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GerichtsgebührenNorm
ABGB §6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Karlik und die Hofräte Dr. Närr, Mag. Meinl, Dr. Kramer und Dr. Karger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Samonig, über die Beschwerde der HM in I, vertreten durch Dr. Ernst Schmerschneider, Rechtsanwalt in Wien I, Rosenbursenstraße 8, gegen den Bescheid des Präsidenten des Handelsgerichtes Wien vom 1. Oktober 1987, Zl. Jv 1305-33/87, betreffend Rückzahlung von Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen. Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 2.760,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach dem in der Gegenschrift ausdrücklich als richtig zugegebenen Beschwerdevorbringen wurde gegen die Beschwerdeführerin vom Handelsgericht Wien am 12. Juni 1987 zu 35 Cg 304/87 ein Versäumungsurteil erlassen. Mit Eingabe vom 15. Juli 1987 stellte die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsfreund einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Fristen zur Klagebeantwortung und zur Erhebung eines Widerspruches gegen das Versäumungsurteil und erhob für den Fall der Verwerfung dieser Wiedereinsetzungsanträge gegen das Versäumungsurteil vom 12. Juni 1987 Nichtigkeitsberufung. Nach Vernehmung der zur Bescheinigung des Wiedereinsetzungsgrundes namhaft gemachten Personen bewilligte das Handelsgericht Wien mit Beschluß vom 2. September 1987 der Beschwerdeführerin die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Klagebeantwortung und hob das Versäumungsurteil vom 12. Juni 1987 auf. Eine Entscheidung über die Nichtigkeitsberufung erfolgte nicht mehr.
Mit Schriftsatz vom 25. September 1987 beantragte die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, die gegen das Versäumungsurteil bloß für den Fall der Abweisung des Wiedereinsetzungsantrages vorsichtsweise erhobene Nichtigkeitsberufung sei gegenstandslos, die Rückerstattung der von ihr für die Nichtigkeitsberufung erbrachten Pauschalgebühr nach TP 2 GGG in Höhe von S 4.000,--.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gab der Präsident des Handelsgerichtes Wien diesem Antrag unter Hinweis auf Anmerkung 3 zu TP 2 GGG nicht Folge.
Diesen Bescheid bekämpfte die Beschwerdeführerin zunächst mit Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der jedoch mit Beschluß vom 26. Februar 1988, B 1228/87-4, die Behandlung der Beschwerde abgelehnt und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat.
Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich die Beschwerdeführerin nach ihrem Vorbringen in ihrem Recht auf Rückzahlung der erbrachten Gerichtsgebühr verletzt. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde erstattete eine als "Gegenäußerung" bezeichnete Gegenschrift, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 30 Abs. 2 GGG sind Gebühren zurückzuzahlen:
1. wenn sie ohne Zahlungsauftrag entrichtet wurden, sich aber in der Folge ergibt, daß überhaupt nichts oder ein geringerer Betrag geschuldet wurde
2. wenn die Gebühr vor Vornahme der Amtshandlung zu entrichten war, ihre Vornahme jedoch unterbleibt.
Von diesen beiden Fällen scheidet die Anwendung der Ziffer 2 im Beschwerdefall schon deshalb aus, weil im zivilgerichtlichen Verfahren die Pauschalgebühren nicht etwa vor Vornahme der Amtshandlung zu entrichten ist, sondern (erst) mit der Überreichung der Klage etc. (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Oktober 1987, Zl. 86/16/0079).
Daß der erste Fall der genannten Gesetzesstelle vorliege, begründet die Beschwerdeführerin damit, sie habe ihre Nichtigkeitsberufung lediglich unter der Bedingung erhoben, daß ihren Anträgen auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand keine Folge gegeben werden sollte. Diese zulässigerweise bedingt erhobene Nichtigkeitsberufung sei nach Aufhebung des Versäumungsurteils gegenstandslos gewesen und habe nicht mehr zur Einleitung eines Berufungsverfahrens führen können, welches der Pauschalgebühr nach TP 2 GGG unterläge.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht auf.
Gemäß § 2 Z. 1 lit. c GGG wird der Anspruch des Bundes auf die Gebühr, soweit im folgenden nichts anderes bestimmt wird, für das zivilgerichtliche Verfahren zweiter und dritter Instanz mit der Überreichung der Rechtsmittelschrift begründet. Nach Anmerkung 1. zu TP 2 GGG unterliegen der Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 folgende Rechtsmittelverfahren: Berufungsverfahren, .... Nach Anmerkung 3. zu dieser Tarifpost wird die Pflicht zur Entrichtung der Pauschalgebühr nach Tarifpost 2 dadurch nicht berührt, daß eine im Verfahren zweiter Instanz ergangene Entscheidung aufgehoben oder abgeändert wird. Die Gebührenpflicht erlischt auch dann nicht, wenn über das Rechtsmittel nicht entschieden wird.
Es ist zwar richtig, daß nach dem durch das GGG eingeführten System der Pauschalgebühren letztere grundsätzlich nicht mehr für einzelne Schriftsätze etc., sondern für das gesamte Verfahren, im Falle der TP 2 für das gesamte Rechtsmittel(Berufungs-)verfahren zu entrichten sind. Damit ist jedoch für die Beschwerdeführerin nichts gewonnen.
Fehl geht bereits der Hinweis der Beschwerdeführerin auf Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen III, Anmerkung 15 vor §§ 226 ff ZPO. Wohl heißt es dort, innerhalb eines bereits eröffneten Verfahrens(stadiums) seien Bedingungen, die an innerprozessuale Tatsachen und Vorgänge geknüpft würden, zulässig, sofern dadurch nicht der vorhersehbare Prozeßablauf unsicher und beeinträchtigt werde. Die Beschwerdeführerin läßt jedoch außer acht, daß Fasching a.a.O. weiter ausführt, die Eröffnung des Verfahrens oder Verfahrensstadiums (Rechtsmittelverfahren) könne also nicht an eine Bedingung geknüpft werden, deshalb sei eine bedingte Klageerhebung oder die bedingte Erhebung des Rechtsmittels ausgeschlossen; die Gerichtstätigkeit an sich könne in allen Instanzen nur unbedingt in Anspruch genommen werden. Im gleichen Sinn äußert sich Fasching auch in seinem Lehrbuch des österreichischen Zivilprozeßrechts, Anmerkung 758 (Seite 362).
Davon jedoch ganz abgesehen, hatte der Oberste Gerichtshof zum Beispiel in seiner E. vom 1. Juni 1965, SZ 38/93, einen völlig gleichgelagerten Fall zu beurteilen. Er führte dort aus, die damals beklagte Partei sei berechtigt gewesen, sowohl einen Antrag auf Wiedereinsetzung zu stellen als auch eine Berufung gegen das Versäumungsurteil einzubringen. Sie habe auch den Antrag stellen können, daß zunächst über den Wiedereinsetzungsantrag entschieden werde. Wenn die beklagte Partei nun zwar unzulässigerweise, aber mit keiner Sanktion bedroht, Wiedereinsetzungsantrag und Berufung in einem Schriftsatz vereinigt, zuerst den Wiedereinsetzungsantrag ausgeführt und daran anschließend vorgebracht habe, daß sie "für den Fall der Nichtstattgebung des Wiedereinsetzungsantrages" Berufung erhebe, dann solle dies nichts anderes heißen, als daß sie zuerst die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag wolle und ihrer Berufung bei Stattgebung dieses Antrages die Rechtsgrundlage entzogen sei. Es liege daher gar keine eigentliche Bedingung, sondern nur eine conditio juris vor, weil sich dieser Umstand, nämlich das Fehlen eines Berufungsinteresses der beklagten Partei bei Stattgebung des Wiedereinsetzungsantrages, aus dem Gesetz ergebe. Die Beifügung der völlig überflüssigen Wendung durch die beklagte Partei könne daher nicht die Rechtsfolge haben, die an eine einem Rechtsmittel hinzugefügte echte (Partei-)Bedingung geknüpft werde, sie sei vielmehr unbeachtlich.
Nichts anderes kann auch im vorliegenden Fall gelten. Daraus folgt aber, daß es sich auch hier nicht etwa um eine bloß bedingt erhobene Berufung mit der Konsequenz handelte, daß nach Bewilligung der Wiedereinsetzung in ein Berufungsverfahren gar nicht mehr eingetreten worden wäre. Vielmehr kommt - wie die belangte Behörde in nicht rechtswidriger Weise erkannt hat - der letzte Satz der Anmerkung 3 zu TP 2 GGG zur Anwendung, wonach die Gebührenpflicht auch dann nicht erlischt, wenn über das Rechtsmittel nicht entschieden wird. Eine andere Auffassung läßt sich auch nicht wie die Beschwerdeführerin meint, durch Hinweis auf Tschugguel-Pötscher, Die Gerichtsgebühren4, Seite 87, Anmerkung 6 zu TP 2 GGG, gewinnen, wo es (zutreffend) heißt, die Gebührenpflicht bleibe auch bestehen, wenn das Rechtsmittel zurückgezogen werde. Denn damit wird lediglich beispielsweise auf einen Anwendungsfall der genannten Norm verwiesen, nicht jedoch ausgeschlossen, daß die Gebührenpflicht auch bestehen bleibt, wenn das Rechtsmittel gegenstandslos geworden ist:
Die Beschwerdeführerin meint abschließend, auch aus der Systematik des Gerichtsgebührengesetzes ergebe sich, daß schon typische Minderbelastungen der Behörde zu einer deutlichen Reduktion der Gebühr auf die Hälfte oder ein Viertel des sonstigen Betrages führten, was natürlich umsomehr für eine Parteieingabe, deren Behandlung sich gänzlich erübrigt, gelten müsse. Eine verfassungskonforme Interpretation werde auch auf diesen Gesichtspunkt Bedacht zu nehmen haben.
Auch dieses Vorbringen erweist sich als nicht zielführend. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpft die Gerichtsgebührenpflicht bewußt an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elementes des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestandes, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Mai 1988, Zl. 87/16/0163, und die darin angeführte weitere Rechtsprechung). In dem zuletzt genannten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof auch darauf verwiesen, daß der Justizausschuß in seinem Bericht zur Regierungsvorlage zum GGG, 454 Blg NR XVI. GP, mit seinen Ausführungen zur TP 1 deutlich zu erkennen gegeben habe, er sehe eine - über die ausdrücklich angeführten Ausnahmen hinausgehende - Teilung der Gebühren für kürzere ("nichtstreitige") und für längere ("streitige") Verfahren als nicht zielführend an. Daraus ergibt sich, daß - entgegen der von der Beschwerdeführerin vertretenen Auffassung das GGG keineswegs vom Grundsatz beherrscht wird, typische Minderbelastungen der Gerichte müßten in jedem Fall zu einer deutlichen Verminderung der Gebühr führen. Vielmehr hat eine solche Reduktion nur dort einzutreten, wo es das Gesetz ausdrücklich vorsieht.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen. Hiebei konnte von der von der Beschwerdeführerin beantragten Verhandlung aus den Gründen des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 30. Mai 1985, BGBl. Nr. 243.
Wien, am 20. April 1989
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Analogie Schließung von Gesetzeslücken VwRallg3/2/3 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1989:1988160034.X00Im RIS seit
15.12.2020Zuletzt aktualisiert am
15.12.2020