TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/3 W137 2234640-3

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Veröffentlicht am 03.11.2020
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Entscheidungsdatum

03.11.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §76

Spruch

W137 2234640-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Peter Hammer als Einzelrichter im amtswegig eingeleiteten Verfahren zur Zahl 1173771800 / 200409742, über die weitere Anhaltung von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Nigeria, in Schubhaft zu Recht erkannt:

A)

Gemäß § 22a Abs. 4 BFA-VG wird festgestellt, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und dass die Aufrechterhaltung der Schubhaft im Zeitpunkt der Entscheidung verhältnismäßig ist.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden auch BF) reiste zu einem unbekannten Zeitpunkt rechtswidrig ins Bundesgebiet ein und stellte am 14.11.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Am 14.11.2017 stellte der BF nach rechtswidriger Einreise in das Bundesgebiet einen Antrag auf Internationalem Schutz. Da der BF bereits am 28.09.2016 einen Asylantrag in Italien gestellt hatte, wurde nach einem Konsultationsverfahren mit Italien mit rechtskräftigen Bescheid der Erstaufnahmestelle Ost vom 19.12.2017 der Antrag des BF auf Internationalen Schutz zurückgewiesen, und eine Außerlandesbringung in das für das Asylverfahren zuständige Italien erlassen. Der BF tauchte in weiterer Folge unter und wurde am 11.04.2018 aufgegriffen und nach Italien abgeschoben.

3. Bereits am 05.03.2019 wurde er in Wien erneut polizeilich angehalten. Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 13.06.2019 wurde der BF wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels, dem Vergehen des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften, sowie wegen einem Vergehen nach dem Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von 21 Monaten verurteilt. Nach Entlassung aus der Strafhaft wurde über den Beschwerdeführer am 11.05.2020 die Schubhaft gemäß §76 Abs. 2 Z 2 FPG angeordnet.

4. Am 13.05.2020 brachte der Beschwerdeführer aus der Schubhaft einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz ein. In diesem Zusammenhang wurde durch das Bundesamt für Fremdenwesen du Asyl (Bundesamt/BFA) zunächst die Aufrechterhaltung der Schubhaft gemäß § 76 Abs. 6 FPG verfügt. Mit Bescheid vom 18.05.2020 wurde vom Bundesamt – aufgrund des Wegfalls der Zuständigkeit Italiens zur Verfahrensführung – die Rechtsgrundlage der Anhaltung auf § 76 Abs. 2 Z 1 FPG geändert.

5. Mit rechtskräftigem Bescheid der belangten Behörde vom 06.07.2020 wurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen, eine Rückkehrentscheidung mit einem auf 8 Jahre befristeten Einreiseverbot erlassen, festgestellt, dass die Abschiebung nach Nigeria zulässig ist, einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt und keine Frist für eine freiwillige Ausreise gewährt.

6. Das Verfahren zur Erlangung eines Heimreisezertifikates (HRZ) bei der nigerianischen Botschaft wurde am 24.04.2020 eingeleitet. Am 07.09.2020 stellte der BF einen Antrag auf unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe. Anlässlich einer Vorführung vor die nigerianische Botschaft zur Erlangung eines Heimreisezertifikates, wurde der BF als nigerianischer Staatsangehöriger identifiziert wurde und es wurde ein Heimreisezertifikat ausgestellt. Am 17.09.2020 teilte der VMÖ mit, dass der BF kein Interesse an einer freiwilligen Rückkehr mehr habe.

7. Im Rahmen einer (ersten) amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung hat das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 08.09.2020, G309 2234640-1/11E, festgestellt, dass die zur Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und diese auch verhältnismäßig ist. Inhaltsgleich erkannte das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 05.10.2020, G308 2234640-2/5E.

8. Mit Schreiben vom 08.10.2020 wurde der Beschwerdeführer von der bevorstehenden Abschiebung (am 22.10.2020) informiert. Dieser Abschiebetermin musste kurzfristig wegen Unruhen in Lagos/Nigeria abgesagt werden.

9. Am 29.10.2020 legte das Bundesamt ein weiteres Mal den Verwaltungsakt zur amtswegigen Verhältnismäßigkeitsprüfung vor. In einer Stellungnahme wurde darauf verwiesen, dass gegen die Entscheidung im Asylverfahren keine Beschwerde erhoben und diese daher rechtskräftig und durchsetzbar sei. Ein Heimreisezertifikat liege vor. Die geplante Abschiebung habe nicht wegen der Pandemiesituation in Nigeria entfallen müssen, sondern wegen einer kurzfristigen Ausgangssperre und spontanen Unruhen wenige Tage zuvor. Mittlerweile stehe ein neuer Termin für eine Charterabschiebung – 12.11.2020/13.11.2020 – fest. Bis dahin sei von einer hinreichenden Beruhigung der lokalen Situation auszugehen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter I.1. bis I.9. geschilderte Verfahrensgang wird zur Feststellung erhoben.

Der BF ist volljährig, seine Identität und Staatsangehörigkeit steht fest. Die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt er nicht, er ist weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter. Der BF ist grundsätzlich gesund und haftfähig. Er wird seit 11.05.2020 in Schubhaft angehalten.

Es liegt eine rechtskräftige und durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria vor. Der Beschwerdeführer wurde bereits einer nigerianischen Delegation vorgeführt; seine Staatsangehörigkeit wurde bestätigt. Es liegt auch bereits ein Heimreisezertifikat vor. Die bereits angesetzte Abschiebung nach Nigeria (Charter) im Oktober 2020 musste wegen kurzfristiger lokaler Unruhen storniert werden. Der Beschwerdeführer ist nunmehr für den Abschiebetermin 12.11.2020/13.11.2020 gebucht. Eine Abschiebung zu diesem Zeitpunkt ist jedenfalls realistisch.

Der BF hat keine Familienangehörigen im Bundesgebiet und war in Österreich nicht erwerbstätig. Gegenwärtig ist er mittellos. Er hat keine nennenswerten Anknüpfungspunkte zu Österreich und verfügte außer in polizeilichen und gerichtlichen Anhaltezentren über keinen ordentlichen Wohnsitz im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer wurde in Österreich wegen Suchtmittel- und Waffendelikten strafrechtlich verurteilt.

Es sind keine Gründe hervorgekommen die die Haftfähigkeit zum Entscheidungszeitpunkt in Frage stellen würde.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zum asyl- und fremdenrechtlichen Status ergeben sich aus dem Verwaltungsakt des Bundesamtes, dem vorliegenden Akt des Bundesverwaltungsgerichtes und den Akten des Bundesverwaltungsgerichtes die oben angeführten Schubhaftverfahren des Beschwerdeführers betreffend. Gleiches gilt für das Vorliegen eines Heimreisezertifikats und den geplanten Abschiebetermin.

2.2. Dass der BF seit 11.05.2020 in Schubhaft angehalten wird, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und den damit übereinstimmenden Eintragungen in der Anhaltedatei.

2.3. Aus der Aktenlage und internationalen Medienberichten – diese sind im Übrigen notorisch – ergibt sich der Grund für die Stornierung der Charter-Abschiebung im Oktober. Dementsprechend ist realistisch, dass die nunmehr geplante Abschiebung (in 10 Tagen) durchgeführt werden kann. Für die dauerhafte/längerfristige Unmöglichkeit von Abschiebungen nach Nigeria gibt es keinen Hinweis.

2.4. Aus der Aktenlage ergeben sich auch keine Hinweise auf familiäre oder substanzielle soziale und berufliche Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet. Die Meldeadressen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Nachschau im Zentralen Melderegister (ZMR). Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers ist aus der Anhaltedatei ersichtlich. Aus einer rezenten Nachschau im Strafregister ergibt sich die strafrechtliche Verurteilung.

2.5. Aus den bisherigen Verfahren ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass der Beschwerdeführer an substanziellen gesundheitlichen Beeinträchtigungen leidet. Auch in der Anhaltedatei finden sich keine Einträge, die auf schwerwiegende gesundheitliche Probleme des BF hindeuten. Seine grundsätzliche Gesundheit und Haftfähigkeit sind damit weiterhin gegeben.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchpunkt I. (Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft):

Entsprechend dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2015 – FrÄG 2015 vom 18.06.2015, BGBl. I Nr. 70/2015, lautet §22a Abs. 4 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG) wie folgt:

„§ 22a. (4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.“

§22a Abs. 4 bildet im gegenständlichen Fall die formelle Grundlage, da der Beschwerdeführer seit 11.05.2020 in Schubhaft angehalten wird.

Die in diesem Zusammenhang maßgeblichen (innerstaatlichen) verfassungsrechtlichen Bestimmungen des Art 5 Abs. lit. f EMRK und des Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG sowie einfachgesetzlichen Normen des mit 20. Juli 2015 im Rahmen des Fremdenrechtsänderungsgesetzes 2015 – FrÄG 2015 in Kraft getretenen Fremdenpolizeigesetzes 2005 lauten:

Art 5 Abs. 1 lit. F EMRK

(1) Jedermann hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit. Die Freiheit darf einem Menschen nur in den folgenden Fällen und nur auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:
f)         wenn er rechtmäßig festgenommen worden ist oder in Haft gehalten wird, um ihn daran zu hindern, unberechtigt in das Staatsgebiet einzudringen oder weil er von einem gegen ihn schwebenden Ausweisungs- oder Auslieferungsverfahren betroffen ist.

Art 2 Abs. 1 Z. 7 PersFrBVG

(1) Die persönliche Freiheit darf einem Menschen in folgenden Fällen auf die gesetzlich vorgeschriebene Weise entzogen werden:

7. wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern.

§ 76 FPG (in der nunmehr gültigen Fassung)

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1.         dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2.         dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3.         die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1.         ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a.         ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2.         ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3.         ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4.         ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5.         ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6.         ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a.         der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b.         der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c.         es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7.         ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8.         ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9.         der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Gemessen also an § 76 Abs. 3, konkret an dessen ersten Satz „liegt eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 2 - immer noch - vor, da „bestimmte Tatsachen“, nämlich jene bereits im Rahmen der angeführten Beweiswürdigung relevierten, indizieren, dass sich der Beschwerdeführer einer drohenden Abschiebung in den Herkunftsstaat entziehen wird.

§ 76 Abs. 2 Z 2 FPG ist in diesem Zusammenhang (wieder) die Referenzbestimmung, weil das jüngste Asylfolgeverfahren bereits rechtskräftig abgeschlossen ist und die Anhaltung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG ein aufrechtes Asylverfahren voraussetzt. Dass keine gesonderte „Umstellung“ der Rechtsgrundlage erfolgt ist, entspricht im Übrigen der ständigen höchstgerichtlichen Judikatur.

Die Gründe, aus denen das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Schubhaft anordnete (Ziffern 1, 3 und 9 des § 76 Abs. 1 FPG), haben sich seither nicht geändert und erweisen sich unverändert als nachvollziehbar.

Mit der Anordnung gelinderer Mittel kann dementsprechend weiterhin nicht das Auslangen gefunden werden. Angesichts deutlich reduzierter persönlicher Vertrauenswürdigkeit aufgrund der Straffälligkeit (zumal angesichts der konkreten Delikte) kommen diese schon aus grundsätzlichen Erwägungen nicht in Betracht.

Der Beschwerdeführer war bei Anordnung der Schubhaft haftfähig und ist dies auch weiterhin.

Die derzeit absehbare Dauer der Anhaltung in Schubhaft bis zur Abschiebung (rund 10 Tage) ist ihm jedenfalls zumutbar.

Festzuhalten ist, dass sich das Bundesamt im Falle des Entfalls des derzeit geplanten Abschiebetermins jedenfalls mit der Frage der zulässigen maximalen Anhaltedauer auseinanderzusetzen hat, da die reguläre maximale Anhaltedauer von sechs Monaten zum Zeitpunkt der derzeit geplanten Abschiebung bereits ausgereizt ist.

Aus diesen Gründen ist festzustellen, dass im Zeitpunkt der Entscheidung die Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft gegeben ist. Eine über die Frage der Verhältnismäßigkeit hinausgehende Prüfung der Schubhaft ist nach dem eindeutigen Wortlaut von § 22a Abs. 4 BFA-VG nicht vorgesehen.

Zu Spruchpunkt II. (Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Im vorliegenden Akt findet sich kein schlüssiger Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben.

Die Revision war daher nicht zuzulassen.

Schlagworte

Abschiebung Einreiseverbot Fluchtgefahr Folgeantrag Fortsetzung der Schubhaft Kooperation Mittellosigkeit öffentliche Interessen Pandemie Rückkehrentscheidung Schubhaft Sicherungsbedarf Straffälligkeit Strafhaft strafrechtliche Verurteilung Suchtmitteldelikt Untertauchen Verhältnismäßigkeit Vertrauenswürdigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W137.2234640.3.00

Im RIS seit

14.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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