfähig. Es sei zu erwarten, dass auf kurz oder lang eine pflegschaftsgerichtliche Maßnahme gesetzt und der Beschwerdeführer als Hauptbezugsperson zu seinem Kind festgestellt würde, womit er die Haupterziehungsverantwortung für sein Kind übernehmen müsse. Der Beschwerdeführer habe bei seiner ehemaligen Lebensgefährtin in XXXX Unterkunft gefunden und lebe mit dieser zusammen. Dem Verbesserungsauftrag habe nicht nachgekommen werden können, da der Beschwerdeführer amtsbekannterweise nicht in der Lage sei, sich Dokumente seines Heimatlandes zu verschaffen. Die Abschiebung habe sich aus vom Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Gründen über Jahre hindurch als undurchführbar erwiesen. Somit würden die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, in eventu für eine Duldung vorliegen. Der Beschwerdeführer habe keine Gründe für die Verhängung eines Einreiseverbotes gesetzt.
2.6. Mit rechtskräftigem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 22.10.2019, Zl. I415 1428061-3/2E, wurde die Beschwerde gegen den Bescheid vom 05.07.2019 als unbegründet abgewiesen.
2.7. Vom 03.02.2020 bis 11.03.2020 hielt sich der Beschwerdeführer in der Bundesrepublik Deutschland auf.
3.1. Am 06.02.2020 stellte der Beschwerdeführer in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz. Gemäß den Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin III) stimmte Österreich einer Überstellung des Beschwerdeführers zur Durchführung eines Asylverfahrens zu. Die Überstellung erfolgte am 11.03.2020 im Luftweg.
3.2. Am 11.03.2020 wurde vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes eine Erstbefragung des Beschwerdeführers zu seinem Folgeantrag durchgeführt. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine alten Fluchtgründe weiterhin bestehen würden und er außerdem nun Vater einer deutschen Staatsbürgerin sei. Die Mutter des Kindes könne sich aufgrund einer Alkoholsucht nicht um das Kind kümmern und wolle der Beschwerdeführer für sein Kind sorgen. Derzeit stehe die Tochter in der Obsorge des deutschen Jugendsamts. Er wolle nicht nach Gambia zurückkehren, weil er dadurch von seiner Tochter getrennt werden würde. Konkrete Hinweise auf Gefahren im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland gebe es nicht.
3.3. Mit Verfahrensanordnung vom 11.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer gem. § 15b AsylG iVm § 7 Abs. 1 VwGVG die Unterkunftnahme in einem näher bezeichneten Quartier angeordnet.
3.4. Mit Verfahrensanordnung vom 18.03.2020 wurde dem Beschwerdeführer gem. § 29 Abs. 3 und § 15a AsylG mitgeteilt, dass eine Zurückweisung seines Folgeantrages wegen entschiedener Sache (§ 68 AVG) beabsichtigt würde.
3.5. Am 05.06.2020 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl niederschriftlich einvernommen. Der Beschwerdeführer gab an, dass seine Muttersprache Mandinka und seine Vatersprache Fulla sei. Er spreche aber auch sehr gut Englisch und auch etwas Deutsch. Er gab an, gesund zu sein und derzeit in einem Flüchtlingslager zu leben. Er sei gambischer Staatsangehöriger und habe im Heimatland seine Ehefrau und sein Kind verloren. Die Mutter und ein Bruder des Beschwerdeführers seien weiterhin im Heimatland aufhältig. Er sei in Österreich nicht erwerbstätig und lebe von Leistungen aus der Grundversorgung.
Seine Lebensgefährtin und das gemeinsame Kind würden in Deutschland leben. Er sei nicht verheiratet. Der Beschwerdeführer erklärte, dass die Mutter des Kindes schwere Alkoholikerin sei und er deswegen die Polizei sowie das Jugendamt verständigt habe. Er wolle zwar, dass die Tochter bei der Mutter lebe, doch solle diese sich einer Therapie unterziehen. Auf Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass das Kind derzeit bei der Großmutter mütterlicherseits in Deutschland lebe, welche gemeinsam mit dem deutschen Jugendamt die Obsorge innehabe. Die Kindsmutter kenne der Beschwerdeführer seit 2016/2017 und habe sie zeitweise (auch mit dem Kind) bei ihm in Österreich gelebt. Derzeit habe er weder zu seiner Lebensgefährtin noch zu seiner Tochter Kontakt. Er habe versucht, sie telefonisch zu kontaktierten, doch wolle die Lebensgefährtin nicht mit ihm sprechen. Sie hasse ihn, weil er das Jugendamt kontaktiert hätte. Ihm sei jedoch die Zukunft seines Kindes wichtiger gewesen. Er leiste momentan keine Unterhaltszahlungen, weil er nicht erwerbstätig sei, wolle dies in Zukunft jedoch tun. In Bundesgebiet habe der Beschwerdeführer keine Familienangehörigen.
Zu seinem Leben in Österreich befragt, gab der Beschwerdeführer an, seit 2011 im Bundesgebiet zu sein und nur im Februar 2020 für 1,5 Monate nach Deutschland gezogen zu sein. Er könne Deutsch zwar nicht schreiben, jedoch sprechen und habe das Niveau A2 abgeschlossen. Er würde auch die Möglichkeit haben, in XXXX zu arbeiten, sobald er eine diesbezügliche Bewilligung erhalte. Außerdem habe er "gute Kontakte mit Leuten hier".
Zu seinem vorherigen Asylantrag gab der Beschwerdeführer an, die Wahrheit gesagt zu haben. Er habe zwar nichts zu berichtigen, doch habe er viele Dinge vergessen, weil es schon so lang her sei, dass er Afrika verlassen habe. Seinen neuen Antrag auf internationalen Schutz habe er nur aufgrund seiner Familie gestellt ("Glauben Sie mir, wenn ich keine Familie hätte, wäre ich nicht mehr hier").
Auf direkte Nachfrage gab der Beschwerdeführer an, dass seine vormaligen Fluchtgründe nicht mehr bestehen würden. Dies sei ein Fehler von ihm gewesen, da er damals angegeben hätte, aus Mali zu stammen. Gambia habe er verlassen, weil er seine Ehefrau und Baby wegen Komplikationen bei der Schwangerschaft verloren habe. Er sei von gambischen Behörden nicht verfolgt worden.
Er habe keine Befürchtungen, nach Gambia zurückzukehren, doch wolle er sein Kind nicht verlieren.
Im Anschluss an die Einvernahme wurde dem Beschwerdeführer die Möglichkeit gewährt, in das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl zu Gambia Einsicht zu nehmen, was dieser ausdrücklich ablehnte.
3.6. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14.08.2020, Zl. 811335907-200277528, wurde der Folgeantrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 11.03.2020 hinsichtlich des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Weiters wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Eine Frist für eine freiwillige Ausreise bestehe gemäß § 55 Abs. 1a FPG nicht (Spruchpunkt IV.). Schließlich wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen, vom 11.03.2020 bis 14.08.2020 in einem näher bezeichneten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt V.).
Zur allgemeinen Lage im Herkunftsland Gambia stellte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl u.a. nachstehend fest:
"Politische Lage
Letzte Änderung: 24.6.2020
Gambia ist eine Präsidialrepublik mit starker Stellung des direkt gewählten Staatspräsidenten. Dieser ist gleichzeitig Regierungschef (ÖB 12.2019). Staatsoberhaupt und Regierungschef ist seit 2017 Adama Barrow von der United Democratic Party - UDP (AA 15.10.2018; vgl. ÖB 12.2019). Bei den Präsidentschaftswahlen vom 1.12.2016, die als weitgehend frei und fair bezeichnet wurden (FH 4.3.2020; vgl. ÖB 12.2019), gewann Barrow gegen den 22 Jahre autoritär regierenden Amtsinhaber Jammeh (WB 22.3.2020), der nach einer knapp zweimonatigen innenpolitischen Krise schließlich zur Aufgabe seines Amtes bereit war (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019, FH 4.3.2020).
Seither befinden sich im Auftrag der CEDEAO/ECOWAS und auf Bitten der neuen Regierung Militärtruppen in Gambia, um die Sicherheit des Transformationsprozesses des Sicherheitssektors zu unterstützen und politischer Instabilität vorzubeugen (FH 4.3.2020).
Barrow kündigte ein ambitioniertes Reformprogramm an, das ab Mitte 2017 auch initiiert wurde. Der Namenszusatz „Islamische Republik“ wurde gestrichen, ein Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe wurde erlassen, Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet und die Stärkung von Institutionen und wirtschaftlicher Aufschwung versprochen (KAS 24.1.2020). Zwei weitere Wahlen konnten friedlich und transparent abgehalten und somit der politische Umbruch konsolidiert werden (ÖB 12.2019; vgl UNSC 29.6.2018, FH 4.3.2020).
Im Oktober 2018 wurde unter der Leitung des Ministeriums für Justiz die „Truth, Reconciliation and Reparation Commission“ eingerichtet, welche an der Aufklärung der unter der Regierung Jammeh verübten Menschenrechtsverletzungen arbeitet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020). Die Arbeit der Kommission ist noch nicht abgeschlossen. Zeugenaussagen bestätigen weit verbreitete Misshandlungen und Folterungen durch die Sicherheitskräfte und ein außergerichtliches Killerkommando, sowie Misshandlungen durch Jammeh selbst. Es kam jedoch bislang noch zu keiner Strafverfolgung und die Freilassung einiger Täter war umstritten (FH 4.3.2020).
Obschon es zahlreiche, wichtige außen- und innenpolitische Veränderungen gibt, nimmt die Kritik an Barrows Regierungsführung mittlerweile zu. Die junge Bevölkerung äußert ihre Unzufriedenheit über die schleppende Umsetzung von Reformen und erwartet rasche Ergebnisse bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier nach dem Regimewechsel nicht. Auch der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).
Barrow versprach als Präsidentschaftskandidat öffentlich, dass er drei Jahre als Übergangspräsident fungieren würde und im Dezember 2019 Neuwahlen abhalten ließe, ohne dabei selbst erneut anzutreten. Damit sollte eine Übergangsphase von der Diktatur Jammehs hin zu einer Demokratie eingeläutet werden. Im Dezember 2019 fanden allerdings keine Präsidentschaftswahlen statt und Barrow erklärte, sich an die verfassungsmäßige Amtszeit von fünf Jahren für Präsidenten zu halten. Nicht erst seit dieser Entscheidung nehmen Stimmen zu, die einen zunehmend autoritären Führungsstil des Präsidenten konstatieren (KAS 24.1.2020).
Das Kabinett wurde im März 2019 umgebildet, da der Vizepräsident zusammen mit zwei weiteren prominenten Mitgliedern der UDP abgesetzt wurde. Im Dezember 2019 gründete Präsident Barrow eine neue politische Partei, die Nationale Volkspartei, wodurch es ihm ermöglicht wird, bei den Wahlen 2021 für eine zweite Amtszeit zu kandidieren (WB 20.3.2020; vgl. FH 4.3.2020, KAS 24.1.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (15.10.2018): Gambia: Überblick, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambia/213610, Zugriff 17.6.2020
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (24.1.2020): „Too small to fail“? - Gambias Demokratisierungsprozess - zwischen Fortschritt und Frustration, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/too-small-to-fail, Zugriff 22.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
- UNSC - UN Security Council (29.6.2018): Report of the Secretary-General on the activities of the United Nations Office for West Africa and the Sahel, https://www.ecoi.net/en/file/local/1438086/1226_1531382798_n1817627.pdf, Zugriff: 23.6.2020
- WB - the World Bank (20.3.2020): The Gambia - Overview, https://www.worldbank.org/en/country/gambia/overview, Zugriff 22.6.2020
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 24.6.2020
Das staatliche Gewaltmonopol ist im gesamten Staatsgebiet gewährleistet. Es gibt keine Gruppen, die die staatliche Integrität in Frage stellen (BS 29.4.2020). Gambia blieb bisher von terroristischen Anschlägen verschont (AA 18.6.2020). Das Risiko von Entführungen, sporadischen bewaffneten Angriffen und Raubüberfällen durch Casamance-Rebellen im Süden des Landes nimmt weiter ab. Die Kriminalitätsrate in Gambia ist relativ niedrig (Garda 5.4.2019; vgl. BS 29.4.2020). Gambia wird zunehmend zu einem Transitland für Geldwäsche und den Handel mit Waffen, Drogen, Diamanten und gestohlenen Gütern (Garda 5.4.2019). Demonstrationen und Proteste finden inzwischen wieder häufiger statt. Am 26.1.2020 kam es bei einer Demonstration in Kanifing/Serrekunda zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften (AA 18.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (5.6.2020): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.6.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020
- Garda World (5.4.2019): Gambia Country Report, https://www.garda.com/crisis24/country-reports/gambia, Zugriff 26.5.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 24.6.2020
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor und die Regierung respektiert die Unabhängigkeit und Unparteilichkeit der Justiz (USDOS 11.3.2020; vgl. EASO 12.2017). Die Justiz wird durch Korruption und Ineffizienz behindert und die Exekutive dominiert die gerichtlichen Verfahren (FH 4.3.2020; vgl. PFD 3.12.2019, ÖB 12.2019). Justizmitarbeiter sind eingeschüchtert und unzureichend ausgebildet, es fehlt an Arbeitsmaterialien und Infrastruktur, wodurch die Unabhängigkeit der Justiz infrage gestellt wird (PFD 3.12.2019). Die verfassungsmäßigen Garantien für einen fairen Prozess werden nur schwach umgesetzt (ÖB 12.2019).
Seit dem Machtwechsel ist allgemein ein Reformwille zu verzeichnen. Die Regierung hat Maßnahmen zur Stärkung bestehender und zur Schaffung neuer Institutionen unternommen. Rechtsstaatlichkeit war unter Jammeh nach Ansicht internationaler Beobachter lediglich formal gesichert. Durch die neue Regierung wurde die Unabhängigkeit der Justiz gestärkt. Des Weiteren wurde die Judicial Service Commission, welche Empfehlungen über die Bestellung von Richterposten und zur Effizienzsteigerung ausspricht, wieder eingesetzt (ÖB 12.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Eine verfassungsgebende Kommission hat im Mai 2018 ihre Arbeit aufgenommen (AA 5.8.2019). Ein Verfassungsentwurf wurde am 15.11.2019 vorgelegt. Elemente sind unter anderem die klare Begrenzung auf zwei Amtszeiten (inkl. für den dzt. Präsidenten) oder die Abschaffung der Todesstrafe. Der Entwurf liegt nun zur Kommentierung durch die Öffentlichkeit vor und soll letztendlich durch ein Referendum angenommen werden (ÖB 12.2019).
Die Regierung Barrow ernennt mehr gambische Staatsbürger ins Richteramt, dennoch bleibt die Jurisdiktion von ausländischen Richtern abhängig (ÖB 12.2019; vgl. FH 4.3.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff: 23.6.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
- PFD - the Point for Freedom and Democracy (3.12.2019): UN rapporteur urges Gambia to reform judicial system, http://thepoint.gm/africa/gambia/article/un-rapporteur-urges-gambia-to-reform-judicial-system, Zugriff: 23.6.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff: 23.6.2020
Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 24.6.2020
Die zivilen Behörden behalten zwar wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte (USDOS 11.2.2020), jedoch fehlen noch weitere zivile Überwachungsmechanismen für die Sicherheitskräfte (ÖB 12.2019). Das Militärpersonal der ECOWAS bleibt weiterhin im Land (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019, FH 4.3.2020).
Die Gambia Armed Forces – GAF (Streitkräfte) sind für die externe Verteidigung zuständig und stehen unter der Aufsicht des Verteidigungsministers; der Präsident ist Oberbefehlshaber der Streitkräfte (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019). Der Nationale Geheimdienst untersteht direkt dem Präsidenten (ÖB 12.2019). Das Innenministerium ist für die Gambia Police Force (GPF) verantwortlich, die die innere Sicherheit gewährleistet (USDOS 11.3.2020; vgl. ÖB 12.2019). Sie besitzt sowohl eine Menschenrechts- und Beschwerdeabteilung, sowie eine Kinderfürsorge- und „Gefährdete Personen“- Abteilung (ÖB 12.2019).
Im Februar 2017 wurde die National Intelligence Agency (NIA), die unter der früheren Regierung Folter und willkürliche Inhaftierung praktizierte, in State Intelligence Services (SIS) umbenannt und ihre Haftbefugnisse wurden aufgehoben (AI 22.2.2018; vgl. ÖB 12.2019). Eine Reihe von Führungspersönlichkeiten der NIA unter dem Vorgängerregime sollen ausgewechselt worden sein und sich nun entweder vor Gericht oder im Ausland befinden. Einige Mitarbeiter haben jedoch ihre Stellen behalten (ÖB 12.2019). Auch die Leiter von Polizei, Gefängnis und Militär wurden ausgetauscht (AI 22.2.2018).
Die Regierung hat effektive Mechanismen, um bei Missbrauch zu ermitteln und zu bestrafen in Kraft gesetzt, jedoch kommen Straflosigkeit und inkonsistente Durchsetzung vor (USDOS 11.3.2020). Die Ausübung illegitimer Gewalt durch Sicherheitskräfte ist unter der Regierung Barrow seltener geworden (FH 4.3.2020). Im Gegensatz zu den vorangegangenen Jahren wurde 2018 kein Fall von Straflosigkeit im Zusammenhang mit den Sicherheitskräften gemeldet (ÖB 12.2019).
Quellen:
- AI - Amnesty International (22.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Gambia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1425363.html, Zugriff: 23.6.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff: 23.6.2020
Folter und unmenschliche Behandlung
Letzte Änderung: 24.6.2020
Die Verfassung und weitere Gesetze verbieten Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (USDOS 11.3.2020; vgl. AA 5.8.2019). Seit Amtsübernahme der Regierung Barrow im Jänner 2017 sind keine Berichte über Folter bekannt geworden (AA 5.8.2019; vgl. USDOS 11.3.2020, VA 19.6.2020). Im September 2018 hat Gambia das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe ratifiziert (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff: 23.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff: 23.6.2020
- VA - Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft Dakar in Gambia (19.6.2020): Antwortschreiben, per E-Mail.
Korruption
Letzte Änderung: 24.6.2020
Das Gesetz sieht strafrechtliche Sanktionen für Korruption durch Regierungsbeamte vor und die Regierung setzt das Gesetz im Allgemeinen um (USDOS 11.3.2020). Korruption stellt aber weiterhin ein ernsthaftes Problem dar. Vorwürfe der Korruption werden häufig gegen Beamte aller Ebenen der Verwaltung eingebracht (FH 4.3.2020).
Die neue Regierung hat eingeschränkte Initiativen zur Verringerung der Korruption ergriffen. Die Bevölkerung fordert nach wie vor Gesetze zur Einrichtung einer Anti-Korruptionskommission und zur Abgabe von Vermögenserklärungen durch Regierungsbeamte. Es gibt derzeit kein Gesetz zum Schutz von Informanten (FH 4.3.2020; vgl. BS 29.4.2020: 27).
Eine Untersuchungskommission prüfte die Verwendung staatlicher Mittel durch den ehemaligen Präsidenten Jammeh für private Zwecke und für sein Vermögen (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020); die Ergebnisse der Prüfung wurden im September 2019 veröffentlicht. Als Folge sollte Jammeh wegen Diebstahls, Wirtschaftskriminalität und Korruption angeklagt werden, und die Regierung beschlagnahmte Unternehmen, Immobilien und andere Vermögenswerte von Jammeh und einigen seiner Mitarbeiter. Darüber hinaus wurden einige ehemalige Beamte für bestimmte Zeiträume oder auch auf Lebenszeit von der Ausübung öffentlicher Ämter ausgeschlossen (USDOS 11.3.2020).
Die Regierungsgeschäfte sind im Allgemeinen undurchsichtig. Seit 2018 sind Regierungsbeamte verpflichtet, Vermögenserklärungen an den Bürgerbeauftragten abzugeben, aber die Erklärungen sind nicht öffentlich und medienwirksam; Präsident Barrow hat diese Zurückhaltung von Informationen verteidigt und auf Bedenken des Datenschutzes hingewiesen. Es gibt weit verbreitete Vorwürfe über Korruption in öffentlichen Beschaffungsprozessen (FH 4.3.2020).
Im Jahr 2019 wurde Gambia im von Transparency International veröffentlichten Korruptionsindex auf Platz 96 von 180 untersuchten Ländern platziert (TI 23.1.2020).
Quellen:
- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
- TI - Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019 - Full Data Set, https://images.transparencycdn.org/images/2019_CPI_FULLDATA.zip, Zugriff 23.6.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020
NGOs und Menschenrechtsaktivisten
Letzte Änderung: 24.6.2020
Das Umfeld für NGOs hat sich seit dem Machtwechsel stark verbessert (ÖB 12.2019). In Gambia gibt es eine Reihe von NGOs, die sich mit Fragen der Menschenrechte und der Regierungsführung befassen. Unter Jammeh sahen sich NGO-Mitarbeiter der Gefahr von Inhaftierung und Repressalien ausgesetzt. Es gab seit dem Regierungswechsel nur noch wenige Berichte über eine solche Unterdrückung. Umweltschutzgruppen berichten jedoch über Belästigung durch die Sicherheitskräfte (FH 4.3.2020).
Regierungsbeamte sind in der Regel kooperativ und empfänglich für Ansichten von NGOs. Trotz der Zusage der Barrow-Regierung von 2017, ein für NGOs günstigeres Umfeld zu schaffen, verlangt das Gesetz weiterhin, dass NGOs sich beim National Advisory Council registrieren. Sie verleiht dem Rat die Befugnis, einer NGO (einschließlich internationaler NGOs) das Recht, im Land tätig zu sein zu verweigern, auszusetzen oder aufzuheben. Jedoch hat der Rat im Jahr 2019 gegen keine NGO Maßnahmen ergriffen (USDOS 11.3.2020).
Das Büro des Bürgerbeauftragten betreibt eine Nationale Menschenrechtseinheit (NHRU) mit dem Auftrag, die Menschenrechte zu fördern und zu schützen und vulnerable Gruppen zu unterstützen. Die NHRU befasst sich mit Beschwerden über rechtswidrige Handlungen, ungerechte Behandlung sowie illegalen Verhaftungen. Die Regierung gewährt dem Büro des Ombudsmanns und der NHRU ebenso uneingeschränkten Zugang zu allen Haftanstalten wie lokalen und internationalen NGOs (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020
Wehrdienst und Rekrutierungen
Letzte Änderung: 24.6.2020
Es gibt keinen verpflichtenden Wehrdienst in Gambia. Für einen freiwilligen Militärdienst ist für Männer und Frauen ein Mindestalter von 18 Jahren vorgesehen und eine mindestens sechsmonatige Verpflichtung (CIA 10.6.2020; vgl. ÖB 12.2019).
Quellen:
- CIA - Central Intelligence Agency (10.6.2020): The World Factbook - Gambia, The - Government, https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/ga.html, Zugriff 23.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 24.6.2020
Der neue Präsident Adama Barrow machte deutlich, dass ein vorrangiges Ziel der neuen Regierung darin bestehen würde, die Achtung der Menschenrechte zu gewährleisten (EASO 12.2017). Zu den bedeutendsten Menschenrechtsproblemen gehören: harte und potenziell lebensbedrohliche Haftbedingungen; mangelnde Rechenschaftspflicht in Fällen von Gewalt gegen Mädchen und Frauen, einschließlich Vergewaltigung und weit verbreiteter weiblicher Genitalverstümmelung; Menschenhandel; und die Kriminalisierung einvernehmlichen gleichgeschlechtlichen Sexualverhaltens zwischen Erwachsenen, obwohl das Gesetz nicht durchgesetzt wird (USDOS 11.3.2020).
Die Grundrechte, einschließlich der Versammlungs-, Vereinigungs- und Meinungsfreiheit, haben sich seit dem Amtsantritt von Präsidenten Barrow verbessert, aber die Konsolidierung der Rechtsstaatlichkeit geht nur langsam voran (FH 4.3.2020). Mitglieder des Jammeh-Regimes werden nicht systematisch verfolgt (EASO 12.2017; vgl. VA 19.6.2020).
Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit werden durch die Verfassung garantiert und seit Amtsübernahme der Regierung durch Barrow werden diese staatlicherseits respektiert und gewährleistet (AA 5.8.2019; vgl. FH 4.3.2020, USDOS 11.3.2020). Die neue Regierung unternahm mehrere bedeutende Anstrengungen, um ein günstigeres Umfeld für die Meinungsfreiheit zu schaffen. Die Verfassung und das Gesetz sehen die Meinungsfreiheit, auch für die Presse, vor, und die Regierung respektierte dieses Recht (HRW 18.1.2018; vgl. ÖB 12.2019). Die Selbstzensur ist zurückgegangen und mehr Menschen ergreifen den Beruf des Journalisten. Journalisten kehren vermehrt aus dem Exil zurück (FH 4.3.2020; vgl. AI 22.2.2018, ÖB 12.2019). Dennoch bleiben restriktive Mediengesetze zumindest am Papier erhalten und es gibt vereinzelte Berichte über Verhaftungen und Polizeiübergriffe gegen Journalisten (FH 4.3.2020; vgl. JA 26.1.2020, AN 28.1.2020). Radioprogramme, Nachrichten-Websites und Fernsehsender sind in Gambia online zugänglich. Internationale Sender wie die BBC, Voice of America und Nachrichten-Websites aus der Diaspora, die der Regierung Jammeh sehr kritisch gegenüberstanden, bleiben eine wichtige Informationsquelle (EASO 12.2017).
Die gesetzlichen Regelungen aus der Jammeh-Ära, welche die Pressefreiheit stark eingeschränkt haben, wurden im Mai 2018 vom Obersten Gerichthof weitestgehend für verfassungswidrig erklärt. Die Barrow-Regierung hat das Gesetz seit Amtsantritt nicht angewendet. Seit dem Regierungswechsel liegen auch keine Hinweise auf Einschränkungen der Medienfreiheit vor. Die Regierung sucht den Austausch mit Journalisten und der „Gambia Press Union“. In Kooperation mit der Menschenrechts-NGO Article 19 erarbeitet die Regierung aktuell ein neues Mediengesetz (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Für öffentliche Versammlungen muss eine Genehmigung vom Generalinspektor der Polizei eingeholt werden (FH 4.3.2020). Die Regierung verpflichtete sich zur Reform mehrerer repressiver Mediengesetze (AI 22.2.2018).
Im Juli 2019 wurden bei größeren Protesten in Serrekunda und Brikama zahlreiche Personen nach einem Einschreiten der Polizei verletzt und verhaftet (FH 4.3.2020). Im Zuge von Protestveranstaltungen gegen Präsident Barrow im Jänner 2020 wurden ca. hundert Personen verhaftet, einige Medienunternehmen gesperrt und die Oppositionsgruppe „Three Years Jotna“ verboten. Bei der Auflösung der Demonstrationen wurde Tränengas eingesetzt (AN 27.1.2020, AN 28.1.2020, JA 26.1.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
- AN - AfricaNews (27.1.2020): Gambia govt bans protests, silences critical media, https://www.africanews.com/2020/01/27/gambia-govt-bans-protests-silences-critical-media/, Zugriff 23.6.2020
- AN - AfricaNews (28.1.2020): Unpacking Gambia's three-year pact: Constitution vs. Coalition MoU, https://www.africanews.com/2020/01/28/unpacking-gambia-s-three-year-pact-constitution-vs-coalition-mou/, Zugriff 23.6.2020
- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
- JA - Jeune Afrique (26.1.2020): Gambie : le gouvernement durcit le ton face à la contestation anti-présidentielle, https://www.jeuneafrique.com/886852/politique/gambie-le-gouvernement-durcit-le-ton-face-a-la-contestation-anti-presidentielle/, Zugriff 23.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020
- VA - Vertrauensanwalt der Österreichischen Botschaft Dakar in Gambia (19.6.2020): Antwortschreiben, per E-Mail.
Bewegungsfreiheit
Letzte Änderung: 24.6.2020
Die Verfassung und Gesetze ermöglichen die Bewegungsfreiheit innerhalb des Landes, Auslandsreisen, Emigration und Repatriierung. Die Regierung respektiert diese Rechte im Allgemeinen (USDOS 11.3.2020). Jedoch wird die Bewegungsfreiheit durch häufige Sicherheitskontrollen beeinträchtigt (FH 4.3.2020; vgl. USDOS 11.3.2020).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie hat Gambia am 23.3.2020 bis auf Weiteres den Luftraum und die Landgrenzen geschlossen. Der Ausnahmezustand wurde bis 1.7.2020 verlängert, seit 4.6.2020 werden die Einschränkungen schrittweise gelockert (USEMB 11.6.2020; vgl. Garda 11.6.2020). Einschränkungen der Passagierzahl im privaten und öffentlichen Personenverkehr auf die Hälfte des Fassungsvermögens des Fahrzeuges bleiben bis auf Weiteres in Kraft (Garda 11.6.2020).
Quellen:
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 - The Gambia, https://freedomhouse.org/country/gambia/freedom-world/2020, Zugriff 15.6.2020
- Garda World (11.6.2020): Gambia: COVID-19 state of emergency extended until July 1 /update 3, https://www.garda.com/crisis24/news-alerts/349821/gambia-covid-19-state-of-emergency-extended-until-july-1-update-3, Zugriff 15.6.2020
- USDOS - U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: The Gambia, https://www.state.gov/wp-content/uploads/2020/02/GAMBIA-2019-HUMAN-RIGHTS-REPORT.pdf, Zugriff 23.6.2020
- USEMB - U.S. Embassy in The Gambia (11.6.2020): COVID-19 Information, https://gm.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 15.6.2020
Grundversorgung
Letzte Änderung: 24.6.2020
Gambia ist im internationalen Vergleich eines der ärmsten und am wenigsten entwickelten Länder der Welt. Lediglich ein Drittel der Bevölkerung verfügt über eine garantierte Ernährungssicherheit. Laut Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) waren zwischen 2014 und 2016 über 200.000 Gambier gezwungen, sich auf humanitäre Hilfe zu verlassen (EASO 12.2017). Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist v.a. in ländlichen Gegenden nur beschränkt gewährleistet (EASO 12.2017). Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier auch nach dem Regierungswechsel nicht, die Preise für Grundnahrungsmittel sind gestiegen (KAS 24.1.2020).
Zwar betrug das Wirtschaftswachstum 2019 offiziell 6%, doch bleibt die Lebenswirklichkeit der Bevölkerungsmehrheit äußerst schwierig. Die Inflation stieg auf knapp 7% und allein 80% des Haushalts 2020 dürften in die Schuldentilgung fließen. Für dringend notwendige Investitionen in das marode Bildungs- und Gesundheitssystem bleibt wenig Spielraum. Auch die Energieversorgung bleibt problematisch und der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern (KAS 24.1.2020).
Die Arbeitslosigkeit ist nach europäischer Berechnung hoch, doch gibt es keine verlässlichen Zahlen. Der Großteil der Bevölkerung ist entweder im Agrarsektor tätig (wo sie nicht von offiziellen Statistiken erfasst wird) oder im informellen Wirtschaftssektor. Der formelle Wirtschaftssektor ist nur schwach ausgeprägt und beschränkt sich meist auf den öffentlichen Sektor und im Land tätige ausländische Unternehmen (ÖB 12.2019).
Zudem ist die Landwirtschaft anfällig für Überschwemmungen und Dürren (EASO 12.2017; vgl. ÖB 12.2019). Die schlechte landwirtschaftliche Ernte führte 2016/2017 zu Ausfällen (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019). Der Landwirtschaftssektor ist nicht vielfältig genug aufgestellt, 91% der Landbevölkerung sind Kleinbauern, mehrheitlich durch Subsistenzwirtschaft geprägt. Das Land ist stark importabhängig, praktisch alle Güter des täglichen Gebrauchs werden importiert. Die Preise sind entsprechend hoch (KAS 16.5.2018; vgl. ÖB 12.2019).
Negativ wirkte sich auch die politische Krise des Jahres 2017 aus. Der Länderbericht des Internationalen Währungsfonds schätzt, dass die Tourismuseinnahmen im ersten Quartal 2017 aufgrund der politischen Turbulenzen um rund ein Drittel (8,8 Mio. USD) gesunken sind (EASO 12.2017) und sich nur zögerlich erholten (KAS 16.5.2018). Die Überweisungen (Geldtransfers) von Auswanderern in ihr Heimatland werden auf rund 10% des BIP geschätzt. Im internationalen Handel haben China und Indien die EU (insbesondere Frankreich und Großbritannien) als Hauptexporteur teilweise abgelöst (EASO 12.2017).
Eine zerstörte Wirtschaft, ausgebeutete Staatsressourcen, eine ineffiziente Infrastruktur, enorme soziale Herausforderungen sowie ein Mangel an Möglichkeiten für die junge Bevölkerung waren die Rahmenbedingungen, unter denen Barrow seine Präsidentschaft angetreten hat (KAS 16.5.2018). Als Jammeh Anfang 2017 ins Exil nach Äquatorialguinea ging, nahm er Vermögenswerte mit unbekanntem Wert mit (EASO 12.2017). Der systematische Diebstahl von Staatseigentum wurde rückwirkend seit 2014 auf 4% des BIP jährlich geschätzt (KAS 16.5.2018).
Das Land ist auf finanzielle Unterstützung aus dem Ausland angewiesen. Nach Angaben der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (UNCTAD) machten die Hilfen ausländischer Geber 2013 11% des BIP aus (EASO 12.2017). Ausländische Geber versprachen der Barrow-Regierung finanzielle Unterstützung unter der Bedingung, dass die Entwicklung der Demokratie gefördert und die Menschenrechte geachtet werden (EASO 12.2017).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie wurden nicht lebenswichtige Handels- und andere Aktivitäten, die mit der lokalen Wirtschaft verbunden sind, aber dazu neigen, große Menschenmengen anzuziehen, bis auf weiteres untersagt, was den Lebensunterhalt zahlreicher Personen gefährdet (APA 2.4.2020). Die Regierung stellte 14,7 Millionen US-Dollar zur Verfügung, um Haushalte mit Grundnahrungsmitteln (u.A. Reis, Öl, Zucker) zu versorgen (Gentilini et al 12.6.2020: 185).
Quellen:
- APA - Agence de Presse Africaine (2.4.2020): Gambia: Livelihoods affected by anti-COVID-19 restrictions, https://apanews.net/en/news/anger-follows-gambia-covid-19-lockdown, Zugriff 27.4.2020
- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020
- Gentilini, Ugo; Mohamed Almenfi, Pamela Dale, Ana Veronica Lopez, Ingrid Veronica Mujica, Rodrigo Quintana, Usama Zafar (12.6.2020): Social Protection and Jobs Responses to COVID-19: A Real-Time Review of Country Measures - “Living paper” version 11 (June 12, 2020), http://documents.worldbank.org/curated/en/590531592231143435/pdf/Social-Protection-and-Jobs-Responses-to-COVID-19-A-Real-Time-Review-of-Country-Measures-June-12-2020.pdf, Zugriff 22.6.2020
- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (16.5.2018): Ein Jahr Demokratie in Gambia, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52476-544-1-30.pdf?180516145500, Zugriff 23.6.2020
- KAS - Konrad-Adenauer-Stiftung (24.1.2020): „Too small to fail“? - Gambias Demokratisierungsprozess – zwischen Fortschritt und Frustration, https://www.kas.de/de/laenderberichte/detail/-/content/too-small-to-fail, Zugriff 22.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
Sozialleistungen
Letzte Änderung: 24.6.2020
Das soziale Sicherheitsnetz Gambias ist schwach. Alterspensionen stehen nur einem kleinen Prozentsatz der Bevölkerung zur Verfügung (Personen mit mehr als zehn Jahren Beschäftigung in einer staatlichen Einrichtung oder einer teilnehmenden privaten Einrichtung) und werden vom Arbeitgeber und vom Arbeitnehmer finanziert. Andere Sozialleistungen wie Entschädigung für Arbeitsunfälle, Arbeitslosenversicherung oder Mutterschutz stehen entweder gar nicht oder nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zur Verfügung. Soweit vorhanden, handelt es sich überwiegend um vom Arbeitgeber finanzierte Barzahlungen (BS 29.4.2020; vgl. USSSA 9.2019).
Das staatliche „Social Welfare Service“ bietet für bedürftige Frauen und Kinder Unterbringung, Nahrung und Kleidung. Nach Angaben der Weltbank sind knapp 40% der Kinder unter 5 Jahren akut unterernährt. Sozialhilferegelungen etc. bestehen nicht (AA 5.8.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
- BS - Bertelsmann Stiftung (29.4.2020): BTI 2020 Country Report Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2029565/country_report_2020_GMB.pdf, Zugriff 27.5.2020
- USSSA - United States Social Security Administration (9.2019): Social Security Programs Throughout the World: Africa, 2019 - Gambia, https://www.ssa.gov/policy/docs/progdesc/ssptw/2018-2019/africa/gambia.pdf, Zugriff 27.5.2020
Medizinische Versorgung
Letzte Änderung: 24.6.2020
Trotz einiger Fortschritte bei der medizinischen Versorgung ist in Gambia keine flächendeckende medizinische Grundversorgung verfügbar (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019), wogegen die ärztliche Versorgung im Großraum Banjul ausreichend ist (BMEIA 4.6.2020; vgl. ÖB 12.2019). Die medizinische Versorgung im Lande bleibt eingeschränkt und ist technisch, apparativ und/oder hygienisch problematisch. Auch im privaten Sektor ist nur eine begrenzte Diagnostik und Behandlung möglich (AA 5.6.2020; vgl. AA 5.8.2019). Deutlich besser ist die Lage in Privatkliniken, wobei auch diese keinen europäischen Standard bieten (AA 5.8.2019). Die Versorgung ist besonders bei Notfällen, z. B. nach Autounfällen, aber auch im Falle eines Herzinfarktes oder eines Schlaganfalles sehr eingeschränkt (AA 5.6.2020). Die Mehrheit der Gesundheitseinrichtungen befindet sich im Stadtgebiet, was bedeutet, dass der Zugang zu Gesundheitsdienstleistungen in ländlichen Gebieten komplexer ist. Im Allgemeinen leiden alle Einrichtungen unter einem Mangel an gut ausgebildetem Personal und Defiziten in Bezug auf Infrastruktur, medizinische Ausrüstung und Versorgung mit bestimmten Medikamenten (EASO 12.2017; vgl. HP+/USAID 11.2019).
Prinzipiell haben sämtliche Bevölkerungsgruppen Zugang zu allen staatlichen Spitälern, Kliniken oder Krankenstationen. Jeder Patient hat eine Konsultationsgebühr von mindestens USD 0,5 bzw. USD 5 für größere Eingriffe zu entrichten. Schwangere Frauen und Kinder unter fünf Jahren sind von der Gebühr befreit. Patienten mit Krankheiten mit Relevanz für die öffentliche Gesundheit, wie z.B. Tuberkulose oder HIV/Aids sind ebenfalls von allen Gebühren befreit, ungeachtet ihrer Staatsangehörigkeit. Behandlung und Medikamente sind, soweit vorhanden, generell kostenlos (ÖB 12.2019; vgl. AA 5.8.2019). Eine allgemeine Krankenversicherung existiert nicht. Die Versorgung in staatlichen Krankenhäusern ist jedoch aufgrund mangelnder Ärzte, Apparaturen und Medikamente unzureichend. Es existiert eine staatliche psychiatrische Einrichtung, in der es allerdings oft an Medikamenten und gelegentlich an Lebensmitteln fehlt. Die Einrichtung wird von kubanischen Ärzten betreut, die nicht immer anwesend sind. Die Versorgung mit Medikamenten ist über Apotheken möglich (AA 5.8.2019).
Im Jahr 2015 gab es in Gambia 213 Mediziner (1.1 Arzt für 10.000 Einwohner). Die traditionelle Medizin ist für einen Großteil der Bevölkerung Gambias oft der erste Ansprechpartner, da die Heiler über das ganze Land verstreut und vor allem in ländlichen Regionen besser zugänglich sind. Auch die Behörden Gambias streben eine stärkere Partnerschaft mit traditionellen Heilern an, um die Erbringung von Gesundheitsdienstleistungen zu verbessern. Darüber hinaus erlauben traditionelle Mediziner oft Sachleistungen, die für arme Haushalte leistbarer sind (AA 5.8.2019; vgl. EASO 12.2017, HP+/USAID 11.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (5.6.2020): Gambia: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/gambia-node/gambiasicherheit/213624, Zugriff 16.6.2020
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
- BMEIA - Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres (4.6.2020): Reise & Aufenthalt - Gambia - Gesundheit & Impfungen, http://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/gambia/, Zugriff 23.6.2020
- EASO - European Asylum Support Office (12.2017): The Gambia - Country Focus, https://www.ecoi.net/en/file/local/1419801/90_1513324824_easo-201712-coi-report-gambia.pdf, Zugriff 23.6.2020
- HP+/USAID - Health Policy Plus / United States Agency for International Development (11.2019): Assesment of the Health System in the Gambia - Overview, Medical Products, Health Financing, and Governance Components, http://www.healthpolicyplus.com/ns/pubs/17372-17674_GambiaHealthSystemAssessment.pdf, Zugriff 22.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
Rückkehr
Letzte Änderung: 24.6.2020
Staatliche Einrichtungen zur Aufnahme von Rückkehrerinnen und Rückkehrern existieren nicht (AA 5.8.2019). Abgeschobene Personen werden von der Einwanderungsbehörde in Empfang genommen, kurz vernommen bzw. deren Daten aufgenommen (ÖB 12.2019). Rückkehrer werden in der Regel wieder von ihrer (Groß-) Familie aufgenommen. Zwischen der International Organisation of Migration (IOM) und der EU wurde eine Vereinbarung zum Schutz und zur Wiedereinbürgerung von Migranten getroffen (EU-IOM Initiative on Migrant Protection and Reintegration), welche Unterstützung für freiwillig oder zwangsweise zurückgekehrte Gambier vorsieht (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Der erhebliche Rückstau bei den Reintegrationsmaßnahmen wegen unerwartet hohen Rückkehrerzahlen v.a. aus Libyen und Anlaufschwierigkeiten des 2017 eingerichteten IOM-Büros konnte seit Mitte 2018 in etwa halbiert werden. Zum Stand März 2019 erhielten knapp 2.500 von insgesamt ca. 4.100 Rückkehrern Reintegrationsunterstützung. Des Weiteren gibt es zahlreiche NGOs, die in Gambia tätig sind, hauptsächlich im Grundbildungsbereich (AA 5.8.2019).
Rückkehrer bzw. wiedereingebürgerte Personen unterliegen keiner besonderen Behandlung. Fälle von Misshandlung oder Festnahmen sind nicht bekannt. Bei Rückkehr muss nicht mit staatlichen Maßnahmen aufgrund der Asylantragstellung gerechnet werden (AA 5.8.2019; vgl. ÖB 12.2019). Der „Social Welfare Service“ unterhält eine Einrichtung zur Unterbringung von Minderjährigen, dürfte sich aber eher an Kinder jüngeren Alters richten. Ob eine Unterbringung von abgeschobenen Minderjährigen dort möglich ist, muss im Einzelfall geklärt werden (AA 5.8.2019).
Im Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie unterliegen alle Einreisenden - entweder per Flugzeug oder auf dem Landweg - unabhängig von ihrer Nationalität, die in oder durch ein "Hotspot"-Land reisen, einer 14-tägigen verpflichtenden Quarantäne in staatlich verwalteten Einrichtungen, wo sie auf Kosten der Regierung Unterkunft, Nahrung, Wasser und medizinische Versorgung erhalten (USEMB 11.6.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (5.8.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Gambia (Stand: Juli 2019), https://www.ecoi.net/en/file/local/2014284/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%BCber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Republik_Gambia_%28Stand_Juli_2019%29%2C_05.08.2019.pdf, Zugriff 23.6.2020
- ÖB - Österreichische Botschaft Dakar (12.2019): Asylländerbericht Gambia, https://www.ecoi.net/en/file/local/2032127/Asyll%C3%A4nderbericht+Gambia+2019+-+Erstentwurf.docx, Zugriff 22.6.2020
- USEMB - U.S. Embassy in The Gambia (11.6.2020): COVID-19 Information, https://gm.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/, Zugriff 15.6.2020."
Zur aktuell vorliegenden Pandemie aufgrund des Corona-Virus stellte die belangte Behörde fest:
"COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im