TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/27 W171 2236191-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 27.10.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

27.10.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

W171 2236191-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl IFA XXXX über die weitere Anhaltung des XXXX , geb. XXXX , alias XXXX , alias XXXX , alias XXXX , StA. Afghanistan, in Schubhaft zu Recht:

A) Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

?        Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF) reiste spätestens am 23.06.2016 unter Umgehung der Grenzkontrolle in das österreichische Bundesgebiet ein.

?        Am selben Tag stellte er einen Antrag auf internationalen Schutz gem. § 2 Abs. 1 Z13 AsylG 2005 und gab an, den Namen XXXX zu führen, am XXXX geboren und Staatsangehöriger Afghanistans zu sein.

?        Am 03.05.2018 war der BF zur Altersfeststellung geladen. Dieser Ladung kam er ohne Entschuldigung nicht nach.

?        Mit Urteil eines BG vom 23.04.2018 wurde er wegen §§ 15, 127 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von zwei Wochen, unter Setzung einer Probezeit von einem Jahr bedingt, rechtskräftig verurteilt.

?        Am 17.05.2018 wurde er zum zweiten Mal zur Altersfeststellung geladen. Dieser Ladung kam der BF wieder unentschuldigt nicht nach.

?        Am 06.06.2018 langte die Verständigung der Staatsanwaltschaft Wels bzgl. der Anklageerhebung gem. § 107 (1) StGB; § 15 StGB § 83 (1) StGB; § 15 StGB § 269 (1) StGB; §§ 83 (1), 84 (2) StGB, bei der Behörde ein.

?        Mit 08.06.2018 wurde dem BF sodann per Verfahrensanordnung mitgeteilt, dass er gemäß § 13 Abs. 2 AsylG, wegen einer Anklage durch die Staatsanwaltschaft aufgrund einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung, das legale Aufenthaltsrecht verloren habe.

?        Mit Bescheid des Bundesamtes (auch als Behörde bzw. BFA bezeichnet) vom 13.06.2018 wurde der Asylantrag abgewiesen und festgestellt, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wird. Gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr 100/2005 (FPG) idgF, erlassen. Weiters wurde gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei. Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt. Gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBI I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF wurde einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt. Gemäß § 13 Absatz 2 Ziffer 2 Asylgesetz hatte der BF daher sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 01.06.2018 verloren und wurde weiters gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 3 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF gegen ihn ein auf die Dauer von 5 Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen.

?        Fristgerecht erhob er dagegen Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

?        Am 30.06.2019 wurde die Untersuchungshaft über ihn verhängt und befand sich der BF in weiterer Folge in Haft.

?        Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25.07.2019 wurde die Beschwerde abgewiesen und daher die behördlich ausgesprochene Rückkehrentscheidung rechtskräftig.

?        Mit Schreiben vom 02.09.2019 teilte der BF dem BFA mit, dass er mit einer Abschiebung in sein Heimatland Afghanistan einverstanden sei.

?        Seit 11.10.2019 verfügt das BFA über ein gültiges Heimreisezertifikat.

?        Mit 11.10.2019 wurde der BF von einem Landesgericht wegen Verstoßes gegen §§15, 84(4) StGB und §§ 15, 83 (1) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 13 Monate verurteilt.

?        Am 21.11.2019 stellte er seinen zweiten Antrag auf internationalen Schutz.

?        Mit Bescheid der Behörde vom 21.01.2020 wurde dieser Folgeantrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten, als auch des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und es wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen, die Abschiebung nach Afghanistan für zulässig erklärt, sowie ein zehnjähriges Einreiseverbot gegen ihn verhängt und keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt.

?        Gegen obigen Bescheid brachte der BF abermals fristgerecht Beschwerde ein.

?        Mit Erkenntnis des BVwG vom 17.02.2020 wurde auch diese Beschwerde abgewiesen und erwuchs die behördliche Rückkehrentscheidung in Rechtskraft.

?        Mit 27.05.2020 wurde dem BF hinsichtlich der Verhängung einer Sicherungsmaßnahme neuerlich Parteiengehör gewährt und ihm eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme nachweislich zugestellt. Eine Stellungnahme wurde nicht abgegeben.

?        Mit Schubhaftbescheid vom 23.06.2020 wurde über den BF mit Wirkung nach Entlassung aus der laufenden Strafhaft die aktuelle laufende Schubhaft verhängt. Gegen diesen Schubhaftbescheid langte bis zum Entscheidungszeitpunkt keine Beschwerde des BF ein.

-        Der BF wurde am 29.06.2020 aus der Haft bedingt entlassen und direkt in die laufende Schubhaft überstellt.

?        Am 19.10.2020 legte das BFA den gesamten Verfahrensakt dem BVwG zur Entscheidung nach § 22 a Abs. 4 BFA-VG hinsichtlich der Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer über die gesetzliche Dauer von vier Monaten dauernden Schubhaftfortführung vor. Mit gleichzeitig überreichter Stellungnahme wurde näher ausgeführt, dass im vorliegenden Fall weiterhin die im Bescheid vom 23.06.2020 angeführten Gründe für die Annahme von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit und die Notwendigkeit der Schubhaft vorlägen und weiterhin Haftfähigkeit des BF bestehe. Ein Heimreisezertifikat sei bereits vorliegend. Der BF sei bisher in Österreich auch mehrfach straffällig geworden und bestehe bereits eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung für seine Person. Er sei nicht rückkehrwillig und habe keine ausreichenden Barmittel zur Verfügung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Allgemein:

1.1. Der Beschwerdeführer befindet sich seit 29.06.2020 in Schubhaft. Die gesetzliche Viermonatsfrist läuft am 29.10.2020 ab. Eine gerichtliche Entscheidung über die Weiterführung der Schubhaft hat bis zum 30.10.2020 zu ergehen.

1.2. Der gegenständliche Schubhaftbescheid ist nicht in Beschwerde gezogen worden. Eine Änderung der Umstände für die seinerzeitige Verhängung der Schubhaft hat sich im Verfahren nicht ergeben.

1.3. Ein Heimreisezertifikat für den Beschwerdeführer liegt aktuell vor.

1.4. Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Weiterführung der Schubhaft sind zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung nach wie vor gegeben.

Gesundheitszustand:

2.1. Der BF leidet an keinen unverhältnismäßigen, die Schubhaft unzulässig machenden gesundheitlichen Beschwerden und ist haftfähig.

Effektuierbarkeit der Außerlandesbringung (Prognose):

3.1. Es ist davon auszugehen, dass der BF im Zuge der nächsten bereits geplanten Charterabschiebungen in den kommenden Monaten Außerlandes gebracht werden kann.

Sozialer/familiärer Aspekt:

4.1. Der BF verfügt mit Ausnahme einer Schwester und deren Familie über keinerlei berufliche, sonstige familiäre oder andere soziale Kontakte in Österreich, hat keinen Wohnsitz und ist in keiner Weise selbsterhaltungsfähig.

Öffentliche Interessen:

5.1. Der BF hat in der Vergangenheit mehrfach massiv gegen das Strafgesetz verstoßen und hat seinen illegalen Aufenthalt durch Untertauchen erfolgreich prolongiert. Er befand sich über lange Zeit in Strafhaft und konnte bisher nicht Außerlandes gebracht werden.

2. Beweiswürdigung:

Zu 1.1.: Die Angaben über den Verfahrensgang und die hiezu ergangenen Feststellungen beziehen sich auf die Angaben im vorliegenden Akt. Unter Heranziehung der Bestimmungen zur Fristenberechnung gemäß § 32 AVG ergibt sich, dass der Ablauf der Viermonatsfrist auf den 29.10.2020 fällt. Die gerichtliche Entscheidungsfrist endet einen Tag danach.

Zu. 1.2.: Aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass der seinerzeitige Schubhaftbescheid nicht in Beschwerde gezogen wurde. Ebenso konnte aufgrund der Aktenlage festgestellt werden, dass sich die wesentlichen Umstände im Rahmen der Schubhaft seit der seinerzeitigen Verhängung nicht verändert haben. Die formalen Voraussetzungen für die laufende Schubhaft sind daher unverändert gegeben.

Zu 1.3.: Ebenso aus dem Akteninhalt ergibt sich, dass ein Heimreisezertifikat vorliegt. Es sind keine Gründe hervorgekommen, die die Annahme begründen würden, dass der BF nicht mit einer der bereits geplanten nächsten Charterabschiebungen in sein Heimatland rückgeführt werde könnte.

Zu 1.4.: Aus einer Überprüfung der formalen Grundlagen für die Aufrechterhaltung der Schubhaft ergibt sich, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die durchsetzbare Rückkehrentscheidung, welche seinerzeit die rechtliche Grundlage für die Erlassung des Schubhaftbescheides darstellte, nach wie vor Durchsetzbarkeit hat.

Zu 2.1.: Aus dem Akt ergibt sich keinerlei Anhaltspunkt für eine Erkrankung des BF. Aus der Anhaltedatei sind keine wesentlichen Beschwerden und ärztlichen Behandlungen ersichtlich. Das Gericht geht daher in weiterer Folge davon aus, dass für eine Haftunfähigkeit oder eine Unverhältnismäßigkeit der Haft keine Anhaltspunkte gegeben sind.
Zu 3.1.: Im gerichtlichen Verfahren sind keine Anhaltspunkte dafür ans Tageslicht gekommen, dass es für den BF nicht möglich wäre, zeitnah auch tatsächlich in sein Heimatland verbracht zu werden.

Zu 4.1.: Die Feststellungen zu 4.1. ergeben sich im Wesentlichen aus den bisher unwidersprochen gebliebenen Angaben im Asylbescheid und im Schubhaftbescheid. Der BF hat diesbezüglich im Rahmen des ihm eingeräumten Parteiengehörs keine Stellungnahme abgegeben. Bereits im abgeschlossenen Asylverfahren wurde festgehalten, dass der BF in Österreich eine Schwester hat. Er hat jedoch lediglich einen Monat bei dieser Wohnung bezogen und ist sodann in die Anonymität abgetaucht. Darüber hinaus bestehen keine weiteren familiären Anknüpfungspunkte des BF in Österreich. Weder das Asylverfahren, noch das behördliche Schubhaftverfahren hat jedenfalls Anhaltspunkte dafür ans Tageslicht gebracht, dass der BF im Inland tatsächlich über derartige Anknüpfungspunkte verfügen würde, die ihm von einem neuerlichen Untertauchen in die Anonymität abhalten könnten. Es war daher diesbezüglich seitens des Gerichts im Rahmen einer Gesamtbetrachtung nicht angezeigt von diesbezüglich ausreichenden familiären, oder sonstigen Bindungen auszugehen. Ein aufrechter Wohnsitz war bisher im Wesentlichen nur in Haftanstalten gegeben, doch verfügt der BF nunmehr über gar keine Barmittel, sodass auch nicht davon ausgegangen werden konnte, dass der BF sich eine Unterkunft etwa mieten könnte.

Zu 5.1.: Die der Schubhaft zugrundeliegende Rückkehrentscheidung ist durchsetzbar. Der BF befindet sich illegal in Österreich. Darüber hinaus ergibt sich aus dem Akt, dass der BF bereits mehrfach wegen verschiedener Delikte und wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt verurteilt wurde und sich so als gesellschaftsschädlich gezeigt hat. Im Sinne der Bestrebung der Republik Österreich ein geordnetes Fremden- und Asylwesen zu haben, kommt daher dem öffentlichen Interesse im konkreten Fall ein merkbar höherer Stellenwert, als den persönlichen Interessen des BF auf Freiheit, zu. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Außerlandesbringung des BF ist daher unverändert hoch und ist die Fortsetzung der Schubhaft daher auch weiterhin verhältnismäßig.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchpunkt A.:

3.1.1. Gesetzliche Grundlagen:

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.

Die Grundlage zur Überprüfung der Verhältnismäßigkeit einer Fortsetzung der Schubhaft über die Viermonatsfrist im BFA-VG iVm. § 80 FPG lautet:

§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.

3.1.2. Zur Judikatur:

Insbesondere ist in diesem Zusammenhang auf Art 1 Abs. 3 PersFrSchG 1988 hinzuweisen, aus dem sich das für alle Freiheitsentziehungen geltende Gebot der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit ergibt, deren Prüfung im Einzelfall eine entsprechende Interessenabwägung verlangt. Für die Schubhaft ergibt sich das im Übrigen auch noch aus der Wendung "... wenn dies notwendig ist, um ..." in Art 2 Abs. 1 Z 7 PersFrSchG 1988. Dementsprechend hat der VfGH - nachdem er bereits in seinem Erkenntnis vom 24.06.2006, B 362/06, die Verpflichtung der Behörden betont hatte, von der Anwendung der Schubhaft jedenfalls Abstand zu nehmen, wenn sie im Einzelfall nicht notwendig und verhältnismäßig ist - in seinem Erkenntnis vom 15.06.2007, B 1330/06 und B 1331/06, klargestellt, dass die Behörden in allen Fällen des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 unter Bedachtnahme auf das verfassungsrechtliche Gebot der Verhältnismäßigkeit verpflichtet sind, eine einzelfallbezogene Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse an der Sicherung des Verfahrens und der Schonung der persönlichen Freiheit des Betroffenen vorzunehmen. Der VwGH hat dazu beginnend mit dem Erkenntnis vom 30.08.2007, 2007/21/0043, mehrfach festgehalten, dass die Schubhaft auch dann, wenn sie auf einen der Tatbestände des § 76 Abs. 2 FrPolG 2005 gestützt werden soll, stets nur ultima ratio sein dürfe.“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008)

Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024, zum Erfordernis einer Prognosebeurteilung, ob die baldige Ausstellung eines Heimreisezertifikates trotz wiederholter Urgenzen durch das Bundesministerium für Inneres angesichts der Untätigkeit der Vertretungsbehörde des Herkunftsstaates zu erwarten ist; vgl. VwGH 18.12.2008, Zl. 2008/21/0582, zur rechtswidrigen Aufrechterhaltung der Schubhaft trotz eines ärztlichen Gutachtens, wonach ein neuerlicher Versuch einer Abschiebung des Fremden in den nächsten Monaten aus medizinischen Gründen nicht vorstellbar sei).

3.1.3. Aufgrund der oben zitierten gesetzlichen Bestimmungen hat die Behörde nach § 22a Abs. 4 BFA-VG dem Bundesverwaltungsgericht die Verwaltungsakten zur amtswegigen Überprüfung der Verhältnismäßigkeit und Notwendigkeit der weiteren Anhaltung, welche über die Viermonatsfrist gehen solle, vorzulegen. Dabei hat sie darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig wäre. Es ist Aufgabe des Bundesverwaltungsgerichtes hierüber im Verfahren eine Prüfung der Verhältnismäßigkeit durchzuführen und hat sich im Rahmen dieser Überprüfung auch im Hinblick auf die vorzunehmende Zukunftsprognose für das Gericht ergeben, dass eine weitere Anhaltung über die gesetzlich vorgesehene Viermonatsfrist hinaus, weiter als verhältnismäßig angesehen werden kann.

Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse zeigt sich, dass keinerlei derartige Faktoren vorliegen. Darüber hinaus hat das Ermittlungsverfahren ergeben, dass der BF nicht selbsterhaltungsfähig ist. Im Zuge der durchzuführenden Abwägung bleibt daher festzuhalten, dass berücksichtigungswürdige soziale Bindungen in Österreich bisher gar nicht entstanden sind und Selbsterhaltungsfähigkeit nicht gegeben war.

Das Verfahren hat in keiner Weise ergeben, dass der BF aufgrund seiner gesundheitlichen Situation durch die Inhaftierung einer unzumutbaren (unverhältnismäßigen) Belastung ausgesetzt ist, zumal er auch diesbezüglich bei Bedarf einer medizinischen Kontrolle unterzogen wird.

Aufgrund der dem Gericht vorliegenden Informationen aus dem Akt des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl lässt sich aus derzeitiger Sicht erkennen, dass von deren Seiten eine zügige Außerlandesbringung als wahrscheinlich anzusehen ist. Das Gericht geht daher im Rahmen einer Gesamtbetrachtung zum Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung davon aus, dass eine Außerlandesbringung des BF nach heutigem Wissensstand durchaus möglich, und auch im Laufe der kommenden Monate trotz der coronabedingten Einschränkungen aus heutiger Sicht realistisch erscheint. Aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen ist jedenfalls gewährleistet, dass eine allfällige weitere wesentliche Verlängerung der Schubhaft, einer neuerlichen Überprüfung zu unterziehen sein wird. Dabei wird abermals eine Prognoseentscheidung hinsichtlich einer zeitnahen Effektuierung der Außerlandesbringung des BF durchzuführen sein. Das Gericht kommt daher zu dem Schluss, dass eine Fortsetzung der Schubhaft durch Überschreitung der Viermonatsfrist des § 80 FPG weiterhin verhältnismäßig und notwendig ist. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung auch die Voraussetzungen für eine nunmehr über die Viermonatsfrist hinausgehende Schubhaft weiter vorliegen.

Zu Spruchpunkt B. – Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie zu Spruchpunkt A. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Ausreisewilligkeit Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2236191.1.00

Im RIS seit

14.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten