TE Vwgh Beschluss 2020/11/23 Ro 2020/03/0041

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Veröffentlicht am 23.11.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/03 Nationalrat Bundesrat
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
B-VG Art130 Abs1a
B-VG Art133 Abs6 Z1
B-VG Art133 Abs6 Z2
B-VG Art136 Abs3a
GO NR 1975 Anl1 §36
GO NR 1975 Anl1 §36 Abs1
GO NR 1975 Anl1 §5
GO NR 1975 Anl1 §55
GO NR 1975 Anl1 §56
GO NR 1975 Anl1 §6
GO NR 1975 §33
VwGG §30a Abs1
VwGG §34 Abs1
VwGG §36
VwGG §47
VwGG §51

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger und die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss), vertreten durch den Präsidenten des Nationalratesin W, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. August 2020, Zl. W234 2233183-1/12E, betreffend Verhängung einer Beugestrafe (mitbeteiligte Partei: H G inW, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), aufgrund des Vorlageantrags der revisionswerbenden Partei gegen den Zurückweisungsbeschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 1. Oktober 2020, W234 2233183-1/17E, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Antrag der mitbeteiligten Partei auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes wurde der Antrag des Untersuchungsausschusses betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) vom 16. Juli 2020 auf Verhängung einer Beugestrafe über die mitbeteiligte Partei gemäß § 36 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 und § 56 der Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse abgewiesen. Weiters sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.

2        Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht aus, der revisionswerbende Untersuchungsausschuss habe beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge gemäß § 36 Abs. 1 in Verbindung mit § 55 Abs. 1 VO-UA eine Beugestrafe in angemessener Höhe über die mitbeteiligte Partei wegen Nichtbefolgung der nachweislich am 25. Mai 2020 sowie am 15. Juni 2020 an den bevollmächtigten Vertreter zugestellten Ladungen des Untersuchungsausschusses verhängen.

3        Nach näherer Darlegung der Antragsbegründung sowie des Verfahrensganges vor dem Bundesverwaltungsgericht traf das Bundesverwaltungsgericht Feststellungen zu den Ladungen der mitbeteiligten Partei und den Reaktionen der mitbeteiligten Partei auf diese Ladungen (unter anderem hatte die mitbeteiligte Partei dem revisionswerbenden Untersuchungsausschuss ein „COVID-19-Risiko-Attest“ ein Arztes für Allgemeinmedizin und - nachdem dies vom Untersuchungsausschuss angesichts der weitreichenden Vorkehrungen nicht als genügende Entschuldigung erachtet worden war - ein weiteres Attest eines Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie übermittelt, dessen Inhalt im Wesentlichen wörtlich wiedergegeben wird; demnach sei die Mobilität der mitbeteiligten Partei stark eingeschränkt und sie solle jegliche größere körperliche Belastung vermeiden; zudem benötige sie kontinuierlich Kreislaufkontrollen, weshalb jegliche psychische Belastung vermieden werden solle; vor einem Auftreten vor dem Untersuchungsausschuss werde ihr „aus medizinischen Gründen dringend abgeraten.“). Feststellungen zum Gesundheitszustand der mitbeteiligten Partei oder zu den Gründen für das Nichtbefolgen der Ladungen wurden - über die Wiedergabe von Vorbringen der mitbeteiligten Partei bzw. ihrer Rechtsvertreter hinaus - nicht getroffen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Bundesverwaltungsgericht - nach umfassender Zitierung der VO-UA sowie der Materialien dazu - im Wesentlichen aus, der Antrag des revisionswerbenden Untersuchungsausschusses werde den Anforderungen an seine Begründung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA (im Lichte des Erkenntnisses VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042) „insofern gerecht, als er eine chronologische Wiedergabe der Geschehnisse und eine Darlegung der maßgeblichen Rechtsgrundlagen“ enthalte, dies ergänzt um die Begründung, dass keine genügende Entschuldigung vorliege, weil nicht ersichtlich sei, inwieweit die Abwesenheit der Auskunftsperson unvermeidlich oder durch einen beachtenswerten Grund ausgelöst gewesen sei (was näher ausgeführt wird). Der Antrag enthalte also alle in § 30 Abs. 1 VO-UA geforderten Teile, sei im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA begründet und sei der mitbeteiligten Partei gemäß § 32 Abs. 2 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 VO-UA rechtswirksam zugestellt worden.

Die Begründung erweise sich allerdings „deswegen als nicht haltbar, weil beim vorliegenden Ermittlungsstand des Untersuchungsausschusses zum Gesundheitszustand der mitbeteiligten Partei eine im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA ‚genügende Entschuldigung‘ für ihr Ausbleiben als Auskunftsperson am 15.07.2020“ vorliege. Manche der der mitbeteiligten Partei attestierten Erkrankungen und Risiken hätten durch Anpassung der Modalitäten und des Ablaufs der Befragung im Untersuchungsausschuss wirksam begegnet werden können, sodass diese alleine keine genügende Entschuldigung für das Fernbleiben begründet hätten; dies treffe insbesondere auf die attestierte Zugehörigkeit der mitbeteiligten Partei zur COVID-19-Risikogruppe zu. In der ärztlichen Bestätigung des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie würden der mitbeteiligten Partei über die Zugehörigkeit zur COVID-19-Risikogruppe hinaus aktuell vorliegende Erkrankungen im Falle ihrer Befragung ärztlich bestätigt. Diese würden „nach dem durch den Untersuchungsausschuss bislang erzielten Ermittlungsstand, der sich nur aus den durch die [mitbeteiligte Partei] beigebrachten ärztlichen Bestätigungen ergibt, nicht ohne Weiteres“ den Schluss zulassen, „dass die Abwesenheit bei der Befragung am 15.07.2020 als nicht genügend entschuldigt zu qualifizieren wäre.“ Angesichts des Attestes vermöge sich das Bundesverwaltungsgericht „der Bewertung des Untersuchungsausschusses im Antrag auf Verhängung der Beugestrafe nicht anzuschließen, dass die Abwesenheit der [mitbeteiligten Partei] nicht unvermeidlich und durch keinen beachtenswerten Grund ausgelöst gewesen sei, insbesondere da keine akute Erkrankung vorliege, die bei entsprechender Abwägung ihr Nichterscheinen zu rechtfertigen vermöge.“

Bei der ärztlichen Bestätigung des Facharztes für Innere Medizin und Kardiologie vom 30. Juni 2020 handle es sich um die einzige sachverständige Beurteilung des gegenwärtigen Gesundheitszustandes der mitbeteiligten Partei und der Auswirkungen einer Befragung durch Untersuchungsausschuss auf diesen. Die Bewertung des Ausbleibens der mitbeteiligten Partei habe bei Beschluss des verfahrenseinleitenden Antrags des Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe am 16. Juli 2020 und könne „auch nun durch das Bundesverwaltungsgericht alleine auf Grund der ärztlichen Bestätigung vom 30.06.2020 erfolgen.“ Wegen dieser sachverständigen Beurteilung des das Attest vom 30. Juni 2020 ausstellenden Arztes, der dabei innerhalb seines medizinischen Fachgebietes nach längerer ambulanter wie stationärer Behandlung der mitbeteiligten Partei dieser konkrete und schwere Erkrankungen attestiere, liege für das Ausbleiben der mitbeteiligten Partei eine genügende Entschuldigung im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA vor. Dies schließe die Verhängung einer Beugestrafe gegen sie aus.

Dem stehe nicht entgegen, dass bislang ausschließlich medizinische Beurteilungen und Ermittlungsergebnisse vorlägen, die dem Untersuchungsausschuss durch die mitbeteiligte Partei bereitgestellt worden seien. Der Untersuchungsausschuss habe die fachärztliche Einschätzung offenbar nicht geteilt, habe es jedoch dennoch unterlassen, zusätzliche medizinische Beweise zu ermitteln. Ungeachtet dessen habe er den Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe gestellt, die bei dem „durch den Untersuchungsausschuss gebotenen Ermittlungsstand zur Gesundheit“ der mitbeteiligten Partei und der medizinischen Vertretbarkeit ihrer Befragung jedenfalls ausscheide. Denn die Behauptung des Untersuchungsausschusses im verfahrenseinleitenden Antrag, bei der mitbeteiligten Partei würde keine akute Erkrankung vorliegen, sodass sie im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA keine „genügende Entschuldigung“ für ihr Fernbleiben geboten habe, vermöge die durch die mitbeteiligte Partei beigebrachten medizinischen Beweisergebnisse dazu, nämlich die fachärztliche Bestätigung vom 30. Juni 2020, in ihrer Beweiskraft nicht in Zweifel zu ziehen. Diese Behauptung des Untersuchungsausschusses könne sich auf keinerlei medizinisches Beweisergebnis stützen und erschöpfe sich mithin in einem bloßen Bestreiten der fachärztlichen Bestätigung vom 30. Juni 2020 ohne Argumentation auf gleicher fachlicher, nämlich medizinischer Ebene.

In der Folge enthält der angefochtene Beschluss weitere Ausführungen zur nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts möglichen Ermittlungstätigkeit des Untersuchungsausschusses im Hinblick auf das Vorliegen einer genügenden Entschuldigung einer Auskunftsperson, etwa durch die Beiziehung medizinischer Sachverständiger. Diese Ausführungen sind klar erkennbar als nicht den angefochtenen Beschluss tragende Begründungselemente, sondern als ergänzende „Hinweise“ zu verstehen (vgl. den Einleitungssatz in Punkt 3.7.7. des angefochtenen Beschlusses: „Sollte der Untersuchungsausschuss ... ist auf Folgendes hinzuweisen:“).

Schließlich führt das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die (erstmalige) Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand der mitbeteiligten Partei im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht mehr in Betracht komme. In diesem Verfahren habe das Bundesverwaltungsgericht ausschließlich zu beurteilen, ob über eine trotz Ladung ferngebliebene Auskunftsperson eine Beugestrafe deswegen zu verhängen sie, weil sie dafür keine im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA genügende Entschuldigung geboten habe. Dieses Verfahren werde durch den Antrag des Untersuchungsausschusses eingeleitet, über die Auskunftsperson eine Beugestrafe zu verhängen. Es scheide in diesem Sinne aus, die Verhängung einer Beugestrafe anhand von Beweisergebnissen zu beurteilen, die bei Stellung des verfahrenseinleitenden Antrags des Untersuchungsausschusses noch nicht einmal gewonnen gewesen seien und diesem Antrag daher zweifelfrei nicht zugrunde gelegen sein konnten. Das Bundesverwaltungsgericht dürfe also „im Verfahren zur Erledigung des Antrags auf Verhängung der Beugestrafe kein Sachverständigengutachten anstelle des antragstellenden Untersuchungsausschusses gleichsam nachholen, um den Mangel an tragfähigen Beweisergebnissen für Behauptungen des Antrags möglicherwiese zu beseitigen.“

4        Die Zulassung der Revision wurde damit begründet, dass es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehle, unter welchen Voraussetzungen in einem Verweis auf den Gesundheitszustand eine hinsichtlich der Verhängung der Beugestrafe wegen Ausbleibens der Auskunftsperson von der Befragung durch den Untersuchungsausschuss „genügende Entschuldigung“ derselben im Sinne des § 36 Abs. 1 VO-UA liege.

5        Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des revisionswerbenden Untersuchungsausschusses, der sich in seinem subjektiven Recht gemäß § 36 Abs. 1 VO-UA verletzt erachtet, beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 VO-UA zu beantragen. Die Revision macht im Wesentlichen geltend, das Bundesverwaltungsgericht bürde dem Untersuchungsausschuss entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein intensivere Pflicht zur Begründung eines Antrages auf Verhängung einer Beugestrafe auf und modifiziere damit die vom Verwaltungsgerichtshof festgelegten niederschwelligen Kriterien für die Zulässigkeit eines solchen Antrages.

6        Das Bundesverwaltungsgericht wies die Revision mit Beschluss vom 1. Oktober 2020, W234 2233183-1/17E, als unzulässig zurück. Es erscheine ausgeschlossen, dass der revisionswerbende Untersuchungsausschuss durch den angefochtenen Beschluss in seinen Rechten auf Stellung des Antrags auf Verhängung einer Beugestrafe oder auf Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes verletzt sein könne. Der Beschluss greife nicht in das Antragsrecht des revisionswerbenden Untersuchungsausschusses ein; dies zeige schon der Umstand, dass der Antrag auf Verhängung der Beugestrafe durch das Bundesverwaltungsgericht nicht als unzulässig zurückgewiesen, sondern in der Sache erledigt worden sei, sodass der Beschluss nicht negativ in das Antragsrecht der revisionswerbenden Partei eingreifen könne. Dass das Bundesverwaltungsgericht den revisionswerbenden Untersuchungsausschuss als obiter dictum auf seine Befugnis zur Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zum Gesundheitszustand von Auskunftspersonen hingewiesen habe, um aufzuzeigen, wie zukünftigen Anträgen eine in der Sache tragfähigere Begründung möglicherweise verliehen werden könne, ändere daran nichts, denn diese Ausführungen stammten aus einem obiter dictum, das sich nicht auf die Zulässigkeitsvoraussetzungen von Anträgen gemäß § 36 Abs. 1 VO-UA beziehe. Das Bundesverwaltungsgericht habe - anders als der revisionswerbende Untersuchungsausschuss behaupte - keine über die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinausgehenden Anforderungen an die Zulässigkeit des verfahrenseinleitenden Antrages auf Verhängung der Beugestrafe gestellt. Ein nachteiliger Eingriff in das Antragsrecht sei folglich ausgeschlossen.

7        Der revisionswerbende Untersuchungsausschuss stellte einen Vorlageantrag, der vom Bundesverwaltungsgericht gemeinsam mit der Revision und den Verfahrensakten vorgelegt wurde.

8        Aufgrund dieses vom Bundesverwaltungsgericht vorgelegten, fristgerecht gestellten Vorlageantrags ist der Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung über die Revision berufen (§ 30b Abs. 1 VwGG).

9        Die für die Entscheidung maßgebende Rechtslage wurde im Wesentlichen mit der Reform des Verfahrens der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse durch die Novelle BGBl. I Nr. 99/2014 zum Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates (Geschäftsordnungsgesetz 1975, im Folgenden: GOG) sowie den dazu begleitend erfolgten Änderungen ua des B-VG durch die Novelle BGBl. I Nr. 101/2014 geschaffen.

10       Demnach erkennt gemäß Art. 130 Abs. 1a B-VG in der Fassung BGBl. I Nr. 101/2014 das Bundesverwaltungsgericht über die Anwendung von Zwangsmitteln gegenüber Auskunftspersonen eines Untersuchungsausschusses des Nationalrates nach Maßgabe des Bundesgesetzes über die Geschäftsordnung des Nationalrates. Gemäß Art. 136 Abs. 3a B-VG kann das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung des Nationalrates für das Verfahren des Verwaltungsgerichtes des Bundes gemäß Art. 130 Abs. 1a B-VG besondere Bestimmungen treffen.

11       Mit der GOG-Novelle BGBl. I Nr. 99/2014 wurde die Verfahrensordnung für parlamentarische Untersuchungsausschüsse (VO-UA), Anlage 1 zum GOG, neu gefasst. Die VO-UA regelt unter anderem die Ladung und Befragung von Auskunftspersonen. Die Auskunftspersonen sind gemäß § 33 Abs. 1 VO-UA verpflichtet, der Ladung Folge zu leisten und in der Befragung wahrheitsgemäß zu antworten (davon unberührt bleiben die in den §§ 43 und 44 VO-UA geregelten Aussageverweigerungsgründe).

12       § 36 VO-UA lautet:

Folgen des Ausbleibens von Auskunftspersonen

§ 36. (1) Wenn eine Auskunftsperson der ihr gemäß § 32 Abs. 2 zu eigenen Handen zugestellten Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge leistet, kann der Untersuchungsausschuss beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 beantragen. Der Antrag ist zu begründen.

(2) Der Untersuchungsausschuss kann die Auskunftsperson zugleich neuerlich laden und androhen, dass er bei nochmaliger Nichtbefolgung der Ladung die Vorführung beschließen könne. Leistet die Auskunftsperson einer solchen Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht Folge, so kann der Untersuchungsausschuss beschließen, dass sie durch die politische Behörde vorzuführen ist.

(3) Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 sind vom Vorsitzenden auszufertigen.

(4) Gegen die Vorführung gemäß Abs. 2 ist eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zulässig.“

13       Die §§ 55 und 56 VO-UA lauten:

Beugemittel

§ 55. (1) Als Beugestrafe wegen Nichtbefolgung einer Ladung als Auskunftsperson kommt eine Geldstrafe in der Höhe von 500 Euro bis 5 000 Euro, im Wiederholungsfall in der Höhe von 2 000 Euro bis 10 000 Euro in Betracht.

(2) Als Beugestrafe wegen ungerechtfertigter Verweigerung der Aussage kommt eine Geldstrafe bis zu 1 000 Euro in Betracht.

Zuständigkeit und Verfahren des Bundesverwaltungsgerichts

§ 56. (1) In den Fällen der §§ 36 Abs. 1 und 4 und 45 Abs. 2 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Senat.

(2) In den Fällen der §§ 36 Abs. 1 und 45 Abs. 2 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen vierzehn Tagen zu entscheiden.

(3) Jeder Beschluss gemäß Abs. 1 hat eine Belehrung über die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof und einer ordentlichen oder außerordentlichen Revision beim Verwaltungsgerichtshof zu enthalten. Das Bundesverwaltungsgericht hat ferner hinzuweisen:

1.   auf die bei der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision einzuhaltenden Fristen;

2.   auf die gesetzlichen Erfordernisse der Einbringung einer solchen Beschwerde bzw. Revision durch einen bevollmächtigten Rechtsanwalt;

3.   auf die für eine solche Beschwerde bzw. Revision zu entrichtenden Eingabengebühren.

(4) Für die Bemessung der Beugestrafe gemäß § 55 hat das Bundesverwaltungsgericht § 19 Verwaltungsstrafgesetz 1991, BGBl. Nr. 52, sinngemäß anzuwenden.“

14       In den Erläuterungen zum Initiativantrag, der der GOG-Novelle BGBl. I Nr. 99/2014 zugrunde liegt (719/A 25. GP), wird zu den hier relevanten Bestimmungen Folgendes ausgeführt:

Zu § 36:

Diese Bestimmungen entsprechen der bisherigen Rechtslage mit der Maßgabe, dass die Verhängung von Beugestrafen nunmehr beim Bundesverwaltungsgericht zu beantragen ist. Im Unterschied zur bisherigen Rechtslage und der damit verbundenen Problematik des fehlenden Rechtsschutzes gegen eine Vorführung wird nun auch eine ausdrückliche Beschwerdemöglichkeit an das Bundesverwaltungsgericht vorgesehen. Eine aufschiebende Wirkung besteht nicht.

[...]

Zu § 55:

Mit dieser Regelung sollen eigenständige Beugemaßnahmen in der Verfahrensordnung vorgesehen werden. Angesichts der besonderen Bedeutung des Untersuchungsausschussverfahrens sollen entsprechende Geldstrafen verhängt werden können. Dafür ist jeweils ein Antrag des Ausschusses an das Bundesverwaltungsgericht erforderlich, das in einem besonderen Verfahren (§ 56) entscheidet. Der Untersuchungsausschuss kann mit Ausnahme der Anordnung einer Vorführung einer Auskunftsperson keine Zwangsmittel verhängen.

Zu § 56:

Aufgrund der engen Verknüpfung zwischen dem Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht betreffend Beugemaßnahmen und dem Rechtsschutz gegen die Vorführung von Auskunftspersonen sollen die Verfahrensregeln auf Grundlage von Art. 136 Abs. 3a iVm Art. 130 Abs. la B-VG in der Verfahrensordnung geregelt werden.“

15       Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zur Entscheidung über einen Antrag des Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe ergibt sich aus der besonderen verfassungsgesetzlichen Regelung des Art. 130 Abs. 1a B-VG, wobei das GOG - nach der ausdrücklichen Ermächtigung durch Art. 136 Abs. 3a B-VG - besondere Bestimmungen für das diesbezügliche Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht treffen kann. § 36 Abs. 1 VO-UA räumt dem Untersuchungsausschuss das Recht ein, beim Bundesverwaltungsgericht die Verhängung einer Beugestrafe zu beantragen und verpflichtet ihn, diesen Antrag zu begründen. Eine darüber hinausgehende Beteiligung des Untersuchungsausschusses am Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht wird weder durch § 36 VO-UA noch durch die knappen Sonder-Verfahrensregeln des § 56 VO-UA begründet; insbesondere wird dem Untersuchungsausschuss auch nicht die verfahrensrechtliche Stellung einer „belangten Behörde“ vor dem Verwaltungsgericht im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG eingeräumt.

16       Das Revisionsrecht des Untersuchungsausschusses gegen den hier angefochtenen Beschluss kann sich daher - wie auch die Revision erkennt - nicht auf Art. 133 Abs. 6 Z 2 (in Verbindung mit Abs. 9) B-VG stützen. Der Untersuchungsausschuss ist somit auf die Geltendmachung einer Verletzung in (subjektiv-öffentlichen) Rechten im Sinne des Art. 133 Abs. 6 Z 1 (in Verbindung mit Abs. 9) B-VG verwiesen. Dementsprechend macht der revisionswerbende Untersuchungsausschuss als Revisionspunkt auch ausschließlich geltend, durch den angefochtenen Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts in seinem subjektiven Recht gemäß § 36 Abs. 1 VO-UA, beim BVwG die Verhängung einer Beugestrafe gemäß § 55 VO-UA zu beantragen, verletzt zu sein.

17       Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten hat, ist die Mitwirkung des Untersuchungsausschusses - eines nach dem GOG eingerichteten parlamentarisches Organs - im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nach § 36 VO-UA auf die Stellung des Antrages auf Verhängung einer Beugestrafe und die dem korrespondierende Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgericht über diesen Antrag beschränkt, zumal dem Untersuchungsausschuss eine darüber hinausgehende (Organ-)Parteistellung im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht ausdrücklich gesetzlich eingeräumt ist (VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042). Lediglich eine Verletzung dieser prozessualen Befugnisse des Untersuchungsausschusses durch das Bundesverwaltungsgericht kann der Untersuchungsausschuss vor dem Verwaltungsgerichtshof mittels Revision bekämpfen (vgl. wiederum VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042, mwN).

18       Das Bundesverwaltungsgericht hat - in der nach § 56 Abs. 3 VO-UA gebotenen Form eines Beschlusses - inhaltlich über den Antrag des revisionswerbenden Untersuchungsausschusses auf Verhängung einer Beugestrafe gegen die mitbeteiligte Partei entschieden und diesen Antrag abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht ist zum Ergebnis gekommen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Verhängung einer Beugestrafe über die mitbeteiligte Partei - ein Fernbleiben ohne genügende Entschuldigung - nicht vorlägen.

19       Angesichts dieser Entscheidung kann der revisionswerbende Untersuchungsausschuss daher nicht in den von seinem Revisionsrecht umfassten ausschließlich prozessualen Rechten verletzt sein.

20       Daran vermag auch das Vorbringen der Revision nichts zu ändern, wonach eine Verletzung solcher prozessualer Rechte durch das Bundesverwaltungsgericht im vorliegenden Fall zutreffe, weil das Bundesverwaltungsgericht - abweichend von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf das bereits zitierte Erkenntnis VwGH 27.1.2016, Ro 2015/03/0042) - festgestellt habe, dass der Untersuchungsausschuss seine Anträge auf Verhängung einer Beugestrafe auf Sachverständigengutachten stützen hätte können und dadurch dem Untersuchungsausschuss - entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - eine intensivere Pflicht zur Begründung eines Antrages auf Verhängung einer Beugestrafe aufbürde und die vom Verwaltungsgerichtshof festgelegten (niederschwelligen) Kriterien für die Zulässigkeit eines solchen Antrages modifiziere.

21       Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar - in der Form eines „Hinweises“ und außerhalb der tragenden Entscheidungsbegründung - auf die seines Erachtens gegebene Möglichkeit verwiesen, dass der revisionswerbende Untersuchungsausschuss selbst ein medizinisches Sachverständigengutachten zum Gesundheitszustand der mitbeteiligten Partei einholen könne bzw. eine allfällige Weigerung der mitbeteiligten Partei, sich einer medizinischen Begutachtung zu unterziehen, bei der Beurteilung des Vorliegens einer „genügenden Entschuldigung“ berücksichtigen könne. Das Bundesverwaltungsgericht hat damit aber nicht das Recht des Untersuchungsausschusses beschränkt (oder im Sinne des Revisionsvorbringens „modifiziert“), einen Antrag auf Verhängung einer Beugestrafe zu stellen.

22       Dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem Antragsvorbringen die Auffassung vertritt, bei der Beurteilung des Vorliegens einer genügenden Entschuldigung sei lediglich auf die zum Zeitpunkt der Antragstellung durch den Untersuchungsausschuss vorliegenden Beweisergebnisse abzustellen, und offenbar deshalb auch keine Feststellungen zu den für das Vorliegen einer genügenden Entschuldigung im konkreten Fall wesentlichen Umständen - sondern lediglich zum Vorbringen der mitbeteiligten Partei - getroffen hat, kann angesichts des eingeschränkten Revisionsrechts des Untersuchungsausschusses ebensowenig mit Erfolg geltend gemacht werden wie der Umstand, dass das Bundesverwaltungsgericht aufgrund einer allgemein gehaltenen fachärztlichen Stellungnahme, die in bloßen ärztlichen Empfehlungen mündet (größere körperliche Belastung vermeiden, jegliche psychische Belastung vermeiden, „Abraten“ vor einem „Auftreten“ im Untersuchungsausschuss), welche die Unmöglichkeit der Teilnahme an einer Befragung durch den Untersuchungsausschuss jedenfalls nicht zwingend nahelegen, zum Ergebnis gekommen ist, die mitbeteiligte Partei habe eine „genügende Entschuldigung“ für das Ausbleiben geboten. Auch dem Verwaltungsgerichtshof ist es verwehrt, aus Anlass der Revision einer im Revisionsrecht auf die Verletzung ihrer prozessualen Rechte beschränkten Partei eine - diese prozessuale Rechte nicht verletzende - inhaltliche Rechtswidrigkeit der angefochtenen Entscheidung aufzugreifen.

23       Die Revision war aufgrund des Vorlageantrags daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung in nichtöffentlicher Sitzung zurückzuweisen. Der gegenständliche Beschluss tritt an die Stelle des Zurückweisungsbeschlusses des Bundesverwaltungsgerichtes (vgl. VwGH 25.10.2016, Ro 2016/02/0008).

24       Die mitbeteiligte Partei brachte - ohne dass das Vorverfahren eingeleitet worden wäre oder eine Aufforderung zur Revisionsbeantwortung ergangen wäre - eine Revisionsbeantwortung ein, in der sie die Zurückweisung, in eventu die Abweisung der Revision und den Zuspruch von Aufwandersatz beantragt. § 51 VwGG, nach dem für den Fall der Zurückweisung einer (ordentlichen) Revision nach deren Vorlage an den Verwaltungsgerichtshof die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz (§ 47) so zu beurteilen ist, wie wenn die Revision abgewiesen worden wäre, stellt auf den Fall ab, in dem die Vorlage der ordentlichen Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach der vom Verwaltungsgericht erfolgten Durchführung des Vorverfahrens erfolgt, nicht aber auf einen Fall wie den hier vorliegenden, in dem die Revision mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung bereits vom Verwaltungsgericht nach § 30a Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückgewiesen und sodann aufgrund des Vorlageantrags der revisionswerbenden Partei ohne Durchführung des Vorverfahrens unmittelbar dem Verwaltungsgerichtshof vorgelegt und von diesem ebenso mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung zurückgewiesen wurde. Mangels Einleitung des Vorverfahrens kommt daher auch im vorliegenden Fall ein Zuspruch von Aufwandersatz an die mitbeteiligte Partei für die Revisionsbeantwortung nicht in Betracht (vgl. für die außerordentliche Revision etwa VwGH 27.3.2019, Ra 2019/10/0022).

Wien, am 23. November 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RO2020030041.J00

Im RIS seit

22.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

22.12.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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