TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/25 G312 2234705-1

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Entscheidungsdatum

25.11.2020

Norm

ASVG §252
AVG §68 Abs1
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G312 2234705-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX gegen den Bescheid der Pensionsversicherungsanstalt vom XXXX , AZ: XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid vom XXXX , AZ: XXXX , wies die Pensionsversicherungsanstalt, Landesstelle XXXX , (im Folgenden: belangte Behörde) den Antrag vom XXXX des XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz: BF) auf Zuerkennung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus zurück.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die undatierte und am 30.07.2020 eingelangte Beschwerde des BF.

3. Am 03.09.2020 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt Stellungnahme und dem Verwaltungsakt dem Bundesverwaltungsgericht vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF beantragte erstmalig am XXXX die Gewährung einer Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem Verstorbenen XXXX .

1.2. Mit Bescheid vom XXXX wurde Antrag vom XXXX abgelehnt, da die Kindeseigenschaft gemäß § 252 ASVG nicht vorliegt.

1.3. Der BF absolvierte die Volkschule, Hauptschule, Polytechnischen Lehrgang sowie eine Herrenkleidermacherlehre beim XXXX . Er hat die Lehrabschlussprüfung mit Auszeichnung bestanden und arbeitete er für einige Monate in diesem Bereich.

Nach einer Umschulung im Rahmen des Arbeitsmarktförderungsgesetztes erwarb er sich weitere 9 Beitragsmonate in der Pflichtversicherung als Angestellter.

Danach befand sich der BF im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung und ging einer bzw. mehreren geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen nach.

Aufgrund seiner Erwerbstätigkeit erwarb sich der BF einen Anspruch auf eine eigene Pension aus dem Versicherungsfall der geminderten Arbeitsfähigkeit und befand sich vom XXXX bis XXXX im Bezug einer befristeten Invaliditätspension, welche dann bis XXXX , bis XXXX und schließlich bis XXXX befristet wurde, seit XXXX befindet sich der BF in einer unbefristeten Invaliditätspension.

2. Beweiswürdigung:

Der oben angeführte Verfahrensgang und Sachverhalt ergeben sich aus dem diesbezüglich unbedenklichen und unzweifelhaften Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte sowie des nunmehr dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Gerichtsakts.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A):

Verfahrensgegenständlich ist strittig, ob die belangte Behörde den neuerlichen Antrag auf Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus zu Recht wegen entschiedener Sache zurückgewiesen hat.

Gemäß § 68 Abs. 1 BVwG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wenn die Behörde nicht den Anlass zu einer Verfügung gemäß den Abs. 2 bis 4 findet, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.

Im Wesentlichen zusammengefasst begründete die belangte Behörde die Entscheidung damit, dass der erstmalige Antrag des BF vom XXXX auf Zuerkennung der Waisenpension über das 18. Lebensjahr hinaus nach dem am XXXX verstorbenen XXXX mit Bescheid vom XXXX rechtskräftig abgelehnt worden sei. Dieser XXXX ntscheidung sei zugrunde gelegen, dass die Voraussetzungen für die Gewährung einer Waisenpension zum Stichtag 01.10.2012 nicht vorlagen, weil Kindeseigenschaft (gemäß § 252 Abs. 2 ASVG in der am 01.10.2012 geltenden Rechtslage) wegen Erwerbsunfähigkeit infolge Krankheit oder Gebrechens seit Vollendung des 18. Lebensjahres nicht gegeben war. Seitdem ist weder eine Änderung in der Sach- noch in der Rechtslage eingetreten, wodurch der Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen war. Das Vorbringen des BF – sein Leidensweg habe in der Kindheit aufgrund seelischer und körperlicher Misshandlungen begonnen – sei bereits im ersten Verfahren berücksichtigt worden.

Der BF bringt im Wesentlichen vor, dass er sich von der PVA wie auch der Fürsorge XXXX ungerecht behandelt fühle. Er sei zum Erlernen eines Berufes gezwungen worden. Er ersuche daher um eine neuerliche Überprüfung der Entscheidung, um Berücksichtigung seiner Leiden und um Gewährung der Waisenrente.

Bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache ist auch vom VwG von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen. Identität der Sache liegt dann vor, wenn sich gegenüber der früheren Entscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt. Erst nach Erlassung der rechtskräftigen Erstentscheidung hervorkommende Umstände, die eine Unrichtigkeit dieser Entscheidung dartun, stellen keine Änderung des Sachverhalts dar, sondern können lediglich einen Grund zur Wiederaufnahme eines Verfahrens darstellen. Dieser tragende Grundsatz soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl VwGH vom 17. Februar 2015, Ra 2014/09/0029). Auch das VwG hat dann, wenn der bei ihm in Beschwerde gezogene verwaltungsbehördliche Bescheid nach den vorstehenden Grundsätzen zu Unrecht eine Sachentscheidung beinhaltete, im Rahmen seiner Prüf- und Entscheidungsbefugnis (vgl dazu etwa VwGH vom 9. September 2015, Ro 2015/03/0032) einen Antrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen (vgl idS etwa VwGH vom 23. Mai 1995, 94/20/0785; vgl VfGH vom 18. Juni 2014, G 5/2014 (VfSlg 19.882/2014); VwGH vom 03.07.2020, Ra 2020/14/0255).

Mit dem neuerlichen Antrag begehrt der BF nochmals die Waisenpension nach dem Tod von XXXX . Dieses Begehren wurde bereits rechtskräftig mit Bescheid vom XXXX abgewiesen, da dem BF die Kindeseigenschaft gemäß § 252 ASVG nicht zukommt.

Der BF selbst behauptet gar nicht, dass eine Änderung in der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist, sondern fühlt sich aufgrund der Entscheidung durch die Behörde (wie auch durch andere Institutionen) ungerecht behandelt.

Die Rechtskraft einer früher in der gleichen Angelegenheit ergangenen Erledigung steht einer neuen Sachentscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG nur dann nicht entgegen, wenn in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine Änderung eingetreten ist. Die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die "entschiedene Sache", d.h. durch die Identität der Sache, über die formell rechtskräftig abgesprochen wurde, mit der im neuerlichen Abspruch erfassten bestimmt. Identität der Sache liegt dann vor, wenn einerseits weder in der für die Vorentscheidung maßgeblichen Rechtslage noch in den für die Beurteilung der in der Vorentscheidung als maßgebend erachteten tatsächlichen Umständen eine Änderung eingetreten ist (VwGH 24.5.2016, Ra 2016/21/0143; VwGH vom 26.04.2019, Ra 2019/20/0174).

Der tragende Grundsatz der Beachtung rechtskräftiger Entscheidungen soll in erster Linie die wiederholte Aufrollung einer bereits entschiedenen Sache (ohne nachträgliche Änderung der Sach- und Rechtslage) verhindern; die objektive (sachliche) Grenze dieser Wirkung der Rechtskraft wird durch die entschiedene Sache, also durch die Identität der Rechtssache, über die bereits mit einer formell rechtskräftigen Entscheidung abgesprochen wurde, mit der nunmehr vorliegenden (etwa der in einem neuen Antrag intendierten) bestimmt (vgl VwGH vom 24. Mai 2016, Ra 2016/03/0050, Rz 7). "Sache" einer rechtskräftigen Entscheidung ist dabei stets der im Bescheid enthaltene Ausspruch über die verwaltungsrechtliche Angelegenheit, die durch den Bescheid ihre Erledigung gefunden hat, und zwar aufgrund der Sachlage, wie sie in dem von der Behörde angenommenen maßgebenden Sachverhalt zum Ausdruck kommt, und der Rechtslage, auf die sich die Behörde bei ihrem Bescheid gestützt hat. (VwGH vom 20.09.2018, Ra 2017/09/0043)

Nach ständiger Judikatur des VwGH ist bei der Prüfung des Vorliegens der entschiedenen Sache auch vom VwG von der rechtskräftigen Vorentscheidung auszugehen, ohne die sachliche Richtigkeit derselben nochmals zu überprüfen.

Somit ist eine neuerliche Überprüfung – wie der BF begehrt – von Gesetzes wegen nicht möglich.

Das BVwGH hat lediglich zu überprüfen, ob eine idente Sache vorliegt oder eine Änderung der Sach- oder Rechtslage nach der rechtskräftig ergangenen Entscheidung eingetreten ist.

Verfahrensgegenständlich ist keine Änderung in der Sach- oder Rechtslage eingetreten und wird auch vom BF nicht vorgebracht.

Die Beschwerde erweist sich aus den genannten Gründen als unbegründet, die Beschwerde im verfahrensgegenständlichem Ausmaß war daher abzuweisen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Den sonstigen Parteien ist Gelegenheit zu geben, binnen angemessener, zwei Wochen nicht übersteigender Frist einen Antrag auf Durchführung einer Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien zurückgezogen werden. Gemäß Abs. 4 kann, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegenstehen. Gemäß Abs. 5 kann das Verwaltungsgericht von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen und wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Die belangte Behörde ist ihrer Ermittlungspflicht durch detaillierte Recherche nachgekommen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung festgestellt.

Der für diesen Fall maßgebliche Sachverhalt konnte als durch die Aktenlage hinreichend geklärt erachtet werden. Zudem wurde von der BF die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht beantragt. Es war gegenständlich auch keine komplexe Rechtsfrage zu lösen, da hinsichtlich einer Einstellvereinbarung eine eindeutige gesetzliche Regelung besteht. Dem Absehen von der Verhandlung stehen hier auch Art 6 Abs. 1 EMRK und Art 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union nicht entgegen.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

Altersgrenze Identität der Sache Prozesshindernis der entschiedenen Sache Waisenrente

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G312.2234705.1.00

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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