Index
10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofräte Mag. Stickler und Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, über die Revision des M K, vertreten durch Mag.a Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Burggasse 116, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. Juli 2019, W204 2216118-1/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger Afghanistans, stellte am 26. Juni 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.
2 Mit Bescheid vom 2. Februar 2016 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) den Antrag des Revisionswerbers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ab, erkannte ihm jedoch den Status des subsidiär Schutzberechtigten zu und erteilte ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung.
3 Mit Bescheid vom 2. Februar 2017 verlängerte das BFA die befristete Aufenthaltsberechtigung des Revisionswerbers bis zum 2. Februar 2019.
4 Am 22. Jänner 2019 stellte der Revisionswerber einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsberechtigung.
5 Mit Bescheid vom 22. Februar 2019 erkannte das BFA dem Revisionswerber den Status des subsidiär Schutzberechtigten ab, wies seinen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ab, erteilte ihm keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, und legte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers gegen diesen Bescheid als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
7 Begründend führte das BVwG zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten aus, die Sicherheitslage allein sei „bereits zum Zeitpunkt der Zuerkennung“ dieses Status im Hinblick auf Art. 2 und 3 EMRK ausreichend sicher gewesen und hätte daher grundsätzlich eine Rückkehr nicht ausgeschlossen. „Die Gewährung subsidiären Schutzes“ sei lediglich wegen der Verbindung der Sicherheitslage mit der Minderjährigkeit des Revisionswerbers und dem „damals“ fehlenden familiären Netzwerk erfolgt. Der Revisionswerber sei mittlerweile jedoch seit längerem volljährig, habe in Österreich weitere Arbeitserfahrung erworben und verfüge über ein großes familiäres Netzwerk in Afghanistan. Dem Revisionswerber sei aus näher dargelegten Gründen eine Rückkehr nach Mazar-e Sharif oder Herat möglich und zumutbar.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision, die das BVwG unter Anschluss der Akten vorgelegt hat. Eine Revisionsbeantwortung wurde nicht erstattet.
9 Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
10 Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit u.a. vor, das BVwG habe für den Wegfall der Zuerkennungsvoraussetzungen zu Unrecht auf die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und nicht auf die Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung abgestellt und keine auf diesen Zeitpunkt bezogenen Feststellungen getroffen.
11 Die Revision ist aus diesem Grund zulässig und auch begründet.
12 Nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 ist einem Fremden der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen.
13 Das BVwG stützte, wie zuvor schon das BFA, die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten auf den zweiten Fall dieses Tatbestandes und begründete seine Entscheidung im Wesentlichen mit einer Änderung der persönlichen Umstände des Revisionswerbers (Eintritt der Volljährigkeit, Zugewinn an Arbeitserfahrung und Kontakt mit seiner Familie im Herkunftsstaat).
14 Die Begründung des angefochtenen Erkenntnisses zeigt, dass das BVwG von der unrichtigen Rechtsansicht ausging, die Änderung der Voraussetzungen iSd. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sei ausschließlich im Vergleich mit dem Bescheid vom 2. Februar 2016, mit welchem dem Revisionswerber der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt worden war, zu beurteilen, während das BVwG die Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung durch Bescheid des BFA vom 2. Februar 2017 zu Unrecht nicht in seine Beurteilung einbezogen hat.
15 Schon dies führt aber zur Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2019, Ra 2019/18/0353, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird; vgl. auch VwGH 28.1.2020, Ra 2019/20/0567; 29.1.2020, Ra 2019/18/0367; 6.10.2020, Ra 2019/19/0401; 3.9.2020, Ra 2020/19/0036). Ausgehend von dieser unrichtigen Rechtsansicht hat es das BVwG auch unterlassen, Feststellungen zu treffen, welche die Beurteilung ermöglicht hätten, ob seit der erfolgten Verlängerung der Aufenthaltsberechtigung für die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten relevante Änderungen der Umstände eingetreten sind (vgl. VwGH 23.9.2020, Ra 2019/14/0586).
16 Das angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
17 Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 17. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190233.L01Im RIS seit
04.01.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2021