TE Vwgh Erkenntnis 2019/10/29 Ra 2019/09/0007

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Veröffentlicht am 29.10.2019
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
34 Monopole
40/01 Verwaltungsverfahren
60/04 Arbeitsrecht allgemein
62 Arbeitsmarktverwaltung

Norm

AuslBG §28 Abs1 Z1
B-VG Art133 Abs4
GSpG 1989 §52 Abs1 Z1
GSpG 1989 §52 Abs2
VStG §44a
VwGG §28 Abs3
VwGG §42 Abs2 Z3 litb
VwGG §42 Abs2 Z3 litc
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Rosenmayr sowie die Hofräte Dr. Hofbauer und Mag. Feiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die außerordentliche Revision des J Z in F, vertreten durch Dr. Patrick Ruth und MMag. Daniel Pinzger, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Kapuzinergasse 8/4, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark vom 16. Oktober 2018, Zl. LVwG 30.23-2284/2018-23, betreffend Übertretung des Glücksspielgesetzes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landespolizeidirektion Steiermark),

Spruch

1. zu Recht erkannt:

Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang seines Ausspruchs über die Strafe sowie die Kosten des verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens und des Beschwerdeverfahrens wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

2. den Beschluss gefasst:

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Steiermark wurde der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer und damit als das gemäß § 9 Abs. 1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der X GmbH der zehnfachen Übertretung des § 52 Abs. 1 Z 1 dritter Fall iVm § 2 Abs. 2 und 4 iVm § 4 Glücksspielgesetz (GSpG) für schuldig erkannt und über ihn zehn Geldstrafen in der Höhe von jeweils 10.000 Euro (für den Fall der Uneinbringlichkeit Ersatzfreiheitsstrafen von jeweils drei Tagen) verhängt. Weiters wurde ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

2        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

3        Das Verwaltungsgericht legte die Verfahrensakten vor.

4        Die belangte Behörde verzichtete auf die Erstattung einer Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

5        Gegen ein Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes ist die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist der Verwaltungsgerichtshof an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes nach § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a VwGG). Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

7        Liegen - wie hier in Bezug auf den Ausspruch von Schuld und Strafe - trennbare Absprüche vor, so ist die Zulässigkeit einer dagegen erhobenen Revision getrennt zu prüfen (vgl. VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0204, mwN).

8        Zunächst ist dem Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Revision zu erwidern, dass die für eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Art. 267 AEUV aufgeworfenen Fragen klar bzw. geklärt sind. Ebenso sind die Anforderungen an eine Prüfung der Unionsrechtskonformität im Zusammenhang mit einer Monopolregelung im Glücksspielsektor durch die nationalen Gerichte geklärt (vgl. EuGH 15.9.2011, Dickinger und Ömer, C-347/09, Rn. 83 f; 30.4.2014, Pfleger, C-390/12, Rn. 47 ff; 30.6.2016, Admiral Casinos & Entertainment, C-464/15, Rn. 31, 35 ff; 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 28, 62 ff; sowie 6.9.2018, Gmalieva s.r.o. u.a., C-79/17). Diesen Anforderungen ist der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 16. März 2016, Ro 2015/17/0022, durch die Durchführung der nach der Rechtsprechung des EuGH erforderlichen Gesamtwürdigung nachgekommen. Er hat an dieser Gesamtwürdigung mit Erkenntnis vom 11. Juli 2018, Ra 2018/17/0048, 0049, mit näherer Begründung festgehalten. Von dieser - weiterhin maßgeblichen - Rechtsprechung ist das Verwaltungsgericht im Revisionsfall mit seiner Beurteilung im Ergebnis nicht abgewichen. Das Zulässigkeitsvorbringen zeigt nichts auf, was diesbezüglich zu einer anderen Beurteilung führen könnte. Die angefochtene Entscheidung steht entgegen diesem Vorbringen auch nicht im Widerspruch zum Urteil des EuGH vom 30. April 2014, Pfleger, C-390/12.

9        Ebenso stehen nach den Ausführungen des EuGH in seinem Urteil vom 14. Juni 2017, Online Games Handels GmbH ua, C-685/15, die Art. 49 AEUV (Niederlassungsfreiheit) und Art. 56 AEUV (Dienstleistungsfreiheit) im Lichte des Art. 47 GRC einem Verfahrensregime wie dem vor dem Verwaltungsgericht geltenden betreffend die amtswegige Ermittlung der Umstände der vom Gericht entschiedenen Rechtssachen nicht entgegen (vgl. EuGH 28.2.2018, Sporting Odds, C-3/17, Rn. 55; VwGH 25.4.2018, Ra 2018/09/0039).

10       Soweit das Zulassungsvorbringen in der Revision auf § 14 Abs. 3 GSpG Bezug nimmt, aber sonst keine weiteren Ausführungen zu dieser Thematik vornimmt, genügt es, auf das bereits zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018 zu verweisen.

11       Mit dem Vorbringen, dass das Verwaltungsgericht im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 11. Juli 2018, Ra 2017/17/0052, bezüglich (unzulässiger) Werbepraktiken ein entsprechendes Beweisverfahren durchführen hätte müssen und entsprechende Feststellungen hätte treffen müssen, wird die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargetan (vgl. VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0202, 0203).

12       Das Verwaltungsgericht hat sich - entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen - zudem ausreichend mit der Inhaberschaft der X GmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer der Revisionswerber ist, beschäftigt, entsprechende Feststellungen getroffen und die Gesellschaft darauf basierend rechtlich als Inhaberin der gegenständlichen Glücksspielgeräte qualifiziert. Bei der Frage, ob ausreichende Beweisergebnisse dafür vorhanden waren, Rückschlüsse auf die Inhabereigenschaft zu ziehen, handelt es sich um eine Frage der Beweiswürdigung, zu deren Überprüfung der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz im Allgemeinen nicht berufen ist. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge lediglich dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 21.11.2018, Ra 2018/09/0125). Dies wird hier jedoch nicht aufgezeigt.

13       Auch sonst wirft das Zulässigkeitsvorbringen, soweit es sich gegen den Schuldspruch richtet, keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, sodass sich die Revision in diesem Umfang als unzulässig erweist.

14       Der Revisionswerber ist jedoch im Recht, wenn er sich gegen die Anwendung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG wendet und meint, dass das Landesverwaltungsgericht den dritten Strafrahmen dieser Sanktionsnorm heranzuziehen gehabt hätte, weil es aktenwidrig sei, dass der Revisionswerber im maßgebenden Zeitpunkt „einschlägige Vorstrafen“ aufgewiesen habe. Die Revision ist in diesem Umfang auch begründet.

15       Die Staffelung der Strafsätze in § 52 Abs. 2 GSpG orientiert sich nach dem Willen des Gesetzgebers (siehe dazu ErläutRV 24 BlgNR 24. GP, 23) an der Staffelung der Mindest- und Höchststrafen in § 28 Abs. 1 Z 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) (vgl. etwa auch VwGH 22.2.2017, Ra 2016/17/0033). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung judiziert, kann von einer „Wiederholung“ im Sinn dieser Gesetzesbestimmungen nur dann gesprochen werden, wenn zumindest eine einschlägige Vorstrafe vorliegt. Nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes bestimmt die Einordnung der Vortat, ob ein „Wiederholungsfall“ im Sinn des zweiten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen höchstens drei Übertretungen) bzw. vierten Strafsatzes (bei einer Vorstrafe wegen mehr als drei Übertretungen) vorliegt. Der im Fall „der erstmaligen und weiteren Wiederholung“ vorgesehene vierte (und hinsichtlich der Strafhöhe strengste) Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG setzt nach dem systematischen Aufbau des Gesetzestextes die Bestrafung wegen einer Vortat nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG voraus, bezieht sich das strafsatzbestimmende Kriterium der Wiederholung doch auf die Übertretung des Abs. 1 Z 1 mit mehr als drei Glücksspielautomaten oder anderen Eingriffsgegenständen (vgl. VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0005, 0006, mit Verweis auf VwGH 25.4.2019, Ra 2018/09/0204, mwN).

16       Dem angefochtenen Erkenntnis sind Feststellungen zu der den höheren Strafsatz begründenden Vortat nicht zu entnehmen. In der rechtlichen Begründung führt das Landesverwaltungsgericht lediglich aus, es lägen im vorliegenden Fall „einschlägige Vorstrafen“ vor, weshalb diese als erschwerend zu werten gewesen seien. Milderungsgründe seien keine vorgelegen. Unter Berücksichtigung des möglichen Strafrahmens von 6.000 bis 60.000 Euro erscheine die verhängte Strafe jedenfalls als tat- und schuldangemessen.

17       Damit wertet das Landesverwaltungsgericht nicht näher genannte „einschlägige Vorstrafen“ als erschwerend und nimmt gleichzeitig den höheren (vierten) Strafsatz an. Die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG kann aber nur mit dem Vorliegen von solchen Vorstrafen nach dem dritten Strafsatz des § 52 Abs. 2 GSpG begründet werden, die im Tatzeitraum bereits formell rechtskräftig waren (vgl. nochmals VwGH 25.9.2019, Ra 2019/09/0005, 0006).

18       Da im angefochtenen Erkenntnis weder die „einschlägigen Vorstrafen“ näher dargestellt noch eine Begründung für die Heranziehung des vierten Strafsatzes des § 52 Abs. 2 GSpG enthalten ist, liegt ein Begründungsmangel vor, welcher einen revisiblen Verfahrensmangel darstellt (vgl. zu den sich aus § 29 Abs. 1 VwGVG ergebenden Anforderungen an die Begründung einer Entscheidung VwGH 21.2.2019, Ra 2018/09/0031, mwN).

19       Das angefochtene Erkenntnis entzieht sich somit insoweit einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof auf dessen inhaltliche Rechtmäßigkeit und war daher im Umfang seines Strafausspruchs sowie hinsichtlich der Verfahrenskosten gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

20       Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.

21       Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG, insbesondere § 50 VwGG, in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 29. Oktober 2019

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Begründung Begründungsmangel Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019090007.L00

Im RIS seit

15.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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