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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
AsylG 1997 §29 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, die Hofräte Mag. Nedwed und Dr. Sutter, die Hofrätin Dr.in Sembacher und den Hofrat Mag. Tolar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Wuketich, über die Revision des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl in 1030 Wien, Modecenterstraße 22, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Jänner 2020, L529 2146536-3/3E, L529 2146542-3/2E, L529 2146538-3/2E, L529 2146531-3/2E, L529 2146546-3/2E, L529 2146544-3/2E, betreffend Asylangelegenheiten (mitbeteiligte Parteien: 1. G B, 2. S B, 3. H B, 4. A B, 5. S B, und 6. S B), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Anfechtungsumfang (Spruchpunkt A.III.) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligten Parteien sind Mitglieder einer Familie und Staatsangehörige der Türkei, deren Erstanträge auf internationalen Schutz im Beschwerdeweg mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes (BVwG) vom 20. Dezember 2017 rechtskräftig vollinhaltlich abgewiesen wurden.
2 Am 4. November 2019 stellten die mitbeteiligten Parteien Folgeanträge.
3 Mit Bescheiden vom 11. Dezember 2019 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) diese Anträge zur Gänze wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I. und II.), erteilte den Mitbeteiligten keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III.), erließ Rückkehrentscheidungen gegen die mitbeteiligten Parteien (Spruchpunkt IV.) und stellte fest, dass ihre Abschiebung in die Türkei zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiter hielt das BFA fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe (Spruchpunkt VI.), und trug den mitbeteiligten Parteien auf, in einem näher genannten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VII.). In seinem Spruchpunkt VIII. sprach das BFA Folgendes aus: „Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer zifferA2EFM53 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. Nr. 100/2005 (FPG) idgF, wird gegen [die Mitbeteiligten] ein auf die Dauer von jahreEFM53 Jahr/Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen“.
4 Die gegen diese Bescheide erhobene Beschwerde wies das BVwG mit Erkenntnis vom 13. Jänner 2020 hinsichtlich der Spruchpunkte I. bis VII. der Bescheide als unbegründet ab (Spruchpunkte A.I. und II.). Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. der Bescheide gab das BVwG statt und behob diesen ersatzlos (Spruchpunkt A.III.). Die Revision an den Verwaltungsgerichtshof erklärte es gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig (Spruchpunkt B.).
5 Begründend hielt das BVwG zur - für das gegenständliche Revisionsverfahren einzig maßgeblichen - ersatzlosen Behebung des Einreiseverbotes fest, dass der Textierung des Bescheides zu entnehmen sei, dass das BFA ein Einreiseverbot erlassen habe wollen. Dem Spruch sei jedoch nicht zu entnehmen, wie lange dieses Einreiseverbot Gültigkeit besitzen solle. Auch aus der Begründung gehe keine konkrete Anzahl an Jahren hervor. Soweit lediglich in der türkischen Übersetzung des Spruches „2 yil“, sohin übersetzt zwei Jahre, angeführt sei, helfe dies für die Auslegung ebenso nicht weiter, da die türkische Sprache keine Amtssprache sei. Die fremdsprachige Übersetzung könne daher nicht zur Auslegung herangezogen werden. Da im vorliegenden Fall die Absicht der Behörde nicht erkennbar sei, sei das erlassene Einreiseverbot ersatzlos zu beheben.
6 Gegen den Spruchpunkt A.III. des Erkenntnisses wendet sich die vorliegende Amtsrevision, die mit näherer Begründung geltend macht, die ersatzlose Behebung der Einreiseverbote durch das BVwG sei rechtswidrig erfolgt. Der Fehler in Spruchpunkt VIII. der Bescheide sei ein jederzeit von Amts wegen berichtigungsfähiger Fehler, der wegen einer fehlerhaften Daten-Konvertierung bei der Umwandlung einer Word-Datei in das PDF-Format entstanden sei. Das BVwG hätte die türkische Übersetzung des Spruches bei der Auslegung der Dauer des verhängten Einreiseverbotes zu berücksichtigen gehabt.
7 Die mitbeteiligten Parteien erstatteten keine Revisionsbeantwortung.
8 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
9 Die Revision ist zulässig und begründet.
10 Das BVwG zieht nicht in Zweifel, dass mit den in Rede stehenden Bescheiden Einreiseverbote verhängt werden sollten, vermeint aber, dass deren Dauer aus der Entscheidung nicht erkennbar sei. In diesem Zusammenhang vertritt das BVwG die Rechtsansicht, dass der türkischen Übersetzung des Spruches, in der die Dauer mit (übersetzt) zwei Jahren angegeben sei, keine Bedeutung für die Auslegung des fehlerhaften (deutschen) Spruches zukomme, weil die türkische Sprache keine Amtssprache sei.
11 Mit dieser Einschätzung weicht das BVwG von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach auch der Übersetzung des Spruches gemäß § 12 Abs. 1 BFA-VG maßgebliche Bedeutung für die Auslegung der Entscheidung zukommen kann (vgl. VwGH 1.4.2004, 2000/20/0090, zu der vergleichbaren Vorgängerbestimmung des § 29 Abs. 1 AsylG 1997). Schon deshalb erweist sich die Rechtsansicht des BVwG als unzutreffend.
12 Hinzu kommt, dass eine ersatzlose Behebung der Einreiseverbote selbst unter Zugrundelegung der Rechtsansicht des BVwG nicht nachvollziehbar wäre, weil das BVwG nicht dargelegt hat, warum die Einreiseverbote zur Gänze entfallen hätten müssen.
13 Das angefochtene Erkenntnis war daher hinsichtlich dieses Spruchpunktes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 18. November 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020180074.L00Im RIS seit
11.01.2021Zuletzt aktualisiert am
11.01.2021