TE Bvwg Beschluss 2020/11/9 W133 2233961-1

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Veröffentlicht am 09.11.2020
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Entscheidungsdatum

09.11.2020

Norm

BBG §40
BBG §41
BBG §45
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W133 2233961-1/5E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Natascha GRUBER als Vorsitzende und den Richter Mag. Michael SCHWARZGRUBER sowie den fachkundigen Laienrichter Mag. Gerald SOMMERHUBER als Beisitzer über die aus Anlass des gemäß § 45 Abs. 2 BBG in Form der Ausstellung eines Behindertenpasses ergangenen Bescheides des Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich, vom 03.08.2020, erhobene Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , beschlossen:

A)

Die Beschwerde wird als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 04.06.2020 einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses beim Sozialministeriumservice, Landesstelle Niederösterreich (in der Folge als „belangte Behörde“ bezeichnet). Dem Antrag wurden ein Befundkonvolut und eine Rehabilitationsgeldbestätigung der Österreichischen Gesundheitskasse beigelegt.

Die belangte Behörde gab in der Folge ein Sachverständigengutachten einer Ärztin für Allgemeinmedizin unter Anwendung der Einschätzungsverordnung in Auftrag. In diesem Gutachten vom 30.07.2020 wurde auf Grundlage einer persönlichen Untersuchung und umfassender Darstellung der Statuserhebung die Funktionseinschränkung der Leidensposition

Lfd. Nr.

Bezeichnung der körperlichen, geistigen oder sinnesbedingten Funktionseinschränkungen, welche voraussichtlich länger als sechs Monate andauern werden:

Begründung der Positionsnummer und des Rahmensatzes:

Position

GdB %

1

Persönlichkeits- und Verhaltensstörungen, Persönlichkeits- bzw. Verhaltensstörung mit maßgeblichen sozialen Beeinträchtigungen

Unterer Rahmensatz, da derzeit keine medikamentöse Therapie erfolgt

03.04.02

50

zugeordnet und nach der Einschätzungsverordnung ein Gesamtgrad der Behinderung von 50 von Hundert (v.H.) eingeschätzt. Es wurde eine Nachuntersuchung für 07/2021 empfohlen, da eine Verlaufskontrolle bei laufender Therapie erforderlich sei. Es wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführerin die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel zumutbar sei.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 30.07.2020 wurde der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 04.06.2020 mitgeteilt, dass laut Ergebnis des medizinischen Ermittlungsverfahrens ein Grad der Behinderung von 50 v.H. festgestellt worden sei. Der bis 31.07.2021 befristete Behindertenpass im Scheckkartenformat werde in den nächsten Tagen übermittelt werden. Das eingeholte Gutachten vom selben Tag wurde der Beschwerdeführerin als Beilage zu diesem Schreiben übermittelt.

Mit Begleitschreiben der belangten Behörde vom 03.08.2020 wurde der Beschwerdeführerin der befristete Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. übermittelt. Diesem Behindertenpass kommt gemäß der Bestimmung des § 45 Abs. 2 BBG Bescheidcharakter zu.

Aus Anlass der Übermittlung dieses in Form der Ausstellung eines befristeten Behindertenpasses ergangenen Bescheides erhob die Beschwerdeführerin mit E-Mailschreiben vom 11.08.2020 fristgerecht eine Beschwerde. Ohne Vorlage von Beweismitteln bringt die Beschwerdeführerin vor, dass sie an einer Posttraumatischen Belastungsstörung, an Sozialphobie und an Panikattacken leide. Aufgrund der Krankheit ihres Ehemannes würden sich ihre Zustände oft extrem verschlimmern und sie sei dadurch nicht mehr in der Lage, die einfachsten Tätigkeiten auszuüben. Ihre Angstzustände würden es ihr praktisch unmöglich machen, alleine die öffentlichen Verkehrsmittel zu nutzen. Auch einkaufen zu gehen oder notwendige Wege zu erledigen sei ihr unter den gegebenen Umständen nicht möglich und sei sie ständig auf eine Begleitperson angewiesen, dies erweise sich aber oft als sehr schwierig. Sie bitte daher um die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in ihrem Behindertenpass.

Die belangte Behörde legte dem Bundesverwaltungsgericht am 12.08.2020 die Beschwerde und den Bezug habenden Verwaltungsakt zur Entscheidung vor.

Eine Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes bei der belangten Behörde am 27.08.2020 ergab, dass weder ein Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel“ der Beschwerdeführerin, noch ein diesbezügliches offenes Verfahren vorliegen würden. Ebenso sei bislang kein Bescheid betreffend die genannte Zusatzeintragung erlassen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die belangte Behörde stellte der Beschwerdeführerin aufgrund ihres Antrages vom 04.06.2020 am 03.08.2020 einen bis 31.07.2021 befristeten Behindertenpass mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 50 v.H. aus. Dieser Behindertenpass beinhaltet nicht die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung".

Die Beschwerde wurde zwar aus Anlass der Übermittlung dieses Behindertenpasses erhoben, wendet sich jedoch ausschließlich gegen die Nichtvornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass.

Die Beschwerdeführerin hat bisher keinen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass gestellt.

Ein gesonderter bescheidmäßiger Abspruch der belangten Behörde über das Vorliegen oder Nichtvorliegen der Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund eine Behinderung" in dem Behindertenpass ist – schon mangels diesbezüglicher Antragstellung durch die Beschwerdeführerin – bislang nicht erfolgt.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der oben festgestellte und für die Entscheidung maßgebende Sachverhalt ergeben sich aus dem unbedenklichen und unbestrittenen Akteninhalt.

Die Feststellung, dass bisher kein gesonderter Bescheid der belangten Behörde hinsichtlich der Frage des aktuellen Vorliegens der Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass ergangen ist, gründet sich auf den vorgelegten Verwaltungsakt und das Ergebnis der Anfrage des Bundesverwaltungsgerichtes bei der belangten Behörde am 27.08.2020.

In der Beschwerde lässt die Beschwerdeführerin keinen Zweifel daran, dass weder die Ausstellung des Behindertenpasses mit einem festgestellten Grad der Behinderung von 50 v.H., noch die Befristung dieses Behindertenpasses beeinsprucht werden (diesbezüglich wurde von der Beschwerdeführerin keinerlei Vorbringen erstattet), sondern die Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in dem Behindertenpass begehrt wird.

Der Wortlaut des Beschwerdevorbringens ist eindeutig und lässt keine andere Interpretation zu.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A)

Gemäß § 45 Abs. 1 Bundesbehindertengesetz (BBG) sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Gemäß § 45 Abs. 2 BBG ist ein Bescheid nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Die gegenständliche Beschwerde wurde zwar aus Anlass der Übermittlung des als Bescheid geltenden Behindertenpasses erhoben, wendet sich jedoch ausschließlich gegen die Nichtvornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass.

Im gegenständlichen Fall erfolgte, wie den getroffenen Feststellungen zu entnehmen ist, allerdings - mangels entsprechender Antragstellung - kein bescheidmäßiger Abspruch der belangten Behörde über das (Nicht)Vorliegen der Voraussetzungen für die Vornahme dieser Zusatzeintragung.

Gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist "Sache" im Sinne des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG für die Berufungsbehörde die Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des Bescheides der Unterbehörde gebildet hat und nicht das, was der Berufungswerber zum Inhalt der Berufungsschrift gemacht hat (VwGH vom 11.11.1991, Zl. 90/19/0505). Diese Judikatur ist nach der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch auf die Begrenzung des Beschwerdegegenstandes der Verwaltungsgerichte übertragbar. "Sache" des Beschwerdeverfahrens vor dem VwG ist - ungeachtet des durch § 27 VwGVG 2014 vorgegebenen Prüfumfangs - jedenfalls nur jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruchs der vor dem Verwaltungsgericht belangten Verwaltungsbehörde gebildet hat (VwGH vom 17.12.2014, Ra 2014/03/0049).

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen. Ein in der Bescheidbeschwerde vorgebrachtes Begehren, welches den Gegenstand des angefochtenen Verfahrens überschreitet, kann den zulässigen Beschwerdegegenstand nicht darüber hinaus erweitern.

Da die Beschwerde zwar aus Anlass der Zustellung des als Bescheid geltenden Behindertenpasses vom 03.08.2020 erhoben wurde, jedoch ihrem Inhalt nach den Gegenstand des Spruches dieses als Bescheid geltenden Behindertenpasses überschreitet, und - mangels entsprechendem Antrag – auch kein sonstiger bescheidmäßiger Abspruch der belangten Behörde über die Frage der Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass vorliegt, ist die Beschwerde mangels eines bekämpfbaren Bescheides spruchgemäß als unzulässig zurückzuweisen.

Sollte die Beschwerdeführerin einen Ausweis gemäß § 29b StVO (Parkausweis für Menschen mit Behinderungen) erlangen wollen, müsste sie in weiterer Folge einen entsprechenden Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" in dem Behindertenpass bei der belangten Behörde stellen.

Da die Beschwerde zurückzuweisen war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG eine mündliche Verhandlung entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.

Schlagworte

Behindertenpass Beschwerdegegenstand Sache des Verfahrens Zurückweisung Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W133.2233961.1.00

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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