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19/05 Menschenrechte;Norm
Aufenthaltsrecht Bosnien-Herzegowina 1995 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Rigler, Dr. Handstanger und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Keller, über die Beschwerde der H in W, vertreten durch Dr. Gerhard Schütz, Rechtsanwalt in Wien I, Dr. Karl Lueger-Platz 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. April 1995, Zl. SD 214/95, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. April 1995 wurde die Beschwerdeführerin, eine bosnische Staatsangehörige, gemäß § 17 Abs. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ausgewiesen.
Die Beschwerdeführerin sei am 14. September 1994 mit einem Bus nach Österreich gelangt. Sie sei nicht im Besitz eines gültigen Reisepasses gewesen, habe jedoch ohne weiteres einreisen können, weil sie die Grenzkontrolle umgangen habe und nicht kontrolliert worden sei. Zum sichtvermerksfreien Aufenthalt nach dem für bosnische Staatsangehörige bis 14. April 1995 geltenden Sichtvermerksabkommen sei die Beschwerdeführerin nicht berechtigt gewesen, weil hiefür die Einreise mit einem gültigen Reisepaß erforderlich gewesen sei. Da es der Beschwerdeführerin gelungen sei, beim Grenzübertritt unkontrolliert zu bleiben, habe sie sich nicht der Grenzkontrolle gestellt, weshalb ihr die zu § 12 Aufenthaltsgesetz ergangene Verordnung über das vorübergehende Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen bosnischen Staatsangehörigen nicht zugute komme. Diese Verordnung sei auch deshalb nicht anzuwenden, weil die Beschwerdeführerin bereits in Kroatien Schutz vor dem Krieg gefunden habe.
Der Aufenthalt der Beschwerdeführerin sei jedenfalls nicht rechtmäßig. Ein Eingriff im Sinne des § 19 FrG liege nicht vor, weil sich die Beschwerdeführerin erst seit kurzem im Bundesgebiet aufhalte, eine Familiengemeinschaft bisher nicht bestanden habe und aus § 19 FrG ein Anspruch auf (rechtswidrige) Aufnahme einer Familiengemeinschaft im Bundesgebiet nicht abgeleitet werden könne. Dessen ungeachtet sei aber der mit der Ausweisung verbundene Eingriff zur Erreichung eines geordneten Fremdenwesens und damit der im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Ziele dringend geboten, weil ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zur Familienzusammenführung nach den Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes nur vom Ausland aus gestellt werden könne.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1.1. Die Beschwerdeführerin bringt vor, daß sie gemäß der auf Grundlage von § 12 Aufenthaltsgesetz erlassenen Verordnung über das Aufenthaltsrecht von kriegsvertriebenen Staatsangehörigen von Bosnien-Herzegowina, BGBl. Nr. 1038/1994, zum Aufenthalt berechtigt sei. Dazu führt sie zusammengefaßt aus, daß sie aufgrund der kriegerischen Ereignisse in ihrer Heimat nach Österreich geflohen sei. Die Grenze habe sie gemeinsam mit anderen bosnischen Flüchtlingen mit einem Autobus passiert. Sie sei zwar nicht im Besitz eines Reisepasses gewesen, habe aber über eine "Licnakarte" verfügt. Sie habe damit rechnen können, von den Grenzkontrollorganen überprüft zu werden; diese hätten jedoch nur eine stichprobenweise Kontrolle durchgeführt. Die Unterlassung ihrer Überprüfung durch diese Organe dürfe ihr nicht zum Nachteil gereichen.
1.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend. Gemäß § 1 Abs. 1 der oben, Punkt II. 1.1., zitierten Verordnung der Bundesregierung haben Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, die aufgrund der bewaffneten Konflikte in ihrer Heimat diese verlassen mußten, anderweitig keinen Schutz fanden und vor dem 1. Juli 1993 eingereist sind, ein vorübergehendes Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet. Gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. besteht dieses Aufenthaltsrecht weiters für die nach dem 1. Juli 1993 eingereisten und einreisenden Personen gemäß Abs. 1, sofern die Einreise über eine Grenzkontrollstelle erfolgte, bei der sich der Fremde der Grenzkontrolle stellte und ihm entsprechend internationaler Gepflogenheiten die Einreise gestattet wurde.
Die Ansicht der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin nicht unter den von der genannten Verordnung erfaßten Personenkreis falle, kann nicht als rechtswidrig angesehen werden. Dem Erfordernis, sich der Grenzkontrolle zu stellen, wird nämlich nur durch ein Tun des Fremden entsprochen: Er hat von sich aus (initativ) an der Grenzkontrollstelle an ein Grenzkontrollorgan zwecks Durchführung der Grenzkontrolle heranzutreten. Die Beschwerdeführerin hat diesem Erfordernis nicht Rechnung getragen, weil sie sich damit abgefunden hat, daß sie anläßlich des Grenzübertritts nicht kontrolliert wurde. Mangels Vornahme einer Prüfung der rechtlichen Zulässigkeit des Übertritts der Beschwerdeführerin in das Bundesgebiet durch zu einer solchen Kontrolle berufene österreichische Organe (Grenzkontrollorgane) an einer Grenzkontrollstelle kam aber auch die Verwirklichung des weiteren, kumulativ zu erfüllenden Tatbestandsmerkmales "und ihm ..... die Einreise gestattet wurde" nicht in Betracht, da ein "Gestatten" der Einreise ein entsprechendes Handeln des Grenzkontrollorganes im Rahmen der Grenzkontrolle bedingt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das Erkenntnis vom 28. November 1996, Zl. 95/18/0635).
1.3. Da der Beschwerdeführerin somit schon deshalb ein Aufenthaltsrecht gemäß der genannten Verordnung nicht zukommt, kann es dahinstehen, ob sie vor ihrer Einreise nach Österreich in Kroatien Schutz gefunden hat.
2.1. Die Beschwerde hält die angefochtene Entscheidung für rechtswidrig, weil die Ausweisung nicht im Sinne des § 19 FrG dringend geboten sei. Dies zum einen im Hinblick darauf, daß der (illegale) Aufenthalt der Beschwerdeführerin keine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle, zum anderen deshalb, weil die Beschwerdeführerin fortgeschrittenen Alters sei und mit ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn, ihren einzigen Angehörigen, im gemeinsamen Haushalt lebe. Schließlich habe es die belangte Behörde unterlassen, die nach dieser Bestimmung gebotene Interessenabwägung mit ausreichender Begründung vorzunehmen.
2.2. Dieses Vorbringen ist verfehlt. Selbst wenn man einen im Sinne des § 19 FrG relevanten Eingriff durch die Ausweisung annehmen wollte, wäre diese Maßnahme nach dieser Bestimmung als zulässig anzusehen. Denn angesichts des zur Gänze unrechtmäßigen Aufenthaltes in der Dauer von erst etwas mehr als sieben Monaten sind die privaten und familiären Interessen der Beschwerdeführerin auch bei einem Zusammenleben mit Tocher und Schwiegersohn und unter Berücksichtigung ihres Alters keineswegs von so großem Gewicht, daß sie die Beeinträchtigung des maßgeblichen, nach der ständigen Rechsprechung des Verwaltungsgerichshofes aus der Sicht des in Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Schutzes der öffentlichen Ordnung einen sehr hohen Stellenwert aufweisenden öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften (vgl. auch dazu etwa das bereits zitierte hg. Erkenntnis vom 28. November 1996) durch die illegale Einreise und den unberechtigten Aufenthalt der Beschwerdeführerin - die, wie die belangte Behörde zu Recht betont hat, nicht in der Lage ist, ihren Aufenthalt vom Inland aus zu legalisieren - überwögen. Die von der Beschwerde behauptete Rechtswidrigkeit im Grunde des § 19 FrG liegt demnach nicht vor. Der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe es unterlassen, das Privat- und Familienleben der Beschwerdeführerin durch Einvernahme deren Tochter und des Schwiegersohnes zu erheben, ist somit der Boden entzogen.
3.1. Als Verfahrensmangel macht die Beschwerdeführerin geltend, daß die belangte Behörde über ihren Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung nach Bosnien-Herzegowina nicht mit dem angefochtenen Bescheid entschieden habe. Der Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Mai 1995, mit welchem über diesen Feststellungsantrag gesondert entschieden worden sei, sei in derselben Sache ergangen und "daher wegen Unzuständigkeit der Behörde aufzuheben und gleichzeitig für das vorliegende Verfahren irrelevant und nicht zu beachten".
3.2. Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, daß es sich bei der Entscheidung über den Antrag auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung und der Ausweisung jeweils um eine verschiedene "Sache" handelt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. November 1996, Zl. 96/18/0489) und Gegenstand des vorliegenden Beschwerdeverfahrens nur der im Instanzenzug ergangene, eine Ausweisung gegen die Beschwerdeführerin aussprechende Bescheid vom 26. April 1995 ist.
4. Da dem angefochtenen Bescheid die behauptete Rechtswidrigkeit somit nicht anhaftet, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung, BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995181211.X00Im RIS seit
02.05.2001