TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W262 2222438-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W262 2222438-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Julia JERABEK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Claudia MARIK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Sozialministeriumsservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 11.06.2019, nach Beschwerdevorentscheidung vom 22.07.2019, OB XXXX , betreffend die Abweisung des Antrages auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin ist seit 08.03.2019 Inhaberin eines bis 28.02.2021 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

2. Am 25.03.2019 stellte die Beschwerdeführerin unter Vorlage medizinischer Unterlagen beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet), einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO.

Auf dem Antragsformular der belangten Behörde ist folgender Hinweis zu finden:

„Wenn Sie noch nicht im Besitz eines Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘ sind, gilt dieser Antrag auch als Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses bzw. auf Vornahme der Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel‘ in den Behindertenpass.“

3. Die belangte Behörde holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie ein. In dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 06.05.2019 erstatteten Gutachten vom 09.05.2019 wurde als Ergebnis der Begutachtung die Funktionseinschränkung der Leidensposition

Lfd.
Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkung, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern wird:

1

St. p. Stammganglienblutung mit linksseitigen Para?sthesien und Schmerzen

zugeordnet und festgestellt, dass im Vergleich zum Vorgutachten (Anm.: vom 20.02.2019) keine Änderung eingetreten sei. Es handle sich um einen Dauerzustand.

Zu den Auswirkungen der festgestellten Gesundheitsschädigung nach Art und Schwere auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde von der befassten Sachverständigen ausgeführt, dass es der Beschwerdeführerin trotz akustischer Überempfindlichkeit bei St. p. Stammganglienblutung möglich sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Die akustische Lärmbelästigung sei bei Thalamusbeteiligung der Hirnblutung zwar nachvollziehbar, erreiche jedoch kein Ausmaß, welches die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel unmöglich mache. Wegstrecken von 300 bis 400 Metern könnten zurückgelegt werden, das sichere Besteigen sowie der sichere Transport seien möglich. Haltegriffe können benutzt werden. Eine schwere Erkrankung des Immunsystems liege nicht vor.

4. Im Rahmen des zu diesem Gutachten gewährten Parteiengehörs führte die Beschwerdeführerin in einer Stellungnahme vom 18.05.2019 im Wesentlichen aus, dass sie froh sei, dass sie ihren Arbeitsplatz behalten habe, doch sei ihr Arbeitsweg, der eine halbe Stunde pro Strecke betrage, zu beschwerlich. Die Fahrt mit dem Zug sei aufgrund des Lärms unerträglich. Mit dem Auto sei der Geräuschpegel weitaus geringer und der Weg kürzer. Die Beschwerdeführerin legte der Stellungnahme weitere Befunde bei.

5. Dazu holte die belangte Behörde eine Stellungnahme einer Fachärztin für Neurologie ein. In dieser gutachterlichen Stellungnahme vom 11.06.2019 wurde nach Zusammenfassung der neu vorgelegten Befunde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:

„[…]

Anzumerken sei, dass bei den Untersuchungen am 02/2019 und 05/2019 wie auch im neuen neurologischen Befund das Gangbild vollkommen unauffällig war und trotz geschilderter neuropathischer Schmerzen eine Wegstrecke von 300 – 400m ohne Pausen und ohne ausreichend objektivierbarer Schmerzen zurückgelegt werden kann, das sichere Besteigen sowie der Transport möglich sind.

Der neue Befund ergibt keine signifikante Änderung zu den Vorgutachten.

Die akustische La?rmu?berempfindlichkeit in Folge einer Filtersto?rung bei Thalamusbeteiligung der Hirnblutung ist nachvollziehbar, erreicht jedoch kein Ausmaß, welche eine Benützung die öffentlichen Verkehrsmittel unmöglich machen würde.

Die medizinischen Voraussetzungen für eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind daher nicht erfüllt.“

6. Mit Bescheid vom 11.06.2019 wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG ab. Begründend wurde unter Bezugnahme auf das ärztliche Begutachtungsverfahren im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die begehrte Zusatzeintragung nicht vorliegen würden. Das Sachverständigengutachten vom 09.05.2019 und die gutachterliche Stellungnahme vom 11.06.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilagen des Bescheides übermittelt.

7. Gegen den Bescheid erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht Beschwerde und führte auf das Wesentliche zusammengefasst aus, dass es ihr unmöglich sei, zum nächstgelegenen Bahnhof zu gehen. Sie hoffe auf eine positive Entscheidung, da sie sonst nicht zu ihrem Arbeitsplatz kommen könne. Mit 51 Jahren und ihrer Erkrankung könne sie sich keine neue Beschäftigung suchen. Die Beschwerdeführerin legte einen Befundbericht einer Fachärztin für Neurologie vom 04.07.2019 vor.

8. In der Folge ersuchte die belangte Behörde die bereits befasste Fachärztin für Neurologie um eine erneute Stellungnahme. In dieser gutachterlichen Stellungnahme vom 18.07.2019 führte die Sachverständige insbesondere zum neu vorgelegten neurologischen Befundbericht vom 04.07.2019 auszugsweise Folgendes aus:

„[…]

Bei der Antragstellerin liegt ein Z. n. Stammganglienblutung rechts vor, wobei in der neurologischen Untersuchung h. o. sowie in den mitgebrachten Befunden keine hochgradigen neurologischen Ausfälle objektiviert werden konnten. Die Antragstellerin berichtet über neuropathische Schmerzen der linken Körperhälfte sowie über La?rmu?berempfindlichkeit.

In wiederholten neurologischen Untersuchungen zeigte sich das Gangbild vollkommen unauffällig, sodass das Zurücklegen einer Wegstrecke von 300 – 400 m ohne Pausen, das Besteigen und der Transport in O?VM möglich und zumutbar ist. Haltegriffe können benützt werden. Eine angegebene akustische Lärmüberempfindlichkeit als Restsymptomatik nach Thalamusblutung kann nachvollzogen werden, erreicht jedoch kein Ausmaß, welche die Benützung von öffentlichen Verkehrsmitteln unmöglich machen würde. Bei angegebenen neuropathischen Schmerzen ist eine entsprechende Schmerztherapie grundsätzlich zumutbar; Gangbild und Gesamtmobilita?t ergeben keinen Hinweis, dass Schmerzzustände in einem Ausmaß vorliegen würden, welche das Zurücklegen einer Wegstrecke hin und zur Haltestelle erheblich erschweren würden.

Nach nochmaliger Durchsicht aller Befunde wird an der vorgenommenen Einschätzung festgehalten. Eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel liegt nicht vor.“

9. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 22.07.2019 wurde unter Bezugnahme auf §§ 41, 43, 46 BBG iVm § 14 VwGVG eine Beschwerdevorentscheidung erlassen. Die belangte Behörde wies die Beschwerde gegen den Bescheid vom 11.06.2019 als unbegründet ab und stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkungen aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen würden. Das Gutachten vom 09.05.2019 samt ergänzender Stellungnahme vom 18.07.2019 wurden der Beschwerdeführerin als Beilagen des Bescheides übermittelt.

10. Im fristgerecht eingebrachten Vorlageantrag führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass ihre neurologischen Befunde auf Schmerzen hinweisen würden, und ihr insofern das Zurücklegen einer Wegstrecke von über 300 Metern nicht zumutbar sei. Darüber hinaus habe sich der Zustand ihres linken Knies, bei dem 2017 eine Tibiakopfosteotomie mit Verplattung durchgeführt worden sei, verschlechtert. Die Beschwerdeführerin legte weitere medizinische Unterlagen vor.

11. Die Beschwerde, der Vorlageantrag und der bezughabende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde am 16.08.2019 vorgelegt.

12. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten einer (bisher nicht befassten) Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin ein. In dem – auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 03.10.2019 erstatteten – Gutachten vom 07.10.2019 wurde Folgendes auszugsweise angeführt (ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

„[…]

Derzeitige Beschwerden:

‚Verspüre in der gesamten linken Körperhälfte seit dem Insult Gefühlsstörungen, es gibt kein Medikament, das wirklich hilft. Die Fußsohle und Hände brennen wie Feuer, Zittern und Krämpfe links, bin überempfindlich, berührungsempfindlich wie mit Reibeisen, keine Besserung trotz Behandlung in der Schmerzambulanz XXXX . Akupunktur ist geplant. Habe Probleme beim Sprechen, lasse zum Teil Wörter aus, unter Stress bin ich nicht belastbar. Ich gehe nicht weit, nur im Garten herum.

Hergekommen bin ich mit dem Auto, wurde von meinem Mann gebracht. Mit dem Auto kann ich selber fahren, Automatikauto.‘

STATUS:

Allgemeinzustand gut, Ernährungszustand gut

Größe 164 cm, Gewicht 67 kg, Alter: 51.

Caput/Collum: klinisch unauffälliges Hör- und Sehvermögen, Sensibilitätsstörung linke Gesichts- und Halsseite, berührungsempfindlich. Keine Lähmung.

Thorax: symmetrisch, elastisch.

Atemexkursion seitengleich, sonorer Klopfschall, VA. HAT rein, rhythmisch. Abdomen: klinisch unauffällig, keine pathologischen Resistenzen tastbar, kein Druckschmerz.

Integument: unauffällig.

Schultergürtel und beide oberen Extremitäten:

Rechtshänder. Der Schultergürtel steht horizontal, symmetrische Muskelverhältnisse.

Die Durchblutung ist ungestört, die Sensibilität wird links als gestört angegeben.

Die Benützungszeichen sind seitengleich vorhanden.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Schultern, Ellbogengelenke, Unterarmdrehung, Handgelenke, Daumen und Langfinger seitengleich frei beweglich. Grob- und Spitzgriff sind uneingeschränkt durchführbar. Der Faustschluss ist komplett, Fingerspreizen beidseits unauffällig, die grobe Kraft in etwa seitengleich, Tonus und Trophik unauffällig.

Nacken- und Schürzengriff sind uneingeschränkt durchführbar.

Becken und beide unteren Extremitäten:

Freies Stehen sicher möglich, Zehenballengang und Fersengang beidseits ohne Anhalten und ohne Einsinken durchführbar.

Der Einbeinstand ist ohne Anhalten möglich. Die tiefe Hocke ist möglich.

Die Beinachse ist im Lot. Symmetrische Muskelverhältnisse.

Beinlänge ident.

Die Durchblutung ist ungestört, keine Ödeme, keine Varizen, die Sensibilität wird links als gestört angegeben. Die Beschwielung ist in etwa seitengleich.

Kniegelenk links: Narbe nach Umstellungsosteotomie, sonst unauffälliges Gelenk.

Sämtliche Gelenke sind bandfest und klinisch unauffällig.

Aktive Beweglichkeit: Hüften frei, Knie beidseits 0/0/140, Sprunggelenke und Zehen sind seitengleich frei beweglich.

Das Abheben der gestreckten unteren Extremität ist beidseits bis 60 0 bei KG 5 möglich.

Kraft bds KG 5/5

Wirbelsäule:

Schultergürtel und Becken stehen horizontal, in etwa im Lot, regelrechte Krümmungsverhältnisse. Die Rückenmuskulatur ist symmetrisch ausgebildet, kein Hartspann, kein Klopfschmerz über der Wirbelsäule.

Aktive Beweglichkeit:

HWS: in allen Ebenen frei beweglich.

BWS/LWS: FBA: 10 cm, in allen Ebenen frei beweglich.

Lasegue bds. negativ, Muskeleigenreflexe seitengleich mittellebhaft auslösbar.

Gehen entlang einer Linie: kein Abweichen.

Finger-Nasen-Versuch: unauffällig.

Romberg: unauffällig.

Unterberger: etwas unsicher, aber kein Abweichen zu einer Seite.

Gesamtmobilität — Gangbild:

Kommt selbständig gehend mit Halbschuhen mit 2 Unterarmstützkrücken, das Gangbild im Untersuchungszimmer barfuß ohne Anhalten ist unauffällig, Richtungswechsel unauffällig. Das Aus- und Ankleiden wird selbständig im Sitzen durchgeführt.

Status psychicus: Allseits orientiert; Merkfähigkeit, Konzentration und Antrieb unauffällig; Stimmungslage ausgeglichen.

STELLUNGNAHME:

ad 1) Die dauernden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin sind als Diagnoseliste anzuführen. Eine Einschätzung des Grades der Behinderung ist nicht vorzunehmen.

1) Zustand nach Stammganglienblutung mit linksseitigen Parästhesien und Schmerzen;

2) Zustand nach Umstellungsosteotomie linkes Kniegelenk;

3) Bluthochdruck.

ad 2) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Nein.

Bei Zustand nach Stammganglienblutung liegt kein motorisches Defizit vor. Sämtliche Gelenke sind frei beweglich. Bei Zustand nach Umstellungsosteotomie im linken Kniegelenk ist keine relevante Funktionseinschränkung objektivierbar.

Die Sensibilitätsstörung der linken Körperhälfte mit Parästhesien und neuropathischen Beschwerden führt zu keiner objektivierbaren Gangbildbeeinträchtigung.

Zumutbare therapeutische Optionen zur Behandlung der neuropathischen Beschwerden sind noch nicht ausgeschöpft

Komorbiditäten der oberen Extremitäten bzw. eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind nicht gegeben; Kraft und Beweglichkeit beider oberer Extremitäten sind nicht eingeschränkt.

Eine maßgebliche Verschlimmerung des linken Kniegelenks ist nicht objektivierbar. Es konnte ein unauffälliger Bewegungsumfang festgestellt werden, kein Hinweis für Hinkmechanismus oder Gangbildbeeinträchtigung.

ad 3) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Nein

Es konnten weder kardiale noch pulmonale Funktionseinschränkungen oder eine Einschränkung des Allgemein- und Ernährungszustands festgestellt werden.

ad 4) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Nein.

Ein motorisches Defizit liegt nicht vor, eine maßgebliche psychische Erkrankung, welche das Erreichen und Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnte, ist nicht dokumentiert. Die neuropathischen Schmerzen mit Gefühlsstörungen, teilweise auftretende Krämpfe und Berührungsempfindlichkeit führen nicht zu einer objektivierbaren Gangbildbeeinträchtigung, eine maßgebliche Gangleistungsminderung ist daraus nicht ableitbar.

ad 5) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Nein.

ad 6) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Nein.

ad 7) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde (Abl. 22) und des Vorlageantrages (Abl. 30) erhobenen Einwendungen.

Eine maßgebliche Verschlimmerung im Bereich des linken Kniegelenks ist nicht objektivierbar, weder konnte ein auffälliger klinischer Befund des linken Kniegelenk noch konnte eine Gangbildbeeinträchtigung festgestellt werden. Neuropathische Schmerzen werden einer Behandlung unterzogen. Derzeit wird eine medikamentöse Optimierung in der Schmerzambulanz durchgeführt; die Schmerzen führen jedoch nicht zu einer maßgeblichen Einschränkung der Gehstrecke. Es konnte bei der klinischen Untersuchung insbesondere kein auffälliges Abrollverhalten am linken Fuß festgestellt werden.

ad 8) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden (Abl. 12-15, 21, 28-29) und allfälligen zur Untersuchung mitgebrachten Befunden.

Abl. 29 Röntgen linkes Kniegelenk vom 22.05.2017 seitlicher Strahlengang (Zustand nach Umstellungsosteotomie Tibiakopf, Platte und Schrauben soweit aufgrund der Bildqualität beurteilbar unauffällig, korrekte Implantatlage, kein Hinweis für Lockerung, Osteotomiespalt einsehbar, jedoch aufgrund der Bildqualität nicht weiter beurteilbar) – Befund steht nicht in Widerspruch zu getroffener Beurteilung.

Abl. 28 Befund Dr. XXXX Facharzt für Neurologie 04.07.2019 (neuropathische Schmerzen linke Körperhälfte, depressive Anpassungsstörung, reaktive Angst und Panikstörung, noch nicht voll belastbar, Gehstrecken über 300 m bei vermehrten neuropathischen Schmerzen nicht bewältigbar) – bei vollkommen unauffälligem Gangbild ist – auch unter Beachtung der angegebenen neuropathischen Schmerzen, die medikamentös beeinflussbar sind – das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300-400 m zumutbar.

Abl. 14-15 Entlassungsbericht XXXX Krankenhaus 27.03.2019 (hypertensiver Entgleisung) – Bluthochdruck wird in Leiden 3 berücksichtigt.

Abl. 13 Befund Dr. XXXX Facharzt für Neurologie 02.05.2019 (Kontrolle, neuropathische Schmerzen linke Körperhälfte, Verdacht auf somatoforme Störung) – siehe Stellungnahme zu Abl. 28.

Abl. 12 Befund Dr. XXXX Atzt für Allgemeinmedizin 25.03.2019 (Zustand nach Stammganglienblutung, aufgrund der oben genannten Diagnose ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar) – keine neuen Informationen.

Im Rahmen der aktuellen Begutachtung nachgereichte Befunde:

Bericht Schmerzambulanz XXXX 30.09.2019 (keine Besserung der Schmerzen, elektrisierende Komponente nimmt zu, Pregabalin wird abgesetzt, Noax uno ICO mg) – Befund bestätigt die Durchführung der medikamentösen Adaptierung und steht nicht in Widerspruch zu getroffener Beurteilung.

Bericht Schmerzambulanz XXXX 22.08.2019 (Stammganglienblutung am 10.04.2018, Thalamusschmerz mit schmerzhaften Dysästhesien der linken Körperhälfte, Kribbeln, elektrisierend, Dauerschmerz. Dulasolan, Trittico, Pregabalin) – Befund bestätigt die Durchführung der medikamentösen Adaptierung und steht nicht in Widerspruch zu getroffener Beurteilung.

Entlassungsbericht RZ XXXX 14.01.2019 (bei den Aktivitäten des täglichen Lebens selbstständig, keine Hilfsmittel. Grobe Kraft der oberen und unteren Extremitäten proximal und distal KG 5/5, kein Absinken, Beweglichkeit frei, Reflexe Spur linksakzentuiert). Sensibilität: Par-Dysästhesien links. Sicher gehfähig, Einbeinstand links noch unsicher sonst unauffällig keine Verbesserung der Sensibilitätsstörung) – untermauert Richtigkeit der getroffenen Beurteilung.

ad 9) Bitte um Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

a) der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen

Entfernungen von 300 – 400 m sind bewältigbar, es konnte in sämtlichen vorliegenden neurologischen, allgemeinmedizinischen und orthopädischen Untersuchungen kein Hinweis auf ein motorisches Defizit festgestellt werden. Neuropathische Schmerzen verunmöglichen nichts das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 – 400 m.

b) der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Ausstiegmöglichkeit

Zugangsmöglichkeiten zu öffentlichen Verkehrsmittel und Ein- und Aussteigemöglichkeiten sind uneingeschränkt benutzbar, es konnten weder eine Gangbildbeeinträchtigung festgestellt werden noch eine Gleichgewichtsstörung, ausreichend Bewegungsumfang der Gelenke der unteren Extremitäten, ausreichend Kraft und Beweglichkeit der oberen Extremitäten.

c) der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen

Niveauunterschiede können überwunden werden, Kraft und Beweglichkeit sind nicht eingeschränkt.

d) der Schwierigkeiten beim Stehen

Schwierigkeiten beim Stehen sind nicht objektivierbar.

e) der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche

Maßgebliche Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche sind nicht nachvollziehbar, weder liegt eine Gleichgewichtsstörung vor noch ist das Festhalten eingeschränkt.

f) der Schwierigkeit bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt – Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?

Ausreichende Stand- und Gangsicherheit und Kraft zum Anhalten sind gegeben, sodass maßgebliche Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt nicht nachvollziehbar sind. Gefühlsstörungen und neuropathische Beschwerden in einem Ausmaß, dass dadurch eine maßgebliche Gleichgewichtsstörung hervorgerufen wird, sind nicht nachvollziehbar.

g) Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?

Art und Ausmaß allfälliger Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, können nur indirekt erfasst werden.

Anhand des beobachteten, unauffälligen Gangbilds und der sicheren Gesamtmobilität, des aktuellen Untersuchungsergebnisses mit guter Beweglichkeit sämtlicher Gelenke der unteren Extremitäten ergibt sich unter der derzeitigen analgetischen Behandlung (Dronabinol, Dulasolan, Noax uno 100mg 1x1) kein Hinweis auf höhergradige Schmerzzustände, welche das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke von 300 – 400 m, das Überwinden von Niveauunterschieden und das Benützen öffentlicher Verkehrsmittel erheblich erschweren könnten.

Ad 10) Stellungnahme zu einer allfälligen zum angefochtenen Gutachten vom 08.03.2019 abweichende Beurteilung.

Keine abweichende Beurteilung zu Gutachten vom 08.03.2019.

Ad 11) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.“

13. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.10.2019 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

14. In einer Stellungnahme dazu führte die Beschwerdeführerin aus, dass sie Gutachten vorgelegt habe, aus denen hervorgehe, dass es ihr nicht zumutbar sei, 300 Meter zu gehen. Sie ersuchte um Untersuchung durch einen unabhängigen Neurologen.

15. Das Bundesverwaltungsgericht holte in der Folge ein Sachverständigengutachten eines bisher nicht befassten Facharztes für Neurologie und Psychiatrie ein. In dem – auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin am 07.01.2020 erstatteten – Gutachten vom selben Tag wurde Folgendes auszugsweise angeführt (ergänzt um die Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

„[…]

Subjektive derzeitige Beschwerde: Es werden Schmerzen in der linken Körperhälfte angegeben.

[…]

Neurostatus:

Die Hirnnerven sind unauff., die Optomotorik ist intakt, an den oberen Extremitäten bestehen re keine Paresen, li leichtes Pronieren, Feinmotorikstörung.

Die Muskeleigenreflexe sind linksbetont übermittellebhaft auslösbar, die Koordination ist re intakt, li etwas dysmetrisch an den unteren Extremitäten bestehen keine Paresen. Zehenspitzen/Fersen/Einbeinstand bds. möglich, die Muskeleigenreflexe sind linksbetont übermittellebhaft auslösbar.

Die Pyramidenzeichen sind an den oberen und unteren Extremitäten links pos., das Gangbild ist ohne Hilfsmittel im Raum möglich, geht sonst mit 2 Krücken, am Gang relativ flüssig.

Die Sensibilität wird in der gesamten linken Körperhälfte als gestört angegeben (Dysästhesien).

Psychiatrischer Status:

Örtlich, zeitlich, zur Person und situativ ausreichend orientiert, keine Antriebsstörung, Auffassung regelrecht, Affekt ausgeglichen, Stimmungslage dysthym, Somatisierungsneigung, in beiden Skalenbereichen affizierbar, Durchschlafstörung, keine produktive Symptomatik, keine Suizidalität.

1.) Die fachbezogenen dauernden Gesundheitsschädigungen der Beschwerdeführerin sind als Diagnoseliste anzuführen

1. Zustand nach Stammganglienblutung mit linksseitigen Dysästhesien;

2. Zustand nach Umstellungsosteotomie li Kniegelenk; 

3. Hypertonie.

2.) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Aus nervenärztlicher Sicht: Nein. Es liegen keine maßgeblichen motorischen Defizite der unteren Extremitäten vor. Die Schmerzzustände können nur indirekt erfasst werden. Auf Grund der relativ guten Beweglichkeit sind höhergradige Schmerzzustände unter der Therapie (Dulasolan 120mg) nicht objektivierbar.

3.) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Aus nervenärztlicher Sicht: Nein.

4.) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Aus nervenärztlicher Sicht: Nein.

5.) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Aus nervenärztlicher Sicht: Nein.

6.) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Aus nervenärztlicher Sicht: Nein.

7.) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen der Beschwerde (Abl. 22) und des Vorlageantrages (Abl. 30) sowie der Stellungnahme vom 08.11.2019 (OZ 8) erhobenen fachbezogenen Einwendungen.

Abl. 22: Keine Änderung der Einschätzung, da die Schmerzzustände nur indirekt erfasst werden können. Auf Grund der relativ guten Beweglichkeit sind höhergradige Schmerzzustände unter der Therapie (Dulasolan 120mg) nicht objektivierbar.

Abl.30 siehe oben

OZ 8. siehe oben

8.) Ausführliche Stellungnahme zu den im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten Befunden (Abl. 12-15, 21, 28-29) und allfälligen zur Untersuchung mitgebrachten Befunden.

Abl. 12-15, 21, 28-29: Keine Änderung der Einschätzung, da keine maßgeblichen motorischen Defizite der unteren Extremitäten vorliegen. Die Schmerzzustände können nur indirekt erfasst werden. Auf Grund der relativ guten Beweglichkeit sind höhergradige Schmerzzustände unter der Therapie (Dulasolan 120mg) nicht objektivierbar. Laut FA Dr. XXXX besteht auch eine depressive Anpassungsstörung, für die es Therapieoptionen gibt.

9.) Bitte um Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

a) der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen

b) der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Ausstiegmöglichkeit

c) der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen

d) der Schwierigkeiten beim Stehen

e) der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche

f) der Schwierigkeit bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt – Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?

g) Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?

Es liegen keine Funktionseinschränkungen aus nervenärztlicher Sicht vor, die das Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke (300 – 400m), das Ein und Aussteigen bei den üblichen Niveauunterschieden ohne fremde Hilfe oder die Beförderung in einem öffentlichen Verkehrsmittel erheblich erschweren. Mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel sind keine zusätzlichen Schmerzzustände verbunden.

10.) Stellungnahme zu einer allfälligen zum Gutachten DDr. XXXX vom 07.10.2019 abweichenden Beurteilung.

Keine Änderung im Vergleich zum Vorgutachten, da eine Verschlechterung der Funktionsausfälle klinisch und befundmäßig nicht objektiviert werden kann.

11.) Feststellung ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist.

Dauerzustand.“

16. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 03.02.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über das Ergebnis der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs die Gelegenheit eingeräumt, binnen drei Wochen eine Stellungnahme abzugeben. Weiters wurde in diesem Zusammenhang erneut mitgeteilt, dass das Bundesverwaltungsgericht in Aussicht nehme, über die Beschwerde ohne Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung aufgrund der Aktenlage zu entscheiden, sofern eine mündliche Verhandlung vor Gericht nicht ausdrücklich beantragt wird.

17. In ihrer Stellungnahme dazu wiederholte die Beschwerdeführerin ihr bisheriges Vorbringen und führte zusammengefasst im Wesentlichen aus, dass sie sich völlig unverstanden fühle. Sie wohne am Land und habe nicht die Möglichkeit, zum Bahnhof zu kommen, da dieser 1,5 km entfernt sei. Somit müsste sie wegziehen, damit sie öffentliche Verkehrsmittel nützen könne.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin ist seit 08.03.2019 Inhaberin eines bis 28.02.2021 befristeten Behindertenpasses mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H.

Die Beschwerdeführerin stellte am 23.01.2018 einen Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO, welcher von der belangten Behörde auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilita?tseinschra?nkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gewertet wurde.

Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1) Zustand nach Stammganglienblutung mit linksseitigen Parästhesien ohne höhergradigen Schmerzen,

2) Zustand nach Umstellungsosteotomie im linken Kniegelenk,

3) Bluthochdruck.

Hinsichtlich der bei der Beschwerdeführerin festgestellten Gesundheitsschädigungen, ihrer Art und Schwere sowie ihrer Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel werden die diesbezüglichen Beurteilungen im unfallchirurgischen bzw. allgemeinmedizinischen Sachverständigengutachten vom 07.10.2019 sowie im neurologischen Sachverständigengutachten vom 07.01.2020 der nunmehrigen Entscheidung zugrunde gelegt.

Es bestehen neuropathische Schmerzen mit Gefühlsstörungen, teilweise auftretenden Krämpfen und Berührungsempfindlichkeit sowie ein Zustand nach Umstellungsosteotomie im linken Kniegelenk. Bei unauffälligem Gangbild ohne Beeinträchtigungen oder Gleichgewichtsstörung und bei freier Beweglichkeit aller Gelenke der unteren Extremitäten ohne relevantes sensomotorisches Defizit besteht ausreichende Stand- und Gangsicherheit. Die Beschwerdeführerin ist in der Lage, eine Strecke von 300 bis 400 Metern zurückzulegen und Niveauunterschiede zu überwinden sowie in und aus einem öffentlichen Verkehrsmittel zu steigen.

Die bei der Untersuchung durch eine Fachärztin für Neurologie im Verwaltungsverfahren vorgebrachte akustische Lärmbelästigung bei Fahrten in den öffentlichen Verkehrsmitteln wurde bei den Untersuchungen durch eine Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin bzw. einen Facharzt für Psychiatrie und Neurologie im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr vorgebracht.

Im Bereich der oberen Extremitäten liegen trotz Feinmotorikstörung links keine erheblichen Einschränkungen vor, auf beiden Seiten sind ausreichend Kraft und Beweglichkeit zum Anhalten in einem öffentlichen Verkehrsmittel vorhanden.

Es bestehen auch trotz Bluthochdrucks keine Hinweise auf das Vorliegen einer erheblichen Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit oder einer hochgradigen Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit. Ebenso wenig liegt bei der Beschwerdeführerin eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor.

Im Ergebnis ist festzustellen, dass die Beschwerdeführerin trotz bestehenden neuropathischen Schmerzen mit Gefühlsstörungen, teilweise auftretenden Krämpfen und Berührungsempfindlichkeit der linken Körperhälfte sowie Umstellungsosteotomie im linken Kniegelenk in der Lage ist, kurze Wegstrecken, entsprechend einer Entfernung von rund 300 bis 400 Metern, aus eigener Kraft und ohne fremde Hilfe zurückzulegen. Das Ein- und Aussteigen in ein öffentliches Verkehrsmittel sowie das Bewältigen von Niveauunterschieden und Hindernissen sind der Beschwerdeführerin möglich. An den beiden oberen Extremitäten bestehen – trotz Feinmotorikstörung links – keine erheblichen funktionsbeeinträchtigenden Einschränkungen der Beweglichkeit, Motorik oder Sensibilität, sodass ein festes Anhalten und ein sicherer Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel gegeben sind. Auch die Sitzplatzsuche und die notwendige Fortbewegung innerhalb eines öffentlichen Verkehrsmittels können bewältigt werden. Unter Berücksichtigung der klinischen Untersuchung, der Funktionseinschränkungen, des objektivierbaren flüssigen und sicheren Gangbildes sowie der etablierten Maßnahmen zur Behandlung der bestehenden Schmerzsymptomatik ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar. Die Schmerzsymptomatik erschwert die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht auf erhebliche Weise. Zudem bestehen Therapiereserven im Sinne einer derzeit laufenden medikamentösen Optimierung in einer Schmerzambulanz.

Hinweise auf schwere Schmerzzustände, die speziell mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einhergehen, konnten angesichts der derzeitigen analgetischen Behandlung, der relativ guten Beweglichkeit und des unauffälligen Gangbildes nicht festgestellt werden.

Der sichere und gefährdungsfreie Transport in öffentlichen Verkehrsmitteln – auch während der Fahrt – ist gewährleistet.

Insgesamt spricht unter Berücksichtigung der gesundheitlichen Einschränkungen der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht nichts gegen die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Ausstellung eines Behindertenpasses, zum Zeitpunkt der Einbringung des Antrages und dessen Wertung ergeben sich aus dem Akteninhalt.

2.2. Die Feststellungen zu den bestehenden Leidenszusta?nden sowie zum Nichtvorliegen erheblicher – die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender – Funktionseinschra?nkungen gründen sich auf das unfallchirurgische bzw. allgemeinmedizinische Sachverständigengutachten vom 07.10.2019 sowie das neurologische Sachverständigengutachten vom 07.01.2020, welche jeweils nach persönlicher Untersuchung der Beschwerdeführerin ergingen und mit dem erstellten Untersuchungsbefund übereinstimmen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen in den Gutachten verwiesen).

Von den Sachverständigen wurden die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten Befunde einbezogen, die im Übrigen nicht in Widerspruch zur gutachterlichen Beurteilung stehen und kein höheres Funktionsdefizit dokumentieren, als anlässlich der Begutachtungen festgestellt wurde. In den Gutachten vom 07.10.2019 und vom 07.01.2020 wurde auf die Art und Schwere der Leiden der Beschwerdeführerin sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen. Seitens der Sachverständigen wurde unter Berücksichtigung der festgestellten Leidenszustände übereinstimmend nachvollziehbar dargelegt, warum der Beschwerdeführerin aus medizinischer Sicht die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar ist.

Anhand der Art und Schwere der festgestellten Gesundheitsschädigungen konnten beiden Gutachten zufolge weder erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit, der psychischen oder intellektuellen Fähigkeiten und Funktionen noch eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems objektiviert werden.

Die Einwendungen im Rahmen der Beschwerde, des Vorlageantrages und der Stellungnahmen waren insgesamt nicht geeignet, den vorliegenden Sachverständigenbeweis in Zweifel zu ziehen und eine Änderung des Ermittlungsergebnisses herbeizuführen, zumal diese mittels einer ihrerseits schlüssigen Begründung von den Sachverständigen in fachlicher Hinsicht entkräftet wurden. Befunde, die im Widerspruch zu den Ergebnissen der Gutachten stehen, wurden nicht vorgelegt. Insbesondere konnten die von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten starken Schmerzen bei Benützung der öffentlichen Verkehrsmittel anhand der Befunde und der klinischen Untersuchungen durch insgesamt drei Fachärzte für Neurologie sowie eine Fachärztin für Unfallchirurgie und Ärztin für Allgemeinmedizin nicht objektiviert werden.

Die Beschwerdeführerin, der es der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge freigestanden wäre, durch Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen ihrer Wahl die getroffenen Einschätzungen der Sachverständigen zu entkräften, ist dem Sachverständigengutachten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten. Zu den von der Beschwerdeführerin vorgelegten Befunden, die eine mögliche Gehstrecke von über 300 Metern verneinen, ist auszuführen, dass die vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Gutachten ein aktuelleres Bild des Gesundheitszustandes abbilden und darüber hinaus in diesen Befunden nicht die Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen samt Erläuterungen dazu herangezogen wurde, welche jedoch im gegebenen Zusammenhang maßgeblich sind.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen folglich keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit der vorliegenden Sachverständigengutachten vom 07.10.2019 sowie 07.01.2020. Diese wurden von der Beschwerdeführerin auch nicht mehr substantiiert bestritten. Diese werden daher in freier Beweiswürdigung der Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

3.2. Zur Wertung des Antrags vom 25.03.2019 auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO auch als Antrag Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass ist zunächst auf die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen.

Demnach ist bei der Beurteilung von Parteienanbringen grundsätzlich das erkennbare oder zu erschließende Ziel des Parteischrittes maßgebend und es kommt darauf an, wie die Erklärung unter Berücksichtigung der konkreten gesetzlichen Regelung, des Verfahrenszweckes und der vorliegenden Aktenlage objektiv verstanden werden muss, wobei Parteienerklärungen im Zweifel nicht so auszulegen sind, dass ein von vornherein aussichtsloses Rechtsschutzbegehren unterstellt wird (VwGH 24.07.2008, 2008/07/0060 mwH).

Dabei sind Parteienerklärungen im Zweifel so auszulegen, dass die sie abgebende Partei nicht um ihren Rechtsschutz gebracht wird (VwGH 19.05.1994, 92/07/0070), und es ist der Behörde nicht gestattet, einem unklaren Antrag von vornherein einen für den Antragsteller ungünstigen Inhalt zu unterstellen (VwGH 16.12.1992, 89/12/0146). In einem solchen Fall hat die Behörde vielmehr von Amts wegen den wahren Willen der Partei und damit den Gegenstand des Anbringens von Amts wegen zu ermitteln und klarzustellen (VwGH 27.07.1994, 90/10/0046).

Im vorliegenden Fall wurde von der Beschwerdeführerin am 25.03.2019 ein Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises gemäß § 29b StVO eingebracht.

Dieses Anbringen wurde von der belangten Behörde – wie sich zweifelsfrei aus dem angefochtenen Bescheid ergibt – auch als Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gewertet. Im Übrigen findet sich diesbezüglich im Antragsformular ein ausdrücklicher Hinweis (vgl. dazu Punkt I.2.).

Nach Ansicht des erkennenden Gerichtes wurde die Beurteilung des Parteienanbringens seitens der belangten Behörde schon deshalb in nachvollziehbarer Weise vorgenommen, weil die Beschwerdeführerin mit ihrer Eingabe erkennbar das Ziel verfolgt hat, letztlich in den Genuss der Berechtigungen nach § 29b Abs. 2 bis 4 StVO zu kommen. Angesichts des Umstandes, dass dies ausschließlich Inhabern eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz möglich ist, die bereits über die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ verfügen, wurde das Anbringen seitens der belangten Behörde im Lichte einer rechtsschutzfreundlichen und für das Ziel der Beschwerdeführerin günstigen Weise ausgelegt.

Die Beschwerdeführerin ist der Wertung ihres Anbringens – ausweislich des Verwaltungsaktes – weder im vorangegangenen Verwaltungsverfahren noch im Rahmen der Beschwerde bzw. des Vorlageantrages entgegengetreten.

Die Behörde konnte daher zu Recht davon ausgehen, dass das Anbringen der Beschwerdeführerin vom 25.03.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass und letztlich auf die Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO gerichtet war.

Ausgehend von dieser Wertung des Anbringens durch die belangte Behörde ist aus Sicht des erkennenden Gerichtes allerdings nicht nachvollziehbar, dass über den Antrag auf Ausstellung eines Parkausweises nach § 29b StVO nicht (auch) abgesprochen wurde.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.3. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

[…]“

„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

[…]“

„§ 46. Die Beschwerdefrist beträgt abweichend von den Vorschriften des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes, BGBl. I Nr. 33/2013, sechs Wochen. Die Frist zur Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung beträgt zwölf Wochen. In Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht dürfen neue Tatsachen und Beweismittel nicht vorgebracht werden.“

„§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

3.4. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

„§ 1. [...]

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

[...]

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

- erhebliche Einschra?nkungen der Funktionen der unteren Extremita?ten

- erhebliche Einschra?nkungen der ko?rperlichen Belastbarkeit oder

- erhebliche Einschra?nkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fa?higkeiten, Funktionen oder

- eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

- eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

[…]“

3.5. In den Erläuterungen zur Stammfassung der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen wird hinsichtlich der hier maßgeblichen Bestimmung des § 1 Abs. 4 Z 3 (vormals: § 1 Abs. 2 Z 3) – soweit relevant – insbesondere Folgendes ausgeführt:

„Zu § 1 Abs. 2 Z 3:

Mit der vorliegenden Verordnung sollen präzisere Kriterien für die Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel festgelegt werden. Die durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes bisher entwickelten Grundsätze werden dabei berücksichtigt.

Die Voraussetzung des vollendeten 36. Lebensmonats wurde deshalb gewählt, da im Durchschnitt auch ein nicht behindertes Kind vor dem vollendeten 3. Lebensjahr im Zusammenhang mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Wegstrecken nicht ohne Begleitung selbständig gehen kann.

Grundsätzlich ist eine Beurteilung nur im Zuge einer Untersuchung des Antragstellers/der Antragstellerin möglich. Im Rahmen der Mitwirkungspflicht des Menschen mit Behinderung sind therapeutische Möglichkeiten zu berücksichtigen. Therapierefraktion - das heißt keine therapeutische Option ist mehr offen - ist in geeigneter Form nachzuweisen. Eine Bestätigung des Hausarztes/der Hausärztin ist nicht ausreichend.

Durch die Verwendung des Begriffes ‚dauerhafte Mobilitätseinschränkung' hat schon der Gesetzgeber (StVO-Novelle) zum Ausdruck gebracht, dass es sich um eine Funktionsbeeinträchtigung handeln muss, die zumindest 6 Monate andauert. Dieser Zeitraum entspricht auch den grundsätzlichen Voraussetzungen für die Erlangung eines Behindertenpasses.

Nachfolgende Beispiele und medizinische Erläuterungen sollen besonders häufige, typische Fälle veranschaulichen und richtungsgebend für die ärztlichen Sachverständigen bei der einheitlichen Beurteilung seltener, untypischer ähnlich gelagerter Sachverhalte sein. Davon abweichende Einzelfälle sind denkbar und werden von den Sachverständigen bei der Beurteilung entsprechend zu begründen sein.

Die Begriffe ‚erheblich' und ‚schwer' werden bereits jetzt in der Einschätzungsverordnung je nach Funktionseinschränkung oder Erkrankungsbild verwendet und sind inhaltlich gleichbedeutend.

Unter erheblicher Einschränkung der Funktionen der unteren Extremitäten sind ungeachtet der Ursache eingeschränkte Gelenksfunktionen, Funktionseinschränkungen durch Erkrankungen von Knochen, Knorpeln, Sehnen, Bändern, Muskeln, Nerven, Gefäßen, durch Narbenzüge, Missbildungen und Traumen zu verstehen.

Zusätzlich vorliegende Beeinträchtigungen der oberen Extremitäten und eingeschränkte Kompensationsmöglichkeiten sind zu berücksichtigen. Eine erhebliche Funktionseinschränkung wird in der Regel ab einer Beinverkürzung von 8 cm vorliegen.

Erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit betreffen vorrangig cardiopulmonale Funktionseinschränkungen. Bei den folgenden Einschränkungen liegt jedenfalls eine Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vor:

- arterielle Verschlusskrankheit ab II/B nach Fontaine bei fehlender therapeutischer Option

- Herzinsuffizienz mit hochgradigen Dekompensationszeichen

- hochgradige Rechtsherzinsuffizienz

- Lungengeru?sterkrankungen unter Langzeitsauerstofftherapie

- COPD IV mit Langzeitsauerstofftherapie

- Emphysem mit Langzeitsauerstofftherapie

- mobiles Gerät mit Flüssigsauerstoff muss nachweislich benützt werden .

Erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Funktionen umfassen im Hinblick auf eine Beurteilung der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel folgende Krankheitsbilder:

- Klaustrophobie, Soziophobie und phobische Angststörungen als Hauptdiagnose nach ICD 10 und nach Ausschöpfung des therapeutischen Angebotes und einer nachgewiesenen Behandlung von mindestens 1 Jahr,

- hochgradige Entwicklungsstörungen mit gravierenden Verhaltensauffa?lligkeiten,

- schwere kognitive Einschränkungen, die mit einer eingeschränkten Gefahreneinschätzung des öffentlichen Raumes einhergehen,

- nachweislich therapierefrakta?res, schweres, cerebrales Anfallsleiden – Begleitperson ist erforderlich.

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, die eine Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen signifikanter Infektanfälligkeit einschränkt, liegt vor bei:

- anlagebedingten, schweren Erkrankungen des Immunsystems (SCID – sever combined immundeficiency),

- schweren, hämatologischen Erkrankungen mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit (z.B: akute Leukämie bei Kindern im 2. Halbjahr der Behandlungsphase, Nachuntersuchung nach Ende der Therapie),

- fortgeschrittenen Infektionskrankheiten mit dauerhaftem, hochgradigem Immundefizit,

- selten auftretenden chronischen Abstoßungsreaktionen nach Nierentransplantationen, die zu zusätzlichem Immunglobulinverlust führen.

Bei Chemo- und/oder Strahlentherapien im Rahmen der Behandlung onkologischer Erkrankungen kommt es im Zuge des zyklenhaften Therapieverlaufes zu tageweisem Absinken der Abwehrkraft. Eine anhaltende Funktionseinschränkung resultiert daraus nicht.

Anzumerken ist noch, dass in dieser kurzen Phase die Patienten in einem stark reduzierten Allgemeinzustand sind und im Bedarfsfall ein Krankentransport indiziert ist.

Bei allen frisch transplantierten Patienten kommt es nach einer anfänglichen Akutphase mit hochdosierter Immunsuppression, nach etwa 3 Monaten zu einer Reduktion auf eine Dauermedikation, die keinen wesentlichen Einfluss auf die Abwehrkräfte bei üblicher Exposition im öffentlichen Raum hat.

[...]“

3.6. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; VwGH 27.01.2015, 2012/11/0186; VwGH 01.03.2016, Ro 2014/11/0024; VwGH 21.06.2017, Ra 2017/11/0040, je mwN).

Ein Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob die Antragstellerin dauernd an ihrer Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit der Beschwerdeführerin zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheiden

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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