TE Vfgh Erkenntnis 2020/11/26 G237/2020 ua

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Veröffentlicht am 26.11.2020
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Index

27/04 Sonstiges
27 Rechtspflege

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Gesetz
B-VG Art140 Abs1 Z1 lita
StGG Art2
GebührenanspruchsG 1975 §18 Abs1
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Keine Verletzung im Gleichheitsrecht durch die Bescheinigungspflicht von Zeugen für den Nachweis des "tatsächlich" entgangenen Verdienstes oder die angemessenen Kosten einer "notwendigerweise" vorzunehmenden Stellvertretung nach dem GebührenanspruchsG; erhöhte Bescheinigungspflicht für den Einkommensentgang im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum; Vorrang der pauschalierten Entschädigung gegenüber dem konkreten höheren Verdienstentgang dient der Verwaltungsvereinfachung und dem Schutz der Parteien vor unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit den vorliegenden, auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Anträgen begehrt das Bundesverwaltungsgericht, das Wort "tatsächlich" in §18 Abs1 Z2 litb des Gebührenanspruchsgesetzes (GebAG), als verfassungswidrig aufzuheben.

II. Rechtslage

Die maßgeblichen Bestimmungen, §3 GebAG, BGBl 136/1975, idF BGBl I 111/2007, §18 GebAG, BGBl 136/1975, idF BGBl II 134/2007 und §19 GebAG, BGBl 136/1975, idF BGBl 343/1989, lauten wie folgt (das angefochtene Wort in §18 Abs1 Z2 litb GebAG wurde seit der Novelle BGBl 343/1989 nicht geändert und ist unterstrichen):

"Umfang der Gebühr

§3. (1) Die Gebühr des Zeugen umfaßt

       1. den Ersatz der notwendigen Kosten, die durch die Reise an den Ort der Vernehmung, durch den Aufenthalt an diesem Ort und durch die Rückreise verursacht werden;

       2. die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet.

(2) Zeuginnen und Zeugen, die im öffentlichen Dienst stehen und über dienstliche Wahrnehmungen vernommen worden sind, haben anstatt des Anspruchs nach Abs1 Z1 Anspruch auf eine Gebühr, wie sie ihnen nach den für sie geltenden Reisegebührenvorschriften zustände; das Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat, (der oder die Vorsitzende) hat diese Tatsache zu bestätigen. Sie haben keinen Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis.

Ausmaß der Entschädigung für Zeitversäumnis

§18. (1) Als Entschädigung für Zeitversäumnis gebühren dem Zeugen

       1. 14,20 € für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die dem Zeugen eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht,

       2. anstatt der Entschädigung nach Z1

       a) beim unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst,

       b) beim selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen,

       c) anstatt der Entschädigung nach den Buchstaben a) oder b) die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter,

       d) die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft.

(2) Im Falle des Abs1 Z1 hat der Zeuge den Grund des Anspruches, im Falle des Abs1 Z2 auch dessen Höhe zu bescheinigen.

Geltendmachung der Gebühr

§19. (1) Der Zeuge hat den Anspruch auf seine Gebühr binnen 14 Tagen, im Fall des §16 binnen vier Wochen nach Abschluß seiner Vernehmung, oder nachdem er zu Gericht gekommen, aber nicht vernommen worden ist, bei sonstigem Verlust schriftlich oder mündlich bei dem Gericht, vor dem die Beweisaufnahme stattgefunden hat oder stattfinden sollte, geltend zu machen. Dies gilt für die Beiziehung zur Befundaufnahme durch den Sachverständigen (§2 Abs1) mit der Maßgabe sinngemäß, daß der Zeuge den Anspruch auf seine Gebühr bei dem Gericht geltend zu machen hat, das den Sachverständigen bestellt hat.

(2) Soweit in diesem Abschnitt nicht anderes bestimmt ist und nicht feste Gebührensätze bestehen, hat der Zeuge die Umstände, die für die Gebührenbestimmung bedeutsam sind, besonders durch Vorlage einer Bestätigung über den Verdienstentgang oder die Entlohnung eines Stellvertreters oder einer Hilfskraft, gegebenenfalls durch Vorlage einer von der zuständigen Dienststelle ausgestellten Bestätigung über die Höhe der sonst zustehenden Reisegebühren (§3 Abs2), zu bescheinigen.

(3) Auf seine Ansprüche und die allfällige Notwendigkeit des Beweises oder der Bescheinigung ist der Zeuge durch das Gericht in der Ladung aufmerksam zu machen. Dies gilt für den Sachverständigen bei dessen Einladung eines Zeugen (§2 Abs1) sinngemäß."

III. Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem zu G237/2020 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Eine selbständige Masseuse wurde als Schöffin zu einer Hauptverhandlung in einem Strafverfahren geladen und gleichzeitig die bereits anberaumte Hauptverhandlung abberaumt. Für die Teilnahme an der Verhandlung machte die Masseuse ihren Kostenersatzanspruch geltend und beantragte Reisekosten sowie eine Entschädigung für Zeitversäumnis für die abberaumte und für die abgehaltene Hauptverhandlung. Als Nachweis legte sie zwei Rechnungen über jeweils vier Stunden Einkommensentgang und eine Preisliste der Massagepraxis vor. Nach einer Aufforderung zur Bestätigung der Terminausfälle erließ die Präsidentin eines Landesgerichtes einen Bescheid und gewährte für die Teilnahme als Schöffin Gebühren für Reisekosten und die Entschädigung für Zeitversäumnis in Form einer Pauschalentschädigung, wies aber das weitere Begehren auf Entschädigung für den tatsächlichen Einkommensentgang ab. Dagegen erhob die selbständig Erwerbstätige Beschwerde, in der sie sich gegen die Entschädigung für Zeitversäumnis, die nicht antragsgemäß zuerkannt worden sei, wendet.

2. Dem zu G238/2020 protokollierten Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Ein selbständiger Dachdecker wurde zu einer Verhandlung in einer Strafsache vor einem Bezirksgericht als Zeuge geladen und einvernommen. Für die Teilnahme an der Verhandlung machte er seinen Kostenersatzanspruch geltend und beantragte Reisekosten sowie eine Entschädigung für Zeitversäumnis für drei Stunden Einkommensentgang. Als Nachweis legte er eine unterschriebene Erklärung (er sei selbständig, arbeite in seinem Betrieb mit und habe daher anlässlich der Zeugeneinvernehmung einen Verdienstentgang gehabt) vom selben Tag vor. Nach einer Aufforderung zur Verbesserung erließ die Vorsteherin dieses Bezirksgerichtes einen Bescheid und gewährte für die Vernehmung Gebühren für Reisekosten und die Entschädigung für Zeitversäumnis in Form des antragsgemäßen Einkommensentganges für drei Stunden. Dagegen erhob die Revisorin des Oberlandesgerichtes Wien eine Beschwerde, die sich gegen die im Bescheid bestimmte Entschädigung für Zeitversäumnis wendet.

3. Das Bundesverwaltungsgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, in seinem zu G237/2020 protokollierten Antrag, wie folgt dar:

"3. Zulässigkeit

3.1. Präjudizialität

Die Beschwerdeführerin wurde als Schöffin zu zwei Verhandlungen geladen, deren erste nachträglich abberaumt wurde; an der zweiten nahm sie teil. Für beide Verhandlungen begehrte sie eine Entschädigung für Zeitversäumnis.

Die Beschwerdeführerin hat die Gebühr für die abberaumte Verhandlung, die für den 14.12.2016 vorgesehen war, erst am 27.2.2017 geltend gemacht. Da die Frist zur Geltendmachung der Gebühr für diese Verhandlung 14 Tage nach dem 14.12.2016 — somit am 28.12.2016 — abgelaufen war, trat der Anspruchsverlust ein, den §19 Abs1 erster Satz GebAG vorsieht. In einem solchen Fall ist der Antrag auf Gebührenbestimmung (nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht abzuweisen, sondern) zurückzuweisen (vgl VwGH 15.4.1994, 92/17/0231). Die belangte Behörde hätte den Gebührenantrag, soweit er den Verdienstentgang auf Grund der Verhandlung, die für den 14.12.2016 vorgesehen war, somit als verspätet zurückweisen müssen. Insoweit wird das Bundesverwaltungsgericht den Spruch entsprechend neu zu fassen haben; §18 Abs1 Z2 litb GebAG hat es dabei anscheinend nicht anzuwenden.

Für die zweite der genannten beiden Verhandlungen, jene vom 21.2.2017, ist §18 GebAG dagegen heranzuziehen: Gemäß §55 Abs1 GebAG hat eine Schöffin Anspruch auf Entschädigung für Zeitversäumnis entsprechend den für Zeugen geltenden Bestimmungen; dabei erhöht sich der in §18 Abs1 Z1 GebAG genannte Betrag um die Hälfte. Gemäß §3 Abs1 Z2 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen ua die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet. Gemäß §18 Abs1 Z1 GebAG gebührt dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis ein gesetzlich festgesetzter Betrag (ein Fixbetrag) für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die ihm eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht; anstatt dieser Entschädigung gebührt aber einem unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst (§18 Abs1 Z2 lita GebAG), einem selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen (§18 Abs1 Z2 litb GebAG). Die Beschwerdeführerin hat anstatt der genannten Entschädigung nach §18 Abs1 Z1 GebAG das tatsächlich entgangene Einkommen geltend gemacht. §18 Abs1 Z2 litb GebAG war daher von der belangten Behörde anzuwenden, ist auch angewandt worden und ist vom Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden. §18 Abs1 Z2 litb GebAG ist somit präjudiziell.

3.2. Anfechtungsumfang

In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt.

Die Grenzen der Aufhebung müssen auch in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren so gezogen werden, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle in untrennbarem Zusammenhang stehenden Bestimmungen auch erfasst werden (VfSlg 19.020/2010, mwN; vgl VfGH 13.12.2019, G67/2019 ua; uva.). Daran hat sich das antragstellende Gericht bei der Festlegung des Anfechtungsumfangs zu orientieren.

Das antragstellende Gericht hat all jene Normen anzufechten, die für seine Entscheidung präjudiziell sind und die vor dem Hintergrund der Bedenken für die Beurteilung der allfälligen Verfassungswidrigkeit der Rechtslage eine untrennbare Einheit bilden. Es ist dann Sache des Verfassungsgerichtshofes, darüber zu befinden, auf welche Weise eine solche Verfassungswidrigkeit — sollte er die Auffassung des antragstellenden Gerichtes teilen — beseitigt werden kann (VfGH 26.9.2019, G117/2019, mwN; uva.).

Wie weiter unten ausgeführt werden wird, hegt das Bundesverwaltungsgericht Bedenken dagegen, dass einem selbständig Erwerbstätigen, der als Zeuge aussagen muss (oder — fallbezogen — als Schöffin an einer Verhandlung teilnimmt), zugemutet wird, seine Erwerbstätigkeit, die er ausgeübt hätte, hätte er nicht an einer Verhandlung teilgenommen, auf andere Zeiten zu verlegen oder im Ergebnis sogar auf das Einkommen zu verzichten, das aus dieser Tätigkeit erfließen würde. Wie unten dargelegt werden wird, betrachtet das Bundesverwaltungsgericht das Wort 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG als Sitz dieser Bedenken. Da die Aufhebung dieses Wortes genügt, um den Bedenken Rechnung zu tragen, beschränkt sich die Anfechtung auf dieses eine Wort.

4. Bedenken des Bundesverwaltungsgerichts

4.1.1. Der aus Art2 StGG und Art7 B-VG erfließende Gleichheitsgrundsatz bindet auch den Gesetzgeber. Er setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, sachlich nicht begründbare Regelungen zu treffen. Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassung wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen. Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (VfSlg 19.666/2012, mwN; vgl VfSlg 20.250/2018; VfGH 27.11.2018, G75/2018 ua; 1.10.2019, G330/2018, uva.).

4.1.2. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bedenken, dass das angefochtene Wort in §18 Abs1 Z2 litb GebAG in seinem Zusammenhang gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art2 StGG und Art7 B-VG) verstößt:

4.1.2.1. Das Bundesverwaltungsgericht geht von jenem Verständnis des §18 Abs1 Z2 litb GebAG aus, das durch die gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprägt ist. (Am Rande sei darauf hingewiesen, dass eine Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes in der Sache, die von dieser Rechtsprechung abginge, im Falle einer Amtsrevision [Art133 Abs6 Z2 B-VG] oder einer Revision des Revisors [§22 Abs3 GebAG] wohl keinen Bestand haben könnte.) Soweit diese Rechtsprechung im Folgenden belegt wird, handelt es sich meist um Teile von Rechtsprechungsketten; die Entscheidungen stehen meist stellvertretend für eine Vielzahl anderer.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs — die sich iW auf Zeugengebühren bezieht, aber wegen §55 Abs1, §56 GebAG auf die Gebühren von Schöffen zu übertragen ist —kann '[v]on einem tatsächlichen Einkommensentgang [...] beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verloren ging' (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 17.2.1995, 92/17/0254; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 20.6.2012, 2008/17/0070, mwN). Dabei ist das tatsächlich entgangene, nicht ein (fiktiv) nach Durchschnittssätzen zu berechnendes Einkommen zu ersetzen (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 4.11.2009, 2009/17/0152; 14.12.2011, 2007/17/0124). Die Berufung auf einen mit Zeugeneinvernahmen in der Regel verbundenen Verdienstausfall kann ein konkretes Vorbringen betreffend einen bestimmten Einkommensverlust nicht ersetzen. Es kommt weder auf die Stundensätze nach den Allgemeinen Honorarrichtlinien noch auf die beim selbständig Erwerbstätigen auflaufenden Fixkosten an (VwGH 30.10.1991, 91/17/0105). Jedenfalls ist der selbständig Erwerbstätige für die Erfüllung seiner Zeugenpflicht nicht nach den für ihn sonst geltenden Honorarsätzen oder in Anlehnung an sein sonstiges Einkommen zu entlohnen, sondern lediglich für einen konkreten Einkommensentgang zu entschädigen (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231). Die Tätigkeiten, die während der versäumten Zeit ausgeübt worden wären und Einkommen gebracht hätten, können in der Regel bezeichnet, beschrieben und erforderlichenfalls durch Urkunden oder Aussagen bescheinigt werden. Auf Grund der für diese Tätigkeiten üblichen Entgelte und der einem Selbständigen bei Erfüllung der versäumten Tätigkeit erwachsenden variablen Auslagen wird sich in der Regel auch das tatsächlich entgangene Einkommen errechnen und bescheinigen lassen, wobei der Schätzungsweg durch die §§18, 19 Abs2 GebAG nicht verschlossen ist (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 18.9.2001, 2001/17/0054; 25.2.2002, 98/17/0097; 8.9.2009, 2007/17/0161). Eine solche Schätzung wäre aber nicht der Ermittlung eines fiktiven Einkommens nach Durchschnittssätzen gleichzuhalten, muss doch Ausgangspunkt auch der Schätzung stets eine konkrete, dem selbständig Erwerbstätigen ein Einkommen vermittelnde Tätigkeit während des Zeitraumes der Verhinderung sein (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231; 22.11.1999, 98/17/0357; 25.2.2002, 98/17/0097).

Mit der Multiplikation eines durchschnittlichen Stundensatzes mit der Anzahl der Stunden der Zeitversäumnis wird nicht das tatsächlich entgangene, sondern ein fiktiv nach Durchschnittssätzen errechnetes Einkommen bescheinigt (VwGH 22.11.1999, 98/17/0357; 25.2.2002, 98/17/0097). Die 'allgemeine Wiedergabe von Erfahrenstatsachen' reicht nicht aus (VwGH 15.4.1994, 92/17/0231). Dass der Zeuge seinen Einkommensentgang nur zu bescheinigen, aber nicht nachzuweisen hat, ändert nichts an der Verpflichtung, den konkreten Verdienstentgang zunächst einmal unter entsprechender Aufgliederung zu behaupten (VwGH 17.2.1995, 92/17/0254; 22.11.1999, 98/17/0357; 28.4.2003, 2000/17/0065; 25.5.2005, 2004/17/0004; 8.9.2009, 2007/17/0161).

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann von einem tatsächlichen Einkommensentgang beim selbständig Erwerbstätigen nur dann gesprochen werden, wenn während der durch die Erfüllung der Zeugenpflicht versäumten Zeit Tätigkeiten angefallen wären, die dem Zeugen Einkommen gebracht hätten, welches verlorenging. Es ist Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern — sollte dies zutreffen —jedenfalls zu behaupten und zumindest glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gingen, weil (fallbezogen:) die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001; dem folgend VwGH 15.4.1994, 93/17/0329).

4.1.2.2. Die Beschwerdeführerin ist selbständig erwerbstätig. Sie konnte, da sie am 21.2.2017 als Schöffin an einer Verhandlung teilnahm, ihrer Erwerbstätigkeit an diesem Tag für vier Stunden nicht nachgehen.

Es kann allerdings nicht festgestellt werden, dass sie geplant hatte, an diesem Tag konkrete Dienstleistungen in ihrer Massagepraxis zu erbringen, die ersatzlos entfallen wären, weil sie ihre Schöffenpflicht befolgte, und dass ihr dadurch ein Einkommen entgangen wäre. Ihr Vorbringen läuft vielmehr darauf hinaus, dass sie jenes Einkommen geltend macht, das sie hätte erwirtschaften können, hätte sie nicht an der Verhandlung teilnehmen müssen, dass aber keine konkreten Dienstleistungen gegenüber konkreten Kunden vorgesehen waren. Den Verdienstentgang berechnet sie anhand ihrer üblichen Stundensätze und argumentiert zentral damit, dass ihre Praxis täglich ausgebucht sei. Damit macht sie den Entgang eines fiktiv nach Durchschnittssätzen errechneten Einkommens geltend.

Damit hat sie zwar den Grund, nicht jedoch die Höhe ihres Anspruches bescheinigt. Daher steht ihr gemäß §18 Abs2 GebAG nur eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Ausmaß des in §1 Abs1 der V BGBl II 134/2007 zu §18 Abs1 Z1 GebAG genannten Pauschalbetrages von 14,20 Euro pro Stunde zu. Dieser Betrag erhöht sich gemäß §55 Abs1 letzter Teilsatz GebAG um die Hälfte.

4.2. Selbständig Erwerbstätige führen in vielen Fällen einen Betrieb (eine Kanzlei, eine Ordination, ...). Ein selbständig Erwerbstätiger kann zB sein Geschäft in der Form führen, dass er, ohne Mitarbeiter zu beschäftigen, in seinem Ladengeschäft arbeitet und auf Laufkundschaft angewiesen ist. Muss er das Geschäft für einige Stunden schließen, so spricht vieles dafür, dass ihm der Umsatz, den er ansonsten gehabt hätte, zumindest zu einem Teil verloren geht. Es ist nicht wahrscheinlich, dass Laufkundschaft nach einigen Stunden oder am nächsten Tag nochmals kommt, anstatt auf den Kauf zu verzichten oder ein anderes Geschäft aufzusuchen. Da er aber in der Regel nicht weiß, wer ihn aufgesucht hat oder hätte und welche Geschäfte in welcher Höhe ihm entgangen sind, wird er nicht in der Lage sein, seinen Einkommensentgang in der Form zu bescheinigen, wie §18 Abs1 Z2 litb GebAG dies von ihm fordert.

Ein selbständig Erwerbstätiger kann aber seinen Betrieb auch in der Form führen, dass er — zB in einem Handwerksbetrieb oder in einer Kanzlei in einem freien Beruf — nur wenige Mitarbeiter beschäftigt und dass — auf Grund der Organisation in diesem Betrieb — nur in seiner Anwesenheit und mit seiner Mitarbeit überhaupt gearbeitet werden kann. Es ist auch denkbar, dass bestimmte Auskünfte auf Fragen von Kunden oder von potentiellen Kunden nur der — selbständig erwerbstätige — Betriebsführer, zB ein Handwerksmeister, geben kann, auch wenn sie keinen Aufschub erleiden dürfen, soll der Kunde nicht auf den Abschluss des Geschäftes verzichten und dem selbständig Erwerbstätigen Einkommen entgehen. Ebenso ist es möglich, dass dem selbständig Erwerbstätigen — wie zB einem Rechtsanwalt — die Erteilung der Auskunft selbst Einkommen bringt (vgl den — zumindest behaupteten — Sachverhalt in VwGH 15.4.1994, 92/17/0231, in dem der dortige Beschwerdeführer auch geltend machte, dass sich der Verdienstentgang nicht nur auf die Kosten dieses Telefongesprächs, sondern auf das Honorar der gesamten Causa beziehe). Ist der selbständig Erwerbstätige nicht an seiner Betriebsstätte anwesend, so wird er auch nicht in der Lage sein nachzuweisen, dass solche telefonischen Auskunftsersuchen oder Beratungsaufträge gestellt worden wären. Gelingt ihm dies dennoch, weil zB ein Mitarbeiter dies notiert hat, so hat er darzutun, „welcher — unaufschiebbaren —Art diese Beratungsaufträge waren. Dies insbesondere im Hinblick auf die Kürze des in Frage stehenden Zeitraumes, bei dem noch nicht davon gesprochen werden kann, daß der bloße Umstand der Abwesenheit einen Verdienstentgang — in dem Sinne, daß die Beratungsaufträge 'verloren' gegangen seien — indizieren würde." (VwGH 17.2.1995, 92/17/0254) Wesentlich ist bei der Beurteilung des tatsächlichen Einkommensentganges eines selbständig Erwerbstätigen auch, ob es ihm möglich und zumutbar war, die betreffenden Tätigkeiten nach Rückkehr vom Gericht durchzuführen, dabei kann auch die Dringlichkeit bzw Terminisierung der versäumten Arbeiten eine Rolle spielen (VwGH 18.9.2001, 2001/17/0054).

Auch in Betrieben, in denen die Kundenkontakte nur nach Voranmeldung stattfinden — wie zB dem einer selbständigen Masseuse wie jenem der Beschwerdeführerin oder in der Ordination eines Arztes —, wird es häufig so sein, dass die grundsätzlich vorgesehenen Stunden 'ausgebucht' sind, sodass Termine nur auf andere, meist spätere Tage oder Wochen verschoben werden können. Dies bedeutet aber, dass zu diesen anderen Zeiten keine anderen Kundenkontakte vereinbart werden können, sondern dass weitere Terminanfragen auf wieder spätere Tage oder Wochen verschoben oder auf die Durchführung der Tätigkeit ganz verzichtet werden muss. Bei einem 'ausgebuchten' Betrieb führt dies letztlich zu einem realen Einkommensverlust, auch wenn nicht von Vornherein angegeben werden kann, welche Arbeit in der Zeit angefallen wäre, in welcher der selbständig Erwerbstätige infolge der Befolgung seiner Zeugen- oder Schöffenpflicht nicht arbeiten kann. Gerade wenn der Gerichtstermin lange im Voraus bekannt ist, wird der Zeuge oder Schöffe für diesen Zeitraum von Vornherein keine Termine vergeben. Zwar ist es grundsätzlich möglich, jene Kundentermine, die auf Grund dessen nicht in diesem Zeitraum stattfinden können, anzugeben; da aber in vielen Fällen ein Ersatztermin zB in der nächsten Woche vergeben werden kann, liegen die Voraussetzungen des §18 Abs1 Z2 litb GebAG nicht vor, denn es ist Sache des Zeugen, nicht nur den auf der Hand liegenden Einnahmenausfall an dem Tag der Zeugeneinvernahme darzulegen, sondern glaubhaft zu machen, dass die Einnahmen verloren gingen, weil (fallbezogen:) die Vornahme der Behandlung nur an diesem Tag und nicht auch an einem anderen Termin möglich war (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001; dem folgend VwGH 15.4.1994, 93/17/0329). Als Beispiel führte der Verwaltungsgerichtshof — für den Fall eines Zahnarztes — an: 'Gerade eine Zahnkontrolle, das Einsetzen einer Brücke und das Ausbohren von Zähnen sind Behandlungen, die nicht zwingend termingebunden sind, sodaß sie bei Verhinderung des behandelnden Arztes an einem verschobenen Behandlungstermin ausgeführt werden können.' (VwGH 25.2.1994, 93/17/0001) Das bringt deutlich den Mechanismus zum Ausdruck, der oben dargestellt worden ist: Viele Tätigkeiten selbständig Erwerbstätiger sind 'nicht zwingend termingebunden', können daher — dies mutet das Gesetz dem selbständig Erwerbstätigen zu — auf einen anderen Zeitpunkt verschoben werden und führen daher typischerweise dazu, dass an den jeweiligen 'Ersatzterminen' andere Arbeiten nicht durchgeführt werden können, die ansonsten hätten erbracht werden können. Dazu kommt: In bestimmten Gewerben, vor allem solchen der Dienstleistung, zB bei Friseuren, Kosmetikern, Fußpflegern und auch — wie im Fall der Beschwerdeführerin — Masseusen (§94 Z48 GewO 1994), nimmt ein Teil der Kunden die Leistung in regelmäßigen Abständen in Anspruch, sodass, wird ein Termin um eine Woche verschoben, dies dazu führt, dass alle Folgetermine dieses Kunden gleichfalls (im Beispiel: um eine Woche) verschoben werden; damit wird aber der Einkommensentfall endgültig. Dasselbe gilt zB für die Tätigkeit von Personen, die zur freiberuflichen Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes, des logopädisch-phoniatrisch-audiologischen Dienstes oder des ergotherapeutischen Dienstes berechtigt sind (s zB §135 Abs1 Z1 ASVG).

Möglicherweise hat §18 Abs1 Z2 litb GebAG — in dem durch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprägten Verständnis — nicht einen Betrieb vor Augen, in dem der selbständig Erwerbstätige ständig, etwa im Rahmen fester Betriebszeiten, arbeitet oder mitarbeitet, sondern einen solchen, in dem er nur mäßigen Kundenkontakt hat und die Kundentermine innerhalb eines größeren Zeitrahmens verschieben kann, ohne dabei Kollisionen mit anderen Kundenterminen befürchten zu müssen, oder in dem er andere Arbeiten — ohne Kundenkontakt — ohne Weiteres auf andere Zeiten, allenfalls außerhalb der üblichen Betriebszeiten, verlegen kann. (Dabei ist zB an Planungstätigkeiten wie die eines Architekten zu denken, die gleichsam außerhalb der 'Bürozeiten' durchgeführt werden können.) In vielen Fällen arbeiten selbständig Erwerbstätige jedoch ganztags, typischerweise gerade — wie auch unselbständig Erwerbstätige — zu den Zeiten, zu denen auch Gerichtsverhandlungen stattfinden, an denen sie als Zeugen oder — wie hier — als Schöffin teilnehmen müssen.

Viele dieser Fälle sind so gelagert, dass es nicht möglich ist, den Einkommensentfall iSd §18 Abs1 Z2 litb GebAG zu bescheinigen, oder so, dass er — im Sinne dieses Gesetzes — gar nicht entsteht. Wie oben gezeigt, steht dem jedoch ein realer Verlust an Einkommen gegenüber, der aber nicht 'tatsächlich' iSd Gesetzes ist.

Dieses Ergebnis verstößt nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz der Bundesverfassung. Der Gesetzgeber hat mit §3 Abs1 Z2 und §18 GebAG ein System geschaffen, von dem er nicht abweichen darf, ohne dass dies sachlich gerechtfertigt wäre. Es ist sachlich nicht zu rechtfertigen, zwar grundsätzlich einen Einkommensentgang zu entschädigen, der nachgewiesenermaßen eingetreten ist, dies jedoch dann nicht zu tun, wenn er zwar wahrscheinlich ist, jedoch nicht im Einzelnen nachgewiesen werden kann, weil er zB auf Prognosen über das Verhalten von Laufkundschaft beruht oder indem eine sichere Einkommenschance durch zeitliche Verlegung erhalten werden soll, obwohl damit eine weitere sichere Einkommenschance verloren geht. Dazu kommt noch eine Ungleichbehandlung zwischen unselbständig und selbständig Erwerbstätigen: Nach §18 Abs1 Z2 lita GebAG gebührt dem unselbständig erwerbstätigen Zeugen der tatsächlich entgangene Verdienst. Dieser Verdienst ist vergleichsweise einfach dadurch nachzuweisen, dass der Dienstgeber des Zeugen bestätigt, in welcher Höhe er dem Zeugen einen Verdienst ausgezahlt hätte, hätte dieser in der Zeit gearbeitet, die er auf Grund der Befolgung der Zeugenpflicht nicht arbeiten konnte. Dort reicht im Übrigen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die 'hohe Wahrscheinlichkeit', dass der Anspruchswerber 'im Fall seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz zur Leistung der in Rede stehenden Überstunden herangezogen worden wäre' (VwGH 22.2.1999, 98/17/0225) und der Dienstgeber diese Überstunden in Geld abgegolten hätte (VwGH 26.2.2001, 2000/17/0209). Von einer Verlegung von Arbeitsstunden in andere Zeiten ist dabei nicht die Rede. Im Ergebnis führt dies auch zu einer Schlechterstellung der selbständig Erwerbstätigen gegenüber den unselbständig Erwerbstätigen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist der Ansicht, dass mit dem Wegfall des Wortes 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG seinen Bedenken Rechnung getragen wird, weil es bei dann bereinigter Rechtslage ('beim selbständig Erwerbstätigen das entgangene Einkommen') möglich sein dürfte, Zeugen (und Schöffen) auch für Einkommen zu entschädigen, das ihnen nicht entgangen wäre, hätten sie während der Zeit arbeiten können, in der ihnen dies nicht möglich war, weil sie die Zeugen- bzw Schöffenpflicht befolgt haben.

4.3. Aus den genannten Gründen verstößt das angegriffene Wort in §18 Abs1 Z2 litb GebAG gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG, Art2 StGG) und ist daher verfassungswidrig.

Dem Bundesverwaltungsgericht ist bewusst, dass die Auslegung des §18 Abs1 Z2 litb GebAG, die dieser Anfechtung zugrundeliegt, möglicherweise nicht zwingend ist und dass eine andere Auslegung die Verfassungswidrigkeiten, die nach Ansicht des anfechtenden Gerichts vorliegen, vermeiden könnte. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sieht es sich jedoch nicht zu einer anderen Auslegung verhalten."

4. In seinem zu G238/2020 protokollierten Antrag legt das Bundesverwaltungsgericht seine – nahezu wortgleichen und deshalb nur auszugsweise abgedruckten – Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"3. Zulässigkeit

3.1. Präjudizialität

Der Mitbeteiligte wurde am 3.10.2017 als Zeuge in einer Strafsache einvernommen.

Gemäß §3 Abs1 Z2 GebAG umfasst die Gebühr des Zeugen ua die Entschädigung für Zeitversäumnis, soweit er durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erleidet. Gemäß §18 Abs1 Z1 GebAG gebührt dem Zeugen als Entschädigung für Zeitversäumnis ein gesetzlich festgesetzter Betrag (ein Fixbetrag) für jede, wenn auch nur begonnene Stunde, für die ihm eine Entschädigung für Zeitversäumnis zusteht; anstatt dieser Entschädigung gebührt aber einem unselbständig Erwerbstätigen der tatsächlich entgangene Verdienst (§18 Abs1 Z2 lita GebAG), einem selbständig Erwerbstätigen das tatsächlich entgangene Einkommen (§18 Abs1 Z2 litb GebAG). Der Mitbeteiligte hat anstatt der genannten Entschädigung nach §18 Abs1 Z1 GebAG das tatsächlich entgangene Einkommen geltend gemacht. §18 Abs1 Z2 litb GebAG war daher von der belangten Behörde anzuwenden, ist auch angewandt worden und ist vom Bundesverwaltungsgericht bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden. §18 Abs1 Z2 litb GebAG ist somit präjudiziell.

[...]

4.1.2.2. Der Mitbeteiligte ist als Dachdecker selbständig erwerbstätig und konnte, weil er am 3.10.2017 als Zeuge in einer Verhandlung einvernommen wurde, seiner Erwerbstätigkeit für drei Stunden nicht nachgehen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass er geplant hatte, am 3.10.2017 Arbeiten für seinen Dachdeckerbetrieb zu erbringen, die ersatzlos entfallen wären, weil er seine Zeugenpflicht befolgte, und dass ihm dadurch tatsächlich ein Einkommen entgangen wäre. Sein Vorbringen läuft vielmehr darauf hinaus, dass er jenes Einkommen geltend macht, das er hätte erwirtschaften können, hätte er nicht als Zeuge aussagen müssen, dass aber keine konkreten Dienstleistungen gegenüber konkreten Kunden vorgesehen waren. Den Verdienstentgang berechnet er anhand des Jahresabschlusses jenes Jahres, aus dem er einen Stundensatz ableitet, sich dann aber mit einem niedrigeren Stundensatz (jenem eines Facharbeiters [Firmenstundensatz]) begnügt. Damit macht er den Entgang eines fiktiv nach Durchschnittssätzen errechneten Einkommens geltend.

Anhand dieser Unterlagen lässt sich allerdings weder nachvollziehen, ob der Mitbeteiligte am 3.10.2017 tatsächlich Arbeiten in seinem Dachdeckerbetrieb erbracht hätte, noch, ob sie gegebenenfalls tatsächlich ersatzlos entfallen oder aber zu einer anderen Zeit erbracht worden sind. (Für das vorliegende Verfahren dürfte es unerheblich sein, dass sich bei einem monatlichen Durchschnittseinkommen von 8700 Euro und einer monatlichen Arbeitszeit von 240 Stunden — wie sie der Mitbeteiligte zugrundelegt — ein Stundensatz von 36,25 Euro ergibt; der Mitbeteiligte setzt in seinem Schreiben vom 29.4.2019 den doppelten Betrag [72,50 Euro] an. Auch der Satz von 36,25 Euro liegt über dem gesetzlichen Satz von 14,20 Euro, der sich aus der Zuschlagsverordnung [BGBl II 134/2007] ergibt.)

Damit hat der Mitbeteiligte zwar den Grund, nicht jedoch die Höhe seines Anspruches bescheinigt. Daher steht ihm gemäß §18 Abs2 GebAG nur eine Entschädigung für Zeitversäumnis im Ausmaß des in §1 Abs1 der V BGBI II 134/2007 zu §18 Abs1 Z1 GebAG genannten Pauschalbetrages von 14,20 Euro pro Stunde zu.

[…]"

5. Die Bundesregierung verweist auf die in dem Verfahren zu G236/2020 erstattete Äußerung – soweit sie sich auf das Wort "tatsächlich" in §18 Abs1 Z2 litb GebAG bezieht, sowohl hinsichtlich der Zulässigkeit als auch der Ausführungen in der Sache –, legt die Äußerung vor und hält fest, dass das in Prüfung gezogene Wort nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig sei. Die zu G236/2020 erstattete Äußerung lautet wie folgt (Zitat ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"II. Zum Anlassverfahren und zur Zulässigkeit:

1. Dem Gesetzesprüfungsantrag des Bundesverwaltungsgerichts liegt eine Beschwerde gegen einen Bescheid der Vorsteherin des Bezirksgerichts Baden zugrunde, mit dem der Antrag einer Zeugin, die als Fachärztin für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde selbständig erwerbstätig ist, auf Ersatz der Kosten für eine Stellvertreterin, die ihre Termine während ihrer Abwesenheit aufgrund der Zeugenpflicht wahrgenommen hat, abgewiesen wurde. Aus Anlass dieses Beschwerdeverfahrens hat das Bundesverwaltungsgericht den vorliegenden Gesetzesprüfungsantrag gestellt.

2.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Umfang einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit hin zu prüfenden Gesetzesbestimmung derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird als zur Beseitigung der zulässigerweise geltend gemachten Rechtsverletzung erforderlich ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (vgl VfSlg 16.195/2001, 17.792/2006, 19.496/2011; VfGH 2.3.2015, G140/2014; jeweils mwN).

2.2. Das Bundesverwaltungsgericht beantragt in seinem Haupt- und in den Eventualanträgen die Aufhebung (bloß) einzelner Wörter des §18 Abs1 Z2 GebAG, konkret der Wörter 'notwendigerweise' in §18 Abs1 Z2 litc GebAG und 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG. Nach Auffassung der Bundesregierung ist der Anfechtungsumfang zu eng gewählt:

2.2.1. Die Aufhebung des Wortes 'notwendigerweise' in §18 Abs1 Z2 litc GebAG (entsprechend dem Hauptantrag sowie dem zweiten Eventualantrag) hätte zur Folge, dass einem Zeugen zwar generell Kosten für einen zu bestellenden Stellvertreter zu ersetzen wären. Die Kosten für eine beizuziehende Haushaltshilfskraft gemäß §18 Abs1 Z2 litd GebAG würden dagegen weiterhin nur ersetzt werden, wenn deren Beiziehung 'notwendigerweise' erfolgt ist. Ebenso würde die Aufhebung des Wortes 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG – entsprechend dem ersten und zweiten Eventualantrag – zwar zur Folge haben, dass einem selbständig Erwerbstätigen generell das entgangene Einkommen ersetzt würde und es nicht darauf ankommt, ob das Einkommen 'tatsächlich' wegen der Zeitversäumnis durch die Erfüllung der Zeugenpflicht entgangen ist. Einem unselbständig Erwerbstätigen würde dagegen gemäß §18 Abs1 Z2 lita GebAG weiterhin nur der 'tatsächlich' entgangene Verdienst ersetzt werden.

Die Bundesregierung verkennt nicht, dass es nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kein Prozesshindernis darstellt, dass durch die Aufhebung einer Bestimmung als gleichheitswidrig allenfalls eine Gleichheitswidrigkeit an anderer Stelle herbeigeführt wird (vgl VfSlg 17.954/2006; vgl auch VfSlg 14.521/1996, wonach es für die Beurteilung der Prozessvoraussetzungen nicht darauf ankommt, ob mit der Aufhebung einer angefochtenen Bestimmung eine verfassungskonforme Rechtslage erreicht werden kann). Unzulässig ist ein Gesetzesprüfungsantrag jedoch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes dann, wenn die betreffende Regelung durch die beantragte Aufhebung einen völlig veränderten, dem Normsetzer überhaupt nicht mehr zusinnbaren Inhalt erhalten würde, weil dies im Ergebnis einem Akt positiver Normsetzung gleichkomme, der dem Verfassungsgerichtshof nicht zukomme (vgl VfSlg 12.465/1990; 13.915/1994; 19.755/2013; VfGH 18.2.2016, G434/2015 jeweils mwN). Ein derartiger, der Gesetzgebung nicht mehr zusinnbarer Inhalt würde bei einer Aufhebung im beantragten Umfang aber entstehen. Ausweislich der Erläuterungen zur (wie oben in Pkt. I.3.6. dargelegt, wortgleichen) Vorgängerregelung des §18 Abs1 Z2 GebAG ging es der Gesetzgebung ausdrücklich darum, dass die Entschädigung 'allen Zeugen ohne Unterscheidung ihrer beruflichen Stellung im gleichen Ausmaß zustehen' sollte, 'sofern sie nur durch ihre Vorladung vor Gericht oder ihre tatsächliche Vernehmung verursacht worden sind' (RV 1336 BlgNR 13. GP, 19). Dieses Ziel würde durch eine Aufhebung im beantragten Umfang jedoch konterkariert, da es dann nur mehr bei unselbständig Erwerbstätigen auf das 'tatsächlich' entgangene Einkommen (nicht aber bei selbständig Erwerbstätigen) und nur für den Fall der Bestellung einer Haushaltshilfskraft (nicht aber bei Bestellung eines Stellvertreters) auf deren notwendige Bestellung ankommen würde. Nach Auffassung der Bundesregierung hätte das Bundesverwaltungsgericht daher auch §18 Abs1 Z2 litb und litd GebAG in seinen Gesetzesprüfungsantrag einbeziehen müssen. Die Anträge erweisen sich insofern als zu eng gefasst.

2.2.2. Wenn das Bundesverwaltungsgericht ausführt, dass es sachlich nicht gerechtfertigt sei, einen Einkommensentgang, der wahrscheinlich ist, aber nicht im Einzelnen nachgewiesen werden kann, nicht zu entschädigen (s Pkt. 4.1.2.1.3. des Antrags), richten sich seine Bedenken zudem offenbar nicht nur dagegen, dass bei der Feststellung eines Entschädigungsanspruchs auf 'tatsächlich' entgangenes Einkommen abgestellt wird, sondern generell dagegen, dass auf (realiter) 'entgangenes' Einkommen abgestellt wird. Würde aber – wie im ersten und zweiten Eventualantrag beantragt – nur das Wort 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG aufgehoben werden, wäre einem Zeugen weiterhin (nur) das 'entgangene Einkommen' zu ersetzen, nicht aber das (wahrscheinlich) während der Abwesenheit des selbständig Erwerbstätigen erwirtschaftete Einkommen schlechthin. Ausgehend von seinen Bedenken hätte das Bundesverwaltungsgericht daher (zumindest) auch die Aufhebung der Wortfolge 'tatsächlich entgangene' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG beantragen müssen. Der erste und zweite Eventualantrag sind nach Auffassung der Bundesregierung auch aus diesem Grund zu eng gefasst.

2.3. Vor diesem Hintergrund ist die Bundesregierung der Auffassung, dass sowohl der Hauptantrag als auch die Eventualanträge mangels richtiger Abgrenzung des jeweils begehrten Aufhebungsumfangs unzulässig sind.

Für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof die Anträge dennoch als zulässig erachten sollte, nimmt die Bundesregierung im Folgenden in der Sache Stellung:

III. In der Sache:

1. Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (vgl zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

2. Das Bundesverwaltungsgericht hegt das Bedenken, dass das Wort 'notwendigerweise' in §18 Abs1 Z2 litc GebAG gegen den Gleichheitsgrundsatz (Art2 StGG, Art7 B-VG) verstoßen würde. Seiner Ansicht nach stehe die Auslegung dieses Wortes in Zusammenhang mit dem Wort 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG, gegen das es ebenfalls gleichheitsrechtliche Bedenken hegt. Die Bedenken bestünden jeweils ausgehend von jenem Verständnis der angefochtenen Bestimmungen, das durch die gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geprägt sei. Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu §18 Abs1 Z2 litb GebAG führe dazu, dass ein Einkommensentgang eines selbständig Erwerbstätigen, der zwar wahrscheinlich ist, jedoch nicht im Einzelnen nachgewiesen werden könne, nicht entschädigt werden könne. Somit könnten etwa Einkommensentgänge, die mittels Prognosen über das Verhalten von Laufkundschaft errechnet wurden oder die wegen der Verschiebung eines Termins entstanden sind, nicht als entschädigungsfähig anerkannt werden. Hinsichtlich der Verschiebung eines Termins sei aber zu berücksichtigen, dass dadurch bzw durch die Nachholung des Termins zu einem späteren Zeitpunkt unter Umständen eine weitere sichere Einkommenschance verloren gehe (etwa wenn der Termin eben nicht nachgeholt werde, sondern – bis zum nächsten regulären Termin – ausfalle oder weil der Ersatztermin – bei einem 'ausgebuchten' Betrieb – wiederum nicht für andere Termine zur Verfügung stehe). Dies sei sachlich nicht gerechtfertigt. Zudem führe die Regelung zu einer Ungleichbehandlung zwischen unselbständig und selbständig Erwerbstätigen. Der entgangene Verdienst eines unselbständig Erwerbstätigen könne vergleichsweise einfach mittels einer Bestätigung des Dienstgebers darüber nachgewiesen werden, in welcher Höhe er dem Zeugen einen Verdienst ausgezahlt hätte, hätte er in der betreffenden Zeit gearbeitet. Zudem reiche hinsichtlich möglicher Überstunden bereits die 'hohe Wahrscheinlichkeit', dass der Zeuge 'im Fall seiner Anwesenheit am Arbeitsplatz zur Leistung der in Rede stehenden Überstunden herangezogen worden wäre' (VwGH 22.2.1999, 98/17/0225) und der Dienstgeber diese Überstunden in Geld abgegolten hätte (VwGH 26.2.2001, 2000/17/0209). Von einer Verlegung von Arbeitsstunden in andere Zeiten sei in diesem Zusammenhang nicht die Rede. Diese Verfassungswidrigkeit des Wortes 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG bringe es mit sich, dass auch das Wort 'notwendigerweise' in §18 Abs1 Z2 litc GebAG einen verfassungswidrigen Inhalt habe. Die in §18 Abs1 Z2 litc GebAG vorgesehene Entschädigung für die Kosten eines Stellvertreters solle nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Entschädigung für das tatsächlich entgangene Einkommen nach litb leg.cit. substituieren. Demgemäß gehe der Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Bestellung eines Stellvertreters nur dann 'notwendigerweise' iSv. §18 Abs1 Z2 litc GebAG erfolge, wenn die vom Stellvertreter wahrgenommenen Aufgaben unaufschiebbar sind. Könne ein Zeuge daher die dem Stellvertreter übertragenen Arbeiten nach seiner Rückkehr vom Gericht selbst verrichten, sei der Stellvertreter nicht 'notwendigerweise' bestellt (VwGH 20.6.2012, 2010/17/0099, unter Verweis auf VwGH 7.10.2005, 2005/17/0207). Diese Verschränkung des 'tatsächlich' entgangenen Einkommens mit der Notwendigkeit einer Stellvertretung lasse das Wort 'notwendigerweise' in §18 Abs1 Z2 litc GebAG aus denselben Gründen als verfassungswidrig erscheinen wie das Wort 'tatsächlich' in §18 Abs1 Z2 litb GebAG.

3. Der Gleichheitssatz bindet auch die Gesetzgebung (vgl VfSlg 13.327/1993, 16.407/2001). Er setzt ihr insofern inhaltliche Schranken, als er verbietet, unsachliche, durch tatsächliche Unterschiede nicht begründbare Differenzierungen und eine unsachliche Gleichbehandlung von Ungleichem (vgl VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005) sowie sachlich nicht begründbare Regelungen zu schaffen (vgl VfSlg 14.039/1995, 16.407/2001).

Innerhalb dieser Schranken ist es der Gesetzgebung jedoch von Verfassung wegen nicht verwehrt, ihre politischen Zielvorstellungen auf die ihr geeignet erscheinende Art zu verfolgen (vgl VfSlg 13.576/1993, 13.743/1994, 15.737/2000, 16.167/2001, 16.504/2002). Sie kann im Rahmen ihres rechtspolitischen Gestaltungsspielraums einfache und leicht handhabbare Regelungen treffen und darf bei der Normsetzung generalisierend von einer Durchschnittsbetrachtung ausgehen und auf den Regelfall abstellen (vgl VfSlg 13.497/1993, 15.850/2000, 16.048/2000, 17.315/2004 und 17.816/2006, 19.722/2012, jeweils mwN) sowie auch Härtefälle in Kauf nehmen (vgl VfSlg 16.771/2002 mwN). Ob eine Regelung zweckmäßig ist und das Ergebnis in allen Fällen als befriedigend empfunden wird, kann nicht mit dem Maß des Gleichheitssatzes gemessen werden (vgl VfSlg 14.301/1995, 15.980/2000, 16.814/2003 und VfGH 1.10.2019, G330/2018, Rz. 74 mwN).

4. Es liegt im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gesetzgebung, ob und wenn ja, in welchem Ausmaß ein Entschädigungsanspruch für einen Vermögensnachteil vorgesehen wird, der Personen, die als Zeugen in gerichtlichen Verfahren und in einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft tätig sind, aufgrund der zeitlichen Inanspruchnahme durch diese Tätigkeit entstanden ist (vgl VfSlg 8767/1980 mwN betreffend Entschädigungen für den Verdienstentgang aufgrund des Wehrdienstes). Mit den angefochtenen Bestimmungen hat die Gesetzgebung nach Auffassung der Bundesregierung diesen Gestaltungsspielraum nicht überschritten:

4.1. Gemäß §3 Abs1 Z2 GebAG haben Zeugen Anspruch auf eine Entschädigung für ihre Zeitversäumnis, soweit sie durch die Befolgung der Zeugenpflicht einen Vermögensnachteil erlitten haben. Ist ein Vermögensnachteil entstanden, kann ein Zeuge zwischen einer pauschalen Entschädigung gemäß §18 Abs1 Z1 GebAG und der Entschädigung eines höheren, konkreten Vermögensnachteils nach §18 Abs1 Z2 GebAG wählen. In letzterem Fall muss der Zeuge seinen Gebührenanspruch auch der Höhe nach bescheinigen.

4.2. Nach der Intention der Gesetzgebung soll eine 'Entschädigung für eine Zeitversäumnis nur zustehen […], wenn der Zeuge durch die Befolgung seiner Zeugenpflicht sonst tatsächlich einen Vermögensnachteil erlitte' (RV 888 BlgNR 17. GP, 28). Grundlegende Voraussetzung für das Bestehen eines (über die pauschale Entschädigung gemäß §18 Abs1 Z1 GebAG hinausgehenden) Entschädigungsanspruchs gemäß §18 Abs1 Z2 GebAG ist daher ein konkreter Vermögensnachteil (s dazu auch oben Pkt. I. 3.5.). Demgemäß stellt §18 Abs1 Z2 GebAG auf den tatsächlich entgangenen Verdienst eines unselbständig Erwerbstätigen (§18 Abs1 Z2 lita GebAG), das tatsächlich entgangene Einkommen eines selbständig Erwerbstätigen (§18 Abs1 Z2 litb GebAG), die angemessenen Kosten für einen notwendigerweise zu bestellenden Stellvertreter (§18 Abs1 Z2 litc GebAG) oder die angemessenen Kosten für eine notwendigerweise beizuziehende Haushaltshilfskraft (§18 Abs1 Z2 litd GebAG) ab. Ein unselbständig Erwerbstätiger soll daher gemäß §18 Abs1 Z2 GebAG das ersetzt bekommen, 'was er auf die Hand bekommen hätte', ein selbständig Erwerbstätiger das, 'was er nach Abzug von Auslagen positiv verdient hätte' (RV 1336 BlgNR 13. GP, 19). Ob im Einzelfall die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch vorliegen und wenn ja, in welchem Ausmaß einem Zeugen eine Entschädigung zusteht, kann angesichts der vielfältigen Konstellationen, in denen ein Entschädigungsanspruch zu prüfen ist, nur anhand der jeweils konkreten Umstände des Einzelfalls festgestellt werden.

4.3. Die Bundesregierung vermag keinen Grund zu erkennen, aus dem diese Voraussetzungen für den Entschädigungsanspruch eines Zeugen, der gemäß §18 Abs1 Z2 GebAG Ansprüche geltend macht, die über die pauschale Entschädigung (gemäß §18 Abs1 Z1 GebAG) hinausgehen, unsachlich sein sollten. Entgegen der offenbaren Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts ermöglicht §18 Abs1 Z2 GebAG nicht nur den angemessenen Ausgleich gerade jener Vermögensnachteile, die ein Zeuge aufgrund der Wahrnehmung seiner Zeugenpflicht konkret erlitten hat (s dazu auch die Ausführungen im Folgenden). Zudem schützt die Regelung die zur Bezahlung der Zeugengebühren verpflichteten Verfahrensparteien bzw gegebenenfalls den Bund vor unverhältnismäßigen und – im Hinblick auf bloß abstrakte Kosten – ungerechtfertigten finanziellen Belastungen. Dass in §18 Abs1 Z2 litb GebAG für den Entschädigungsanspruch eines selbständig Erwerbstätigen auf das 'tatsächlich' entgangene Einkommen abgestellt wird, ist daher nach Auffassung der Bundesregierung sachlich gerechtfertigt.

4.4. Wenn das Bundesverwaltungsgericht im Zusammenhang mit der Beurteilung, ob einem selbständig Erwerbstätigen ein entsprechend konkreter Vermögensnachteil entstanden ist, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für unsachlich erachtet, ist dem zunächst entgegenzuhalten, dass es damit keine Bedenken gegen die angefochtenen Gesetzesbestimmungen vorbringt, sondern sich gegen deren Vollziehung wendet. Im Übrigen steht die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach Auffassung der Bundesregierung

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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