TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/3 W279 2236385-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.11.2020
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Entscheidungsdatum

03.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
BFA-VG §22a Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W279 2236385-1/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX geb. XXXX .1990, StA. NIGERIA, vertreten durch RA Dr. KLAMMER, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA), Regionaldirektion XXXX vom XXXX 10.2020, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft seit XXXX .10.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 2 FPG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

III. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

IV. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Ersatz des Verfahrensaufwands wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am XXXX .2007 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz, den er im Wesentlichen damit begründete, dass er seinem verstorbenen Vater als Häuptling im Ogboni-Kult nachfolgen hätte sollen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX .2007, Zl. XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und wurde der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .2007, rechtskräftig seit XXXX .12.2007, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 erster Fall SMG und § 15 StGB als Jugendlicher zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom XXXX 2008, Zl. XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf Dauer von 10 Jahren befristetes Rückkehrverbot erlassen.

Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom XXXX .2008, Zl. XXXX abgewiesen. Dieser Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom XXXX .10.2010, Zl. 2008/20/0409-11 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, aufgehoben.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX 2008, rechtskräftig seit XXXX .2008, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 3 SMG und § 15 StGB als Jugendlicher zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom XXXX .02.2011, Zl. XXXX wurde die Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom XXXX .12.2007 als unbegründet abgewiesen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .05.2011, rechtskräftig seit XXXX .05.2011, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 5. Fall SMG als junger Erwachsener zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Mit Bescheid der Landespolizeidirektion Wien vom XXXX .05.2013, Zl. XXXX , XXXX wurde gegen den Beschwerdeführer die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Dagegen erhob der Beschwerdeführer Schubhaftbeschwerde. Mit Bescheid des unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom XXXX .06.2013, Zl. XXXX wurde die Beschwerde abgewiesen und festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die Voraussetzungen für die Fortsetzung der Anhaltung in Schubhaft vorliegen.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .10.2013, rechtskräftig seit XXXX .10.2013, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 223 Abs. 2, 224 und 224a StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .10.2014, rechtskräftig seit XXXX .10.2014, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 83 Abs. 1, 224a, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4, 223 Abs. 2, 224 StGB sowie § 15 StGB, § 269 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

Am XXXX .07.2015 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung der „Karte für Geduldete“. Den Antrag begründete er damit, dass sein Asylverfahren rechtskräftig negativ abgeschlossen sei. Damit er sich bei Kontrollen ausweisen könne, benötige er eine Karte für Geduldete.

Am XXXX .10.2015 wurde für den Beschwerdeführer seitens der nigerianischen Botschaft in Wien ein Heimreisezertifikat gültig bis XXXX .12.2015 ausgestellt.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl erließ am XXXX .11.2015, Zl. XXXX einen Festnahmeauftrag.

Mit Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .06.2016, Zl. XXXX wurde über den Beschwerdeführer die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom XXXX .08.2016, rechtskräftig seit XXXX .10.2016, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 231 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

Am XXXX .10.2017 stellte der Beschwerdeführer einen Folgeantrag. Diesen begründete er im Wesentlichen mit der weiterhin bestehenden gefährlichen Lage in Nigeria und der Extremisten und militanten Gruppierungen. Außerdem habe er hier 2 Kinder und eine Ehefrau.

Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde am XXXX .05.2018 gab der Beschwerdeführer an, dass er verheiratet sei und legte er eine Heiratsurkunde vor. Außerdem legte er die Arbeitspapiere, den Meldezettel und den Reisepass seiner Frau vor. 2006 habe er das letzte Mal Kontakt zu seinen Verwandten in Nigeria gehabt. Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass sein Vater Häuptling und Ritualist gewesen sei. Nach dem Tod seines Vaters habe er die Position seines Vaters einnehmen sollen und auch die Frau seines Vaters heiraten sollen. Im Falle einer Weigerung habe ihm die Dorfgemeinschaft gedroht ihn umzubringen. Auf die Frage, ob das seine neuen Fluchtgründe seien, gab der Beschwerdeführer an, dass er jemanden getroffen habe, der aus der Nähe seines Heimatdorfes komme. Dieser habe im erzählt, dass es dort eine Gruppe namens XXXX gebe. Es handle sich um Militanten, die aus dem Norden kommen und das Farmland übernehmen wollen. Seit 2006 würde man nach ihm suchen. Von den XXXX habe er bereits 2012 oder 2013 erfahren.

Am XXXX .09.2018 fand abermals eine niederschriftliche Einvernahme vor der belangten Behörde statt. Abermals zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, dass sein Vater Priester in der Gemeinde gewesen sei. Als sein Vater gestorben sei, habe ein Orakel gesagt, dass er die Nachfolge antreten solle. Er hätte die Frau seines Vaters heiraten müssen. Als er sich geweigert habe, hätten sich die Ältesten getroffen und gesagt, dass sie ihn töten würden, würde er die Nachfolge nicht antreten. Die örtliche Gemeinde habe ihn bei der Polizei angezeigt und würde jetzt ein Haftbefehl gegen ihn vorliegen. Bei einer Rückkehr nach Nigeria wäre sein Leben in Gefahr. Sie würden ihn töten. Am XXXX .09.2015 habe er seine Frau in Italien geheiratet. Seine zwei Kinder leben in Ungarn bei ihrer Großmutter.

Mit Bescheid vom XXXX .10.2018, Zl. XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erließ sie gegen den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren (Spruchpunkt III.) und erteilte keinen Durchsetzungsaufschub (Spruchpunkt IV.). Zugleich erkannte die belangte Behörde einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung ab (Spruchpunkt V.).

Die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am XXXX .07.2019 mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts I405 1316673-3/6E vom 29.10.2019 als unbegründet abgewiesen.

Zu einem unbekannten Zeitpunkt reiste der BF nach Frankreich aus und wurde bei der Einreise im Luftweg von Paris kommend am Flughafen Wien-Schwechat am XXXX 10.2020 aufgegriffen und in Schubhaft genommen. Bei der Einvernahme gibt der BF an, dass er über ein Gesamtvermögen von 120 EUR verfüge, sowie sich seine Kreditkarten in Frankreich, seine zwei Kinder bei deren Großmutter mütterlicherseits in Ungarn und seine Frau in Österreich befänden. Der BF sei zum Besuch seiner Frau und seiner Freunde nach Österreich eingereist und wolle nun nach Frankreich zurückreisen.

Der BF befindet sich nach wie vor in Schubhaft, verfahrensgegenständlich ist die Rechtmäßigkeit der Schubhaft bisher sowie die Frage der Fortsetzung der aufrechten Schubhaft.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Verfahrensgang wird festgestellt.

Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Nigeria und bekennt sich zum christlichen Glauben. Seine Identität steht nicht fest.

Der Beschwerdeführer befindet sich in einem arbeitsfähigen Alter. Er leidet an keinen schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen.

Der Beschwerdeführer spricht Deutsch auf dem Niveau B1. Seine Gattin, die ungarische Staatsbürgerin ist, hält sich in Österreich auf. Ansonsten weist er in Österreich keine maßgeblichen Integrationsmerkmale in beruflicher und kultureller Hinsicht auf.

Der Beschwerdeführer geht in Österreich keiner legalen Beschäftigung nach und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich vorbestraft:

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .2007, rechtskräftig seit 18.12.2007, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1, Abs. 2 Z 2 erster Fall SMG und § 15 StGB als Jugendlicher zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .2008, rechtskräftig seit XXXX .2008, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 27 Abs. 1 Z 1 8. Fall, Abs. 3 SMG und § 15 StGB als Jugendlicher zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .05.2011, rechtskräftig seit XXXX .05.2011, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 28a Abs. 1 5. Fall SMG als junger Erwachsener zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zwölf Monaten verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .10.2013, rechtskräftig seit XXXX .10.2013, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 223 Abs. 2, 224 und 224a StGB zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 8 Monaten unter Setzung einer Probezeit von 3 Jahren verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom XXXX .2014, rechtskräftig seit XXXX 10.2014, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen §§ 83 Abs. 1, 224a, 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4, 223 Abs. 2, 224 StGB sowie § 15 StGB, § 269 Abs. 1 1. Fall StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Josefstadt vom XXXX .08.2016, rechtskräftig seit XXXX .10.2016, Zl. XXXX , wurde der Beschwerdeführer wegen § 231 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von vier Monaten verurteilt.

Der Beschwerdeführer ist entgegen eines aufrechten Aufenthaltsverbots am XXXX .10.2020 in das Bundesgebiet eingereist.

Der Beschwerdeführer ist eigenen Angaben zu Folge nicht im Stande sich selbst in Österreich zu erhalten.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem hg. Gerichtsakt sowie dem hg. Erkenntnis I405 1316673-3/6E vom 29.10.2019. Die einseitige Schubhaftbeschwerde tritt den Feststellungen des gegenständlichen Bescheides nicht entgegen, sondern moniert lediglich die Bezeichnung des Untertauchens für seine Ausreise nach Frankreich (Seite 10 von 19 des gegenständlichen Bescheides). Fest steht, dass der BF zu einem unbekannten Zeitpunkt aus dem Bundesgebiet nach Frankreich ausgereist ist und seinen seit November 2017 gemeldeten Hauptwohnsitz nicht ab- oder umgemeldet hat (ZMR Abfrage vom 28.10.2020). Da der BF durch dieses Verhalten für die österreichischen Behörden nicht greifbar war, ist diese monierte Formulierung nicht überschießend.

Die strafrechtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers gehen aus einem aktuellen Strafregisterauszug hervor.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Soweit das Verwaltungsgericht nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, hat es gemäß § 27 VwGVG den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs.1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen. Gemäß § 9 Abs. 1 VwGVG hat die Beschwerde u.a. (Z 3) die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt, sowie (Z 4) das Begehren zu enthalten. In den erläuternden Bemerkungen der Regierungsvorlage zur Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, wurde zu § 27 VwGVG ausgeführt: „Der vorgeschlagene § 27 legt den Prüfungsumfang des Verwaltungsgerichtes fest. Anders als die Kognitionsbefugnis einer Berufungsbehörde (vgl. § 66 Abs. 4 AVG) soll die Kognitionsbefugnis des Verwaltungsgerichtes durch den Inhalt der Beschwerde beschränkt sein.“

3.2. Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1.       er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2.       er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3.       gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

Zu A)

3.3. Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF von BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

3.4. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

3.5. Zur Schubhaft bisher:

3.5.1. Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung kann immer nur dann verhältnismäßig sein, wenn mit der Möglichkeit einer Abschiebung auch tatsächlich zu rechnen ist. Ergibt sich, dass diese fremdenpolizeiliche Maßnahme innerhalb der Schubhafthöchstdauer nicht durchführbar ist, so darf die Schubhaft nicht verhängt werden bzw. ist – wenn sich das erst später herausstellt – umgehend zu beenden (VwGH 28.08.2012, 2010/21/0517; vgl. VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).

Von einer Abschiebung innerhalb der Schubhafthöchstdauer ist jedenfalls auszugehen. Zwar ist der weltweite Flugverkehr aufgrund der weltweiten COVID-19 Pandemie nach wie vor bzw. wiederum verstärkt eingeschränkt und in Österreich wurde beginnend mit Dienstag 03.11.2020 ein zweiter „Lockdown“ in leichterer Form mit abendlichen Ausgangsbeschränkungen unter Offenhaltung der Produktion, Verkaufsflächen sowie Primar- und Sekundarschulen begonnen. Eine weitere signifikante Flugeinschränkung insbesondere im Zusammenhang mit den terroristischen Vorfällen in der Wiener Innenstadt in der Nacht von zweiten auf dritten November 2020 zeichnet sich derzeit nicht ab. Abschiebungen setzen zudem nicht zwingend die Existenz des geregelten, touristischen Flugbetriebes voraus. Abschiebungen sind somit sowohl nach Nigeria als auch nach Frankreich innerhalb der Schubhafthöchstdauer faktisch durchführbar.

3.5.2. Die „Fluchtgefahr“ ist in Österreich im § 76 Abs. 3 FPG (oben unter Punkt II.2. wiedergegeben) gesetzlich definiert. Aktuell liegt jedenfalls eine rechtskräftige, durchsetzbare und durchführbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bezogen auf Nigeria vor.

Die belangte Behörde begründete die festgestellte Fluchtgefahr im Wesentlichen mit dem Verstoß gegen ein aufrechtes Aufenthaltsverbot, der mangelnden Kooperationsbereitschaft bei der Feststellung der Identität, dem Versuch mit einem gefälschten Reisepass ein Aufenthaltsrecht vorzutäuschen, der Vereitelung einer Abschiebung durch einen Hungerstreik, einer falschen Wohnsitzmeldung sowie der fehlenden Selbsterhaltungsfähigkeit.

Das Bundesamt stützte sich dabei auf die Ziffern 1 und 2 des § 76 Abs. 3 FPG und prüfte zudem den Grad sozialer Verankerung in Österreich gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG.

Dem Vorliegen der Voraussetzungen der Ziffern 1 und 2 wurde auch in der Beschwerde nicht substanziell entgegengetreten. Sofern die Beschwerde moniert, dass dem BF nach Artikel 23 Abs. 1 des SDÜ (ÜBEREINKOMMEN zur Durchführung des Übereinkommens von Schengen vom 14. Juni 1985 zwischen den Regierungen der Staaten der Benelux-Wirtschaftsunion, der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik betreffend den schrittweisen Abbau der Kontrollen an den gemeinsamen Grenzen) die Möglichkeit zur Selbständigen Ausreise einzuräumen wäre, ist auf die folgenden Absätze drei bis vier der zitierten Norm zu verweisen, die eine Abschiebung in den Herkunftsstaat oder in einen anderen Staat vorsehen. Die behauptete Berufstätigkeit des Beschwerdeführers vermag die Fluchtgefahr nicht zu relativieren, da weder die Art der Tätigkeit noch der Ort der Dienstverrichtung genannt werden, nicht nachgewiesen wurden und selbst in der Annahme eines geregelten Dienstverhältnisses in Frankreich das Ergebnis des Vorliegens der Fluchtgefahr aufgrund der bisherigen Vita nicht relativiert werden könnte.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen. Die Beschwerde führt kein Argument an, das den Sicherungsbedarf relativieren könnte. In der Gesamtbetrachtung ist somit auch von Sicherungsbedarf auszugehen.

Das Bundesamt ist daher zu Recht vom Bestehen sowohl eines Sicherungsbedarfes als auch von Fluchtgefahr ausgegangen.

Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Aufgrund der Straffälligkeit des BF ergibt sich ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Effektivität der Abschiebung. Durch die Schubhaftnahme wird zwar das Treffen mit seiner Frau faktisch verhindert. Dies war aber aufgrund des aufrechten Aufenthaltsverbotes schon zuvor im Bundesgebiet rechtlich nicht zulässig. Weder ist derzeit von einer übermäßig langen Dauer der Schubhaft noch von einem besonders intensiven Eingriff infolge von sozialen oder familiären Anknüpfungspunkten in Österreich auszugehen. Eine Unverhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme oder Aufrechterhaltung ist in casu in keinem Zeitpunkt ersichtlich.

In der Gesamtschau ist die Fluchtgefahr, der Sicherungsbedarf und auch die Verhältnismäßigkeit der Schubhaft somit zu bejahen.

3.6. Zur Fortsetzung der Schubhaft:

3.6.1. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG hat das Bundesverwaltungsgericht, sofern die Anhaltung noch andauert, jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Der VwGH hat zum Fortsetzungsausspruch gemäß § 83 Abs. 4 erster Satz FPG in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung ausgesprochen, dass der Unabhängige Verwaltungssenat (UVS) im Rahmen seines Ausspruchs gemäß § 83 Abs. 4 FPG aF nicht an die im Schubhaftbescheid herangezogenen Rechtsgrundlagen gebunden ist, sondern die Zulässigkeit der Fortsetzung der Schubhaft nach allen Richtungen zu prüfen hat; er ist auch nicht nur „ermächtigt“, einen „weiteren bzw. neuen Anhaltegrund für die Fortsetzung der Schubhaft zu schaffen“, sondern bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen im Rahmen des ihm eingeräumten Ermessens zu einem positiven und (nur) bei deren Fehlen zu einem negativen Fortsetzungsausspruch verpflichtet. Verneint der UVS daher das Vorliegen der Voraussetzungen für die weitere Anhaltung in Schubhaft, so bedeutet dieser Ausspruch von Gesetzes wegen die Unzulässigkeit der (Fortsetzung der) Schubhaft auf Grund jeglichen zum Bescheiderlassungszeitpunkt geltenden Schubhafttatbestandes, unabhängig davon, ob der UVS dessen Voraussetzungen (erkennbar) geprüft und dies seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat (VwGH 15.12.2011, Zl. 2010/21/0292; 28.08.2012, Zl. 2010/21/0388 mwN). Diese Rechtsprechung des VwGH ist unverändert auf den Fortsetzungsausspruch des Bundesverwaltungsgerichtes nach der inhaltlich gleichlautenden Bestimmung des § 22a Abs. 3 BFA VG übertragbar.

3.6.2. Für die Durchsetzung einer Rückkehrentscheidung (Abschiebung) ist die Anwesenheit des Beschwerdeführers erforderlich. Es ist angesichts seines bisherigen Verhaltens jedoch davon auszugehen, dass er sich dem behördlichen Zugriff durch Untertauchen entziehen würde, sollte sich eine Gelegenheit dazu bieten. Da er zudem mittellos ist, ist nicht ersichtlich, was den Beschwerdeführer im Falle einer Entlassung aus der Schubhaft von einem neuerlichen Untertauchen abhalten sollte.

Im gegenständlichen Fall sind die Kriterien der Ziffern 1 und 2 des § 76 Abs. 3 FPG (wie oben dargelegt) erfüllt.

Der BF verfügt zwar über eine Frau und Freunde im Bundesgebiet. Hierbei ist allerdings zu berücksichtigen, dass bereits ein aufrechtes Aufenthaltsverbot besteht. Hinsichtlich der Z 9 ist überdies festzuhalten, dass schon nach dem Wortlaut der Bestimmung (einzelne) „soziale Anknüpfungspunkte“ für sich alleine nicht ausreichen würden, der Verhängung einer Schubhaft entgegenzustehen. Vielmehr geht es um den „Grad der sozialen Verankerung in Österreich“, wobei familiäre Beziehungen, soziale Anknüpfungspunkte, eine legale Erwerbstätigkeit, Existenzmittel und gesicherter Wohnraum exemplarisch genannt werden. Im gegenständlichen Fall liegt lediglich ein Anknüpfungspunkt über seine Frau, die ungarische Staatsbürgerin ist und sich in Österreich aufhalte sowie ein Freundeskreis, gegeben, und relativiert in der Gesamtschau keinesfalls die in casu gegebene Fluchtgefahr.

In Zusammenschau mit den obigen Ausführungen besteht damit aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts kein Zweifel, dass im gegenständlichen Fall (weiterhin) eine klare Fluchtgefahr seitens des Beschwerdeführers sowie ein besonders hohes staatliches Interesse an der Sicherstellung einer Abschiebung zu bejahen ist.

Im gegenständlichen Fall ist die Anwendung des gelinderen Mittels nicht ausreichend, um den Sicherungsbedarf zu erfüllen. Damit liegt auch die geforderte „ultima-ratio-Situation“ für die Verhängung der Schubhaft vor und erweist sich diese zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch als verhältnismäßig.

Substanzielle gesundheitliche Probleme oder gar eine fehlende Haftfähigkeit wurden in der Beschwerde im Übrigen nicht behauptet.

3.6.3. Es war daher gemäß § 22a Abs. 3 BFA VG festzustellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

3.7. Entfall einer mündlichen Verhandlung

3.7.1. Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht hat auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG kann die Verhandlung entfallen, wenn (Z 1) der das vorangegangene Verwaltungsverfahren einleitende Antrag der Partei oder die Beschwerde zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt oder die angefochtene Weisung für rechtswidrig zu erklären ist oder (Z 2) die Säumnisbeschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen ist. Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, kann das Verwaltungsgericht Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Das Verwaltungsgericht kann gemäß § 24 Abs. 5 VwGVG von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden. Eine mündliche Verhandlung wurde im Übrigen nicht beantragt.

3.7.2. Die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da der Sachverhalt auf Grund der Aktenlage und des Inhaltes der Beschwerde geklärt war und Widersprüchlichkeiten in Bezug auf die für die gegenständliche Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltselemente nicht vorlagen.

In der Beschwerde finden sich auch keine substanziellen Hinweise auf einen sonstigen möglicherweise unvollständig ermittelten entscheidungsrelevanten Sachverhalt. Aus der Aktenlage haben sich zudem keine Zweifel an der Haftfähigkeit ergeben, wobei diesbezügliche Probleme auch in der Beschwerde nicht thematisiert worden sind. Die Erläuterung von Rechtsfragen in einer mündlichen Verhandlung ist nicht erforderlich.

3.8. Kostenersatz

3.8.1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

3.8.2. Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Dem Beschwerdeführer gebührt als unterlegener Partei daher kein Kostenersatz, die belangte Behörde hat als (vollständig) obsiegende Partei Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung Aufenthaltsverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Kostenersatz Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Untertauchen Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2236385.1.00

Im RIS seit

14.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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