TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/2 W137 2216214-1

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Veröffentlicht am 02.11.2020
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Entscheidungsdatum

02.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W137 2216214-1/26E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter HAMMER als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Russische Föderation, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2020, Zl. 830184009-190236049 und die Anhaltung in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 08.03.2019 bis 22.03.2019 für rechtmäßig erklärt.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufwandsersatz wird gemäß § 35 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gem. Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt

1.       Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Russland. Er kam im Alter von 23 Jahren nach Österreich und stellte am 11.02.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, welcher mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 01.07.2013 abgewiesen wurde. Unter einem wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 06.11.2014 betreffend die Spruchpunkte I. und II. abgewiesen und hinsichtlich der Prüfung der Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung (aus formalrechtlichen Gründen) an das BFA zurückverwiesen. Die dagegen erhobene Revision wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofs vom 15.02.2016 zurückgewiesen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.10.2016 wurde dem Beschwerdeführer seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt/BFA) ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gegen ihn eine Rückkehrentscheidung erlassen. Es wurde eine Frist von 14 Tagen zur freiwilligen Ausreise gewährt. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 12.06.2017 als unbegründet ab. Am 18.12.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus humanitären Gründen gem § 55 Abs 1 AsylG.

2.        Am 11.02.2019 wurde aufgrund eines Festnahmeauftrags gemäß § 34 Abs 3 Z 3 BFA-VG vom 08.02.2019 versucht, den Beschwerdeführer zum Zwecke der Abschiebung festzunehmen. Dabei konnte der Beschwerdeführer nicht an der gemeldeten Adresse angetroffen werden und wurde den handelnden Beamten von der die Wohnung öffnenden Person mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer nicht mehr an der gemeldeten Adresse, sondern an einer anderen, näher genannten, Adresse wohne. Auch an der angegebenen Adresse wurde der Beschwerdeführer nicht angetroffen und konnte aufgrund von Angaben eines Betreuers der Einrichtung festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer auch an dieser Adresse nicht wohnhaft ist.

3.       Am 12.02.2019 erging gemäß § 34 Abs 3 Z 2 BFA-VG ein Festnahmeauftrag, da der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist.

4.       Am 07.03.2019 erschien der Beschwerdeführer beim Bundesamt, wo er aufgrund des bestehenden Festnahmeauftrages festgenommen und in ein näher bezeichnetes Polizeianhaltezentrum überstellt wurde.

5.       Ebenfalls am 07.03.2019 wurde der Beschwerdeführer zur Schubhaft einvernommen. Dabei führte er zusammengefasst aus, dass er auf Anraten seines Rechtsanwaltes vor der Behörde erschienen sei. Er wohne nach wie vor an der Adresse, an welcher versucht worden sei, ihn zum Zwecke der Abschiebung festzunehmen. Er könne sich nicht erinnern, wo er sich im Zeitpunkt des Festnahmeversuchs aufgehalten habe. Am Tag der niederschriftlichen Einvernahme wurde eine Wohnungserhebung betreffend den Beschwerdeführer durchgeführt, welche in Zusammenschau mit den Angaben in der fortgesetzten Befragung am 08.03.2019, wonach er unter anderem deswegen keine Zahnbürste an der Adresse habe, da er eine solche selten benutze und stattdessen ein „Siwak“ verwende, welches er aber ebenso nicht dort habe, ergeben hat, dass der Beschwerdeführer nach Ansicht des Bundesamtes an der genannten Adresse nicht wohnhaft ist.

6.       Mit Mandatsbescheid vom 08.03.2019 wurde im unmittelbaren Anschluss an dies (fortgesetzte) Einvernahme gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs 1 AVG über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Abschiebung angeordnet. Begründet wurde dies im Wesentlichen mit einer durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der fehlenden sozialen Verankerung in Österreich, vor allem mit der fehlenden Existenz eines gesicherten Wohnsitzes. Auch wurde die versuchte Vollziehung eines Festnahmeauftrages, welcher aufgrund einer augenscheinlichen Scheinmeldung erfolglos blieb, berücksichtigt. Mit der Anordnung des gelinderen Mittels könne aufgrund der Wohnsituation des Beschwerdeführers und der festgestellten Fluchtgefahr aufgrund des bisherigen Verhaltens nicht das Auslangen gefunden werden. Insgesamt erweise sich die Schubhaft angesichts der vorliegenden „ultima-ratio-Situation“ auch als verhältnismäßig.

7.       Am 20.03.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Beschwerde gemäß § 22a BFA-VG (samt Vollmachtsbekanntgabe) ein. Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass keine Fluchtgefahr vorgelegen sei, da der Beschwerdeführer aufrecht gemeldet gewesen sei und sich an dieser Adresse auch regelmäßig aufgehalten habe. Auch sei der Beschwerdeführer freiwillig bei der Behörde vorstellig geworden, was ebenso gegen eine Fluchtgefahr des Beschwerdeführers spreche, wie das offene Verfahren zur Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels. Der Beschwerdeführer sei kooperationsbereit gewesen, weshalb selbst unter der Annahme einer Fluchtgefahr anstatt der Schubhaft ein gelinderes Mittel zu verhängen gewesen wäre, da der Beschwerdeführer nach wie vor über eine Wohnmöglichkeit an seiner Meldeadresse verfüge. Beantragt werde daher, dass a) eine mündliche Verhandlung unter Einvernahme des Beschwerdeführers und weiterer Zeugen durchgeführt werde; b) der angefochtene Bescheid behoben und die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig erklärt werde; c) ausgesprochen werde, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung nicht vorlägen; d) der belangten Behörde die Kosten aufzuerlegen seien.

8.       Am 20.03.2019 langte der Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht ein. Mit der am 21.03.2019 eingelangten Stellungnahme verwies das Bundesamt auf das Vorverhalten des Beschwerdeführers und darauf, dass der Beschwerdeführer über einen gültigen Reisepass verfüge und eine Nachnominierung zur einer Charterabschiebung aufgrund der kurzen Vorlaufzeit nicht möglich gewesen sei. Aufgrund der längeren Dauer bis zur nächsten Charterabschiebung sei nunmehr eine Einzelflugabschiebung organisiert worden und stehe lediglich nur noch eine Terminbestätigung für die bereits am 22.03.2019 geplante Abschiebung aus. Beantragt wurde die Abweisung der Beschwerde; sowie den Beschwerdeführer zum Ersatz der angeführten Kosten zu verpflichten.

9.       Am 21.03.2019 wurde der Beschwerdeführer vom Ergebnis der Beweisaufnahme (Erhebungen im Zentralen Melderegister) verständigt und ihm eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

10.      Mit einem am 21.03.2019 ausgestellten Abschiebeauftrag – Luftweg wurde eine unbegleitete Abschiebung des Beschwerdeführers nach Moskau organisiert.

11.      Am 22.03.2019 wurde der Beschwerdeführer unbegleitet in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.

12.      Am 25.03.2019 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme der rechtsfreundlichen Vertretung des Beschwerdeführers zur Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme ein. Darin wird ausgeführt, dass der Beschwerdeführer nach wie vor an derselben Adresse wohne und sich dort hinreichend Schlafgelegenheiten fänden. Der Hautmieter der Wohnung sei der „Schwager“, welcher diese Angaben auch bestätigen könne. Vorgelegt wurde dabei der Mietvertrag aus welchem sich ergibt, dass der vermietete Gegenstand ein Gesamtausmaß von rund 46 m² hat und eine Untervermietung ohne schriftliche Zustimmung des Vermieters nicht erlaubt sei.

Aufgrund der Aktenlage wird folgender Sachverhalt der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der russischen Föderation. Er verfügt über einen gültigen russischen Inlandspass.

Mit Bescheid vom 24.10.2016 wurde gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG gegen den Beschwerdeführer erlassen, die Abschiebung nach Russland gemäß § 46 FPG für zulässig erklärt und eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen am Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Beschwerde, welche mit Erkenntnis vom 12.06.2017 als unbegründet abgewiesen wurde. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft, weshalb zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand.

Der Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Schubhaftanordnung strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer war zwischenzeitlich bei einem Transportunternehmen beschäftigt und verfügte über eine Gewerbeberechtigung. Zum Zeitpunkt der Inschubhaftnahme ging der Beschwerdeführer keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und erhielt von der Caritas eine monatliche finanzielle Unterstützung. Der Beschwerdeführer absolvierte Deutschkurse, spricht Deutsch und war an einer österreichischen Universität inskribiert. Er war Mitglied in einem Judoverein, in welchem er regelmäßig trainierte und auch bei Wettkämpfen teilnahm. Dabei knüpfte der Beschwerdeführer soziale Kontakte. Ein persönliches oder finanzielles Abhängigkeitsverhältnis zu der in Österreich lebenden Schwerster oder derer Familie ist nicht hervorgekommen. Der Beschwerdeführer hat eine Freundin, welche in Österreich lebt. Abgesehen von den Kontakten zu Mitgliedern des Judovereins, seiner Schwester und deren Familie sowie zu seiner Freundin sind keine substanziellen Beziehungen im Bundesgebiet hervorgekommen. Der Beschwerdeführer verfügte zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung über geringe Barmittel und war zu diesem Zeitpunkt sowie während der Schubhaft grundsätzlich gesund und haftfähig.

Der Beschwerdeführer war an einer näher genannten Adresse gemeldet, in welcher neben ihm fünf weitere Erwachsene gemeldet waren. Dabei handelt es sich um eine zwei Zimmer Wohnung mit einer Größe von 46m² im Gesamtausmaß in der sich zum Zeitpunkt der polizeilichen Nachschau lediglich zwei Betten befanden. Der Hauptmieter der Wohnung ist der (Ex-)Schwager des Beschwerdeführers. Eine Untervermietung dieser Wohnung wäre nur durch schriftliche Zustimmung des Vermieters möglich – eine solche ist allerdings nicht gegeben. Der Beschwerdeführer konnte eine Nutzungsvereinbarung zwischen ihm und seinem (Ex-)Schwager betreffend diese Wohnung vorlegen, doch konnte er nicht glaubhaft machen, dass er dort dauerhaft Unterkunft genommen hat. Der gegenständlichen Entscheidung wird eine kostenpflichtige – nur sporadisch genutzte – Nächtigungs-/Nutzungsmöglichkeit hinsichtlich der angeführten Wohnung zu Grunde gelegt. Den weitaus größeren Teil des Jahres hat der Beschwerdeführer an anderen – den Behörden unbekannten – Plätzen genächtigt. Der Hauptmieter betreibt eine gewerbsmäßige Unterbringung russischer Staatsangehöriger unter Verletzung des Mietvertrags.

Der Beschwerdeführer hat sich insgesamt als nicht vertrauenswürdig und nicht kooperativ erwiesen. Er ignorierte seine Verpflichtung zur Rückkehr in den Herkunftsstaat und hielt sich effektiv im Verborgenen auf.

Aufgrund der Kurzfristigkeit war eine Nachnominierung zur Charterabschiebung erfolglos, weshalb eine Einzelflugabschiebung am 22.03.2019 organisiert wurde. Der Beschwerdeführer wurde am 22.03.2019 nach Russland abgeschoben. Das Bundesamt hat sich intensiv um eine rasche Abschiebung des Beschwerdeführers bemüht, die Anhaltedauer in Schubhaft betrug letztlich 15 Tage.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Beweiswürdigung:

1.1. Der Verfahrensgang und der Sachverhalt ergeben sich aus dem Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des Bundesamtes zur Zl. 830184009-10236049. Unstrittig sind die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers sowie zu seinem Asylverfahren. Im Akt liegt ein Schreiben auf, mit welchem der russische Reisepass an die LPD übermittelt wurde, ebenso befindet sich der Bescheid hinsichtlich der ergangenen Rückkehrentscheidung und der zulässigen Abschiebung sowie das die Beschwerde gegen diesen Bescheid abweisende Erkenntnis im Verwaltungsakt.

Er ist seiner Verpflichtung zur Ausreise nachweislich nicht nachgekommen. Dem wird weder in der Beschwerde noch in der Stellungnahme des Beschwerdeführers entgegengetreten und ist überdies unstrittig.

1.2. Die strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ist aus einem rezenten Auszug aus dem Strafregister ersichtlich und im Übrigen auch unstrittig.

1.3. In der Einvernahme erstattete der Beschwerdeführer glaubhafte Angaben zu seiner wirtschaftlichen Situation. Gesundheitliche Probleme sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen. Dass der Beschwerdeführer der deutschen Sprache mächtig ist, ergibt sich aus der Aktenlage. Im Verfahren sind keine legalen Beschäftigungsverhältnisse (in jüngerer Zeit) oder Fähigkeiten hervorgekommen, die zu einer mittelfristigen Sicherung der eigenen Existenz in Österreich beitragen würden.

1.4. Dass der Beschwerdeführer zwar über familiären und sozialen Kontakte verfügt, aus welchen jedoch eine persönliche oder finanzielle Abhängigkeit nicht entstanden ist, ergibt sich aus den Lebensumständen des Beschwerdeführers sowie vorgelegten Beweismittel, wie Unterstützungsschreiben seiner Familie, Mitgliedern aus einem Judoverein und eines Kultur- und Integrationsvereines. Der Beschwerdeführer brachte zwar weiters vor, dass er eine Freundin hat und diese heiraten wolle, doch ist festzuhalten, dass der Beschwerdeführer die Schreibweise des Namens seiner Freundin nicht angeben konnte. Für die Abhängigkeit in Österreich aufenthaltsberechtigter Personen vom Beschwerdeführer gibt es keinen Hinweis. Auch kam hinsichtlich seiner Freunde kein über ein durchschnittliches Maß hinausgehendes Kontakt- und Abhängigkeitsverhältnis heraus.

1.5. Die Feststellungen bezüglich der Unterkunft des Beschwerdeführers ergeben sich aus der Wohnungserhebung und den von ihm selbst vorgelegten Dokumenten (Mietvertrag, Nutzungsvereinbarung). Das faktische Ergebnis der Wohnungserhebung blieb seitens des Beschwerdeführers unbestritten. In Zusammenschau mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt und der Stellungnahme nach Einräumung eines schriftlichen Parteiengehörs konnte ein gesicherter Wohnsitz nicht glaubhaft gemacht werden. So handelt es sich bei der angegebenen Adresse um eine Zwei-Zimmer-Wohnung in der Größe von 46m² in der zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung (bereits seit Längerem) neben dem Beschwerdeführer fünf weitere Erwachsene – darunter der Hauptmieter gemeldet waren. Die Polizei fand dort auch (unbestritten) lediglich zwei Betten und keine Zahnpflegeutensilien des Beschwerdeführers vor. Laut Stellungnahme der bevollmächtigten Vertreterin (vom 22.03.2019) würden diese durch eine als „Bett“ genutzte Couch sowie eine Faltmatratze ergänzt, um sämtlichen gemeldeten Personen Schlafmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Dass in einer solchen Konstellation sechs Erwachsene (die im Übrigen auch kein durchgängiges Verwandtschaftsverhältnis aufweisen) darin dauerhaft eine fixe Unterkunft genommen haben, ist – im Übrigen ohne Berücksichtigung der offenkundigen Verstöße gegen den Mietvertrag - nicht glaubhaft.

Der Beschwerdeführer konnte auch individuell nicht glaubhaft darlegen, dass er selbst tatsächlich in dieser Wohnung einen vollwertigen Wohnsitz bezogen hat. Dies insbesondere, weil der Beschwerdeführer (unbestritten) keine Schlüssel zur Wohnung hat. Auch die Aussage der die Wohnung öffnenden Personen stützen diese Beurteilung. Diese Aussage wurde vom Beschwerdeführer nur insoweit bestritten, als er und die betroffenen Mitbewohner sich nur mit Vornamen kennen würden – er sei diesen nur mit seinem zweiten Vornamen bekannt. Eine solche völlig oberflächliche Bekanntschaft ist aber auszuschließen, wenn Personen tatsächlich bereits einen Monat lang gemeinsam wohnen würden. Die vom Hauptmieter eingeräumte Nutzungsmöglichkeit – offenkundig unter Bruch des Mietvertrags – ist hingegen glaubhaft; insofern ist auch eine gelegentliche Nutzung der Wohnung zur Nächtigung hinreichend nachvollziehbar.

Hinsichtlich des Unterkunftgebers/Hauptmieters ist festzuhalten, dass dieser dem Beschwerdeführer eine „Nutzung“ der Wohnung vertraglich gegen Zahlung von 190 € monatlich eingeräumt hat (wobei es sich nach dem exakten Wortlaut der „Nutzungsvereinbarung“ – „Hiermit wird bestätigt, dass (…) an der Adresse (…) wohnt. Der Bewohner bezahlt Nutzungsentgelt in Höhe von 190 € monatlich.“ – eigentlich um eine kostenpflichtige Wohnsitzbestätigung ohne definierte Nutzungsrechte handelt). Nach dieser Nutzungsvereinbarung hat der Beschwerdeführer insbesondere keinen Anspruch auf einen eigenen Schlüssel zur Wohnung. Eine für derartige Überlassungen im Mietvertrag (§ 6) zwingend vorgesehene schriftliche Zustimmung des Vermieters wurde dem Bundesverwaltungsgericht nicht vorgelegt. Die Feststellung der Gewerbsmäßigkeit bezüglich des Hauptmieters ergibt sich aus der vorgelegten Nutzungsvereinbarung.

1.6. Für substanzielle gesundheitliche Probleme des Beschwerdeführers gab es keinen Hinweis und sind solche auch im Verfahren nie behauptet worden.

Aus dem oben Dargestellten ergibt sich die Haftfähigkeit des Beschwerdeführers während des relevanten Zeitraums. Eine grundsätzliche Haftunfähigkeit wurde in der Beschwerde auch nicht behauptet.

1.7. Unbestritten ist der beharrliche Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung. In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen ergibt sich daraus die fehlende Kooperationsbereitschaft und Vertrauenswürdigkeit. Die vorgebrachte Kooperationsbereitschaft im Zusammenhang mit einem Antrag auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels – ein Verfahren, dass der Effektuierung einer Abschiebung rechtlich nicht entgegensteht – ist für die diesbezügliche Beurteilung ohne sachliche Relevanz.

1.8. Die tatsächliche Abschiebung des Beschwerdeführers nach Russland am 22.03.2019 ergibt sich aus dem im Akt einliegenden Abschiebebericht. Gleiches gilt für Anhaltedauer in Schubhaft. Das intensive Bemühen des Bundesamtes um eine Abschiebung ergibt sich aus der raschen Bewerkstelligung derselben.

2. Rechtliche Beurteilung

2.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

2.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu Spruchteil A)

2.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

2.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3. Zur Frage der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und der Anhaltung in Schubhaft

3.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit dem der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Der Beschwerdeführer wurde unmittelbar nachdem er sich in den Räumlichkeiten des Bundesamtes eingefunden hat festgenommen und am nächsten Tag – 08.03.2019 – wurde nach der erfolgten Einvernahme und Wohnungserhebung über ihn die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

3.2. Die belangte Behörde stützte die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit der Missachtung der bestehenden Ausreiseverpflichtung, dem Aufenthalt im Verborgenen und dem fehlenden gesicherten Wohnsitz sowie die darüber hinaus ebenfalls nicht besonders ausgeprägten persönlichen Bindungen zum Bundesgebiet. Das Bundesamt stützte sich damit erkennbar auf die Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 3 FPG.

Das Vorliegen einer rechtskräftigen und durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme blieb faktisch unbestritten, womit das Kriterium der Ziffer 3 jedenfalls erfüllt ist. Hinsichtlich der Ziffer 1 konnte das Bundesamt den faktischen Aufenthalt im Verborgenen – trotz formellen Bestehens einer Meldeadresse - nachvollziehbar darlegen.

3.3. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid zudem auf § 76 Abs. 3 Z 9 FPG, wonach der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen sind und kommt zutreffend zum Ergebnis, dass der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Schubhaftanordnung weder eine legale Erwerbstätigkeit ausübt, noch über ausreichende Barmittel verfügt. Zwar wurden Unterstützungserklärungen von Mitgliedern des Judovereins und eine Unterstützungserklärung eines Kultur- und Integrationsvereins vorgelegt, doch haben sich insgesamt keine besonderen sozialen Anknüpfungspunkte ergeben.

Hinsichtlich zum in der Beschwerde vorgebrachten gesicherten Wohnsitz ist auszuführen, dass, wie beweiswürdigend dargelegt, aufgrund der Größe der Wohnung, der Anzahl der darin gemeldeten Personen sowie der persönlichen Umstände des Beschwerdeführers die Wohnung betreffend (keine Zahnbürste, kein Schlüssel) nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Beschwerdeführer tatsächlich in dieser Wohnung Unterkunft genommen hat. Eine bloß zur gelegentlichen Nächtigung genutzte Wohnung, zu der man keinen Schlüssel besitzt, ist jedenfalls keine gesicherte Unterkunft.

Den Feststellungen hinsichtlich seiner wirtschaftlichen Lage wird in der Beschwerde nicht entgegengetreten. Den Feststellungen hinsichtlich seiner familiären Anknüpfungspunkten wird in der Beschwerde hingegen entgegengetreten. Festzuhalten ist, dass die Unterstützungserklärungen seiner Familie darauf schließen lassen, dass der Beschwerdeführer Kontakt zu seiner in Österreich lebenden Schwester sowie derer Familie hat. Über eine bloße familiäre, geringe soziale Anknüpfung, einen Aufenthalt seit 2013 und des Erlernens der deutschen Sprache hinaus konnte der Beschwerdeführer jedoch keine substantiellen sozialen Integrationsmaßnahmen setzen.

Im Beschwerdeverfahren konnte der Beschwerdeführer aber insbesondere – wie oben dargelegt - den Ausführungen des Bundesamtes im Zusammenhang mit dem Fehlen eines gesicherten Wohnsitzes nicht entgegentreten.

3.4. Den Ausführungen in der Beschwerde, wonach das Aufsuchen des Bundesamtes durch den Beschwerdeführer gegen eine Fluchtgefahr spreche, ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer lediglich aufgrund des Anratens seines rechtsfreundlichen Vertreters diesen Schritt setzte. Der Beschwerdeführer suchte das Bundesamt auf, um den Stand seines Antrages auf Erteilung eines humanitären Aufenthaltstitels zu erfahren – also nicht, um hinsichtlich seiner Ausreiseverpflichtung zu kooperieren.

Auf Grund dieser Erwägungen ging das Bundesamt im Ergebnis zutreffend davon aus, dass im Falle des Beschwerdeführers insgesamt Fluchtgefahr in einem die Anhaltung in Schubhaft rechtfertigenden Ausmaß besteht.

3.5. Auf Grund der festgestellten Fluchtgefahr konnte auch nicht mit der Anwendung gelinderer Mittel das Auslangen gefunden werden: Dem Bundesamt ist darin beizupflichten, dass sich im Falle des Beschwerdeführers weniger einschneidende Maßnahmen nicht wirksam anwenden lassen, da der Beschwerdeführer insbesondre über keinen gesicherten Wohnsitz verfügt und trotz der Kenntnis einer rechtskräftigen Rückkehrentscheidung nicht ausgereist ist, wodurch er sich als nicht vertrauenswürdig erwiesen hat – was aber Voraussetzung für die Anordnung des gelinderen Mittels ist. Betreffend die Sicherheitsleistung, welche die nähere genannte Freundin laut Beschwerde geleistet hätte ist darauf hinzuweisen, dass der Beschwerdeführer eine solche Möglichkeit gegenüber dem Bundesamt nicht erwähnt hat. Dass das Bundesamt von sich aus davon ausgehen müsste, dass eine Freundin, deren Namen der Beschwerdeführer nicht korrekt schreiben kann, eine Sicherheitsleistung in einer Höhe von 1.700 Euro leistet, ist zu verneinen.

Auf Grund dieser Umstände und der (wenn auch vergleichsweise eher gering ausgeprägten) Fluchtgefahr, überwogen daher – wie im angefochtenen Bescheid richtig dargelegt - die öffentlichen Interessen an der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und eines geordneten Fremdenwesens die Interessen des Beschwerdeführers an der Abstandnahme von der Verhängung der Schubhaft und ist diese als ultima-ratio-Maßnahme notwendig.

3.6. Das Bundesamt konnte aus den oben dargelegten Gründen zudem davon ausgehen, dass die Überstellung des Beschwerdeführers nach Russland nicht nur in zumutbarer, sondern sogar binnen relativ kurzer Frist möglich ist. Auch die absehbare Dauer der Schubhaft war nicht unverhältnismäßig: Mit der Durchführung der Überstellung war tatsächlich und innerhalb der gesetzlichen Fristen zu rechnen. Abschiebungen nach Russland fanden im relevanten Zeitraum statt; der Beschwerdeführer verfügte auch über einen russischen Pass. Vielmehr war für das Bundesamt absehbar, dass die Abschiebung binnen weniger Wochen erfolgen kann. Tatsächlich konnte die Abschiebung nur zwei Tage nach der Beschwerdeeinbringung bereits terminisiert werden. Die Anhaltedauer betrug letztlich nur 15 Tage – konkret wurde der Beschwerdeführer bereits am 22.03.2019 in seinen Herkunftsstaat abgeschoben. Überdies gab es bei Anordnung der Schubhaft keine erkennbaren Hinweise auf eine Haftunfähigkeit des Beschwerdeführers und wurde sie auch im Beschwerdeverfahren nicht behauptet.

Damit erweist sich die Anhaltung in schubhaft auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit als gerechtfertigt.

3.7. Aus diesen Gründen ist die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid und die Anhaltung in Schubhaft abzuweisen.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen. Durch Einträge in öffentlichen Registern (ZMR, Strafregister, etc.) belegte oder widerlegte Tatsachen beziehungsweise Sachverhaltselemente bedürfen ebenfalls keiner mündlichen Erörterung.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Die in der Beschwerde behauptete Kooperationswilligkeit (samt die damit verbundene gewünschte Befragung von Zeugen) bezieht sich auf ein hier inhaltlich nicht relevantes Verfahren; zudem hat der Beschwerdeführer durch sein im Vorfeld gezeigtes Verhalten, seine Vertrauenswürdigkeit selbst beschädigt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind.

5. Kostenersatz

5.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

5.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang. Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei hingegen kein Kostenersatz.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Dies liegt im gegenständlichen Fall nicht vor. Die Berücksichtigung eines unstrittigen oder zweifelsfrei belegten Vorverhaltens entspricht der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Fluchtgefahr Kooperation Kostenersatz Mandatsbescheid öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2216214.1.00

Im RIS seit

14.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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