TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/9 W238 2228066-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §40
BBG §41
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

W238 2228066-1/24E

W238 2228067-1/24E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Claudia MARIK als Vorsitzende und die Richterin Mag. Julia JERABEK sowie die fachkundige Laienrichterin Mag. Bettina PINTER als Beisitzerinnen über die Beschwerden von XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Herbert POCHIESER, Schottenfeldgasse 2-4/23, 1070 Wien, 1. gegen den Behindertenpass, OB XXXX , ausgestellt am 06.12.2019 vom Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, in dem ein Grad der Behinderung von fünfzig von Hundert (50 v.H.) festgestellt wurde, und 2. gegen den Bescheid des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 05.12.2019, OB XXXX , betreffend Abweisung des Antrags auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass zu Recht erkannt:

A)       I. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG sowie gemäß §§ 40 Abs. 1 und 2, 41 Abs. 1, 42 Abs. 1 und 2, 45 Abs. 1 und 2 BBG stattgegeben und der angefochtene Behindertenpass dahingehend abgeändert, dass der Grad der Behinderung ab 12.03.2019 siebzig von Hundert (70 v.H.) beträgt.

II. Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG sowie gemäß § 42 Abs. 1 BBG und § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 05.12.2019 dahingehend abgeändert, dass dem Antrag vom 12.03.2019 auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass Folge gegeben wird.

B)       Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG (jeweils) nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die nunmehrige Beschwerdeführerin verfügte ab 16.08.2018 über einen bis 31.05.2019 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Am 12.03.2019 stellte sie unter Vorlage medizinischer Beweismittel einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass bzw. auf Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Ungültigkeit ab 01.06.2019 mit der Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis).

2. Daraufhin holte das Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (im Folgenden als belangte Behörde bezeichnet), ein auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstelltes Sachverständigengutachten eines Facharztes für Orthopädie vom 07.04.2019 ein. Darin wurde mit näherer Begründung erneut ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt und das (weitere) Vorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ verneint.

3. Nach Einbringung einer ergänzenden Stellungnahme seitens der Beschwerdeführerin vom 24.04.2019 und einer weiteren Stellungnahme vom 12.06.2019 samt Befunden erstattete der bereits befasste Facharzt für Orthopädie gutachterliche Stellungnahmen vom 08.05.2019 und vom 11.07.2019, in denen dieser unter Berücksichtigung der Einwendungen der Beschwerdeführerin an der bisherigen Einschätzung festhielt.

4. Am 17.11.2019 legte die Beschwerdeführerin ein von ihr in Auftrag gegebenes Gutachten eines Sachverständigen für Neurochirurgie vom 10.10.2019 vor, in dem die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ und in weiterer Folge die Ausstellung eines Parkausweises mit näherer Begründung als gerechtfertigt angesehen wurde.

5. In der Folge holte die belangte Behörde ein Sachverständigengutachten einer Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie auf Basis einer weiteren Untersuchung der Beschwerdeführerin vom 03.12.2019 ein. Auch in diesem Gutachten wurde ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt und das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ verneint.

6. Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 06.12.2019 wurde der Beschwerdeführerin ein unbefristeter Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. ausgestellt.

7. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.12.2019 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass gemäß §§ 42 und 45 BBG abgewiesen. Begründend stützte sich die belangte Behörde im Bescheid auf die Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens, wonach die Voraussetzungen für die beantragte Zusatzeintragung nicht gegeben seien. Dem Bescheid wurde das medizinische Sachverständigengutachten vom 03.12.2019 als Beilage angeschlossen.

Am Ende des Bescheides wurde angemerkt, dass ein Ausweis nach § 29b StVO nicht ausgestellt werden könne, da die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ nicht vorliegen würden.

8. Gegen den im Behindertenpass festgestellten Grad der Behinderung und den Bescheid betreffend Abweisung der Zusatzeintragung erhob die Beschwerdeführerin fristgerecht (im Wesentlichen gleichlautende) Beschwerden. Darin wurde insbesondere gerügt, dass ihre Angaben bei der Anamnese in den Gutachten verkürzt dargestellt und ein Teil der von ihr vorgelegten Befunde sowie das von ihr in Auftrag gegebene Gutachten nicht berücksichtigt worden seien, weshalb die Diagnosen „Skoliose, Gleitwirbel L1/L2 und L2/L3“ und „WAD – whiplash associated disorders“ der Beurteilung nicht zugrunde gelegt worden seien. Das zuletzt genannte Leiden gehe mit Erbrechen bzw. quälendem Brechreiz einher, sodass es der Beschwerdeführerin nicht zumutbar sei, öffentliche Verkehrsmittel zu benützen. Sie sei dauerhaft auf Therapien angewiesen. Entgegen der Auffassung der behördlich beigezogenen Sachverständigen sei ihr die Benützung von Haltegriffen in öffentlichen Verkehrsmitteln nicht möglich. Sie könne zwar grundsätzlich kurze Wegstrecken bewältigen, jedoch sei dies bei schwankendem Grund wie etwa in öffentlichen Verkehrsmitteln differenziert zu betrachten. Die Beschwerdeführerin beantragte unter Verweis auf die Unschlüssigkeit der eingeholten Gutachten die Aufhebung der angefochtenen Bescheide.

9. Die Beschwerden und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht seitens der belangten Behörde jeweils am 28.01.2020 vorgelegt.

10. Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes wurde eine Begutachtung der Beschwerdeführerin durch einen bisher nicht befassten Arzt für Allgemeinmedizin (und Facharzt für Urologie) veranlasst. In dem daraufhin auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstatteten Gutachten vom 06.10.2020 wurde auszugsweise Folgendes ausgeführt (Wiedergabe ergänzt um die zugehörigen Fragestellungen des Bundesverwaltungsgerichtes):

„Status:

Größe: 1,60 m, Gewicht: 60 kg

guter AZ, guter EZ

Klinischer Status – Fachstatus:

Kopf, Hals:

Caput: unauffällig.

Collum: reizlose Narbe an der Halsvorderseite, im Nacken eine 22 cm lange etwas verbreiterte blässliche Narbe entlang der HWS verlaufend, hier deutliche Atrophie der Muskulatur, sowohl paranuchal als auch der Supraspinatusmuskulatur, links ausgeprägter als rechts, auch deutliche Atrophie des Kopfwenders bds.

Stamm:

Der Thorax symmetrisch, seitengleich belüftet, verlängerte Vesikuläratmung über beiden Lungen, etwas tachypnoeisch, Herzaktion rhythmisch, normfrequent, leises Systolikum 2. ICR rechts, die Bauchdecken weich, nicht druckschmerzhaft, ohne pathologische Resistenzen.

Obere Extremitäten:

Rechtsdominanz, geringer Schulterschiefstand links -1 cm, auffällig ist eine hervorspringende Trapeziusfalte bds., die Claviculargrube eingefallen (wie Flügelhals), der Schürzen- Nackengriff ausführbar, Muskelmantel: OA-Umfang an der dicksten Stelle bds. 29 cm, UA-Umfang an der dicksten Stelle rechts 24 cm und links 23 cm, Handgelenk rechts 16 cm und links 15 cm, gute Kraftentwicklung im Schulter-, Ellenbogen- und Handgelenksbereich, die Handkraft beidseitig etwas abgeschwächt, der Faustschluss links weniger kräftig, auffällig ist ein feinschlägiger Tremor, links ausgeprägter als rechts, Palmarerythem bds.

Zwischenfingermuskulatur wirkt atroph bds., die erste Zwischenfingerfalte links weiter eingefallen als rechts, mäßig polyarthrotisch veränderte Fingergelenke.

Untere Extremitäten:

Becken steht gerade, OSCH-Muskulatur mittleres Drittel links 50 cm und rechts 51 cm, USCH an der dicksten Stelle 34 cm bds., die Muskulatur bds. mäßig kräftig ausgeprägt, Cutis marmorata auf der linken Seite, Beweglichkeit im Hüftgelenk bds. in S 0-0-100, Rotation nicht eingeschränkt, die Kniegelenke bds. etwas verdickt wirkend, kein i.a. Erguss, Beweglichkeit in S 0-0-130, bandstabil, Sprunggelenke altersentsprechend beweglich, Knick-Senkfußbildung bds., links etwas ausgeprägter, Zehenbeweglichkeit erhalten, Durchblutung i.O. 

Wirbelsäule:

rechts-links-skoliotische Achsenabweichung der WS, verstärkte Brustkyphose, Streckhaltung LWS und BWS, deutliche Atrophie der paranuchalen Muskulatur etwa bis Höhe Spina scapulae, im LWS-Bereich und Thorakalbereich die Muskulatur mäßig kräftig ausgeprägt, nicht druckdolent aber deutlicher Hartspann, Tannenbaumphänomen, Kopfrotation nach rechts 40° und nach links 30°, Kopfneigung nur Wackelbewegungen möglich, KJA 7/14 cm, FBA ca. 10 cm, Schober 10/13, OTT 30/31, Rumpfdrehung und -seitneigung endlagig eingeschränkt.

Neurologie:

MER: der Radiusperiost bds. lebhaft auslösbar, der Bizepssehnenreflex und der Trizepssehnenreflex mäßig kräftig auslösbar, der PSR seitengleich auslösbar, der ASR links nicht auslösbar und rechts gut auslösbar, Gefühlsstörung ulnare Außenseite des Unterarms und 4. und 5. Strahl links, hier Par- und Dysästhesien, auch am Rist des linken Fußes Gefühlsstörungen.

Gesamtmobilität – Gangbild:

Trägt Konfektionsschuhe (Turnschuhe), hiermit das Gangbild sicher und flüssig, der Zehen- und Fersenstand unsicher, Einbeinstand bds. ebenfalls unsicher, jedoch ohne Anhalten durchführbar, betritt die Ordination in Begleitung des Ehemanns, dieser trägt die Taschen. Sie selbst trägt nur eine Handtasche. Es wird ein Schal getragen, Sonnenbrillen, das Gangbild relativ flüssig mit den Konfektionsschuhen, das An- und Auskleiden ist großteils selbstständig möglich, das Ankleiden der Jacke mit Hilfe des Ehemannes, das Ausziehen der Bluse mit über den Kopf ziehen relativ mühsam, Bewegungsabläufe relativ rasch, aber doch vor allem Kopfbewegungen oder bei Einsatz der Halsmuskulatur von Schmerzäußerungen begleitet.

Psycho(patho)logischer Status:

Allseits orientiert, der Gedankengang nachvollziehbar, die Stimmung im Normbereich, der Affekt stabil, die Affizierbarkeit im positiven Skalenbereich etwas reduziert, berichtet wird über soziale Rückzugstendenz. Unter Leute gehe sie mit nur Schal, weil sie ‚die Flügel am Hals‘ hässlich finde.

Beantwortung des Fragenkatalogs:

I. a) Grad der Behinderung:

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Pos.Nr.

GdB %

1

Wirbelsäule – Funktionseinschränkung schweren Grades

Wahl dieser Position, mit dem unteren Rahmensatz bei degenerativen Veränderungen im Sinne einer Kyphoskoliose und Zustand nach Versteifung der Wirbelsäulensegmente von

C4 bis Th3 mit entsprechend erheblicher Bewegungseinschränkung.

02.01.03

50

2

Chronisches Schmerzsyndrom

Wahl dieser Position mit dem oberen Rahmensatz bei fortgesetzter Opiattherapie ohne ausreichende Schmerzcoupierung, fassbarer affektiver Begleitreaktion – Berücksichtigung finden hier auch die situationsspezifisch auftretenden Schwindelattacken.

04.11.02

40

3

Leberzirrhose

Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz, da kein Hinweis für Ösophagus bzw. Fundusvarizen, derzeit stabil bei Zustand nach Dekompensation.

07.05.04

30

4

Bluthochdruck

Fixer Rahmensatz.

05.01.01

10

5

Funktionseinschränkung Finger

Wahl dieser Position mit dem unteren Rahmensatz bei degenerativen Veränderungen an mehreren Fingergelenken bei jedoch global gut erhaltener Handfunktion.

02.06.01

[Anm.: richtig: 02.06.26]

10

6

Endokrine Störung leichte Grades

Wahl dieser Position bei medikamentös gut kompensierbarer

Schilddrüsenunterfunktion.

09.01.01

10

Keinen Grad der Behinderung erreichen folgende Leiden:

1. Restless legs Syndrom, da medikamentös gut behandelbar.

2. Fußfehlstellung, da durch Hilfsmittel (Schuheinlagen, Schuhzurichtung) kompensierbar und das zivilisatorische Ausmaß nicht übersteigend.

I. b) Einschätzung und Begründung des Gesamtgrades der Behinderung:

Gesamtgrad der Behinderung: 70 %

Es erfolgt [insgesamt] eine Erhöhung um zwei Stufen, da Leiden 2 (chronisches Schmerzsyndrom) eine erhebliche Ausprägung mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen aufweist, diese bei Leiden 1 noch nicht ausreichend berücksichtigt ist und somit eine Erhöhung um eine Stufe gerechtfertigt ist. Leiden 3 weist aufgrund der Einschränkungen in der Wahl der Schmerzmedikation eine wesentliche wechselseitige Leidensbeeinflussung mit den Leiden 1 und 2 auf und bedingt daher eine Erhöhung um eine weitere Stufe. Die Leiden 4, 5 und 6 weisen nur eine geringe funktionelle Relevanz mit wenig ausgeprägten Einschränkungen im Alltagsleben auf und führen deswegen zu keiner weiteren Erhöhung.

I. c) Stellungnahme, ab wann der Gesamtgrad der Behinderung anzunehmen ist:

Der Gesamtgrad der Behinderung ist ab Antragsstellung anzunehmen.

I. d) Fachspezifische Stellungnahme zu den im Verfahren vorgelegten Unterlagen:

Bezugnehmend auf das orthopädische Gutachten (Abl. 85-87) ist festzuhalten, dass nun eine differente Aufschlüsselung der orthopädischen Leiden erfolgt, wobei die Schmerz- und Schwindelsymptomatik gesondert berücksichtigt wird. Die vorgeschlagene Einschätzung eines Fußleidens mit 30 % ist aufgrund der Vorgaben des Handbuchs für ärztliche Sachverständige zur Einschätzungsverordnung nicht gegeben, da die Fehlstellungen prinzipiell durch Einlagengebrauch bzw. entsprechende Schuhzurichtung kompensierbar wären, diese jedoch, obwohl anamnestisch vorhanden, keine Verwendung finden. Auch wird diesbezüglich von der Beschwerdeführerin kein Leidensdruck geltend gemacht. Auch hinsichtlich der Einschränkung der Handfunktion durch die Daumensattelgelenksarthosen ergibt sich kein Behinderungsgrad von 30 %, da die Funktionseinschränkung nicht derart ausgeprägt ist. So sieht das Handbuch für ärztliche Sachverständige zur Einschätzungsverordnung für eine Versteifung eines Daumengelenkes in günstiger Stellung einen Behinderungsgrad von 10 % vor. Die daraus resultierende Funktionseinschränkung kann man in etwa in Relation zu der durch die Daumensattelgelenksarthrosen der Beschwerdeführerin resultierenden setzen.

Hinsichtlich des neurochirurgischen Gutachtens (Abl. 46-69) wird durch die oben angeführte Einschätzung der Beschwerdesymptomatik, die sich durch das Wirbelsäulenleiden ergibt, durch die Wahl der Positionsnummern 1 und 2 sowie durch die entsprechende Rahmensatzwahl nun ausreichend Rechnung getragen.

I. e) Fachspezifische Stellungnahme zu zur Untersuchung mitgebrachten Befunden:

Der zur Untersuchung mitgebrachte Befund (Medikamentenliste) wurde eingesehen und entsprechend berücksichtigt (siehe l. a).

I. f) Fachspezifische Stellungnahme zu den Einwendungen im Zuge der Beschwerde betreffend Behindertenpass:

Den Einwendungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres Leidenszustandes wurde durch die oben angeführte Einschätzung ausreichend Rechnung getragen.

I. g) Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 15.04.2019 und vom 03.12.2019 abweichenden Beurteilung:

Bezugnehmend auf die Vorgutachten (Abl. 19-24 und 73-77) wurde die Positionsnummer von Leiden 1 abgeändert, da die sich durch das Wirbelsäulenleiden ergebenden Funktionseinschränkung die führende Symptomatik darstellt. Dies wird durch die zuvor gewählte Positionsnummer 02.02.03, die sich auf eine generalisierte Erkrankung des Bewegungsapparates bezieht, nicht ausreichend abgebildet. Die übrigen den Bewegungsapparat betreffenden Leiden werden in der Position 5 gesondert berücksichtigt bzw. erreichen keinen Grad der Behinderung (Fußdeformität).

Das Leiden 2 wird neu erfasst, da weder die Schmerzsymptomatik noch die angeführte Schwindelsymptomatik durch die Positions- und Rahmensatzwahl des führenden Leidens ausreichend berücksichtigt sind. Gleichzeitig wird hierbei die im Vorgutachten (Abl. 73-77) beschriebene depressive Störung in dieses Leiden integriert, da die Schmerzen kausal für das Auftreten der psychischen Störungen sind.

Leiden 3 wird aufgrund fehlender rezenter Befunde analog dem Vorgutachten eingeschätzt. Allerdings besteht aufgrund der Einschränkungen in der Wahl der Schmerzmittel doch eine erhebliche Leidensbeeinflussung. Dies wird in der Begründung für den Gesamtgrad der Behinderung nun berücksichtigt.

Leiden 4 wird analog dem Vorgutachten eingeschätzt.

Leiden 5 wird aus den oben angeführten Gründen neu erfasst.

Leiden 6 wird aufgrund der Vorgaben (siehe Handbuch für ärztliche Sachverständige zur Einschätzungsverordnung) neu erfasst.

Aus der Neuerfassung von Leiden 2 und der Berücksichtigung der Wechselwirkung von Leiden 3 ergibt sich eine Erhöhung des Gesamtgrades Behinderung um 2 Stufen im Vergleich zum Vorgutachten.

I. h) Feststellung, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.

II. Zusatzeintragung ‚Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“

II. a) Diagnoseliste sämtlicher Leiden samt Angabe des jeweiligen Ausmaßes:

Anm.: siehe I.a)

II. b) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten vor?

Erhebliche Einschränkungen der unteren Extremitäten liegen nicht vor.

II. c) Liegen erhebliche Einschränkungen der Funktionen der oberen Extremitäten vor?

Erhebliche Funktionseinschränkungen der oberen Extremitäten liegen im eigentlichen Sinn nicht vor. Die die Wirbelsäule betreffenden Einschränkungen sind jedoch erheblich und haben aufgrund der Lokalisation des größten Funktionsausfalles (Übergang Hals- zur Brustwirbelsäule) auch Auswirkungen auf Kraftentfaltung und Bewegungsschnelligkeit der oberen Extremitäten.

II. d) Stellungnahme über die konkrete Fähigkeit der BF zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel und zwar unter Berücksichtigung:

?        der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen,

?        der Zugangsmöglichkeit sowie der Ein- und Aussteigemöglichkeit,

?        der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen,

?        der Schwierigkeiten beim Stehen,

?        der Schwierigkeiten bei der Sitzplatzsuche,

?        der Schwierigkeiten bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt, auch bei ruckartigem Bremsen – Bestehen ausreichende Stand- und Gangsicherheit, ein ausreichender Gleichgewichtssinn sowie ausreichende Kraft zum Anhalten?

?        Welche Schmerzen sind allenfalls mit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel verbunden? Sind diese zumutbar?

Die Beschwerdeführerin kann kürzere Wegstrecken alleine zurücklegen. Die zurücklegbare Entfernung ist variabel und von äußeren Umständen abhängig. Im Regelfall ist aber von einer zurücklegbaren Wegstrecke über 300 m auszugehen. Niveauunterschiede sind selbstständig überwindbar. Schwierigkeiten beim Stehen oder bei der Sitzplatzsuche sind nicht anzunehmen. Aufgrund der Einschränkungen durch Leiden 1 und 2 ist jedoch mit Problemen bezüglich der Stand und Gangsicherheit während der Fahrt v.a. bei ruckartigem Bremsen oder Gedränge, wie es bei erhöhtem Fahrgastaufkommen vorkommen kann, zu rechnen, da sowohl die grundsätzliche Standsicherheit als auch Bewegungsschnelligkeit herabgesetzt sind.

Mit einer Verschlechterung der Schmerzsymptomatik bei ruckartigen Bewegungen und vermehrten Erschütterungen, wie sie bei der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels vorkommen, ist trotz Schmerzmittelgebrauchs zu rechnen.

Die zu erwartenden Schmerzen sind jedoch als mittelstark beeinträchtigend einzuschätzen.

II. e) Liegen erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit vor?

Die körperliche Belastbarkeit aufgrund der Leiden 1-3 erheblich eingeschränkt.

II. f) Liegen erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor?

Es liegen keine erheblichen Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten/Funktionen vor.

II. g) Liegt eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems vor?

Eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems liegt nicht vor.

II. h) Liegt eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit vor?

Eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit liegt nicht vor.

II. i) Fachspezifische Stellungnahme zu den im Verfahren vorgelegten Unterlagen:

Bezugnehmend auf das orthopädische Gutachten (Abl. 85-87) werden die zu erwartenden Schmerzattacken und die Übelkeit nun ausreichend berücksichtigt. Hinsichtlich der Möglichkeiten, einen Rucksack zu tragen, ist diese aufgrund der feststellbaren anatomischen Veränderung nachvollziehbar eingeschränkt. Inwieweit sich dies auf die Zumutbarkeit der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels auswirkt, ist aus meiner Sicht keine medizinische Fragestellung, genauso wenig wie der Wohnort sowie eventuell bestehende infrastrukturelle Defizite desseIben.

Hinsichtlich des neurochirurgischen Gutachtens (Abl. 46-69) werden die angeführte therapierefraktäre Schmerzsymptomatik und die anderen funktionellen Auswirkungen des Wirbelsäulenleidens durch die oben erfolgte Leidenseinschätzung, sowie die Berücksichtigung deren funktioneller Auswirkungen bei der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels nun ausreichend berücksichtigt (siehe II. d und II. l).

II. j) Fachspezifische Stellungnahme zu zur Untersuchung mitgebrachten Befunden:

Der zur Untersuchung mitgebrachte Befund (Medikamentenliste) wurde eingesehen und entsprechend berücksichtigt (siehe l. a)

II. k) Fachspezifische Stellungnahme zu den Einwendungen im Zuge der Beschwerde betreffend Zusatzeintragung:

Den Einwendungen der Beschwerdeführerin hinsichtlich der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wurde in Bezug auf die Schmerz- und Schwindelsymptomatik, sowie erhöhte Sturzgefährdung durch die oben angeführte Einschätzung ausreichend Rechnung getragen.

...

II. l) Begründung zu einer allfälligen zum angefochtenen Sachverständigengutachten vom 15.04.2019 und vom 03.12.2019 abweichenden Beurteilung betreffend Zusatzeintragung:

Abweichend von den Vorgutachten ergibt sich aus meiner Sicht aus dem ungünstigen Zusammenwirken der Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mit Auswirkungen auf Standsicherheit, Bewegungsschnelligkeit, [mit] den Schmerzen und der Schwindelsymptomatik insgesamt eine erhebliche Beeinträchtigung bei der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels, vor allem in Hinblick auf eine erhöhte Sturzgefährdung und Verschlechterung der Schmerzsymptomatik. Im Besonderen können Umstände, die bei der Benützung eines öffentlichen Verkehrsmittels regelhaft und wiederholt auftreten (Gedränge, unerwartete Brems- oder Haltemanöver o.ä.) diese Beschwerden erheblich verschlechtern.

II. m) Feststellung, ob bzw. wann eine Nachuntersuchung erforderlich ist:

Eine Nachuntersuchung ist nicht erforderlich.“

11. Mit Schreiben des Bundesverwaltungsgerichtes vom 14.10.2020 wurden die Beschwerdeführerin und die belangte Behörde über die Ergebnisse der Beweisaufnahme informiert und ihnen in Wahrung des Parteiengehörs Gelegenheit eingeräumt, binnen zwei Wochen eine Stellungnahme dazu abzugeben.

12. Die belangte Behörde ließ dieses Schreiben unbeantwortet. Die Beschwerdeführerin verzichtete ausdrücklich auf eine Stellungnahme.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin verfügte ab 16.08.2018 über einen bis 31.05.2019 befristeten Behindertenpass mit einem Grad der Behinderung von 50 v.H. und der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“.

Am 12.03.2019 stellte sie einen Antrag auf Neufestsetzung des Grades ihrer Behinderung im Behindertenpass bzw. auf Neuausstellung des Behindertenpasses wegen Ungültigkeit ab 01.06.2019 mit der Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ sowie einen Antrag auf Ausstellung eines Ausweises gemäß § 29b StVO (Parkausweis).

Die Beschwerdeführerin hat ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland.

1.2. Bei der Beschwerdeführerin bestehen folgende Funktionseinschränkungen, die voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

1)       Funktionseinschränkung der Wirbelsäule schweren Grades bei degenerativen Veränderungen im Sinne einer Kyphoskoliose und Zustand nach Versteifung der Wirbelsäulensegmente von C4 bis Th3 mit erheblicher Bewegungseinschränkung;

2)       Chronisches Schmerzsyndrom bei fortgesetzter Opiattherapie ohne ausreichende Schmerzcoupierung, mit fassbarer affektiver Begleitreaktion, bei Berücksichtigung situationsspezifisch auftretender Schwindelattacken und einer depressiven Störung;

3)       Leberzirrhose ohne Hinweis für Ösophagus- bzw. Fundusvarizen, derzeit stabil bei Zustand nach Dekompensation;

4)       Bluthochdruck;

5)       Funktionseinschränkung der Finger bei degenerativen Veränderungen an mehreren Fingergelenken, jedoch global gut erhaltener Handfunktion;

6)       Endokrine Störung leichte Grades bei medikamentös gut kompensierbarer Schilddrüsenunterfunktion.

Der Gesamtgrad der Behinderung der Beschwerdeführerin beträgt seit der Antragstellung am 12.03.2019 ein Ausmaß von 70 v.H.

1.3. Bei der Beschwerdeführerin liegen zwar keine erheblichen Einschränkungen der unteren und der oberen Extremitäten vor. Die Funktionseinschränkungen an der Wirbelsäule, die auch Auswirkungen auf die Kraftentfaltung und die Bewegungsschnelligkeit der oberen Extremitäten haben, sind jedoch erheblich. Auch die körperliche Belastbarkeit der Beschwerdeführerin ist in Zusammenschau der Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule, des chronischen Schmerzsyndroms und der Leberzirrhose erheblich eingeschränkt.

Die Beschwerdeführerin kann kürzere Wegstrecken von mehr als 300 Metern alleine zurücklegen und auch Niveauunterschiede überwinden. Es ist von keinen Schwierigkeiten beim Stehen oder bei der Sitzplatzsuche auszugehen. Jedoch ist die Stand- und Gangsicherheit während der Fahrt – bedingt durch die Funktionseinschränkungen der Wirbelsäule und das chronische Schmerzsyndrom – nicht gewährleistet. Es besteht eine erhöhte Sturzgefahr. Zudem ist bei Benützung öffentlicher Verkehrsmittel mit einer Verschlechterung der Schmerzsymptomatik zu rechnen.

Im Lichte des ungünstigen Zusammenwirkens der Bewegungseinschränkung der Wirbelsäule mit den Schmerzen und der Schwindelsymptomatik ergibt sich bei der Beschwerdeführerin insgesamt eine erhebliche Gesamtbeeinträchtigung. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel kann ihr aus medizinischer Sicht nicht zugemutet werden.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen über die Ausstellung eines befristeten Behindertenpasses und das Datum der Einbringung der verfahrensgegenständlichen Anträge basieren auf dem Akteninhalt.

Die Feststellung, dass die Beschwerdeführerin ihren Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, ergibt sich aus einem vom Bundesverwaltungsgericht erstellten Auszug aus dem Zentralen Melderegister.

2.2. Die Feststellung, dass bei der Beschwerdeführerin ab 12.03.2019 ein Grad der Behinderung von 70 v.H. vorliegt, gründet sich auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.10.2020. Im Gutachten wurde auf die Art der Leiden der Beschwerdeführerin und deren Ausmaß vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen.

Einbezogen wurden vom befassten Sachverständigen die von der Beschwerdeführerin im Verfahren vorgelegten medizinischen Beweismittel, die nicht in Widerspruch zur nunmehrigen gutachterlichen Beurteilung stehen.

Das Gutachten vom 06.10.2020 wird seitens des Bundesverwaltungsgerichtes als schlüssig erachtet. Die getroffene Einschätzung stimmt mit dem auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstellten Untersuchungsbefund überein und entspricht den festgestellten Funktionseinschränkungen (diesbezüglich wird auch auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen). Das Gutachten setzt sich ausführlich mit den im Zuge des Verfahrens vorgelegten Befunden und den von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen auseinander. Die Gesundheitsschädigungen wurden nach den Bestimmungen der Einschätzungsverordnung korrekt eingestuft.

Das im Beschwerdeverfahren eingeholte Gutachten weicht im Ergebnis von den im Verwaltungsverfahren eingeholten Vorgutachten ab und begründet widerspruchsfrei und schlüssig die nunmehr höhere Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung. Die im Vergleich zu den Vorgutachten höhere Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung resultiert insbesondere aus der gesonderten Einschätzung von Leiden 2 (chronisches Schmerzsyndrom) sowie aus der Berücksichtigung der wechselseitigen Beeinflussung der Leiden 1 bis 3.

Der Gesamtgrad der Behinderung wurde im Gutachten des befassten Sachverständigen nachvollziehbar damit begründet, dass Leiden 2 eine erhebliche Ausprägung mit entsprechenden funktionellen Einschränkungen aufweist und somit eine Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um eine Stufe rechtfertigt. Leiden 3 bewirkt aufgrund der Einschränkungen bei der Wahl der Schmerzmedikation eine wesentliche wechselseitige Leidensbeeinflussung mit den Leiden 1 und 2 und bedingt dadurch eine Erhöhung um eine weitere Stufe. Die Leiden 4, 5 und 6 weisen nur eine geringe funktionelle Relevanz mit wenig ausgeprägten Einschränkungen im Alltagsleben auf und führen zu keiner weiteren Erhöhung. Insgesamt kam es dadurch im Vergleich zu den Vorgutachten zu einer Erhöhung des Gesamtgrades der Behinderung um zwei Stufen auf 70 v.H.

2.3. Die Feststellungen zum Vorliegen erheblicher – die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel bewirkender – Funktionseinschränkungen gründen sich ebenfalls auf das seitens des Bundesverwaltungsgerichtes eingeholte Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.10.2020. Darin wurde auf die Art und Schwere der Leiden der Beschwerdeführerin sowie deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel vollständig, nachvollziehbar und widerspruchsfrei eingegangen (auch diesbezüglich wird auf die auszugsweise wiedergegebenen Ausführungen im Gutachten verwiesen).

2.4. Das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten wurde der belangten Behörde und der Beschwerdeführerin unter Einräumung einer Frist zur Äußerung übermittelt. Keine der Parteien hat Einwände gegen das Sachverständigengutachten erhoben.

Seitens des Bundesverwaltungsgerichtes bestehen keine Zweifel an der Richtigkeit, Vollständigkeit und Schlüssigkeit des vorliegenden Sachverständigengutachtens vom 06.10.2020. Dieses wird daher in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung zugrunde gelegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung eines fachkundigen Laienrichters ergeben sich aus § 7 BVwGG und aus § 45 Abs. 3 und 4 BBG.

Die gegenständlichen Beschwerdeverfahren wurden gemäß § 17 VwGVG iVm § 39 Abs. 2 AVG zur gemeinsamen Entscheidung verbunden. Die Beschwerden gegen die angefochtenen Bescheide sind rechtzeitig und zulässig. Sie sind auch begründet.

Zu A) Stattgebung der Beschwerden:

3.2. Die gegenständlich maßgeblichen Bestimmungen des Bundesbehindertengesetzes (BBG) lauten auszugsweise:

„BEHINDERTENPASS

§ 40. (1) Behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von mindestens 50% ist auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen (§ 45) ein Behindertenpaß auszustellen, wenn

1. ihr Grad der Behinderung (ihre Minderung der Erwerbsfähigkeit) nach bundesgesetzlichen Vorschriften durch Bescheid oder Urteil festgestellt ist oder

2. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften wegen Invalidität, Berufsunfähigkeit, Dienstunfähigkeit oder dauernder Erwerbsunfähigkeit Geldleistungen beziehen oder

3. sie nach bundesgesetzlichen Vorschriften ein Pflegegeld, eine Pflegezulage, eine Blindenzulage oder eine gleichartige Leistung erhalten oder

4. für sie erhöhte Familienbeihilfe bezogen wird oder sie selbst erhöhte Familienbeihilfe beziehen oder

5. sie dem Personenkreis der begünstigten Behinderten im Sinne des Behinderteneinstellungsgesetzes, BGBl. Nr. 22/1970, angehören.

(2) Behinderten Menschen, die nicht dem im Abs. 1 angeführten Personenkreis angehören, ist ein Behindertenpaß auszustellen, wenn und insoweit das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen auf Grund von Vereinbarungen des Bundes mit dem jeweiligen Land oder auf Grund anderer Rechtsvorschriften hiezu ermächtigt ist.“

„§ 41. (1) Als Nachweis für das Vorliegen der im § 40 genannten Voraussetzungen gilt der letzte rechtskräftige Bescheid eines Rehabilitationsträgers (§ 3), ein rechtskräftiges Urteil eines Gerichtes nach dem Arbeits- und Sozialgerichtsgesetz, BGBl. Nr. 104/1985, ein rechtskräftiges Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes oder die Mitteilung über die Gewährung der erhöhten Familienbeihilfe gemäß § 8 Abs. 5 des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376. Das Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen hat den Grad der Behinderung nach der Einschätzungsverordnung (BGBl. II Nr. 261/2010) unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen einzuschätzen, wenn

1. nach bundesgesetzlichen Vorschriften Leistungen wegen einer Behinderung erbracht werden und die hiefür maßgebenden Vorschriften keine Einschätzung vorsehen oder

2. zwei oder mehr Einschätzungen nach bundesgesetzlichen Vorschriften vorliegen und keine Gesamteinschätzung vorgenommen wurde oder

3. ein Fall des § 40 Abs. 2 vorliegt.

(2) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind ohne Durchführung eines Ermittlungsverfahrens zurückzuweisen, wenn seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung noch kein Jahr vergangen ist. Dies gilt nicht, wenn eine offenkundige Änderung einer Funktionsbeeinträchtigung glaubhaft geltend gemacht wird.

(…)“

„§ 42. (1) Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familiennamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

(…)“

„§ 45. (1) Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung sind unter Anschluß der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

(2) Ein Bescheid ist nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

(3) In Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung hat die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

(4) Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß Abs. 3 hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die fachkundigen Laienrichterinnen oder Laienrichter (Ersatzmitglieder) haben für die jeweiligen Agenden die erforderliche Qualifikation (insbesondere Fachkunde im Bereich des Sozialrechts) aufzuweisen.

(…)“

„§ 47. Der Bundesminister für Arbeit und Soziales ist ermächtigt, mit Verordnung die näheren Bestimmungen über den nach § 40 auszustellenden Behindertenpaß und damit verbundene Berechtigungen festzusetzen.“

3.3. §§ 2 und 3 der Einschätzungsverordnung, BGBl. II 261/2010 idF BGBl. II 251/2012, sehen Folgendes vor:

„Grad der Behinderung

§ 2. (1) Die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen sind als Grad der Behinderung zu beurteilen. Der Grad der Behinderung wird nach Art und Schwere der Funktionsbeeinträchtigung in festen Sätzen oder Rahmensätzen in der Anlage dieser Verordnung festgelegt. Die Anlage bildet einen Bestandteil dieser Verordnung.

(2) Bei Auswirkungen von Funktionsbeeinträchtigungen, die nicht in der Anlage angeführt sind, ist der Grad der Behinderung in Analogie zu vergleichbaren Funktionsbeeinträchtigungen festzulegen.

(3) Der Grad der Behinderung ist nach durch zehn teilbaren Hundertsätzen festzustellen. Ein um fünf geringerer Grad der Behinderung wird von ihnen mit umfasst. Das Ergebnis der Einschätzung innerhalb eines Rahmensatzes ist zu begründen.“

„Gesamtgrad der Behinderung

§ 3. (1) Eine Einschätzung des Gesamtgrades der Behinderung ist dann vorzunehmen, wenn mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen. Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung sind die einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen nicht zu addieren. Maßgebend sind die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen zueinander.

(2) Bei der Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung ist zunächst von jener Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für die der höchste Wert festgestellt wurde. In der Folge ist zu prüfen, ob und inwieweit dieser durch die weiteren Funktionsbeeinträchtigungen erhöht wird. Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH sind außer Betracht zu lassen, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

Bei Überschneidungen von Funktionsbeeinträchtigungen ist grundsätzlich vom höheren Grad der Behinderung auszugehen.

(3) Eine wechselseitige Beeinflussung der Funktionsbeeinträchtigungen, die geeignet ist, eine Erhöhung des Grades der Behinderung zu bewirken, liegt vor, wenn

-        sich eine Funktionsbeeinträchtigung auf eine andere besonders nachteilig auswirkt,

-        zwei oder mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vorliegen, die gemeinsam zu einer wesentlichen Funktionsbeeinträchtigung führen.

(4) Eine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung ist dann gegeben, wenn das Gesamtbild der Behinderung eine andere Beurteilung gerechtfertigt erscheinen lässt, als die einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen alleine.“

3.4. Die in Ausübung der Ermächtigung des § 47 BBG erlassene Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, BGBl. II Nr. 495/2013, ist am 01.01.2014 in Kraft getreten und wurde mit 22.09.2016, BGBl. II Nr. 263/2016, novelliert. § 1 dieser Verordnung lautet auszugsweise:

„§ 1. …

(4) Auf Antrag des Menschen mit Behinderung ist jedenfalls einzutragen:

3. die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist; die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das 36. Lebensmonat vollendet ist und

-        - erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten

-        - erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        - erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        - eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        - eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach Abs. 4 Z 1 lit. b oder d

vorliegen.

(5) Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, bildet ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.“

3.5. Zur Feststellung des Grades der Behinderung:

3.5.1. Zunächst ist festzuhalten, dass der Grad der Behinderung im Beschwerdefall – wie dies auch die belangte Behörde zu Recht annahm – nach der Einschätzungsverordnung einzuschätzen war. Die Ermittlung des Gesamtgrades der Behinderung bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen hat nicht im Wege der Addition der einzelnen Werte der Funktionsbeeinträchtigungen zu erfolgen, sondern es ist bei Zusammentreffen mehrerer Leiden zunächst von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, für welche der höchste Wert festgestellt wurde, und dann ist zu prüfen, ob und inwieweit durch das Zusammenwirken aller zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigungen eine höhere Einschätzung des Grades der Behinderung gerechtfertigt ist (vgl. den eindeutigen Wortlaut des § 3 Einschätzungsverordnung sowie die auf diese Rechtslage übertragbare Rechtsprechung, VwGH 17.07.2009, 2007/11/0088; 22.01.2013, 2011/11/0209 mwN). Bei ihrer Beurteilung hat sich die Behörde eines oder mehrerer Sachverständiger zu bedienen, wobei es dem Antragsteller freisteht, zu versuchen, das im Auftrag der Behörde erstellte Gutachten durch die Beibringung eines Gegengutachtens eines Sachverständigen seiner Wahl zu entkräften (vgl. VwGH 30.04.2014, 2011/11/0098; 21.08.2014, Ro 2014/11/0023).

Gegenständlich wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes zwecks Beurteilung des Beschwerdevorbringens ein Sachverständigengutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin eingeholt. Das Gutachten wurde auf Basis einer persönlichen Untersuchung der Beschwerdeführerin erstattet und entspricht den von der Judikatur (sowie von der Einschätzungsverordnung) aufgestellten Anforderungen.

3.5.2. Wie in der Beweiswürdigung dargelegt wurde, konnte das vom Bundesverwaltungsgericht eingeholte Gutachten den Feststellungen zugrunde gelegt werden, wonach der Grad der Behinderung der Beschwerdeführerin – entgegen der Feststellung im Behindertenpass – ab 12.03.2019 ein Ausmaß von 70 v.H. beträgt. Wie ebenfalls bereits im Rahmen der Beweiswürdigung dargelegt, wurde das vorliegende Gutachten von den Verfahrensparteien nicht bestritten.

Mit einem Grad der Behinderung von 70 v.H. sind die Voraussetzungen für die Ausstellung eines Behindertenpasses gemäß § 40 Abs. 1 BBG, wonach behinderten Menschen mit Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Inland und einem Grad der Behinderung oder einer Minderung der Erwerbstätigkeit von mindestens 50 v.H. ein Behindertenpass auszustellen ist, (weiterhin) erfüllt.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Behindertenpass spruchgemäß abzuändern.

Die belangte Behörde hat folglich den im Spruch festgestellten Grad der Behinderung in den Behindertenpass der Beschwerdeführerin einzutragen.

3.6. Zur Vornahme der begehrten Zusatzeintragung:

3.6.1. Nach der (noch zur Rechtslage nach der Verordnung über die Ausstellung von Behindertenpässen, BGBl. 86/1991, ergangenen) ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat die Behörde, um die Frage der Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel beurteilen zu können, zu ermitteln, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt. Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aufgrund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung" regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden. Nur dadurch wird die Behörde in die Lage versetzt, zu beurteilen, ob dem Betreffenden die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung unzumutbar ist (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 20.04.2004, 2003/11/0078 [= VwSlg. 16.340 A/2004]; VwGH 01.06.2005, 2003/10/0108; VwGH 29.06.2006, 2006/10/0050; VwGH 18.12.2006, 2006/11/0211; VwGH 17.11.2009, 2006/11/0178; VwGH 23.02.2011, 2007/11/0142; VwGH 23.05.2012, 2008/11/0128; VwGH 17.06.2013, 2010/11/0021; VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013; 27.01.2015, 2012/11/0186; 01.03.2016, Ro 2014/11/0024, je mwN).

Ein solches Sachverständigengutachten muss sich mit der Frage befassen, ob der Antragsteller dauernd an seiner Gesundheit geschädigt ist und wie sich diese Gesundheitsschädigung nach ihrer Art und ihrer Schwere auf die Zumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auswirkt (VwGH 20.03.2001, 2000/11/0321 [= VwSlg. 15.577 A/2001]). Dabei ist auf die konkrete Fähigkeit des Beschwerdeführers zur Benützung öffentlicher Verkehrsmittel einzugehen, dies unter Berücksichtigung der hiebei zurückzulegenden größeren Entfernungen, der zu überwindenden Niveauunterschiede beim Aus- und Einsteigen, der Schwierigkeiten beim Stehen, bei der Sitzplatzsuche, bei notwendig werdender Fortbewegung im Verkehrsmittel während der Fahrt etc. (VwGH 22.10.2002, 2001/11/0242; VwGH 14.05.2009, 2007/11/0080).

Dabei kommt es entscheidend auf die Art und die Schwere der dauernden Gesundheitsschädigung und deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel im Allgemeinen an, nicht aber auf andere Umstände, die die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel aus sonstigen, von der Gesundheitsbeeinträchtigung unabhängigen Gründen erschweren, wie etwa die Entfernung des Wohnorts des Beschwerdeführers vom nächstgelegenen Bahnhof (vgl. VwGH 22.10.2002, 2001/11/0258 und VwGH 27.05.2014, Ro 2014/11/0013).

3.6.2. Diese (zur Rechtslage vor Erlassung der Verordnung BGBl. II Nr. 495/2013 idF BGBl. II Nr. 263/2016 ergangene) Rechtsprechung ist zur Beurteilung der Voraussetzungen der Zusatzeintragung nach § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen unverändert von Bedeutung. Dies folgt bereits daraus, dass die zitierte Verordnungsbestimmung jene rechtlich relevanten Gesichtspunkte der Benützung eines Verkehrsmittels, auf die die bisherige Rechtsprechung abstellt (Zugangsmöglichkeit, Ein- und Aussteigemöglichkeit, Stehen, Sitzplatzsuche etc.), nicht modifiziert oder beseitigt hat, sondern weiterhin auf den Begriff der Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel abstellt und lediglich ergänzend regelt, welche gesundheitlichen Beeinträchtigungen „insbesondere“ als solche in Betracht kommen, die die Unzumutbarkeit nach sich ziehen können.

3.6.3. Der Entscheidung hinsichtlich der begehrten Zusatzeintragung in den Behindertenpass wird das als schlüssig erkannte Sachverständigengutachten vom 06.10.2020 zugrunde gelegt. Unter Berücksichtigung der gutachterlichen medizinischen Beurteilung ist der Beschwerdeführerin – angesichts der bei ihr festgestellten Funktionseinschränkungen – zum Entscheidungszeitpunkt die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nicht zumutbar.

Der Beschwerde war daher stattzugeben und der angefochtene Bescheid spruchgemäß abzuändern.

Die belangte Behörde hat die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass der Beschwerdeführerin vorzunehmen und in weiterer Folge dem – bislang offenbar unerledigt gebliebenen – Antrag der Beschwerdeführerin auf Ausstellung eines Parkausweises stattzugeben.

3.7. Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Der im Beschwerdefall maßgebliche Sachverhalt ergibt sich aus dem Akt der belangten Behörde sowie aus dem im Beschwerdeverfahren eingeholten – vom erkennenden Gericht als schlüssig erachteten – Gutachten eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 06.10.2020, das von den Verfahrensparteien im Rahmen des gewährten Parteiengehörs unwidersprochen zur Kenntnis genommen wurde. Dies lässt – gerade auch vor dem Hintergrund des Umstandes, dass eine Verhandlung nicht beantragt wurde – die Einschätzung zu, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten ließ und eine Entscheidung ohne vorherige Verhandlung im Beschwerdefall nicht nur mit Art. 6 EMRK und Art. 47 GRC kompatibel ist, sondern auch im Sinne des Gesetzes (§ 24 Abs. 1 VwGVG) liegt, weil damit dem Grundsatz der Zweckmäßigkeit, Raschheit, Einfachheit und Kostenersparnis (§ 39 Abs. 2a AVG) gedient ist, gleic

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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