TE Vwgh Beschluss 2020/11/20 Ra 2020/01/0271

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Veröffentlicht am 20.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
19/05 Menschenrechte
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §8 Abs1
B-VG Art133 Abs4
MRK Art3
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Blaschek sowie die Hofräte Dr. Kleiser und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des M S in B, vertreten durch Dr. Margarita Obergantschnig, Rechtsanwältin in 9560 Feldkirchen, Kirchgasse 18, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2020, Zl. W175 2194891-1/17E, betreffend eine Angelegenheit nach dem AsylG 2005 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (Verwaltungsgericht) nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Sache den Antrag des Revisionswerbers, eines afghanischen Staatsangehörigen, auf internationalen Schutz vollinhaltlich ab, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei, setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise von 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung fest und sprach aus, dass die Revision nicht zulässig sei.

2        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

4        Nach § 34 Abs. 1a VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

5        In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. für viele VwGH 20.12.2019, Ra 2019/01/0431, mwN).

6        Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes soll sich das Revisionsmodell nach dem Willen des Verfassungsgesetzgebers an der Revision nach den §§ 500 ff ZPO orientieren (vgl. RV 1618 BlgNR 24. GP, 16). Ausgehend davon ist der Verwaltungsgerichtshof als Rechtsinstanz tätig, zur Überprüfung der Beweiswürdigung ist er im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die im Einzelfall vorgenommene Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. für viele VwGH 11.12.2019, Ra 2019/01/0465, mwN). Eine derart krasse Fehlbeurteilung wird in den Zulässigkeitsausführungen der Revision zu der als unschlüssig bekämpften Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts nicht aufgezeigt.

7        Werden Verfahrensmängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel dargelegt werden, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise, also fallbezogen darzulegen (vgl. für viele VwGH 27.7.2020, Ra 2020/01/0130, mwN).

8        Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn die Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 7.9.2020, Ra 2020/01/0273, Rn. 10, mwN).

9        Der Revision ist betreffend der im Zulässigkeitsvorbringen behaupteten Begründungs- und Ermittlungsmängel keine auf den vorliegenden Fall bezogene Relevanzdarlegung zu entnehmen. Ebenso wenig zeigt die Revision fallbezogen eine grob fehlerhafte Beurteilung der amtswegigen Ermittlungspflicht durch das Verwaltungsgericht auf.

10       Die Revision vermag bereits deshalb in diesem Zusammenhang keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen.

11       Im Übrigen entfernt sich die Revision in ihren diesbezüglichen Zulässigkeitsausführungen hinsichtlich der behaupteten Verfolgungsgefahr des Revisionswerbers in seinem Heimatstaat unzulässigerweise vom festgestellten Sachverhalt zum Nichtvorliegen der vom Revisionswerber behaupteten Fluchtgründe, insbesondere zum Nichtvorliegen einer Verfolgung oder Bedrohung durch kriminelle Personen (vgl. zum Nichtvorliegen einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung bei Abweichen vom festgestellten Sachverhalt etwa VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0266, mwN, bzw. zuletzt VwGH 30.9.2020, Ra 2017/01/0099, Rn. 9).

12       Schließlich hat sich das Verwaltungsgericht entgegen dem bloß pauschalen, nicht näher konkretisierten Zulässigkeitsvorbringen über unzureichende Ermittlungstätigkeiten zur realen Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung des Revisionswerbers in seinen Heimatstaat, sehr wohl mit der Situation des Revisionswerbers im Fall seiner Rückkehr in seinem Heimatstaat hinreichend auseinandergesetzt. Die Revision legt insofern nicht dar, dass die nach ständiger Rechtsprechung vom Verwaltungsgericht betreffend die Zuerkennung von subsidiärem Schutz vorzunehmende - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde, nicht revisible - Einzelfallprüfung, in deren Rahmen konkrete und nachvollziehbare Feststellungen zu der Frage zu treffen sind, ob einer Person im Fall der Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die reale Gefahr („real risk“) einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung droht (vgl. etwa VwGH 13.2.2020, Ra 2019/01/0232 bis 0237, Rn. 12, mwN), im vorliegenden Fall unvertretbar erfolgt wäre.

13       In der Revision werden somit ausgehend vom diesbezüglich allein maßgeblichen Zulässigkeitsvorbringen keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 20. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020010271.L00

Im RIS seit

04.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

04.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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