Entscheidungsdatum
02.11.2020Norm
BFA-VG §22aSpruch
W180 2233021-3/8E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Georg PECH als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gregor KLAMMER, vom 26.10.2020 gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 22.07.2020 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.
IV. Gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 3 und 4 VwG-AufwErsV hat der Beschwerdeführer dem Bund (Bundesminister für Inneres) Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria, reiste unrechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 14.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt oder BFA) vom 21.03.2016 wurde sein Antrag abgewiesen, gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Nigeria zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt.
Mit Erkenntnis vom 20.07.2019, I417 2125652-1/17E, rechtskräftig am 24.07.2019, wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab.
Der Beschwerdeführer war während des Asylverfahrens in XXXX und nach rechtskräftigem Abschluss des Asylverfahrens ab 31.07.2019 in einer Betreuungsstelle des Bundes – zunächst in XXXX (bis 18.03.2020), anschließend in XXXX (bis 08.06.2020) – wohnhaft.
Mit Mandatsbescheid vom 25.05.2020 trug das Bundesamt dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 FPG auf, bis zur Ausreise durchgängig in der Bundesbetreuungsstelle XXXX , XXXX , Unterkunft zu nehmen. Die Überstellung in diese Bundesbetreuungsstelle erfolgte am 08.06.2020. Gegen diesen Mandatsbescheid (Wohnsitzauflage) wurde kein Rechtsmittel erhoben.
Am 09.06.2020 wurde der Beschwerdeführer in XXXX von einem Vertreter des Bundesamtes einvernommen. Dem Beschwerdeführer wurde der Stand des Ermittlungsverfahrens mitgeteilt und Gelegenheit gegeben, Stellung zu nehmen. Er gab an, in Österreich bleiben zu wollen. Die Unterschrift auf der Niederschrift wurde von ihm verweigert.
Ab 14.06.2020 war der Beschwerdeführer unbekannten Aufenthaltes. Er hat sich aus der Unterkunft entfernt und ist nicht mehr zurückgekehrt.
Am 16.06.2020 erließ das Bundesamt einen Festnahmeauftrag (§ 34 Abs. 3 Z 1 BFA-VG).
Am 29.06.2020 wurde der Beschwerdeführer in XXXX von Polizeibeamten einer Personenkontrolle unterzogen, aufgrund des vorliegenden Festnahmeauftrages festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum nach XXXX überstellt.
Am 01.07.2020 wurde der Beschwerdeführer niederschriftlich einvernommen und zu seinen Lebensverhältnissen und bisherigen Aussagen und Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich befragt. Dem Beschwerdeführer wurde mitgeteilt, dass auf Grund seines unrechtmäßigen Aufenthaltes, seines Untertauchens und seiner Mittellosigkeit eine Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot erlassen und zur Sicherung dieses Verfahrens und der Abschiebung die Schubhaft verhängt werde. Außerdem wurde ihm die Absicht der Behörde mitgeteilt, ihn der nigerianischen Botschaft (angekündigter Termin: am 13.08.2020) vorzuführen und ihn bis 31.08.2020 nach Nigeria abzuschieben. Der BF stellte über seinen Rechtsvertreter (bzw. dessen Mitarbeiter) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG.
Mit Mandatsbescheid vom 01.07.2020, zugestellt am 02.07.2020, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Mit Verfahrensanordnung vom 03.07.2020 wurde ihm ein Rechtsberater für ein allfälliges Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt.
Gegen den Bescheid vom 01.07.2020 erhob der Beschwerdeführer am 15.07.2020 eine Schubhaftbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Mit Erkenntnis vom 22.07.2020, W155 2233021-1, wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde ab und stellte gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG fest, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegend seien. Zudem verpflichtete es den Beschwerdeführer, dem Bund näher genannte Aufwendungen zu ersetzen und wies seinen Antrag auf Kostenersatz ab. Die Revision wurde vom Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig erklärt.
Gegen das genannte Erkenntnis erhob der Beschwerdeführer eine außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof und Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und verband beide Rechtsbehelfe jeweils mit Anträgen auf aufschiebende Wirkung. Mit Beschluss vom 28.08.2020, E 2779/2020, gab der Verfassungsgerichtshof dem Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, keine Folge; der Verwaltungsgerichtshof gab dem Antrag auf aufschiebende Wirkung mit Beschluss vom 24.09.2020, Ra 2020/21/0361, nicht statt.
Bereits am 16.07.2020 (und nicht wie bei der Einvernahme am 01.07.2020 angekündigt am 13.08.2020) wurde der Beschwerdeführer in Hinblick auf eine für den 01.08.2020 in Aussicht genommene (unbegleitete) Einzelabschiebung der nigerianischen Delegation vorgeführt, seine Identität festgestellt und die Ausstellung eines Heimreisezertifikats (HRZ) zugesagt. Der Konsul klärte den Beschwerdeführer über seine Situation auf und legte ihm die freiwillige Ausreise nahe.
Covid-19 bedingt kam die für den 01.08.2020 in Aussicht genommene Einzelabschiebung des Beschwerdeführers jedoch nicht zustande, ebenso wurden für August und September 2020 geplante Charterabschiebungen nach Nigeria wegen Covid-19 nicht durchgeführt.
Der Beschwerdeführer wurde in der Folge für eine Charterrückführung nach Nigeria am 22.10.2020 gebucht und seitens der nigerianischen Botschaft wurde für den Beschwerdeführer ein mit 12.10.2020 datiertes HRZ ausgestellt. Wegen der in Nigeria jüngst aufgeflammten Unruhen wurde diese Charterabschiebung jedoch aus Sicherheitsbedenken nicht durchgeführt.
Mit Schriftsatz vom 26.10.2020 brachte der Beschwerdeführer beim Bundesverwaltungsgericht die verfahrensgegenständliche (zweite) Schubhaftbeschwerde ein, in der beantragt wird, a) die laufende Schubhaft ab Zustellung des Erkenntnisses vom 22.07.2020 als rechtswidrig zu erklären, b) festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft nicht vorliegen und c) dem Beschwerdeführer den Aufwandersatz im gesetzlichen Umfang zuzusprechen.
Im Wesentlichen führt die Beschwerde begründend aus, der Beschwerdeführer sei an seinem früheren Wohnort in XXXX ausgezeichnet integriert und er habe dort viele Freunde. Trotzdem habe die Behörde im Rahmen einer Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG seine Unterkunftnahme in einer Betreuungsstelle zunächst in XXXX angeordnet, sodann sei er coronabedingt nach XXXX verlegt worden und schließlich Anfang Juni 2020 in eine Betreuungsstelle am XXXX in XXXX . In Tirol habe er die völlige Abgeschiedenheit des Heims psychisch nicht verkraftet, weshalb er am 14.06.2020 von dort weg sei, um gemeinsam mit österreichischen Freunden, die ihn besucht hätten, ein wenig wieder das Leben zu genießen und gegen eine mittlerweile einsetzende Depression anzukämpfen. Am 29.06.2020 sei er in XXXX aufgegriffen und festgenommen worden. Seine österreichischen Freunde hätten eine Spendenkampagne organisiert und einen Rechtsanwalt beauftragt. Seine Beschwerde vom 15.07.2020 gegen den Schubhaftbescheid sei unter anderem damit begründet worden, dass der Flugverkehr nach Nigeria damals vollkommen zum Erliegen gekommen und eine Wiederaufnahme nicht absehbar gewesen sei. Die Schubhaft sei daher unverhältnismäßig gewesen, da Haft nur bei einer tatsächlich möglichen Abschiebung für eine möglichst kurze Zeit zu verhängen sei.
Das BFA habe – so die weiteren Beschwerdeausführungen – sodann behauptet, der Abschiebetermin sei auf den 01.08.2020 vorverlegt worden. Es könne aber wohl davon ausgegangen werden, dass das BFA sich bewusst war, dass die Abschiebung niemals am 01.08.2020 stattfinden werde, vor allem, „da ja gar kein Heimreisezertifikat vorlag und der Termin für die Vorführung erst am 13.08.2020 geplant gewesen sei.“ Es lägen daher Indizien vor, dass das BFA dem Bundesverwaltungsgericht (Anmerkung: der 01.08.2020 wurde dem Gericht vom BFA als avisierter Abschiebetermin genannt) Unwahrheiten mitgeteilt habe, um so die offenbar unberechtigte Schubhaft stützen zu können. Der Beschwerdeführer sei am 01.08.2020 nicht abgeschoben worden. Anfang Oktober sei dem Beschwerdeführer der 22.08.2020 als Abschiebetermin mitgeteilt worden, auch hier habe sich die Information als unrichtig herausgestellt. Aufgrund der Corona-Pandemie und den aktuellen Unruhen sei dies auch schon früh absehbar gewesen. Es sei aufgrund der gesamten Lage klar, dass eine Abschiebung jedenfalls nicht zeitnah erfolgen werde.
Auch bestehe keine Fluchtgefahr, da der Beschwerdeführer mit Sicherheit den Ausgang seines Verfahrens nach § 56 AsylG abwarten werde. Könnte der Beschwerdeführer im angedachten Caritas-Heim (in XXXX ) Wohnung nehmen, wäre er in der Nähe seiner Freunde und würde sicher nicht ausreißen. Er werde ausreichend unterstützt und habe es nicht nötig, schwarz zu arbeiten, und sei hervorragend integriert. Der Beschwerdeführer beantragte im Rahmen einer Schubhaftverhandlung fünf näher genannte Personen aus XXXX und Umgebung dazu zu befragen.
Abschließend weist die Beschwerde auf die Lage in Nigeria hin und legt aktuelle Medienberichte zu den gegenwärtigen Protesten und Unruhen vor. Die Lage lasse derzeit schon aus humanitären Gründen eine Abschiebung nicht zulässig erscheinen; sie verunmögliche auch faktisch jegliche Abschiebung. Es sei lebensfremd anzunehmen, dass bei der derzeitigen Lage irgendjemand gewillt sei, einen Abschiebeflug anzunehmen, vor allem, da zurzeit wieder Corona-Höchstzahlen in Wien gemessen worden seien.
Das Bundesamt legte am 27.10.2020 den Verwaltungsakt vor, gab eine Stellungnahme ab und beantragte die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und im Sinne der Fortsetzung der Schubhaft zu entscheiden, gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung abzusehen und den Beschwerdeführer zur Begleichung näher genannter Kosten zu verpflichten. Am 29.10. und 30.10.2020 erfolgten seitens des Bundesamtes Nachreichungen, unter anderem wurde das HRZ vom 12.10.2020 übermittelt. Aus der Stellungnahme geht unter anderem hervor, dass der Beschwerdeführer bereits für den nächsten Chartertermin Nigeria am 12.11.-13.11.2020 angemeldet und die Buchung bestätigt worden sei, zudem sei er auch per Aviso für den übernächsten Chartertermin am 10.12.-11.12.2020 angemeldet.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft
1.1.1. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Nigeria und führt den im Spruch genannten Namen. Er ist nicht österreichischer Staatsbürger, sohin Fremder im Sinne des FPG.
Er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter und verfügt nicht über einen Aufenthaltstitel in Österreich.
Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.
Er wird seit 02.07.2020 in Schubhaft angehalten.
Der Beschwerdeführer ist gesund. Es gibt keine stichhaltigen Hinweise für substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur.
Der Beschwerdeführer ist haftfähig.
1.1.2. Gegen den Beschwerdeführer besteht seit 24.07.2019 (Abschluss Asylverfahren in zweiter Instanz) eine rechtskräftige und durchführbare Rückkehrentscheidung. Dem Beschwerdeführer kommt kein faktischer Abschiebeschutz zu. Ein Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot ist anhängig, weiters wurde vom Beschwerdeführer ein Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in besonders berücksichtigungswürdigen Fällen gemäß § 56 AsylG gestellt.
1.1.3. Für den Beschwerdeführer wurde am 12.10.2020 ein HRZ (Gültigkeit bis 12.11.2020) von der nigerianischen Botschaft ausgestellt.
1.1.4. Seitens des BFA ist geplant, den Beschwerdeführer mit Charterflug am 12.11.-13.11.2020 nach Nigeria abzuschieben, der Beschwerdeführer wurde für diesen Flug gebucht. Er ist zudem per Aviso auch für den übernächsten Chartertermin am 10.12.-11.12.2020 angemeldet.
1.1.5. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist eine Abschiebung des Beschwerdeführers noch in diesem Jahr und damit innerhalb der höchstzulässigen Schubhaftdauer möglich und, trotz Unsicherheiten, auch realistisch.
1.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
Der Beschwerdeführer entfernte sich am 14.06.2020 aus der ihm mit Bescheid gemäß § 57 FPG vorgeschriebenen Unterkunft und kehrte dorthin nicht mehr zurück.
Er teilte der Behörde keinen anderen Wohnsitz mit, verletzte die Verpflichtungen nach dem Meldegesetz und tauchte unter.
Der BF ist nicht vertrauenswürdig. Er ist nicht ausreisewillig und nicht kooperativ.
1.3. Familiäre und soziale Komponente
Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich. Er ist ledig und hat keine Kinder.
Er verfügt über keinen gesicherten Wohnsitz.
Der Beschwerdeführer ging in Österreich nie einer legalen Beschäftigung nach. Er verfügt über keine ausreichenden finanziellen Mittel zur Existenzsicherung. Er ist nicht selbsterhaltungsfähig.
Der Beschwerdeführer hat Freunde in Österreich, die bereit sind, ihn zu unterstützen.
2. Beweiswürdigung:
Beweis wurde erhoben durch Einsichtnahme in den vorgelegten Akt des Bundesamtes, die Akten des Bundesverwaltungsgerichts zur Schubhaftbeschwerde vom 15.07.2020, W155 2233021-1, und zu einer Maßnahmenbeschwerde des Beschwerdeführers betreffend Zimmerkontrollen und Leibesvisitationen während der gegenständlichen Schubhaft ab 16.07.2020, die mit Erkenntnis vom 01.10.2020, W137 2233021-2, teilweise als unbegründet ab und im Übrigen als unzulässig zurückgewiesen wurde, in das Strafregister, in das Zentrale Fremdenregister, in das Zentrale Melderegister sowie in die Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
2.1. Zur Person des Beschwerdeführers und den Voraussetzungen der Schubhaft
2.1.1. Die nigerianische Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers steht aufgrund der Zusicherung der Ausstellung eines HRZ durch die nigerianische Botschaft im Juli 2020 und durch die nunmehr auch erfolgte Ausstellung eines HRZ im Oktober 2020 fest.
Dass der Beschwerdeführer nicht österreichischer Staatsbürger, nicht Asylberechtigter oder subsidiär Schutzberechtigter ist und in Österreich über keinen Aufenthaltstitel verfügt, gründet sich auf die Aktenlage; Gegenteiliges wurde auch nicht behauptet.
Die strafgerichtliche Unbescholtenheit ergibt sich aus einer aktuellen Strafregisterauskunft.
Die Feststellung zur Anhaltung in Schubhaft ergibt sich aus dem Akt des Bundesamtes und aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres.
Hinweise auf substantielle gesundheitliche Probleme sind den Akten nicht zu entnehmen. Derartiges wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Auch aus der Anhaltedatei des Bundesministeriums für Inneres ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass dies nicht der Fall ist. Ebenso haben sich keine Anhaltspunkte ergeben, wonach beim Beschwerdeführer eine Haftunfähigkeit vorliegen würde.
2.1.2. Das Vorliegen einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung den Beschwerdeführer betreffend ergibt sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes und dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylverfahren des Beschwerdeführers. In der Einvernahme vor dem Bundesamt am 01.07.2020 wurde dem Beschwerdeführer gegenüber die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot angekündigt. Der Erlass einer neuen Rückkehrentscheidung ist dem vorgelegten Verwaltungsakt aber nicht zu entnehmen, weshalb festzustellen war, dass dieses Verfahren anhängig ist. Dass ein Antrag gemäß § 56 AsylG bei der Einvernahme am 01.07.2020 gestellt wurde, ergibt sich aus der entsprechenden Niederschrift im Verwaltungsakt.
2.1.3. Die Feststellung zum HRZ stützen sich auf das Zertifikat selbst, das Bundesamt hat dem Bundesverwaltungsgericht einen Ausdruck vorgelegt. Nach der glaubwürdigen Stellungnahme des Bundesamtes dazu, wurde das mit 12.10.2020 datierte Zertifikat am 15.10.2020 dem Bundesamt ausgefolgt.
2.1.4. Die Feststellungen, dass der Beschwerdeführer für den Charterflug am 12.11.-13.11.2020 gebucht und per Aviso zum übernächsten Charterflug im Dezember 2020 angemeldet wurde, trifft das Gericht aufgrund des Vorbringens des Bundesamtes in der Stellungnahme vom 28.10.2020 zur Schubhaftbeschwerde. Zur Buchung für den Charterflug im November legte das Bundesamt am 30.10.2020 noch den „Erlass“ des Bundesamtes vom 28.10.2020 betreffend „Durchführung einer Frontex-Charterrückführung von Österreich (VIE) nach Nigeria (Lagos) am 12.11.2020“ mit detaillierten und umfangreichen Anweisungen zur Vorbereitung und Durchführung der Charterrückführung im November (einschließlich Covid-19 Testungen und Covid-19 Maßnahmen) sowie eine „Charterliste“ mit den Passagieren vor, in der auch der Beschwerdeführer angeführt ist.
2.1.5. Die Feststellung, die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria in den nächsten zwei Monaten sei möglich und realistisch, trifft das Gericht aufgrund folgender Erwägungen:
Für den Beschwerdeführer liegt ein gültiges HRZ vor. Da bereits ein HRZ von der Botschaft ausgestellt wurde, ist – für den Fall, dass dies notwendig sei sollte (Charterrückführung im Dezember) – problemlos mit einer Verlängerung oder Neuausstellung des HRZ zu rechnen.
Der Beschwerdeführer war für eine Charterrückführung am 22.10.2020 gebucht, somit für die erste Charterrückführung nach Nigeria mit Beteiligung Österreichs seit Ausbruch der Covid-19 Pandemie im Frühjahr 2020. Der internationale Flugverkehr der Flughäfen Lagos und Abuja war mit Einschränkungen schon zuvor, nämlich am 05.09.2020 wieder aufgenommen worden (vgl. zur Aufnahme des Flugverkehrs BMeiA, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/nigeria/, Abfrage am 01.11.2020). Die Charterrückführung wurde jedoch – nachdem es in Zusammenhang mit Protesten gegen Polizeigewalt, insbesondere gegen die Polizeieinheit „Special Anti Robbery Squad, SARS“ zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, Blockaden von Straßenzügen sowie zu Ausgangssperren gekommen war, aus Sicherheitsgründen kurzfristig abgesagt (Absagemail des BFA vom 21.10.2020, vom BFA dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt am 30.10.2020; zur Situation in Nigeria, [deutsches] Auswärtiges Amt, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/nigeria-node/nigeriasicherheit/205788, Abfrage am 01.11.2020). Der Charter wurde seitens der teilnehmenden EU-Staaten und nicht wegen Covid-19 abgesagt.
Der Beschwerdeführer ist nunmehr für eine Charterrückführung am 12.11.-13.11.2020 gebucht. Dass die Vorbereitungen für diesen Charter aktuell laufen, ergibt sich unzweifelhaft aus den dazu vorgelegten Unterlagen des BFA (Erlass, Charterliste). Der Flughafen Lagos ist weiterhin geöffnet; einige internationale Flüge wurden jedoch gestrichen bzw. werden verzögert durchgeführt (deutsches Auswärtiges Amt, aaO, Abfrage am 01.11.2020). Weitere, auch kurzfristige Absagen von Charterrückführungen aus Sicherheitsgründen sind zwar keineswegs ausgeschlossen, eine Charterrückführung in den nächsten beiden Monaten ist bei dieser Sachlage aber dennoch möglich und auch realistisch.
In Zusammenhang mit Covid-19 und der derzeit stark ansteigenden Zahl an Covid-19 Infizierten in Europa („zweite Welle“) ist darauf hinzuweisen, dass Nigeria bereits derzeit bei der Einreise einen negativen Covid-19 Test verlangt und nach Einreise eine siebentägige Heimquarantäne vorschreibt, wobei am 7. Tag ein weiterer, bereits vor Einreise vorzufinanzierender Test zu erfolgen hat, BMeiA, aaO, Abfrage am 01.11.2020). Zwar kann nicht ausgeschlossen werden, dass Nigeria ein absolutes Einreiseverbot für Personen aus bestimmten Herkunftsländern verhängt. Hinweise darauf liegen aber aktuell nicht vor. Auch geht der Trend in der Bekämpfung der Covid-19 Pandemie weltweit nicht in Richtung erneuter Grenzschließung, sondern in Richtung differenzierter Maßnahmen, wie sie von Nigeria mit den Testungen bereits praktiziert werden. Eine Abschiebung des Beschwerdeführers ist daher aus Sicht des Gerichts auch mit Blick auf die in Österreich und Europa ansteigenden Zahlen an Covid-19 Fällen weiterhin realistisch.
2.2. Zur Fluchtgefahr und zum Sicherungsbedarf
Dass der Beschwerdeführer seine ihm mit Bescheid zugewiesene Unterkunft am 14.06.2020 verließ, ist unstrittig. Er war nicht nur für einige Tage abwesend, sondern kehrte überhaupt nicht mehr in diese Unterkunft zurück.
Dass er der Behörde keinen anderen Wohnsitz bekannt gab und sich auch nach dem Meldegesetz nicht meldete, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und dem Auszug aus dem Zentralen Melderegister. Gegenteiliges wird auch in der vorliegenden Beschwerde nicht behauptet.
Dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig ist, ergibt sich aus seinen widersprüchlichen und falschen Angaben zu seinen privaten Bindungen, insbesondere Heiratsabsichten, in seinen Einvernahmen (am 18.08.2015, 09.06.2020 und 01.07.2020) und den aktenkundigen Ermittlungen der belangten Behörde sowie im Zusammenhang mit seinem Abgang aus der zugewiesenen Unterkunft und seinem Untertauchen. Er hat damit deutlich aufgezeigt, sich nicht an die behördlichen und gesetzlichen Anordnungen halten zu wollen. Das Gericht übersieht dabei nicht, dass der Beschwerdeführer zuvor Ladungen der Behörde Folge geleistet hat, doch vermag dieses frühere Verhalten das spätere Fehlverhalten nicht entscheidend zu relativieren. Der Beschwerdeführer hat sich durch Abgang aus der Unterkunft und durch Nichtmeldung dem Zugriff der Behörde entzogen; erst durch eine Personenkontrolle, in die er geraten ist, erfuhr die Behörde wieder von seinem Aufenthalt.
Dass der Beschwerdeführer nicht vertrauenswürdig ist, zeigt auch folgender rezenter Eintrag in der Anhaltedatei: Demnach hat eine Bekannte des Beschwerdeführers für diesen einen Stoffsack mit Büchern und Grußkarte im Polizeianhaltezentrum (PAZ) abgegeben und wurde ihm dieser am 02.09.2020 von einem Beamten ausgehändigt. Später erkundigte sich die Bekannte des Beschwerdeführers telefonisch im PAZ nach dem Verbleib des Sackes, da dieser angeblich nicht dem Beschwerdeführer übergeben worden sei. Über den Verbleib des Sackes befragt, gab der Beschwerdeführer mehrfach an, diesen nicht erhalten zu haben. Nachdem bei einer in Abwesenheit des Beschwerdeführers durchgeführten Haftraumkontrolle der Sack mit Büchern gefunden worden war, blieb der Beschwerdeführer dabei, diesen nie erhalten zu haben und beschuldigte die durchsuchenden Beamten, diesen dort deponiert zu haben und zu lügen (Eintrag vom 24.09.2020). Zwei Tage später nahm der Beschwerdeführer die Anschuldigungen gegenüber den Beamten zurück (Einträge vom 26.09.2020 und 01.10.2020). Auch dieser Vorfall, mag er sich auch nur auf eine Sache geringen Wertes beziehen, zeigt, dass es der Beschwerdeführer mit der Wahrheit nicht so genau nimmt und auch nicht davor zurückschreckt, andere falsch zu beschuldigen (auch wenn dies für die Beschuldigten rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte).
Dass der Beschwerdeführer nicht ausreisewillig ist, ergibt sich aus mehreren Einvernahmen des Beschwerdeführers durch das Bundesamt und aus entsprechenden Rückmeldungen des VMÖ zu mehreren durchgeführten Rückkehrberatungsgesprächen. Dass der Beschwerdeführer nicht kooperativ ist, zeigt sich in seiner Weigerung, das Protokoll der Einvernahme am 09.06.2020 zu unterschreiben.
2.3. Familiäre und soziale Komponente
Die Feststellungen zur familiären Situation des Beschwerdeführers gründen auf seinen diesbezüglichen Aussagen in den Einvernahmen im Asylverfahren und den Einvernahmen am 09.06.2020 und 01.07.2020 und sind unstrittig.
Dass der Beschwerdeführer keinen gesicherten Wohnsitz in Österreich hat, stützt das Gericht auf die Einvernahme am 01.07.2020, in der er – befragt nach seinem Aufenthalt nach seinem Abgang aus der zugewiesenen Unterkunft am 14.06.2020 – weder Namen eines Unterkunftgebers noch eine Adresse angeben konnte. Wenn in der Beschwerde nunmehr vorgebracht wird, er könne in einem „angedachten“ Caritas-Heim in XXXX Wohnung nehmen, so ist darauf hinzuweisen, dass das mit der Beschwerde übermittelte E-Mail des angesprochenen Heims mit dem Betreff Wohnplatzanfrage nur bestätigt, dass sich der Beschwerdeführer nach einer Entlassung aus der Schubhaft an diese Einrichtung wenden kann. Die Aufnahme in das Heim setzt nach dem E-Mail ein „Clearinggespräch“ voraus. Ein solches hat unstrittig noch nicht stattgefunden. Aus der bloßen Zusage, der Beschwerdeführer könne sich an das Heim wenden, kann aber noch kein gesicherter Wohnsitz im Sinne des § 76 Abs. 3 Z 9 FPG abgeleitet werden.
Hinweise darauf, dass der Beschwerdeführer in Österreich einer legalen Beschäftigung nachgegangen wäre, sind den Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. In der Einvernahme am 27.07.2019 vor dem BFA gab der Beschwerdeführer an, in Österreich noch nie gearbeitet zu haben. Eine bisherige legale Beschäftigung wird auch in der Beschwerde nicht behauptet. Eine nachhaltige Existenzsicherung ist aufgrund der in der Anhaltedatei ausgewiesenen Geldreserven nicht zu erblicken. Einer Selbsterhaltungsfähigkeit steht entgegen, dass der Beschwerdeführer in Österreich mangels entsprechenden Aufenthaltstitels keiner legalen Erwerbstätigkeit nachgehen kann.
Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer Freunde in Österreich hat, die bereit sind, ihn zu unterstützen, trifft das Gericht aufgrund des Vorbringens in der gegenständlichen Beschwerde. Von (zumindest) vier der fünf in der Beschwerde genannten Unterstützer finden sich im Verwaltungsakt Empfehlungsschreiben und an XXXX ist die Antwort des Caritas-Heimes in XXXX zur Wohnplatzanfrage gerichtet. Dass die angeführten Personen den Beschwerdeführer kennen, ergibt sich daher schon aus den Akten. Dass sie (und andere) bereit sind, den Beschwerdeführer zu unterstützen, wird dem Sachverhalt als wahr unterstellt.
Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen: Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zu Spruchteil A
3.1.1. §§ 76 und 77 Fremdenpolizeigesetz (FPG) lauten auszugsweise:
Schubhaft (FPG)
„§ 76 (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebiets-beschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“
Gelinderes Mittel (FPG)
„§ 77 (1) Das Bundesamt hat bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1.
(2) Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel ist, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.
(3) Gelindere Mittel sind insbesondere die Anordnung,
1. in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen,
2. sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder
2. eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen;
(4) Kommt der Fremde seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird
(5) Die Anwendung eines gelinderen Mittels steht der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.
(6) Zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 hat sich der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.
(7) Die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, kann der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.
(8) Das gelindere Mittel ist mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(9) Die Landespolizeidirektionen können betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.“
3.1.2. Zur Judikatur:
Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann stets nur dann rechtens sein, wenn eine Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Die begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ist dabei ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (vgl. dazu etwa VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039). Steht hingegen von vornherein fest, dass diese Maßnahme nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden. Anderenfalls erwiese sich die Schubhaft nämlich als für die Erreichung des Haftzweckes (der Abschiebung) "nutzlos". Umgekehrt schadet es - wie sich aus den Verlängerungstatbeständen des § 80 FPG ergibt - nicht, wenn der ins Auge gefassten Abschiebung zeitlich befristete Hindernisse entgegenstehen. Den erwähnten Verlängerungstatbeständen liegt freilich zu Grunde, dass die in Frage kommenden Hindernisse längstens innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer beseitigt werden. Ist hingegen bereits bei Beginn der Schubhaft absehbar, dass das Abschiebehindernis nicht binnen dieser Frist zu beseitigen ist, so soll die Schubhaft nach den Vorstellungen des Gesetzgebers von Anfang an nicht verhängt werden. Dasselbe gilt, wenn während der Anhaltung in Schubhaft Umstände eintreten, aus denen erkennbar ist, dass die Abschiebung nicht in der restlichen noch zur Verfügung stehenden Schubhaftdauer bewerkstelligt werden kann. (vgl. VwGH 11.06.2013, Zl. 2013/21/0024).
„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).
3.1.3. Zu Spruchpunkt A) I
Der Beschwerdeführer besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder asylberechtigt noch subsidiär Schutzberechtigter, er verfügt über kein Aufenthaltsrecht in Österreich. Mit der Antragstellung gemäß § 56 AsylG ist kein Bleiberecht oder faktischer Abschiebeschutz verbunden. Gegen den Beschwerdeführer besteht eine rechtskräftige Rückkehrentscheidung.
Die Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft zur Sicherung einer Abschiebung sind – ebenso wie bei der Verhängung der Schubhaft zu diesem Zweck – das Bestehen einer Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft und das Nichtvorliegen eines gelinderen Mittels gemäß § 77 FPG. Zudem kann eine Abschiebung zur Sicherung der Abschiebung wie oben unter Pkt. 3.1.2. ausgeführt nur rechtens sein, wenn eine Abschiebung tatsächlich in Frage kommt.
Fluchtgefahr/Sicherungsbedarf
Im Schubhaftbescheid vom 01.07.2020 wurde im gegenständlichen Fall bejaht und der Bescheid wurde vom Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 22.07.2020, W155 2233021-1, betätigt, weiters traf das Gericht die Feststellung, dass die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft zulässig sei.
Mit der nun gegenständlichen Beschwerde beantragt der Beschwerdeführer, seine Anhaltung ab 22.07.2020 als rechtswidrig zu erklären.
Seit der Schubhaftverhängung durch die Behörde, der Abweisung der ersten Schubhaftbeschwerde und dem Fortsetzungsausspruch mit Erkenntnis vom 22.07.2020 sind keine die Fluchtgefahr betreffenden Änderungen des Sachverhalts eingetreten.
Auch der nunmehr erkennende Richter sieht im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt des 22.07.2020 bis zum gegenwärtigen Zeitpunkt Fluchtgefahr als gegeben an:
Der Beschwerdeführer hat sich am 14.06.2020 aus der ihm gemäß § 57 FPG vorgeschriebenen Unterkunft entfernt und ist dorthin nicht mehr zurückgekehrt. Zu diesem Zeitpunkt lag gegen ihn eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung vor. Der Beschwerdeführer erfüllt damit den Fluchtgefahrtatbestand des § 76 Abs. 3 Z 8 FPG. Der Beschwerdeführer verletzte seine Pflicht zur Unterkunftnahme nicht bloß vorübergehend oder geringfügig, sondern gravierend, indem er in die Unterkunft gar nicht mehr zurückkehrte und der Behörde zudem auch nicht seinen Aufenthaltsort bekannt gab. Am 29.06.2020 wurde er bei einer Polizeikontrolle aufgegriffen. Die Verletzung der Pflicht zur Unterkunftnahme stellt eine Tatsache dar, die im Sinne des § 76 Abs. 2 erster Satz FPG die Annahme rechtfertigt, dass der Fremde sich der Abschiebung entziehen wird oder diese wesentlich erschweren wird. Es liegt damit Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 8 FPG vor.
Indem der Beschwerdeführer nach seinem Abgang aus der ihm zugewiesenen Unterkunft sich nicht entsprechend dem Meldegesetz meldete und auch der Behörde seinen Aufenthaltsort nicht bekannt gab, tauchte er unter und war für die Behörde bis zu seinem zufälligen Aufgriff im Zuge einer Polizeikontrolle auch nicht greifbar. Er erfüllt daher den Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 1 FPG. Ihm war zu diesem Zeitpunkt aufgrund mehrerer Einvernahmen durch die Behörde bewusst, dass seine Weigerung, seiner Ausreiseverpflichtung nach zu kommen, seitens der Behörde nicht geduldet werden kann und dass diese seine Rückkehr betreibt. Es musste dem Beschwerdeführer klar sein, dass er mit seinem Untertauchen im Juni 2020 seine Rückkehr oder Abschiebung behindert.
Bei der Beurteilung, ob Fluchtgefahr vorliegt, ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 3 FPG zu berücksichtigen, ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat. Das Bestehen einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme per se vermag zwar keinen Tatbestand zu verwirklichen, der in tauglicher Weise "Fluchtgefahr" zum Ausdruck bringt. Der Existenz einer solchen Maßnahme kommt jedoch im Rahmen der gebotenen einzelfallbezogenen Bewertung der Größe der auf Grund der Verwirklichung eines anderen tauglichen Tatbestandes des § 76 Abs. 3 FPG grundsätzlich anzunehmenden Fluchtgefahr Bedeutung zu (vgl. VwGH vom 11.05.2017, Ro 2016/21/0021). Da gegen den Beschwerdeführer eine rechtskräftige, durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme vorliegt und er darüber hinaus die Tatbestände des § 76 Abs. 3 Z 1 und 8 leg.cit. erfüllt hat, ist auch der Tatbestand des § 76 Abs. 3 Z 3 FPG erfüllt.
Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist auch der Grad der sozialen Verankerung in Österreich (§ 76 Abs. 3 Z 9 FPG) zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer hat keine Familienangehörigen in Österreich, er hat keinen gesicherten Wohnsitz, ist in Österreich nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen, ist nicht selbsterhaltungsfähig und verfügt über keine Mittel, die seine Existenz sichern. Mit dem Umstand, dass der Beschwerdeführer Freunde in Österreich hat, die auch bereit sind, ihn zu unterstützen, wird zwar eine gewisse soziale Verankerung aufgezeigt, jedoch bleibt der Grad seiner sozialen Verankerung angesichts dessen, dass im Falle des Beschwerdeführers gerade die im Gesetz ausdrücklich genannten Kriterien (Bestehen familiärer Beziehungen, legale Erwerbstätigkeit bzw. ausreichende Existenzmittel, Wohnsitz) fehlen, insgesamt nur ein geringer. In einer Gesamtbetrachtung ist daher auch die Z 9 des § 76 Abs. 3 FPG erfüllt.
Es ist daher Fluchtgefahr gemäß § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 8 und 9 FPG gegeben.
Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des Beschwerdeführers vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Der Beschwerdeführer hat sich einer Verpflichtung zur Unterkunftnahme entzogen und ist im Bundesgebiet untergetaucht. Seiner Verpflichtung, aus dem Bundesgebiet auszureisen, kommt er beharrlich nicht nach. Der Beschwerdeführer ist nicht vertrauenswürdig, er hat in Einvernahmen mehrfach falsche Angaben, insbesondere zu seinen Beziehungen/Heiratsabsichten getätigt. Eine familiäre oder berufliche Verankerung des Beschwerdeführers ist überhaupt nicht gegeben, seine soziale Verankerung ist insgesamt gering. Aufgrund einer vorzunehmenden Verhaltensprognose ergibt sich ein Sicherungsbedarf, da ein beträchtliches Risiko des Untertauchens besteht.
Zur Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft:
Bei der Verhältnismäßigkeit ist das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.
Betrachtet man das Interesse des Beschwerdeführers am Recht auf persönliche Freiheit in Bezug auf seine familiären und sozialen Verhältnisse in Österreich zeigt sich, dass der Beschwerdeführer keine familiären Bindungen, keine Berufstätigkeit und keine sozialen Kontakte vorweisen konnte, die geeignet wären, die vorzunehmende Interessenabwägung zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Er hat keine Familie in Österreich, ist nicht erwerbstätig und der Grad seiner sozialen Verankerung ist gering. Der Beschwerdeführer ist gesund, Umstände, dass die Schubhaft aufgrund des Gesundheitszustandes unverhältnismäßig sein könnte, liegen daher nicht vor.
Der Beschwerdeführer kommt seiner Ausreiseverpflichtung beharrlich nicht nach, er wurde dazu verpflichtet, in einer Betreuungsstelle Unterkunft zu nehmen, hat diese Verpflichtung jedoch nicht eingehalten und ist zudem untergetaucht.
Einem geordneten Fremdenwesen kommt im Hinblick auf die öffentliche Ordnung und dem wirtschaftlichen Wohl des Staates ein hoher Stellenwert zu. Im vorliegenden Fall überwiegt das Interesse des Staates an einem geordneten Fremdenwesen und an der Durchsetzung der Aufenthaltsbeendigung des Beschwerdeführers das Interesse des Beschwerdeführers an der Schonung seiner persönlichen Freiheit. Die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft ist auch aus Sicht des nunmehr erkennenden Richters zu bejahen.
Gelinderes Mittel:
Die Anordnung gelinderer Mittel, insbesondere die Unterkunftnahme in bestimmten Räumlichkeiten oder eine periodische Meldung gemäß § 77 Abs. 3 Z 1 und 2 FPG (die Hinterlegung einer angemessenen finanziellen Sicherheit kommt aufgrund der Mittellosigkeit des Beschwerdeführers nicht in Betracht und wurde auch nicht angeboten) führen nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Abschiebung. Der Beschwerdeführer hat bereits gegen eine Wohnsitzauflage gemäß § 57 FPG verstoßen und ist zudem untergetaucht. Wie sich aus den Feststellungen und die Beweiswürdigung ergibt, ist der Beschwerdeführer auch nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ. Unter diesen Voraussetzungen ist nicht zu erwarten, dass der Beschwerdeführer angeordnete gelindere Mittel erfüllen würde, vielmehr ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer in Freiheit belassen, sich dem Zugriff der Behörde wieder entziehen würde.
Zur Frage der Effektuierung der Abschiebung:
Die Beschwerde bringt in diesem Zusammenhang zunächst vor, es seien starke Indizien gegeben, dass dem BFA bewusst gewesen sei, dass eine Abschiebung des Beschwerdeführers zu dem auch dem Bundesverwaltungsgericht bekanntengegebenen Termin am 01.08.2020 nicht hätte stattfinden können. Dazu wird in der Beschwerde begründend ausgeführt, „da ja gar kein Heimreisezertifikat vorlag und der Termin zur Vorführung erst am 13.08.2020 geplant war“. Damit verkennt die Beschwerde aber den tatsächlichen Geschehensablauf: Die Vorführung des Beschwerdeführers bei der nigerianischen Botschaft wurde auf den 16.07.2020 vorverlegt und es erfolgte bei diesem Termin eine Zusage zur Ausstellung eines HRZ. Eine nochmalige Vorführung zum ursprünglichen Termin am 13.08.2020 war daher nicht erforderlich. HRZ werden zudem oft erst kurzfristig vor dem Flugtermin ausgestellt bzw. ausgefolgt, wie gerade auch der vorliegende Fall hinsichtlich des nunmehr vorliegenden gültigen HRZ (ausgefolgt am 15.10.2020 für einen Flug am 22.10.2020) zeigt. Ein Indiz, das BFA hätte das Gericht diesbezüglich die Unwahrheit mitgeteilt, ist für den erkennenden Richter im diesem Vorbringen nicht zu erkennen. Soweit die Beschwerde in diesem Zusammenhang noch anführt, das BFA habe in einer Schubhaftverhandlung, an der der Rechtsvertreter des Beschwerdeführers teilgenommen habe, angegeben, dass Abschiebungen bis zumindest Mitte August nicht möglich seien, so wäre es am Rechtsvertreter des Beschwerdeführers gelegen, Datum und Geschäftszahl dieser Verhandlung anzugeben, damit der erkennende Richter diesem Hinweis hätte nachgehen können.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts setzt eine Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung voraus, dass die Abschiebung auch tatsächlich in Frage kommt. Dafür ist eine begründete Annahme, dass eine Aufenthaltsbeendigung erfolgen wird, ausreichend. Dass die Effektuierung mit Gewissheit erfolgt, ist nicht erforderlich (VwGH 07.02.2008, Zl. 2006/21/0389; VwGH 25.04.2006, Zl. 2006/21/0039).
Zum gegenständlich zu prüfenden Zeitpunkt am 22.07.2020 war eine Abschiebung nach Nigeria aufgrund der Reisebeschränkungen wegen der Covid-19-Pandemie noch nicht möglich, eine Lockerung der Reisebeschränkungen war aber zu erwarten. Der Verwaltungsgerichtshof teilte mit Beschluss vom 12.05.2020, Ra 2020/21/0094, in einem Verfahren zu einem Antrag auf aufschiebende Wirkung die Ansicht des Bundesamtes, dass die Gründe für die Fluchtgefahr durch die damaligen Reisebeschränkungen nicht weggefallen sind. Die Behörde versuchte in Hinblick auf eine Lockerung der Reisebeschränkungen eine Einzelabschiebung des Beschwerdeführers für den 01.08.2020 zu buchen, die Abschiebung kam dann aber wegen Covid-19 nicht zustande. Tatsächlich wurde der Internationale Flugverkehr mit Nigeria Anfang September 2020 wieder aufgenommen. Zum Zeitpunkt 22.07.2020 bestand aus Sicht des erkennenden Richters die begründete Annahme, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers innerhalb der zulässigen Schubhaftdauer erfolgen wird. Eine Gewissheit, dass eine Abschiebung erfolgen wird, ist nicht erforderlich.
Wie in den Feststellungen und der Beweiswürdigung näher ausgeführt, besteht diese Annahme auch weiterhin, die Beschwerde war daher hinsichtlich des Begehrens, die Anhaltung seit 22.07.2020 als rechtswidrig zu erklären, abzuweisen.
3.1.4. Zu Spruchpunkt A) II
Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Unter Berücksichtigung der Ausführungen unter Pkt. 3.1.3. besteht aus Sicht des erkennenden Richters kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall nach wie vor aufgrund der Kriterien des § 76 Abs. 3 Z 1, 3, 8 und 9 FPG eine Fluchtgefahr des Beschwerdeführers sowie ein hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung seiner Abschiebung zu bejahen ist. Änderungen sind diesbezüglich nicht eingetreten. Sein Verhalten in Schubhaft zeigt vielmehr, dass er nicht vertrauenswürdig ist.
Aus den oben dargelegten Erwägungen ergibt sich auch, dass im gegenständlichen Fall die Anwendung eines gelinderen Mittels weiterhin nicht ausreichend ist, um die Abschiebung des Beschwerdeführers zu sichern. Damit liegt die geforderte „Ultima-ratio-Situation“ für die Aufrechterhaltung der Schubhaft auch weiterhin vor und erweist sich diese auch als verhältnismäßig.
Wie festgestellt, ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Abschiebung des Beschwerdeführers nach Nigeria in diesem Jahr trotz der aus Sicherheitsgründen erfolgten Absage der Oktober-Charterrückführung möglich und realistisch. Die weitere Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft ist auch unter diesem Aspekt noch verhältnismäßig. Sollte sich aber ergeben, dass eine Charterrückführung spätestens im Dezember – sei es etwa aus Sicherheitsgründen oder wegen Einführung neuer Reisebeschränkungen – nicht möglich sein sollte, so wäre der Beschwerdeführer, wenn nicht die Erfüllung eines Tatbestandes des § 80 Abs. 4 FPG noch hervorkommt oder erfüllt wird, zu enthaften.
Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
3.1.5. Zu Spruchpunkten A) III. und IV.
Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG siehe VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.
Im gegenständlichen Verfahren wurde eine Beschwerde gegen die Anhaltung in Schubhaft seit 22.07.2020 erhoben. Sowohl der BF als auch die belangte Behörde haben einen Antrag auf Kostenersatz entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen gestellt. Die belangte Behörde ist aufgrund der Abweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.
Der belangten Behörde gebührt daher gemäß § 35 Abs. 1 und 3 VwGVG iVm § 1 Z 4 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 368,80 für den Schriftsatzaufwand und gemäß § 1 Z 3 VwG-AufwErsV Kostenersatz in der Höhe von EUR 57,40 für den Vorlageaufwand, sohin insgesamt EUR 426,20.
3.1.6. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der A