TE Vfgh Erkenntnis 2020/12/2 UA3/2020

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Veröffentlicht am 02.12.2020
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Index

10/07 Verfassungs- und Verwaltungsgerichtsbarkeit

Norm

B-VG Art53
B-VG Art138b Abs1 Z4
GOG NR §106
VO-UA §24, §27, §58
VfGG §7 Abs1, §56f

Leitsatz

Verpflichtung der Bundesministerin für Justiz zur unabgedeckten (ungeschwärzten) Vorlage des Ton- und Bildmaterials des "Ibiza-Videos" sowie der dazugehörigen Transkripte an den Untersuchungsausschuss des Nationalrates betreffend die mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss); grundsätzlicher und ergänzender Beweisbeschluss verpflichten zur Herausgabe näher definierter Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss, selbst wenn diese nach den Bestimmungen der StPO und der Rsp des OGH nicht zum (Ermittlungs-)Akt genommen werden dürfen; keine Rechtfertigung der Ablehnung der Vorlage durch pauschale Behauptung, dass bestimmte Akten und Unterlagen nicht vom Untersuchungsgegenstand erfasst seien sowie Erforderlichkeit einer Begründung für die fehlende abstrakte Relevanz der geschwärzten Passagen; Möglichkeit eines Konsultationsverfahrens zur Beseitigung bei Meinungsverschiedenheiten zwischen dem Untersuchungsausschuss und der Bundesministerin auch bei – vermeintlich – nichtvorlagepflichtigen Aktenstücken

Spruch

Die Bundesministerin für Justiz ist verpflichtet, dem Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) das Ton- und Bildmaterial des "Ibiza-Videos" und die dazugehörigen Transkripte im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit ihrem auf Art138b Abs1 Z4 B-VG gestützten Antrag begehren die Einschreiter,

"der Verfassungsgerichtshof möge feststellen, dass die Bundesministerin für Justiz verpflichtet ist, dem Ibiza-Untersuchungsausschuss das Ton- und Bildmaterial des 'Ibiza-Videos' und die dazuhörigen Transkripte unabgedeckt (ungeschwärzt) vorzulegen."

II. Rechtslage

1. Art53 und Art138b Abs1 Z4 B-VG, BGBl 1/1930 idF BGBl I 101/2014, lauten:

"Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein Untersuchungsausschuss einzusetzen.

(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung, wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprüfung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.

(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersuchungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungs-ausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 gefährden würde.

(4) Die Verpflichtung gemäß Abs3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volks-anwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsitzenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann."

"Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über

[…]

4. Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, auf Antrag des Untersuchungsausschusses, eines Viertels seiner Mitglieder oder des informationspflichtigen Organs;

[…]"

2. §56f Verfassungsgerichtshofgesetz 1953 (in der Folge: VfGG), BGBl 85 idF BGBl I 101/2014, lautet:

"d) Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel seiner Mitglieder und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen

§56f. (1) Ein Antrag auf Entscheidung einer Meinungsverschiedenheit zwischen einem Untersuchungsausschuss des Nationalrates, einem Viertel der Mitglieder dieses Untersuchungsausschusses und informationspflichtigen Organen über die Verpflichtung, dem Untersuchungsausschuss Informationen zur Verfügung zu stellen, ist nicht mehr zulässig, wenn seit dem Ablauf der Frist gemäß §27 Abs4 der Anlage 1 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates: 'Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse' zwei Wochen vergangen sind.

(2) Bis zur Verkündung bzw Zustellung des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.

(3) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet auf Grund der Aktenlage ohne unnötigen Aufschub, tunlichst aber binnen vier Wochen, nachdem der Antrag vollständig eingebracht wurde."

3. §106 des Bundesgesetzes vom 4. Juli 1975 über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975 – in der Folge: GOG-NR), BGBl 410 idF BGBl I 99/2014, lautet:

"§106. Verlangen eines Drittels der Mitglieder des Immunitätsausschusses auf Einholung einer Entscheidung des Nationalrates im Sinne des §10 Abs3, Verlangen auf Einberufung einer außerordentlichen Tagung gemäß §46 Abs2, Verlangen auf Durchführung einer Volksabstimmung gemäß §§84 Abs1 oder 85 sowie Anträge und Anfechtungen in Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof nach den Bestimmungen dieser Geschäftsordnung sind schriftlich mit den eigenhändigen Unterschriften der Abgeordneten an den Präsidenten zur weiteren verfassungsmäßigen Behandlung zu richten."

4. §24, §27 und §58 der Anlage 1 zum GOG-NR (Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse – VO-UA), BGBl 410/1975 idF BGBl I 99/2014, lauten:

"Grundsätzlicher Beweisbeschluss

§24. (1) Der grundsätzliche Beweisbeschluss verpflichtet Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des Untersuchungsgegenstands. Sie können zugleich um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand ersucht werden. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Erhebungen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art52a Abs2 B-VG gefährden würde.

(2) Die Verpflichtung gemäß Abs1 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Willensbildung der Bundesregierung und ihrer einzelnen Mitglieder oder ihre unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.

(3) Der grundsätzliche Beweisbeschluss ist nach Beweisthemen zu gliedern und zu begründen. Die vom Untersuchungsgegenstand betroffenen Organe sind genau zu bezeichnen. Die Setzung einer angemessenen Frist ist zulässig. Der Geschäftsordnungsausschuss kann Anforderungen an die Art der Vorlage beschließen. Sofern sich ein solcher Beschluss auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden bezieht, ist nach Maßgabe von §58 vorzugehen.

(4) Im Fall eines aufgrund eines Verlangens gemäß §1 Abs2 eingesetzten Untersuchungsausschusses kann die Einsetzungsminderheit nach Einsetzung des Untersuchungsausschusses den Verfassungsgerichtshof gemäß Art138b Abs1 Z2 B-VG zur Feststellung über den hinreichenden Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses anrufen. Gleiches gilt hinsichtlich einer Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5.

(5) Stellt der Verfassungsgerichtshof gemäß §56d VfGG fest, dass der Umfang des grundsätzlichen Beweisbeschlusses nicht hinreichend ist, hat der Geschäftsordnungsausschuss binnen zwei Wochen eine Ergänzung zu beschließen. Der Beschluss ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben.

(6) Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofs zur Feststellung des nicht hinreichenden Umfangs der Ergänzung des grundsätzlichen Beweisbeschlusses gemäß Abs5 wird diese in dem vom Verfassungsgerichtshof gemäß §56d Abs7 VfGG festgestellten erweiterten Umfang wirksam. Der grundsätzliche Beweisbeschluss samt Ergänzung ist gemäß §39 GOG bekannt zu geben."

"Vorlage von Beweismitteln

§27. (1) Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindeverbände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben Beweisbeschlüssen gemäß §24 und ergänzenden Beweisanforderungen gemäß §25 unverzüglich zu entsprechen. Im Fall einer Anrufung des Verfassungsgerichtshofes gemäß §24 Abs4 hat die Übermittlung von Akten und Unterlagen jedoch erst mit Unterrichtung gemäß §26 Abs2 über die Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes zu erfolgen.

(2) Akten und Unterlagen, die sich auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden beziehen, sind vom Bundesminister für Justiz vorzulegen.

(3) Wird einem Beweisbeschluss oder einer ergänzenden Beweisanforderung nicht oder nur teilweise entsprochen, ist der Untersuchungsausschuss über die Gründe der eingeschränkten Vorlage schriftlich zu unterrichten.

(4) Kommt ein informationspflichtiges Organ nach Auffassung des Untersuchungsausschusses oder eines Viertels seiner Mitglieder der Verpflichtung gemäß Abs1 oder Abs3 nicht oder ungenügend nach, kann der Ausschuss oder ein Viertel seiner Mitglieder das betreffende Organ auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen diesen Verpflichtungen nachzukommen. Die Aufforderung ist schriftlich zu begründen.

(5) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z4 B-VG über die Rechtmäßigkeit der teilweisen oder gänzlichen Ablehnung der Vorlage oder der Beweiserhebung, wenn ihn das aufgeforderte Organ oder ein Viertel der Mitglieder des Untersuchungsausschusses nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 anruft oder der Ausschuss eine Anrufung aufgrund eines schriftlichen Antrags nach Ablauf der Frist gemäß Abs4 beschließt.

(6) Werden klassifizierte Akten oder Unterlagen vorgelegt, ist der Untersuchungsausschuss über den Zeitpunkt und die Gründe der Klassifizierung schriftlich zu unterrichten."

"Rücksichtnahme auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden

§58. (1) Der Vorsitzende übermittelt dem Bundesminister für Justiz den grundsätzlichen Beweisbeschluss gemäß §24, ergänzende Beweisanforderungen gemäß §25 sowie Ladungen von Auskunftspersonen.

(2) Ist der Bundesminister für Justiz der Auffassung, dass Anforderungen von Akten und Unterlagen, Ersuchen um Beweiserhebungen oder die Ladung von Auskunftspersonen die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren berühren, kann er beim Vorsitzenden die Aufnahme des Konsultationsverfahrens verlangen. Der Vorsitzende hat das Konsultationsverfahren unverzüglich einzuleiten.

(3) Das Konsultationsverfahren wird vom Vorsitzenden mit Unterstützung des Verfahrensrichters geführt. Die Fraktionen sind am Konsultationsverfahren zu beteiligen. Sie können dafür jeweils ein Mitglied namhaft machen.

(4) Der Vorsitzende und der Bundesminister für Justiz können im Rahmen des Konsultationsverfahrens schriftlich vereinbaren, dass bei der Festlegung des Arbeitsplans, der Vorlage von Akten und Unterlagen sowie Ergebnissen von Erhebungen, der Befragung von Auskunftspersonen und bei Veröffentlichungen des Untersuchungsausschusses auf die Tätigkeit der Strafverfolgungsbehörden in bestimmten Ermittlungsverfahren durch geeignete Maßnahmen Rücksicht genommen wird. Dabei sind die Interessen der Strafverfolgung gegenüber den Interessen der parlamentarischen Kontrolle abzuwägen.

(5) Entstehen zwischen dem Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister für Justiz Meinungsverschiedenheiten über das Erfordernis oder die Auslegung einer solchen Vereinbarung, kann der Ausschuss den Bundesminister für Justiz auffordern, innerhalb einer Frist von zwei Wochen dazu Stellung zu nehmen.

(6) Der Verfassungsgerichtshof entscheidet gemäß Art138b Abs1 Z6 B-VG über das Erfordernis oder die Auslegung einer solchen Vereinbarung, wenn ihn der Untersuchungsausschuss oder der Bundesminister für Justiz nach Ablauf der Frist gemäß Abs5 anruft."

5. §5, §74, §109, §110, §112 und §114 Strafprozeßordnung 1975 (StPO), BGBl 631/1975 (WV) idF BGBl I 32/2018, lauten:

"Gesetz- und Verhältnismäßigkeit

§5. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen bei der Ausübung von Befugnissen und bei der Aufnahme von Beweisen nur soweit in Rechte von Personen eingreifen, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht der Straftat, zum Grad des Verdachts und zum angestrebten Erfolg stehen.

(2) Unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen haben Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Gesetzlich eingeräumte Befugnisse sind in jeder Lage des Verfahrens in einer Art und Weise auszuüben, die unnötiges Aufsehen vermeidet, die Würde der betroffenen Personen achtet und deren Rechte und schutzwürdige Interessen wahrt.

(3) Es ist unzulässig, Personen zur Begehung von strafbaren Handlungen in einer dem Grundsatz des fairen Verfahrens (Art6 Abs1 der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr 210/1958) widerstreitenden Weise zu verleiten, oder durch heimlich bestellte Personen zu einem Geständnis zu verlocken."

"5. Hauptstück

Gemeinsame Bestimmungen

1. Abschnitt

Einsatz der Informationstechnik

Verarbeitung personenbezogener Daten

§74. (1) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht dürfen im Rahmen ihrer Aufgaben die hierfür erforderlichen personenbezogenen Daten verarbeiten. Soweit zum Verarbeiten personenbezogener Daten nichts anderes bestimmt wird, finden die Bestimmungen des Datenschutzgesetzes – DSG, BGBl I Nr 165/1999, Anwendung.

(2) Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht haben beim Verarbeiten personenbezogener Daten den Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit (§5) zu beachten. Jedenfalls haben sie schutzwürdige Interessen der betroffenen Personen an der Geheimhaltung zu wahren und vertraulicher Behandlung personenbezogener Daten Vorrang einzuräumen. Bei der Verarbeitung besonderer Kategorien (§39 DSG) und strafrechtlich relevanter personenbezogener Daten haben sie angemessene Vorkehrungen zur Wahrung der Geheimhaltungsinteressen der betroffenen Personen zu treffen."

"8. Hauptstück

Ermittlungsmaßnahmen und Beweisaufnahme

1. Abschnitt

Sicherstellung, Beschlagnahme, Auskunft aus dem Kontenregister und

Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte

Definitionen

§109. Im Sinne dieses Gesetzes ist

1. 'Sicherstellung'

a. die vorläufige Begründung der Verfügungsmacht über Gegenstände und

b. das vorläufige Verbot der Herausgabe von Gegenständen oder anderen Vermögenswerten an Dritte (Drittverbot) und das vorläufige Verbot der Veräußerung oder Verpfändung solcher Gegenstände und Werte,

2. 'Beschlagnahme'

a. eine gerichtliche Entscheidung auf Begründung oder Fortsetzung einer Sicherstellung nach Z1 und

b. das gerichtliche Verbot der Veräußerung, Belastung oder Verpfändung von Liegenschaften oder Rechten, die in einem öffentlichen Buch eingetragen sind,

3. 'Auskunft aus dem Kontenregister' die Abfrage und Übermittlung von Daten aus dem Kontenregister (§§2 und 4 Kontenregister- und Konteneinschaugesetz, BGBl I Nr 116/2015),

4. 'Auskunft über Bankkonten und Bankgeschäfte' die Herausgabe aller Unterlagen über die Identität des Inhabers einer Geschäftsverbindung und über seine Verfügungsberechtigung, die Einsicht in Urkunden und andere Unterlagen eines Kredit- oder Finanzinstituts über Art und Umfang einer Geschäftsverbindung und damit im Zusammenhang stehende Geschäftsvorgänge und sonstige Geschäftsvorfälle für einen bestimmten vergangenen oder zukünftigen Zeitraum."

"Sicherstellung

§110. (1) Sicherstellung ist zulässig, wenn sie

1. aus Beweisgründen,

2. zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche oder

3. zur Sicherung der Konfiskation (§19a StGB), des Verfalls (§20 StGB), des erweiterten Verfalls (§20b StGB), der Einziehung (§26 StGB) oder einer anderen gesetzlich vorgesehenen vermögensrechtlichen Anordnung

erforderlich scheint.

(2) Sicherstellung ist von der Staatsanwaltschaft anzuordnen und von der Kriminalpolizei durchzuführen.

(3) Die Kriminalpolizei ist berechtigt, Gegenstände (§109 Z1 lita) von sich aus sicherzustellen,

1. wenn sie

a. in niemandes Verfügungsmacht stehen,

b. dem Opfer durch die Straftat entzogen wurden,

c. am Tatort aufgefunden wurden und zur Begehung der strafbaren Handlung verwendet oder dazu bestimmt worden sein könnten, oder

d. geringwertig oder vorübergehend leicht ersetzbar sind,

2. wenn ihr Besitz allgemein verboten ist (§445a Abs1),

3. die im Rahmen einer Durchsuchung nach §120 Abs2 aufgefunden werden oder mit denen eine Person, die aus dem Grunde des §170 Abs1 Z1 festgenommen wird, betreten wurde oder die im Rahmen ihrer Durchsuchung gemäß §120 Abs1 zweiter Satz aufgefunden werden, oder

4. in den Fällen des Artikels 18 der Verordnung (EU) Nr 608/2013 zur Durchsetzung der Rechte geistigen Eigentums durch die Zollbehörden und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr 1383/2003 des Rates, ABl. Nr L 181 vom 29.06.2013 S. 15.

(4) Die Sicherstellung von Gegenständen aus Beweisgründen (Abs1 Z1) ist nicht zulässig und jedenfalls auf Verlangen der betroffenen Person aufzuheben, soweit und sobald der Beweiszweck durch Bild-, Ton- oder sonstige Aufnahmen oder durch Kopien schriftlicher Aufzeichnungen oder automationsunterstützt verarbeiteter Daten erfüllt werden kann und nicht anzunehmen ist, dass die sichergestellten Gegenstände selbst oder die Originale der sichergestellten Informationen in der Hauptverhandlung in Augenschein zu nehmen sein werden."

"§112. (1) Widerspricht die von der Sicherstellung betroffene oder anwesende Person, auch wenn sie selbst der Tat beschuldigt ist, der Sicherstellung von schriftlichen Aufzeichnungen oder Datenträgern unter Berufung auf ein gesetzlich anerkanntes Recht auf Verschwiegenheit, das bei sonstiger Nichtigkeit nicht durch Sicherstellung umgangen werden darf, so sind diese Unterlagen auf geeignete Art und Weise gegen unbefugte Einsichtnahme oder Veränderung zu sichern und bei Gericht zu hinterlegen. Auf Antrag des Betroffenen sind die Unterlagen jedoch bei der Staatsanwaltschaft zu hinterlegen, die sie vom Ermittlungsakt getrennt aufzubewahren hat. In beiden Fällen dürfen die Unterlagen von Staatsanwaltschaft oder Kriminalpolizei nicht eingesehen werden, solange nicht über die Einsicht nach den folgenden Absätzen entschieden worden ist.

(2) Der Betroffene ist aufzufordern, binnen einer angemessenen, 14 Tage nicht unterschreitenden Frist jene Teile der Aufzeichnungen oder Datenträger konkret zu bezeichnen, deren Offenlegung eine Umgehung seiner Verschwiegenheit bedeuten würde; zu diesem Zweck ist er berechtigt, in die hinterlegten Unterlagen Einsicht zu nehmen. Unterlässt der Betroffene eine solche Bezeichnung, so sind die Unterlagen zum Akt zu nehmen und auszuwerten. Anderenfalls hat das Gericht, im Fall eines Antrags nach Abs1 vorletzter Satz jedoch die Staatsanwaltschaft die Unterlagen unter Beiziehung des Betroffenen sowie gegebenenfalls geeigneter Hilfskräfte oder eines Sachverständigen zu sichten und anzuordnen, ob und in welchem Umfang sie zum Akt genommen werden dürfen. Unterlagen, die nicht zum Akt genommen werden, sind dem Betroffenen auszufolgen. Aus deren Sichtung gewonnene Erkenntnisse dürfen bei sonstiger Nichtigkeit nicht für weitere Ermittlungen oder als Beweis verwendet werden.

(3) Gegen die Anordnung der Staatsanwaltschaft kann der Betroffene Einspruch erheben, in welchem Fall die Unterlagen dem Gericht vorzulegen sind, das zu entscheiden hat, ob und in welchem Umfang sie zum Akt genommen werden dürfen; Abs2 letzter Satz gilt. Einer Beschwerde gegen den Beschluss des Gerichts kommt aufschiebende Wirkung zu."

"§114. (1) Für die Verwahrung sichergestellter Gegenstände hat bis zur Berichterstattung über die Sicherstellung (§113 Abs2) die Kriminalpolizei, danach die Staatsanwaltschaft zu sorgen.

(2) Wenn der Grund für die weitere Verwahrung sichergestellter Gegenstände wegfällt, sind diese sogleich jener Person auszufolgen, in deren Verfügungsmacht sie sichergestellt wurden, es sei denn, dass diese Person offensichtlich nicht berechtigt ist. In diesem Fall sind sie der berechtigten Person auszufolgen oder, wenn eine solche nicht ersichtlich ist und nicht ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden kann, nach §1425 ABGB gerichtlich zu hinterlegen. Die hievon betroffenen Personen sind zu verständigen."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. 54 Mitglieder des Nationalrates haben am 11. Dezember 2019 ein – zur Gänze zulässiges (vgl VfGH 3.3.2020, UA1/2020) – Verlangen auf Einsetzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses mit folgendem Untersuchungsgegenstand im Nationalrat eingebracht und dieses wie folgt begründet (ohne die im Original enthaltenen Hervorhebungen):

"Untersuchungsgegenstand

Untersuchungsgegenstand ist die mutmaßliche politische Absprache über das Gewähren ungebührlicher Vorteile im Bereich der Vollziehung des Bundes durch Mitglieder der Bundesregierung oder Staatssekretäre und diesen jeweils unter-stellte leitende Bedienstete an natürliche oder juristische Personen, die politi-sche Parteien direkt oder indirekt begünstigten, im Zuge der

a) Vollziehung der §§12a, 14 bis 16, 18 bis 24a, 30, 31, 31b Abs1 und 6 bis 9, sowie 57 bis 59 Glücksspielgesetz idjgF;

b) Einflussnahme auf die Casinos Austria AG, ihre direkten oder indirekten EigentümerInnen sowie ihre Tochterunternehmen und jeweiligen Organ-walterInnen;

c) Vorbereitung von Gesetzgebungsverfahren auf Grundlage der Art10 Abs1 Z1, 4-6 und 8-12, Art11 Abs1 Z3 und 7, Art12 Abs1 Z1 und 5 sowie Art14b Abs1 B-VG idjgF;

d) Vollziehung der §121a BAO sowie Art1 §49a FinStrG idjgF in Bezug auf die in litb genannten Personen;

e) Umstrukturierung der Finanzaufsicht (BMF, Österreichische Nationalbank und Finanzmarktaufsicht) sowie der ÖBIB zur ÖBAG einschließlich der Bestellung der jeweiligen Organe;

f) Bestellung von Organen (einschließlich Vorstände, Aufsichtsräte und Geschäftsführungen) von Unternehmungen, an denen der Bund mittelbar oder unmittelbar beteiligt ist;

g) straf- und disziplinarrechtlichen Ermittlungen in Folge des Ibiza-Videos und gegen die Casinos Austria AG, ihre direkten und indirekten EigentümerInnen sowie Tochterunternehmen und jeweiligen OrganwalterInnen

einschließlich von Vorbereitungs- und Verdunkelungshandlungen im Zeitraum von 18. Dezember 2017 bis 10. Dezember 2019

Beweisthemen und inhaltliche Gliederung des Untersuchungsgegenstands

1. Managementscheidungen bei der Casinos Austria AG

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren zur Besetzung von Funktionen in der Casinos Austria AG und ihren Tochterunternehmen sowie die Kommunikation zwischen den Eigentümern der CASAG bzw Mitgliedern der Gesellschaftsgremien sowie Amtsträgern. Dazu zählt die Einhaltung der gesetzlichen Voraussetzungen, die Willensbildung sowie die Überprüfung der jeweiligen persönlichen Eignung bei der Bestellung der GeschäftsleiterInnen (insbesondere Peter Sidlo) sowie des Aufsichtsrates der CASAG, die Wahrnehmung der Eigentümerinteressen der Republik sowie die in Folge des Bekanntwerdens der Ermittlungen der WKStA getroffenen Maßnahmen.

2. Reform und Vollziehung bestimmter Teile des Glücksspielgesetzes

Aufklärung über die Einhaltung der erforderlichen Sorgfalt, die Vorgangsweise und die politische Einflussnahme auf die Vollziehung des Glücksspielgesetzes sowie die Vorbereitung möglicher Gesetze im Glücksspielbereich einschließlich der Bemühungen von Dritten um bestimmte Handlungen seitens der Bundesregierung oder ihrer Mitglieder ('Hintergrunddeals').

3. Begünstigung von Dritten

Aufklärung über die Einflussnahme von politischen FunktionsträgerInnen, leiten-den Bediensteten sowie deren jeweiligen Büros auf die Vollziehung von Angelegenheiten betreffend Personen, die direkt oder indirekt Parteien oder WahlwerberInnen begünstigten einschließlich diese betreffende behördliche Ermittlungen sowie der Umgang mit Ansuchen um privilegierte Behandlung durch diesen Personenkreis.

4. Neustrukturierung der Finanzaufsicht

Aufklärung über die Strategie, die Beweggründe und die Verfahren in Zusammenhang mit der Reform der Finanzaufsicht, insbesondere den Kompetenzverschiebungen zwischen BMF, FMA und OeNB und die Neubesetzung der jeweiligen Organe. Dazu zählt auch die (versuchte) Einflussnahme Dritter auf die Reformüberlegungen.

5. Ermittlungen in der Ibiza-Affäre

Aufklärung über die politische Einflussnahme auf den Zeitablauf, die Vorgangs-weise, Kommunikation und Strategie der behördlichen Ermittlungen in Folge des Bekanntwerdens des Ibiza-Videos einschließlich der Tätigkeiten und Zusammen-setzung der SOKO Ibiza.

6. Beteiligungsmanagement des Bundes

Aufklärung über die Einflussnahme der Bundesregierung auf die ÖBIB bzw ÖBAG, die Hintergründe, Strategien und Motive der Umstrukturierung der ÖBIB zur ÖBAG und die verwaltungsseitige Vorbereitung der entsprechenden Gesetzesnovellen sowie Aufklärung über das Funktionieren des Beteiligungsmanagements des Bundes.

7. Personalpolitik in staatsnahen Unternehmen

Aufklärung über die Beeinflussung von Personalentscheidungen in Unternehmen, an denen der Bund direkt oder indirekt beteiligt ist, einschließlich der Bestellung von Thomas Schmid zum Vorstand der ÖBAG, sowie von Mitgliedern von Aufsichtsräten als mögliche Gegenleistung oder Belohnung für die direkte oder indirekte Begünstigung politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

8. Verdacht des Gesetzeskaufs

Aufklärung über die Einräumung von Einflussnahmemöglichkeiten an Dritte auf das Gesetzgebungsverfahren – sofern es der Vollziehung zuzurechnen ist - einschließlich Regierungsakten, als Folge der Begünstigung bestimmter politischer Parteien oder WahlwerberInnen.

[…]

Begründung

'Die Novomatic zahlt alle' – Es ist dieser Satz, gesprochen vom damaligen FPÖ-Parteichef Heinz Christian Strache im Ibiza-Video, der im Zentrum des Untersuchungsgegenstands steht. Der Verdacht steht im Raum, dass damals in der Theorie formuliert wurde, was später, als die FPÖ in die Regierung kam, gemeinsam mit der ÖVP umgesetzt werden sollte. Gegenwärtig ermittelt nach dem Ende einer türkis-blauen Regierung die Staatsanwaltschaft – wegen des Verdachtes von Korruption, Untreue und Amtsmissbrauch.

Die Verdachtslage erhärtete sich bei der Bestellung des FPÖ-Bezirksrates Peter Sidlo zum Finanzvorstand der Casinos Austria AG. Laut Medienberichten und veröffentlichten Chatprotokollen steht der Verdacht im Raum, dass der Novomatic gegen Geld (Spende an FPÖ-Mandatar) und Postenvergabe (Einsatz für Sidlo) bessere gesetzliche Rahmenbedingungen (Casinokonzessionen) in Aussicht gestellt wurden – hier besteht also der Verdacht des Gesetzeskaufs.

Die Causa Casinos könnte aber nur die Spitze des Eisbergs sein. Der nun verlangte Untersuchungsausschuss hat zum Ziel, die politische Verantwortung der türkis-blauen Bundesregierung zu klären. Vor allem muss im Sinne demokratischer Kontrolle geklärt werden, ob neben den bislang bekannten Fällen noch weitere Anhaltspunkte dafür bestehen, dass Maßnahmen der türkis-blauen Bundesregierung nur deswegen getroffen wurden, weil illegale Geldflüsse und/oder Postenvergaben versprochen wurden.

Zum Untersuchungsgegenstand im Besonderen:

Zum bestimmten, abgeschlossenen Vorgang:

Ziel eines Untersuchungsausschusses ist es, komplexe und umfassende Sachverhalte aufzuklären[…]. Der hier zu untersuchende Vorgang besteht in seinem Kern aus der politischen Absprache über eine ungebührliche Bevorteilung von Dritten in ausgewählten Bereichen der Vollziehung des Bundes. Eine solche Absprache zur Bevorteilung erfolgt auf Grund einer bestimmten politischen Motivlage, ohne deren Kenntnis gewisse Sachverhalte nicht hinreichend erklärt oder überhaupt als Bestandteil eines inhaltlichen Komplexes erkannt werden können. Erst durch die Offenlegung der Motivlage – im konkreten Fall das Erbringen einer Gegenleistung für die vorausgegangene Begünstigung politischer Parteien - erhalten diese Vollziehungshandlungen ihren größeren Sinn und werden als Teile eines gemeinsamen Vorgangs erkennbar. Es liegt in der Natur der Sache, dass die Existenz einer solchen Motivlage nicht freiwillig offenbart wird, sondern im Gegenteil erst durch entsprechende Untersuchungen aufgeklärt werden muss.

Zu diesem Zweck ist der Untersuchungsgegenstand zunächst mit dem Verdacht der politischen Absprache zum Zweck der ungebührlichen Vorteilsgewährung bestimmt und wird sodann auf Grund der bestehenden Informationen auf einzelne Vollziehungsbereiche eingegrenzt. Diese in den lita bis g genannten Bereiche geben die zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Verlangens öffentlich bekannten Verdachtsmomente wieder. Das Verlangen umschreibt so jene Bereiche der Vollziehung, in denen sich die abgesprochene Vorteilsgewährung manifestiert haben soll. Es handelt sich dabei um Angelegenheiten, die in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache sind (insb. Art10 Abs1 Z1 B-VG) bzw Privatwirtschaftsverwaltung des Bundes darstellen.

Politische Absprache erfasst die Kommunikation und die Abstimmung von Hand-lungen von Mitgliedern der Bundesregierung, ihren Büros und unterstellten Bediensteten mit dem Ziel, ein gewisses Ergebnis zu erzielen. Die Feststellung der tatsächlichen Existenz der Absprache zur ungebührlichen Vorteilsgewährung ist Teil der Untersuchung und obliegt daher ausschließlich dem Untersuchungsausschuss selbst. Das ergibt sich bereits daraus, dass die Ergründung der Motivlage im Bereich der Aufklärung über die politische Verantwortung zu verorten ist. Im Zuge der Vorlage von Beweismitteln ist von den vorlagepflichtigen Organen somit in Einklang mit der Judikatur des VfGH lediglich zu prüfen, ob Akten und Unterlagen eine abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand haben könnten.

Die Wendung 'ungebührliche Vorteile' stellt einen Überbegriff für verschiedene Formen der Privilegierung dar. Der für die Untersuchung relevante Bereich kann sich daher von der Übernahme bestimmter Inhalte in der Vorbereitung der Gesetzgebung, der Auswahl bestimmter Personen für Funktionen, dem Verzögern oder Beschleunigen gewisser Verfahren bis zur Weitergabe von Informationen aus Strafverfahren erstrecken. Entscheidend ist die Eignung, bestimmte natürliche oder juristische Personen im Vergleich mit anderen zu privilegieren. Tatsächliche Unsachlichkeit der unterschiedlichen Behandlung oder Rechtswidrigkeit ist nicht erforderlich, um vom Untersuchungsgegenstand erfasst zu sein.

Entscheidende Akteure sind auf Seite der Verwaltung die Mitglieder der Bundes-regierung sowie Staatssekretäre in der Zeit der Regierung Kurz sowie deren KabinettsmitarbeiterInnen und Generalsekretäre. Hier gilt es zu klären, ob sie zusammengewirkt haben, um ein gewisses, Dritte begünstigendes Ergebnis zu erzielen.

Auf Grund der bisherigen Berichterstattung kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, dass diesen unterstellte leitende Bedienstete bei der Vorteilsgewährung eine wesentliche Rolle einnahmen. Ihnen muss zumindest eine gewisse Ingerenz auf das Verwaltungshandeln zukommen, da sonst jedenfalls eine abstrakte Eignung fehlt, um zum untersuchenden Vorgang beizutragen. Leitende Bedienstete werden daher ausdrücklich miteinbezogen. Nicht-leitende Bedienstete sind vom jeweils zuständigen Organ nichtsdestotrotz im Rahmen der Beweisanforderung aufzufordern, ihre Akten und Unterlagen vorzulegen (siehe dazu VfgH UA1/2018 und UA3/2018).

Akteure auf dritter Seite sind natürliche oder juristische Personen, die eine politische Partei oder WahlwerberInnen direkt oder indirekt begünstigten. Sie sind mögliche Nutznießer einer Privilegierung. In der Regel wird in diesem Zusammenhang eine wirtschaftliche Betrachtungsweise der Situation erforderlich sein. In der Zielgerichtetheit der Vorteilszuwendung liegt die Abgrenzung zu normalem politischem Handeln.

Die zeitliche Abgrenzung erfolgt mit der Angelobung der Regierung Kurz am 18. Dezember 2017 und endet mit 10.12.2019. Das ist jener Tag, an dem eine außerordentliche Hauptversammlung der CASAG zur Abberufung von Peter Sidlo anberaumt war und der Verkauf der CASAG-Anteile der Novomatic an die Sazka Gruppe bekannt gegeben wurde. Der Vorgang ist somit abgeschlossen.

Vom Untersuchungsgegenstand erfasst sind auch Vorbereitungs- sowie Verdunkelungshandlungen. Die Festlegung einer fortlaufenden Beweisvorlagepflicht im grundsätzlichen Beweisbeschluss wird in diesem Zusammenhang vorgeschlagen.

Zu lita:

Diese Formulierung schafft die Grundlage für die Aufklärung zu den Beweisthemen 1 und 2.

Die Vollziehung der genannten Bestimmungen des Glücksspielgesetzes umfasst insbesondere die Wahrnehmung der Aufsicht durch den Bundesminister für Finanzen in Hinblick auf die Vergabe von Konzessionen, die Beteiligungsverhältnisse und die fachlichen Anforderungen an Geschäftsleiter und Aufsichtsräte sowie die abgabenrechtlichen Bestimmungen. Es sind in der Aufzählung all jene Bestimmungen genannt, die in Zusammenhang mit der Berichterstattung zu den Ermittlungen der WKStA genannt sind. Nicht umfasst ist unter anderem die Vollziehung der Strafbestimmungen, da bezirksverwaltungsbehördliche Kontrollen nach dem Glücksspielgesetz von vornherein dem Austauschverhältnis unzugänglich sind, das dem Untersuchungsgegenstand zu Grunde liegt. Die (versuchte) Beeinflussung des Bundesministers für Finanzen wäre wiederum über den Verweis auf §19 leg.cit. sehr wohl erfasst.

Zu litb:

Mit politischer Einflussnahme auf die CASAG sowie die in wirtschaftlicher Beziehung zu ihr stehenden Unternehmen ist in einem weiteren Sinne die Verwaltung des Glücksspielsektors zu verstehen, einschließlich der Kommunikation von Organen des Bundes mit am Glücksspielsektor Interessierten und umgekehrt sowie das Beteiligungsmanagement des Bundes in diesem Bereich.

Unter direkte oder indirekte EigentümerInnen sind sowohl natürliche als auch juristische Personen zu verstehen, die im Untersuchungszeitraum entweder direkt Anteile an der CASAG hielten oder dies über zwischengeschaltete Personen – selbst wenn über mehrere Ebenen - taten (Mutter-Tochter- und Schachtel-Konstruktionen). Also auch jene Personen, die EigentümerInnen der EigentümerInnen usw waren. Tochterunternehmen sind jene der CASAG, also insbesondere die Casinos Austria International und die Österreichischen Lotterien, aber auch die Medial Beteiligungs-Gesellschaft m.b.H. ('MEDIAL'). OrganwalterInnen sind alle Vorstände, Aufsichtsräte, GeschäftsführerInnen, usw, je nach Rechtsform, über die Dauer des Untersuchungszeitraumes. Die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn zu einem beliebigen Zeitpunkt während des Untersuchungszeitraumes genügt.

Zu litc:

Diese Formulierung dient als Grundlage für die Aufklärung über den Vorwurf des Gesetzeskaufs. Zur Vorbereitung des Gesetzgebungsverfahrens zählt insbesondere die ressortinterne legistische Vorbereitung von der entsprechenden Kommunikation zwischen BundesministerIn, dem Kabinett bzw Generalsekretär und der zuständigen Abteilung bis hin zum Ministerialentwurf, die Kommunikation innerhalb der Bundesregierung und zwischen unterschiedlichen Ressorts sowie mit Dritten zum jeweiligen Gesetzesvorhaben, die Einholung von externer Expertise und die weitere Begleitung des Gesetzgebungsverfahrens.

Es sind nur jene Gesetzgebungsverfahren erfasst, die unter die angegebenen Kompetenztatbestände fallen. Es handelt sich um jene Gesetzgebungskompetenzen, bei denen auf Grund der bisherigen Berichterstattung bzw auf Grund der mit dem jeweiligen Regelungsbereich zwangsläufig verbundenen wirtschaftlichen Interessen das Bestehen des im Untersuchungsgegenstand beschriebenen Austauschverhältnisses denkmöglich ist. Ausgenommen sind demgegenüber alle sicherheitspolitischen Gesetzgebungskompetenzen, das Bildungswesen, das Dienstrecht sowie auswärtige Angelegenheiten.

Von den 117 Regierungsvorlagen der XXVI.GP sind daher geschätzt 60% vom Untersuchungsgegenstand umfasst. Sehr wohl umfasst sind ReferentInnen- und Ministerialentwürfe, selbst wenn diese schlussendlich niemals der Bundesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt wurden.

Zu litd:

Die genannten Bestimmungen der BAO bzw des FinStrG regeln die Meldung von Schenkungen ab gewissen Wertgrenzen an das zuständige Finanzamt bzw die Sanktionen bei Verstößen gegen diese Meldepflicht. Schenkungen an Personen in oder im Umfeld von politischen Parteien bilden eine mögliche Umgehung der gesetzlichen Spendenverbote bzw vorgeschriebenen Transparenzbestimmungen. Auf Grund der Verdachtsmomente in Hinblick auf in Angelegenheiten des Glücksspiels involvierte Personen soll die Vollziehung der Schenkungsmeldungen für diesen beschränkten Personenkreis Teil der Untersuchung sein.

Zu lite:

Ab ihrer Angelobung bereitete die türkis-blaue Bundesregierung eine Reform der Finanzaufsicht vor. Dabei sollte es zu Kompetenzverschiebungen zwischen der Finanzmarktaufsicht, dem BMF und der Oesterreichischen Nationalbank kommen. Außerdem wurden die Organe der Oesterreichischen Nationalbank und der FMA neu bestellt. Der medialen Berichterstattung war in diesem Zeitraum zu entnehmen, dass zwischen den Regierungsparteien Vereinbarungen getroffen wurden, die jenen bei der Casinos Austria AG stark ähneln. Daher wird dieser Bereich ausdrücklich in den Untersuchungsgegenstand einbezogen und als Beweisthema 4 geführt. Umfasst sind alle Vorarbeiten, Verfahren und Entscheidungen für die Reform der Finanzaufsicht sowie für die Bestellung der Organe.

Zu litf:

Der Bund ist neben der Casinos Austria AG an einer Vielzahl von Unternehmungen direkt oder indirekt beteiligt. Mehrere Personalentscheidungen der türkis-blauen Bundesregierung erweckten den Eindruck, dass diese als Gegenleistung für die Begünstigung politischer Parteien erfolgten. Die Formulierung beschränkt sich absichtlich nicht auf die tatsächliche Ausübung der Eigentümerrechte, sondern umfasst auch informelles Vorgehen von Organen des Bundes, insbesondere dort, wo keine direkte Beteiligung des Bundes besteht. Die Einflussnahme von Organen des Bundes auf die ÖBAG ist in diesem Zusammenhang von besonderem Interesse. Von der Formulierung nicht erfasst sind Anstalten, Stiftungen und Fonds des Bundes.

Zu litg:

Ziel der Untersuchungen zu diesem Beweisthema ist es, festzustellen, ob die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft oder anderer Behörden in solchen Verfahren von politischer Seite beeinflusst wurden, um etwa die politische Absprache der ungebührlichen Begünstigung zu verdunkeln.

Diese Formulierung umfasst zwei Fälle: einerseits all jene straf- und disziplinar-rechtlichen Ermittlungen, einschließlich verwaltungsstrafrechtlicher Ermittlungen, die egal aus welchem Grund (von Amts wegen, auf Grund von Anzeigen oder Privatanklagen) in Folge des Ibiza-Videos geführt werden, unabhängig davon, ob diese bereits eingestellt oder auf andere Art erledigt wurden oder nicht. Exemplarisch zu nennen sind die Verfahren gegen Hartwig Löger, Heinz-Christian Strache, Markus Tschank, Johann Gudenus sowie die 'Drahtzieher' des Ibiza-Videos. Andererseits sind Fälle von Ermittlungen umfasst, die gegen die Casinos Austria und deren direkte oder indirekte EigentümerInnen (insbesondere Medial, ÖBAG, Novomatic) sowie OrganwalterInnen geführt werden. Entscheidender Zeitrahmen für die Eigenschaft als EigentümerIn oder OrganwalterIn ist jeder beliebige Zeitpunkt innerhalb des Untersuchungszeitraums. Somit sind auch die EigentümerInnen der EigentümerInnen sowie die OrganwalterInnen der Eigentümergesellschaften und so weiter sowie Personen umfasst, die zwar am 18.12.2017 EigentümerIn oder OrganwalterIn waren, jedoch nicht mehr am 10.12.2019. Nur durch die Kenntnis dieser Verfahren kann die Aufklärung darüber gelingen, ob es politische Einflussnahmeversuche gab."

1.2. In dem vom Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 22. Jänner 2020 gefassten und der Bundesministerin für Justiz am 24. Jänner 2020 zugestellten grundsätzlichen Beweisbeschluss werden ua die Mitglieder der Bundesregierung (und damit auch die Bundesministerin für Justiz) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umfang des (damals eingeschränkten) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet genannt.

1.3. Infolge des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 3. März 2020, UA1/2020, fasste der Geschäftsordnungsausschuss des Nationalrates am 9. März 2020 einen ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschluss, der der Bundesministerin für Justiz am 16. März 2020 zugestellt wurde und sie (wiederum als Mitglied der Bundesregierung) als zur vollständigen Vorlage von Akten und Unterlagen im Umgang des (nunmehr dem Einsetzungsverlangen uneingeschränkt entsprechendem) Untersuchungsgegenstandes "grundsätzlich" binnen vier Wochen verpflichtet nennt.

1.4. Die Bundesministerin für Justiz hat dem Ibiza-Untersuchungsausschuss auf Grund des grundsätzlichen Beweisbeschlusses und auf Grund des ergänzenden grundsätzlichen Beweisbeschlusses wiederholt Akten und Unterlagen im Zusammenhang mit dem Untersuchungsgegenstand vorgelegt. Die Oberstaatsanwaltschaft Wien übermittelte am 8. September 2020 das Audio- bzw Videomaterial des "Ibiza-Videos" samt Auswertungsberichten (Transkription) mit Abdeckungen (Schwärzungen) an den Ibiza-Untersuchungsausschuss und nicht in der unabgedeckten (ungeschwärzten) Fassung, in der es die Zentrale Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption (WKStA) und die Staatsanwaltschaft Wien am 8. Juni 2020 erhalten hatten.

1.5. Mit (einstimmig gefasstem) Beschluss vom 21. Oktober 2020 hat der Ibiza-Untersuchungsausschuss die Bundesministerin für Justiz (näher begründet) aufgefordert,

"binnen zwei Wochen ihrer Verpflichtung zur Vorlage des gesamten Audio- bzw Videomaterials in Zusammenhang mit der Ibiza-Affäre sowie der entsprechenden vollständigen Transkripte nachzukommen."

1.6. Mit Schreiben vom 30. Oktober 2020 informierte die Bundesministerin für Justiz den Präsidenten des Nationalrates unter Hinweis auf ihre Schreiben vom 25. Juni 2020 und 21. Oktober 2020 darüber, dass diesem Verlangen nicht nachgekommen werden könne, soweit es über die bereits vorgelegten Aktenbestandteile hinausgehendes Ton- und Bildmaterial betreffe.

1.7. Im erwähnten Schreiben vom 25. Juni 2020 führt die Bundesministerin für Justiz zum Thema "Ibiza-Video" aus, dass die Sichtung und Auswertung dieses Videos noch nicht vollständig abgeschlossen werden habe können, jedoch an einer umgehenden Vorlage der relevanten Teile gearbeitet werde. In diesem Zusammenhang weise sie darauf hin, dass sich die Vorlage von Bestandteilen der Auswertung sichergestellter Datenträger im Allgemeinen und des "Ibiza-Videos" im Besonderen an folgenden Grundsätzen zu orientieren habe:

1.7.1. Vorrang der StPO vor §24 Abs1 VO-UA:

Bei der Vorlage von Akten und Unterlagen an den Untersuchungsausschuss seien sowohl die Normen der StPO als auch die prinzipiell gleichrangige Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA), insbesondere deren §24 Abs1, von Bedeutung. Da von beiden Regelungen jeweils unterschiedliche Prüfungsmaßstäbe für die Sichtung von sichergestelltem Material aufgestellt würden – einerseits die strikte Rückgabe- bzw Vernichtungsverpflichtung, andererseits die Verpflichtung zur Vorlage auch jenes Materials, das auch nur abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand habe –, stelle sich die Frage, welcher Regelung der Vorrang zu geben sei.

Bei der Sicherstellung handle es sich zweifellos um einen Eingriff in verfassungsrechtlich gewährleistete Grundrechte auf Achtung des Eigentums, fallbezogen uU auch des Privatlebens. Demgemäß seien die in der StPO normierten Eingriffsvoraussetzungen strikt zu beachten. Wenn nach diesem Gesetz diese Voraussetzungen wegfielen, entfalle die (einzige) Rechtsgrundlage, auf deren Basis die Kriminalpolizei bzw die Staatsanwaltschaft im Besitz solchen Materials sein dürfe. Da bei einem Verstoß gegen diese Bestimmungen auch verfassungsrechtliche Normen verletzt werden könnten, sei der Ausrichtung des Handelns der Staatsanwaltschaft an der StPO der Vorzug zu geben.

1.7.2. "Sicherstellung" von Daten:

Die Bestimmungen des 1. Abschnitts des 8. Hauptstücks der StPO sollten den Strafverfolgungsbehörden (auch) den Zugriff auf (immaterielle elektronische) Daten ermöglichen, wenn es auch für deren Existenz ihrer materiellen Verkörperung bedürfe. Objekt der eigentlichen "Sicherstellung" (als Gegenstand iSd §109 Z1 lita StPO) sei ein – auszufolgender oder herzustellender – "Datenträger", der die verfahrensrelevanten Informationen enthalte.

Die Befugnis zur Sicherstellung eines Datenträgers decke grundsätzlich auch den Zugriff auf die darauf gespeicherten sowie vom sichergestellten Datenträger aus zugänglichen Daten aus (bereits abgeschlossener) elektronischer Kommunikation. Sichergestellt und in weiterer Folge ausgewertet werden könne nur der sie enthaltende Datenträger (zB auch ein Mobiltelefon), wobei wiederum nur die ausgedruckten bzw visualisierten Daten Gegenstand der Sicherstellung seien.

1.7.3. Zulässigkeit der Sicherstellung:

§110 Abs1 StPO normiere die Grenzen der Zulässigkeit der Sicherstellung. Eine Sicherstellung sei demnach nur zulässig, wenn sie aus Beweisgründen, zur Sicherung privatrechtlicher Ansprüche oder zur Sicherung von vermögensrechtlichen Anordnungen erforderlich erscheine.

Dabei dürfe nur soweit in Rechte von Personen eingegriffen werden, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich sei (§5 Abs1 StPO).

Würden entgegen §110 Abs1 StPO Daten sichergestellt (= verschriftlicht und zum Akt genommen), die für das Ermittlungsverfahren nicht relevant seien, sei der in §5 Abs1 StPO festgeschriebene Grundsatz der Gesetz- und Verhältnismäßigkeit verletzt.

1.7.4. Vorgehen bei Wegfall des Verwahrungsgrundes:

Falle der Grund für die weitere Verwahrung sichergestellter Gegenstände bzw "visualisierter Daten" weg, seien diese grundsätzlich rückauszufolgen (§114 Abs2 StPO).

Bei einem Mobiltelefon würden nach Sicherung der Inhalte und unter der Annahme, dass das Gerät in einer allfälligen Hauptverhandlung nicht in Augenschein zu nehmen wäre, wohl in aller Regel die Voraussetzungen des §110 Abs4 StPO vorliegen, sodass das Telefon auszufolgen sein werde.

Seien alle darauf gespeicherten Informationen (zB sämtliche Chatverläufe) verschriftlicht, in der Folge aber nur einzelne, nämlich die für das Ermittlungsverfahren relevanten Inhalte zum Akt genommen worden, wären überdies auch die für das Verfahren nicht relevanten verschriftlichten Daten auszufolgen. Seien hingegen von vornherein nur die für das Ermittlungsverfahren relevanten Daten verschriftlicht und zum Akt genommen worden, wären allfällige sonstige im Zuge der Sicherstellung erlangte, jedoch nicht visualisierte Daten mangels Möglichkeit der Ausfolgung (eine Verpflichtung, sie "körperlich" zu machen, sehe das Gesetz nicht vor) zu vernichten.

In beiden Fällen sollten demnach Daten, die sich (mangels Relevanz für das Ermittlungsverfahren) nicht im Akt befinden dürften, infolge Unzulässigkeit der weiteren Verwahrung den Ermittlungsbehörden nicht mehr vorliegen und folglich auch deren Ausfolgung an Dritte, insbesondere auch deren Vorlage an einen Untersuchungsausschuss, gesetzeskonform nicht möglich sein.

1.7.5. Rechtslage nach der VO-UA:

Selbst wenn man von einem Vorrang der VO-UA ausginge, würde sich die Rechtslage im Ergebnis nicht anders darstellen. Die Auswertung sichergestellter Datenträger unter dem Aspekt der abstrakten Relevanz der darauf gespeicherten Daten für den Untersuchungsgegenstand würde eine Beweiserhebung iSd Art53 Abs3 B-VG bzw §24 Abs1 VO-UA darstellen. Da durch eine solche Beweiserhebung in die Grundrechte der Betroffenen auf Eigentum und Datenschutz eingegriffen werden würde, bedürfte eine solche Beweiserhebung einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage in der VO-UA, die nicht ersichtlich sei.

1.8. Im erwähnten Schreiben vom 21. Oktober 2020 informiert die Bundesministerin für Justiz zu der in der 18. Sitzung des Ibiza-Untersuchungsausschusses am 30. September 2020 wirksam gewordenen, an die WKStA im Wege der Bundesministerin für Justiz gerichteten ergänzenden Beweisanforderung darüber, dass die Erfüllung des Verlangens, der WKStA gemäß §25 Abs2 VO-UA den Auftrag zu erteilen, die im Verlangen näher bezeichneten Auswertungen durchzuführen und die Ergebnisse binnen drei Wochen vorzulegen, aus folgenden Gründen nicht in Betracht gezogen werden könne:

Einerseits stünden diesem Verlangen schon Gründe faktischer Natur entgegen. Dem Bericht der WKStA zufolge sei die Datenauswertung in den bei ihr geführten "Ibiza-Verfahren" noch im Gange, weshalb eine abschließende Relevanzbeurteilung der in den ergänzenden Beweismittelanforderungen angeführten Beweisquellen sowie der in den Daten enthaltenen konkreten Informationen derzeit nicht möglich sei.

Die bisher bekannten und als für das Ermittlungsverfahren relevant beurteilten Teilmengen aus den Datenauswertungen seien zum Ermittlungsakt genommen worden und würden im Zuge der regelmäßigen Aktenlieferungen ohnehin laufend dem Untersuchungsausschuss vorgelegt werden.

Da die Datenauswertung allerdings noch nicht abgeschlossen sei, würden fortlaufend ergänzende Datenauswertungen vorgenommen. Deren Inhalt, Prüfumfang und die dazu einbezogenen Beweismittel würden sich aber oftmals erst aus rezenten Ermittlungsergebnissen sowie auf Grundlage von daraus resultierenden Ermittlungsansätzen ergeben. Überdies würden sich etliche sichergestellte elektronische Beweismittel in verschlüsseltem Zustand befinden, sodass deren Inhalt noch gar nicht bekannt sei.

Die Auswertungen im gewünschten Umfang seien daher schon aus diesen angeführten Gründen nicht möglich.

Andererseits sehe sich die Bundesministerin für Justiz aus den folgenden rechtlichen Erwägungen nicht in der Lage, dem Begehren des Untersuchungsausschusses zu entsprechen:

Sie verweise zunächst auf ihr Schreiben vom 25. Juni 2020, in dem sie ihre Rechtsansicht zur Frage, welche Kriterien die Strafverfolgungsbehörden bei der Sichtung sichergestellten Materials zu beachten hätten, dargestellt habe.

In diesem Sinne halte sie zu dem in der Begründung des Verlangens angeführten Hinweis, dass alle Akten und Unterlagen für die Erhebungen heranzuziehen seien, die für die Untersuchung zumindest abstrakt relevant sein könnten, erneut fest, dass die Strafverfolgungsbehörden nicht die abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand zum Maßstab ihrer Entscheidung, welche Daten sie auswerten und verarbeiten dürften, zu machen hätten, sondern ausschließlich die Relevanz für den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens.

In diesem Zusammenhang weise sie auch auf die jüngst ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 13. Oktober 2020, 11 Os 56/20z, hin, in der er ua Folgendes ausgesprochen habe:

Für den Gegenstand des Ermittlungsverfahrens erhebliche Tatsachen – selbst wenn sie rechtswidrig ermittelt worden seien – seien aktenmäßig festzuhalten, sofern das Gesetz nicht eine auf diese Rechtswidrigkeit bezogene besondere Anordnung zur Vernichtung (§89 Abs4, §123 Abs3, §124 Abs4, §139 Abs4, §142 Abs5, §143 Abs1 und §159 Abs3 StPO) oder zur getrennten Aufbewahrung oder Ausfolgung (§112 Abs1 und 2 StPO) treffe. Informationen, deren Erheblichkeit für das angesprochene Thema auch als Kontrollbeweis nicht erkennbar sei, seien vom Verfahrensgegenstand nicht umfasst. Sie dürften weder ermittelt noch zu den Akten genommen oder dort belassen werden, was schon die ausdrücklichen Vernichtungsanordnungen zeigen würden. Ebensowenig dürften Kriminalpolizei, Staatsanwaltschaft und Gericht im Rahmen ihrer Aufgaben nicht erforderliche personenbezogene Daten verarbeiten (§74 Abs1 erster Satz StPO).

Der Inhalt der Ermittlungsakten sei somit nicht faktisch, sondern rechtlich determiniert.

Im Hinblick auf die Auslegung der VO-UA verweise die Bundesministerin für Justiz zunächst auf den diesbezüglichen Punkt ihres Schreibens vom 25. Juni 2020. Ergänzend halte sie fest, dass die dem Untersuchungsausschuss zustehenden Methoden der Beweisaufnahme in §22 Abs1 VO-UA abschließend aufgezählt seien. Eine gesetzliche Grundlage für Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmen etc. sehe die VO-UA nicht vor. Eine Umgehung dieser Bestimmungen, insbesondere durch entsprechende Erhebungsersuchen gemäß Art53 Abs3 B-VG, sei auf Grund de

Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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