Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art10 Abs1 Z10Beachte
Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth und die Hofräte Dr. Bachler und Mag. Haunold als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Sinai, über die Revisionen 1. des Dr. G C, 2. der C C, 3. des H L und 4. der E L, alle in W und vertreten durch Dr. Martin Schober, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 10, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 15. Mai 2018, Zl. LVwG-AV-1295/001-2017, betreffend Bewilligung nach dem Wasserrechtsgesetz 1959 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bürgermeister der Stadt W; mitbeteiligte Partei: Gemeinnützige Bau- und Wohnungsgenossenschaft für M reg. Gen.m.b.H. in M, vertreten durch Dr. Christian Schneider, Rechtsanwalt in 1220 Wien, ARES-Tower, Donau-City-Straße 11), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Die mitbeteiligte Partei beabsichtigt auf einem näher genannten Grundstück der KG W. die Errichtung einer Wohnhausanlage mit Tiefgarage. Von diesem Vorhaben ist der Grundwasserkörper Nr. ******, Südliches W Becken, sowie ein Drainagegraben mit Einmündung in das Fließgewässer „Warme F“ betroffen. Für die Baumaßnahmen ist eine Bauwasserhaltung erforderlich. Nach ihrer mechanischen Reinigung sollen die Baugrubenwässer in die Warme F eingeleitet werden.
2 An das Baugrundstück grenzen ein Grundstück im Eigentum der erst- und zweitrevisionswerbenden Parteien sowie vier Grundstücke im Eigentum der dritt- und viertrevisionswerbenden Parteien.
3 Unter Spruchpunkt I. des Bescheides der belangten Behörde vom 21. September 2017 wurden Einwendungen der revisionswerbenden Parteien zum Bewilligungsgegenstand Spruchteil II.1.a. (Bauwasserhaltung) als unbegründet abgewiesen und zu Spruchteil II.1.b. (Einleitung der Baugrubenwässer in die Warme F) und Spruchteil II.2. (Maßnahmen zur Kompensation eines Grundwasser-Stau-/Sunkeffektes eines Kellerbauwerkes) mangels Parteistellung zurückgewiesen. Ferner wurden unter diesem Spruchteil diverse Anträge der revisionswerbenden Parteien teilweise abgewiesen und teilweise zurückgewiesen.
4 Unter Spruchteil II. des genannten Bescheides wurde der mitbeteiligten Partei gemäß §§ 10, 32 und 40 WRG 1959 die wasserrechtliche Bewilligung unter Vorschreibung von Auflagen für Folgendes erteilt (gekürzte Darstellung):
1.a) Eine Entwässerungsanlage mit Grundwasserabsenkung im Rahmen einer Bauwasserhaltung in drei Abschnitten auf dem Baugrundstück, mit Spundwänden, sechs Brunnen in Abschnitt 1 und je fünf Brunnen in den Abschnitten 2 und 3, Absetzcontainern und Schlauchleitungen zur Ableitung, wobei von der maximalen Wasserhaltung 70 l/s ausgegangen wird,
b) eine Einwirkung durch Einleitung der Baugrubenwässer aus der Wasserhaltung mit maximal 70 l/s über Schlauchleitungen rechtsufrig in die Warme F bei Einhaltung eines Grenzwertes von 0,3 ml absetzbare Stoffe.
2.) Die Maßnahme zur Kompensation eines Grundwasser-Stau-/Sunkeffekts, hervorgerufen durch ein auf dem Baugrundstück geplantes Kellerbauwerk, in Form von
a) Errichtung und Betrieb des Rohrrigolenkörpers West mit drei Drainrohren DN 200 und näher genanntem/r Querschnitt und Länge für die Absenkung des Grundwasserspiegels im westlichen Anstaubereich,
b) Errichtung und Betrieb eines Überlaufes DN 100 aus dem Rohrrigolenkörper West rechtsufrig in den Drainagegraben mit Drainagierung des Grundwassers im Bereich des Baugrundstückes,
c) Errichtung und Betrieb des Rohrrigolenkörpers Süd mit drei Drainrohren DN 200 und näher genanntem/r Querschnitt und Länge für die Absenkung des Grundwasserspiegels im südlichen Anstaubereich,
d) Errichtung und Betrieb eines Überlaufes DN 100 aus dem Rohrrigolenkörper Süd rechtsufrig in den Drainagegraben mit Drainagierung des Grundwassers im Bereich des Baugrundstückes.
5 Die von den revisionswerbenden Parteien gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerden wurden - nach Einholung eines Gutachtens eines wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 8. März 2018 und eines Gutachtens eines geohydrologischen Amtssachverständigen vom 28. März 2018 - mit dem nun angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich (LVwG) als unbegründet abgewiesen. Gleichzeitig wurde die Bauvollendungsfrist neu festgelegt. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof wurde für nicht zulässig erklärt.
6 Nach den Feststellungen im angefochtenen Erkenntnis des LVwG sei aufgrund der Lage des Tiefgaragengeschosses von einer rechnerischen Auswirkung von weniger als 2 cm Anstau des Grundwassers auszugehen. Als Kompensationsmaßnahme seien zwei Rohrrigolenkörper vorgesehen, mit denen anströmendes Grundwasser um das Tiefgaragengeschoss herumgeleitet werden solle. Die Ableitung solle in den Rigolenkörpern West und Süd über drei übereinanderliegende Drainrohre DN 200 erfolgen, wobei dort auch Dachflächenwässer eingeleitet werden sollen. Die Rohrrigolenkörper würden am Ende für eine möglichst gleichmäßig flächige Verteilung des Grundwassers in den Untergrund gefächert. Als zusätzliche Sicherungsmaßnahme sei am Ende der Rohrrigolenkörper ein Überlaufschacht vorgesehen. Von diesem könne bei extremem Grundwasserhochstand über eine Überlaufschwelle Grundwasser über eine Rohrleitung DN 100 in den angrenzenden Drainagegraben abfließen.
7 Die Wasserhaltung liege durch Absenkung bei Umsetzung des gegenständlichen Projekts innerhalb des natürlichen Grundwasserschwankungsbereiches, der Grundwasserspiegel werde temporär abgesenkt. Vor Einleitung der Baugrubenwässer über eine Schlauchleitung in die „Warme F“ erfolge ein Rückhalt mineralischer Feststoffe durch technische Vorreinigung. Durch die Rohrrigolenkörper West und Süd werde der durch die Tiefgarage bauwerksbedingte Grundwasseranstau beseitigt. Bei Anspringen der Überläufe der Rigolenkörper erfolge eine Entwässerung in einen Drainagegraben, der als Grundwasserdrainage fungiere. Das oberste Drainrohr der beiden Rohrrigolenkörper werde jeweils auch zur Ableitung von Niederschlagswässern aus Dach- und Terrassenflächen im Ausmaß von ca. 1300 m² verwendet.
Auf Grundlage der eingeholten Gutachten, deren Aussagekraft auch durch Privatgutachten der revisionswerbenden Parteien nicht erschüttert worden sei, erwiesen sich die Beschwerden als unbegründet.
8 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die in einem gemeinsamen Schriftsatz erhobene außerordentliche Revision der erst- bis viertrevisionswerbenden Parteien wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
9 2. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
12 2.1. Zu dem nachfolgend dargestellten Vorbringen der revisionswerbenden Parteien zur Zulässigkeit der Revision ist vorweg Folgendes festzuhalten:
13 Rechtsfragen des Verfahrensrechtes sind nur dann von grundsätzlicher Bedeutung, wenn tragende Grundsätze des Verfahrensrechtes auf dem Spiel stehen bzw. wenn die in der angefochtenen Entscheidung getroffene Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre und zu einem die Rechtsicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Ergebnis geführt hätte (VwGH 25.10.2018, Ra 2017/07/0136, mwN).
14 Eine im Einzelfall vorgenommene, nicht als grob fehlerhaft erkennbare Beweiswürdigung wirft im Allgemeinen keine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf (VwGH 23.7.2018, Ra 2016/07/0080, mwN).
15 Vor dem Hintergrund des Umfangs der Prüfbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in Bezug auf die Beweiswürdigung (VwGH 24.9.2014, Ra 2014/03/0012) liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit einer im Einzelfall erfolgten Beweiswürdigung vielmehr nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen hat, sodass dadurch die Rechtssicherheit beeinträchtigt ist (vgl. erneut VwGH 23.7.2018, Ra 2016/07/0080, mwN).
16 Soweit die Zulässigkeit der Revision mit einem Verfahrensmangel begründet wird, ist schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung dessen Relevanz, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, darzutun. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten. Diese Ausführungen gelten insbesondere auch für die Verletzung des rechtlichen Gehörs (VwGH 25.6.2020, Ra 2018/07/0442).
17 Eine Aktenwidrigkeit liegt dann vor, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben worden ist bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat (VwGH 16.1.2020, Ra 2019/20/0606, mwN).
18 3. Einleitend wird in der Revision zu ihrer Zulässigkeit unter dem Gesichtspunkt einer behaupteten Aktenwidrigkeit ausgeführt, das LVwG sei insoweit von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, als seine Annahme, dass die Befürchtung, bei hohen Grundwasserständen sei eine Versickerung auf Eigengrund denkunmöglich und das Grundwasser fließe als Oberflächenwasser zu den revisionswerbenden Parteien ab, durch die einen Projektbestandteil bildende Kompensationsmaßnahme der beiden Rigolenkörper samt zusätzlicher Sicherheit durch die Überläufe an diesen baulichen Einrichtungen entkräftet sei und im Gutachten ausgeführt werde, dass die Ableitung der Dachflächenwässer berücksichtigt worden sei, nicht mit den Akten übereinstimme. Vor allem stelle die unrichtige Annahme, dass sich die (Anmerkung: vom LVwG) eingeholten Gutachten mit den Auswirkungen von Niederschlags- bzw. Dachflächenwässern beschäftigt hätten, einen gravierenden, als Willkür zu qualifizierenden Verfahrensverstoß dar.
19 Ferner wird dem LVwG eine Missachtung von Verfahrensvorschriften vorgeworfen, wobei tragende Grundsätze des Verfahrensrechts, insbesondere der Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit, der Grundsatz des Parteiengehörs und der Grundsatz der Offizialmaxime auf dem Spiel stünden.
20 3.1. Konkret wird dazu in der Zulässigkeitsbegründung vorgebracht, der wasserbautechnische Amtssachverständige habe am Beginn seines Gutachtens vom 8. März 2018 darauf hingewiesen, dass die Beseitigung der Regenwässer nicht von der gegenständlichen Beurteilung erfasst sei, weil diese Maßnahmen im Zuge des Bauverfahrens zu prüfen seien. Weiters habe der Amtssachverständige (in seinem Befund) festgehalten, dass alle diese Maßnahmen (gemeint seien Maßnahmen betreffend Dachflächen und Terrassenwässer) Teil des Bauverfahrens seien. Der Amtssachverständige habe es daher von vornherein abgelehnt, sich mit diesem Themenkomplex zu beschäftigen. Auf Seite 13 seines Gutachtens habe der Amtssachverständige ausgeführt, dass die Versickerung von Niederschlagswässern der Verkehrsflächen mit den dafür erforderlichen Anlagen (Sickermulden) und die zum Schutz der Anrainer allenfalls erforderlichen Vorkehrungen Teil des Bauverfahrens seien. Er habe ferner festgehalten, dass die Versickerung der Verkehrsflächenwässer über Bodenmulden keinen fachlichen Berührungspunkt mit der wasserrechtlich bewilligten Bauwasserhaltung oder den Kompensationsmaßnahmen habe und daher ebenfalls im wasserrechtlichen Verfahren ohne Relevanz sei.
21 Im Widerspruch dazu habe das LVwG auf Seite 7 des angefochtenen Erkenntnisses festgestellt, dass das oberste Drainrohr der beiden Rohrrigolenkörper jeweils auch zur Ableitung von Niederschlagswässern aus Dach- und Terrassenflächen im Ausmaß von ca. 1300 m² verwendet werde. Es sei nicht ersichtlich, auf welchen Erkenntnissen und Unterlagen diese Feststellung beruhe.
22 Dem ist jedoch zu entgegnen, dass der zuletzt genannten Feststellung die Ausführungen des wasserbauchtechnischen Amtssachverständigen auf Seite 5 (Befund) seines Gutachtens vom 9. März 2018 zugrunde liegen, in denen er unter anderem Folgendes festhielt:
„Nach Fertigstellung der Baumaßnahmen wird ein Großteil der Dachflächen- und Terrassenwässer aus einer Fläche von 1300 m² über die beiden Rohrrigolenkörper West und Süd verteilt in den Untergrund versickert. Ein geringer Teil der Dachflächenwässer im nördlichen Bereich des Wohnblockes aus einer Fläche von 160 m² soll über einen dritten Rohrrigolenkörper nördlich des Wohnblockes verteilt und in den Untergrund versickert werden. In diesen nördlichen Rohrrigolenkörper werden auch Oberflächenwässer der Fahr- und Stellflächen aus einer Fläche von 280 m² nach Filterung über eine Rasenmulde zur Versickerung eingeleitet. Die restlichen befestigten Bereiche der Fahr- und Stellflächen mit 270 m² werden über zwei gesonderte Rasenmulden direkt in den Untergrund entwässert“.
23 Der behauptete Widerspruch der Feststellungen des LVwG zu den gutachterlichen Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen liegt somit nicht vor.
24 Vor allem aber nahm der wasserbautechnische Amtssachverständige unter Punkt 15. seines Gutachtens zur Frage, ob die Ableitung der Niederschlagswässer von den Dächern, Terrassen sowie Kfz-Platzflächen oder die Flächenversickerung laut Projekt (Rohrrigolenkörper West und Süd) auch dieser Wässer eine mehr als geringfügige Beeinträchtigung des Grundwassers bewirke (wasserrechtliches Projekt: Sickermulden, Drainagerohr- und Schachtversickerung durch den Boden), Stellung.
25 Er führte dazu unter anderem aus, dass die Versickerung der Niederschlagswässer von Dachflächen oder Terrassen in das Grundwasser aus wasserbaufachlicher Sicht keine mehr als geringfügige Beeinträchtigung des Grundwassers darstelle. An späterer Stelle hielt er ferner fest, dass „die Einleitung der Dachflächen- und Terrassenwässer in die von der gegenständlichen Bewilligung als Kompensationsmaßnahme bewilligten Rohrrigole erfolgen soll. Obwohl die so gestaltete Versickerung dieser Wässer keine mehr als geringfügige Beeinträchtigung des Grundwassers darstellt, wurden die Niederschlagswassermengen hydraulisch bei der Bemessung der Rohrrigole mitberücksichtigt, um die ausreichende hydraulische Dimensionierung für die Grundwasserabfuhr nachzuweisen.“
26 Die angesprochenen Ausführungen des wasserbautechnischen Amtssachverständigen, wonach die Beseitigung der Regenwässer im Zuge des Bauverfahrens zu prüfen sei, und die gleichzeitig erfolgte, dargestellte fachkundige Beurteilung begegnen im Übrigen vor dem Hintergrund der kompetenzrechtlichen Abgrenzung zwischen Wasserrecht und Baurecht, ferner der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes, wonach die Regelung der Abwässerbeseitigung von bebauten Liegenschaften, soweit sie die Einwirkung der Abwässerbeseitigung auf fremde Rechte oder auf öffentliche Gewässer betrifft, gemäß Art. 10 Abs. 1 Z 10 B-VG (Wasserrecht) Bundessache ist (VfSlg. 4387/1963), und der Judikatur, wonach die Ableitung von Abwässern sowohl aus wasserrechtlichen als auch aus baurechtlichen Gesichtspunkten einer Regelung unterzogen werden kann (vgl. zusätzlich zu dem bereits zitierten Erkenntnis VfSlg. 10.329/1985 und VfSlg. 12.842/1991), keinen Bedenken.
27 Dass Maßnahmen im Zusammenhang mit der Beseitigung von Dachflächen- und Terrassenwässern (auch) „Teil des Bauverfahrens“ sein können, steht im Einklang mit der zitierten Judikatur. Zu den aus wasserrechtlicher Sicht relevanten, an ihn herangetragenen Gesichtspunkten hat der wasserbautechnische Amtssachverständige in seinem Gutachten jedoch - wie ausgeführt und ungeachtet seiner von den revisionswerbenden Parteien offenkundig missverstandenen einleitenden Formulierung - Stellung genommen. Die behauptete Aktenwidrigkeit liegt demnach nicht vor.
28 3.2. In den Zulässigkeitsausführungen der Revision wird ferner vorgebracht, die Ausführungen des LVwG auf Seite 11 des angefochtenen Erkenntnisses, es werde verhindert, dass es zu Problemen auf Grund eines größeren Zustromes von Sickerwasser komme, als versickern könne, seien durch das Gutachten nicht gedeckt und nicht nachvollziehbar.
29 Die genannten Ausführungen des LVwG konnten sich allerdings in unbedenklicher Weise auf das wasserbautechnische Gutachten vom 8. März 2018 stützen. Neben den bereits zitierten gutachterlichen Darlegungen, wonach die Niederschlagswassermengen hydraulisch bei der Bemessung der Rohrrigole mitberücksichtigt worden seien, um die ausreichende hydraulische Dimensionierung für die Grundwasserabfuhr nachzuweisen, hat der wasserbautechnische Amtssachverständige auf Seite 9 f. seines Gutachtens unter anderem auf die Auffächerung der Rohrrigole am Ende der Leitungen (wodurch eine breitflächige Verteilung im Grundwasser gewährleistet werde) und - wie das LVwG hervorhob - darauf hingewiesen, dass beim Anspringen des bewilligten Überlaufes aus den beiden Rohrrigolen ab einem näher genannten Grundwasserhochstand eine Entwässerung in einen Drainagegraben erfolge, der bei Anspringen des Überlaufes als Grundwasserdrainage fungiere. Der Überlauf habe daher keinen messbaren Einfluss auf die grundwasserabstromigen Verhältnisse.
30 Weshalb vor diesem Hintergrund die bemängelte Schlussfolgerung des LVwG nicht nachvollziehbar sein sollte, wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision nicht nachvollziehbar dargelegt.
31 3.3. Die revisionswerbenden Parteien führen weiter aus, die Ansicht des LVwG, wonach die Befürchtung, dass bei hohen Grundwasserständen Grundwasser als Oberflächenwasser zu den revisionswerbenden Parteien abfließe, durch die einen Projektbestandteil bildende Kompensationsmaßnahme der beiden Rigolenkörper samt zusätzlicher Sicherheit durch die Überläufe an diesen baulichen Einrichtungen entkräftet sei, lasse sich nicht mit dem wasserbautechnischen Gutachten vom 8. März 2018 begründen.
32 Dazu ist festzuhalten, dass das LVwG bei der Beurteilung des die natürlichen Abflussverhältnisse betreffenden Vorbringens sowohl auf das Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 8. März 2018 als auch auf das Gutachten des gewässerhydrologischen Amtssachverständigen vom 28. März 2018 verwies. Nach diesen Gutachten - so das LVwG - werde eine Änderung des Grundwasserstandes durch das gegenständliche Projekt ausgeschlossen. Damit sei auch eine Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse durch zu Tage tretendes Grundwasser nicht gegeben. Zur Begründung verwies das LVwG auf die Beibehaltung der natürlich gegebenen Grundwasserschwankungsverhältnisse und die Beurteilung des Projekts als dem Stand der Technik entsprechend durch den wasserbautechnischen Amtssachverständigen.
33 In den genannten Gutachten der Amtssachverständigen finden sich fachlich begründete Aussagen (vgl. etwa aus dem Gutachten vom 8. März 2018 die Punkte 2., 9. und 15. sowie aus dem Gutachten vom 28. März 2018 die Punkte 2. und 9.), auf die das LVwG seine Ansicht stützte.
34 Die im vorliegenden Zusammenhang behauptete Aktenwidrigkeit liegt daher nicht vor. Dem LVwG ist auch nicht vorzuwerfen, im Zusammenhang mit der Befürchtung der revisionswerbenden Parteien, Grundwasser werde als Oberflächenwasser zu ihren Grundstücken abfließen, die die mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien letztlich in Frage gezogene Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen zu haben.
35 Nach dem Gesagten erweist sich auch die Behauptung in der Zulässigkeitsbegründung der Revision, beide Amtssachverständigen hätten sich nicht mit dem Themenkomplex der Versickerung von Oberflächen- bzw. Niederschlagswässern beschäftigt, als unzutreffend.
36 3.4. Zum weiteren Vorbringen, der geohydrologische Amtssachverständige habe in seinem Gutachten vom 28. März 2018 in einem seiner ersten Sätze festgehalten, dass die Beseitigung der Niederschlagswässer nicht von der gegenständlichen Beurteilung erfasst werde, ist auf die obigen Ausführungen zu dem entsprechenden, das wasserbautechnische Gutachten betreffenden Vorbringen zu verweisen. Darüber hinaus hat der grundwasserhydrologische Amtssachverständige in seinem Gutachten einleitend auch festgehalten, dass das wasserbautechnische Gutachten vom 8. März 2018 von geohydrologischer Seite vollinhaltlich bestätigt werden könne und dass dem Befund des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 8. März 2018 (Anmerkung: In diesem wurde unter anderem festgehalten wurde, dass nach Fertigstellung der Baumaßnahmen ein Großteil der Dachflächen- und Terrassenwässer aus einer Fläche von 1.300 m² über die beiden Rohrrigolenkörper West und Süd verteilt in den Untergrund versickert.) von geohydrologischer Seite nichts mehr hinzuzufügen sei.
37 3.5. Als aktenwidrig bezeichnen die revisionswerbenden Parteien auch die Ausführungen des LVwG auf Seite 18 (richtig: Seite 8) des angefochtenen Erkenntnisses, wonach sich der wasserbautechnische Amtssachverständige bei Erstattung seines Gutachtens mit den von den revisionswerbenden Parteien vorgelegten Gutachten von Dr. H. und drei Gutachten von Dr. G. C. (Ingenieurbüro HydroP.) fachlich auseinandergesetzt und diese berücksichtigt habe.
38 Wie auch in der Zulassungsbegründung ausgeführt wird, wurden die genannten Gutachten im wasserbautechnischen Gutachten vom 8. März 2018 unter den als für die Erstellung des Gutachtens herangezogenen Unterlagen genannt. Auch wenn der wasserbautechnische Amtssachverständige in weiterer Folge diese Gutachten nicht mehr ausdrücklich erwähnte, zeigt das in Rede stehende Vorbringen in der Zulässigkeitsbegründung schon deshalb keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung auf, weil darin die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels und somit die Ergebnisse, zu denen der Amtssachverständige angesichts der erwähnten Gutachten nach Ansicht der revisionswerbenden Parteien kommen hätte müssen, nicht konkret dargestellt werden.
39 Das Gutachten von Dr. H. vom April 2016 - so das LVwG im angefochtenen Erkenntnis - sei für die Überarbeitung des Bebauungsplanes eingeholt worden. Im Gutachten werde ausgeführt, dass bestehende und neu geplante Tiefgeschosse innerhalb des Grundwasserschwankungsbereiches lägen und je nach Lage des Grundwasserspiegels im betreffenden Areal eine Vernässung des Geländes hervorgerufen werden könne. Ferner werde im Gutachten aber auch ausgeführt, dass dies bei geeigneten Kompensationsmaßnahmen nicht der Fall sei. Damit - so das LVwG - stehe dieses Gutachten aber nicht im Widerspruch zu den eingeholten Gutachten des wasserbautechnischen Amtssachverständigen vom 8. März 2018 und des grundwasserhydrologischen Amtssachverständigen vom 28. März 2018.
40 Die revisionswerbenden Parteien bemängeln in ihrer Zulässigkeitsbegründung, dass das Gutachten von Dr. H. im angefochtenen Erkenntnis unvollständig wiedergegeben worden sei. Der Sachverständige komme zum Ergebnis, dass die Herstellung unterirdischer Bauwerke (Keller, Tiefgaragen etc.) im betreffenden Areal zu verbieten sei. Er führe zwar nebenbei an, dass es in Einzelfällen möglich sein könnte, die Beeinträchtigungen auf ein allenfalls tolerierbares Ausmaß zu minimieren. Der Sachverständige führe jedoch auch aus, dass zur Untermauerung einer solchen Einzelfallbeurteilung der Baubehörde näher genannte Unterlagen vorgelegt werden müssten (Untergrunderkundung, Brunnen- bzw. Grundwasserpegel, Pumpversuch mit Berechnung des Durchlässigkeitsbeiwertes, Sickerversuch, Dokumentation von Wasserrechten, Fremdenrechten, Abgaben (richtig wohl: Angaben) über die notwendige Wasser(er)haltung, Baugrubensicherungskonzept, Ableitung der Wässer aus der Wasserhaltung, Dokumentation von Kompensationsmaßnahmen).
41 Mit diesen Ausführungen werden aber die Schlussfolgerungen des LVwG betreffend die Eignung der Kompensationsmaßnahmen zur Hintanhaltung der Vernässung des Geländes nicht in Zweifel gezogen. Welche ergänzenden Fragen an die Amtssachverständigen zu stellen gewesen wären und welches Ergebnis ein allfälliges - in der Zulässigkeitsbegründung gefordertes - Ergänzungsgutachten erbracht hätte, wird von den revisionswerbenden Parteien nicht dargelegt. Dem LVwG kann daher auch nicht vorgeworfen werden, bei dieser - wie auch die revisionswerbenden Parteien ausführen - Einzelfallbeurteilung die Beweiswürdigung in einer grob fehlerhaften, unvertretbaren Weise vorgenommen zu haben.
42 Darüber hinaus tritt die Zulässigkeitsbegründung der Revision der Beweiswürdigung des LVwG, wonach im Gutachten von Dr. G. C. vom 18. Mai 2017 auf eine falsche Datengrundlage hingewiesen worden sei, nicht konkret entgegen.
43 3.6. Soweit die revisionswerbenden Parteien in weiterer Folge auch die Aktenwidrigkeit der Ausführungen des LVwG, wonach ihren Rechtsvertretern Aktenkopien zugesandt worden seien, geltend machen, ist auf die bereits zitierte Judikatur zu verweisen, wonach - insbesondere auch bei behaupteter Verletzung des rechtlichen Gehörs - bereits in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung jene Tatsachen dargestellt werden müssen, die sich bei Vermeidung des behaupteten Verfahrensfehlers als erwiesen ergeben hätten.
44 3.7. Ferner wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision ausgeführt, mittlerweile sei in der Sitzung des Magistrats der Stadt Wiener Neustadt am 16. April 2018 eine Verordnung beschlossen worden, nach der die Herstellung unterirdischer Bauwerke (Keller, Tiefgaragen etc.) in mit „S08“ gekennzeichneten Bereichen nicht zulässig und „das betreffende Grundstück“ aktuell mit „S08“ bezeichnet sei.
45 Die erwähnte Verordnung hatte - auf der Grundlage des NÖ Raumordnungsgesetzes 2014 - die Abänderung eines Bebauungsplanes sowie die Abänderung von Bebauungsvorschriften zum Inhalt. Zu diesem Vorbringen genügt es daher festzuhalten, dass Fragen des Raumordnungs- oder Baurechts von den Wasserrechtsbehörden nicht zu beurteilen sind (VwGH 25.3.2004, 2003/07/0131; VwGH 21.6.2018, Ra 2016/07/0071 und 0072; VwGH 23.5.2019, Ro 2018/07/0044, jeweils mwN) und ein Vorbringen betreffend eine „Bausperre“ keine Verletzung eines wasserrechtlich geschützten Rechtes zum Inhalt hat (VwGH 24.5.2012, 2012/07/0013).
46 In diesem Zusammenhang wird auch mit dem an späterer Stelle der Zulässigkeitsausführungen erstatteten Vorbringen, wonach den revisionswerbenden Parteien nie das hydrogeologische Fachgutachten, das zu dem Schluss komme, dass die Herstellung unterirdischer Bauwerke im betreffenden Areal zu verbieten sei, zur Kenntnis gebracht worden sei und der Gutachter darin offenbar zu jenem Schluss komme, der nun zu einer Veränderung des Bebauungsplanes geführt habe, keine im gegenständlichen wasserrechtlichen Bewilligungsverfahren relevante Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung dargelegt.
47 3.8. Soweit in der Zulässigkeitsbegründung der Revision bemängelt wird, das LVwG habe sich mit den Ausführungen des Sachverständigen Dr. G. C. im Gutachten vom September 2017, dass „unsere Liegenschaft statistisch vorgeplant alle sechs Jahre unter Wasser gesetzt wird“, nicht beschäftigt, es seien den revisionswerbenden Parteien ferner „Stellungnahmen von Amtssachverständigen nicht einmal zugestellt“ worden, die Behörde und das Gericht hätten es unterlassen, „betreffend unser Vorbringen ein Ermittlungsverfahren durchzuführen und entsprechende Gutachtensergänzungen einzuholen“ und „die von der Behörde eingeholten Gutachten (seien) unvollständig“, wird erneut weder dem erforderlichen Relevanzgebot entsprochen, noch erweisen sich diese Ausführungen als ausreichend konkret, um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzeigen zu können.
48 Dies gilt in gleicher Weise für das weitere (teilweise wiederholende) Vorbringen, die Behörde und das Gericht hätten sich nicht mit dem Vorbringen der revisionswerbenden Parteien und den Anträgen und Unterlagen der Sachverständigen Dr. H. und Dr. G. C. auseinandergesetzt und es seien die Stellungnahme „der Konsenswerber“ zum Gutachten von Mag. Dr. E. sowie die neuen Unterlagen des Projektwerbers „hydrogeologischer Brief; Erdstatik, GW-Absenkung, Versickerung und Beweissicherung“ nicht übermittelt worden.
49 3.9. Dem Vorbringen betreffend die Nichtbehandlung des Antrages, eine Zustimmungserklärung der südlich anschließenden Grundstückseigentümer einzuholen, mangelt schon der Bezug zu einem wasserrechtlich geschützten subjektiven Recht der revisionswerbenden Parteien (vgl. dazu VwGH 24.8.2020, Ro 2020/10/0016 und 0017).
50 3.10. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung wird schließlich auch nicht mit dem allgemein gehaltenen (erneut wiederholenden) Vorbringen, „die belangte Behörde“ habe gegen den Grundsatz der materiellen Wahrheit, gegen den Grundsatz des Parteiengehörs und gegen den Grundsatz der Offizialmaxime verstoßen, dargelegt.
51 Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 17. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018070373.L00Im RIS seit
04.01.2021Zuletzt aktualisiert am
04.01.2021