TE Vwgh Beschluss 2020/12/2 Ra 2019/02/0132

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Veröffentlicht am 02.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

AVG §16
B-VG Art133 Abs4
StVO 1960 §44b Abs3
StVO 1960 §97 Abs5
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Amstetten gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich vom 21. Mai 2019, LVwG-S-683/001-2018, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: E in H (Deutschland), vertreten durch Mag. Martina Blaha, Rechtsanwältin in 4020 Linz, Museumstraße 7), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Das Land Niederösterreich hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das darüber hinausgehende Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1        Die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft Amstetten erließ zunächst gegen den Mitbeteiligten eine Strafverfügung vom 9. November 2017, in der sie ihm anlastete, die gemäß § 52 lit. a Z 10a StVO erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h überschritten zu haben, und sie verhängte über ihn gemäß § 99 Abs. 2d StVO eine Geldstrafe von € 350,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 154 Stunden).

2        Dagegen erhob der Mitbeteiligte Einspruch und brachte vor, die elektronischen Hinweistafeln hätten eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h für Fahrzeuge über 3,5 t angezeigt und der von ihm gelenkte PKW wiege deutlich weniger. Dafür machte er zwei Zeugen namhaft.

3        Nachdem der Mitbeteiligte die an ihn gerichtete Lenkeranfrage beantwortet hatte, erließ die revisionswerbende Bezirkshauptmannschaft das Straferkenntnis vom 5. Februar 2018 mit gleicher Tatanlastung und Strafe wie in der oben genannten Strafverfügung.

4        In der dagegen erhobenen Beschwerde wiederholte der Mitbeteiligte im Wesentlichen sein bereits im Einspruch erstattetes Vorbringen.

5        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich der Beschwerde Folge, es hob das bekämpfte Straferkenntnis auf und stellte das Verwaltungsstrafverfahren ein. Eine ordentliche Revision erklärte es für nicht zulässig. Begründend führte es im Wesentlichen aus, es fehle ein für die Bestrafung unabdingbarer Aktenvermerk über die erfolgte Verkehrsausleitung.

6        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision der Bezirkshauptmannschaft Amstetten.

7        Der Mitbeteiligte erstattete eine Revisionsbeantwortung und beantragte Aufwandersatz.

8        Die Revision erweist sich als unzulässig:

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

12       Zur Zulässigkeit der Revision wird zunächst als Verletzung tragender Grundsätze des Verfahrensrechts Aktenwidrigkeit geltend gemacht. Der vom Verwaltungsgericht vermisste Aktenvermerk der Organe der Straßenaufsicht gemäß § 97 Abs. 5 StVO sei „jedoch vorhanden“ gewesen und hätte jedenfalls beigebracht werden können.

13       Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat (vgl. VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068; VwGH 24.7.2019, Ra 2018/02/0195, beide mwN).

14       Die Revision vermochte nicht aufzuzeigen, wo im Verwaltungsstrafakt der in Rede stehende Aktenvermerk enthalten sein soll. In dem zwar mit Seitenzahlen versehenen, jedoch ohne Aktenübersicht vorgelegten Akt der revisionswerbenden Bezirkshauptmannschaft sind zwar etliche Aktenstücke mehrfach vorhanden, ein für die Wirksamkeit einer gemäß § 97 Abs. 5 dritter Satz StVO durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten Verkehrsbeschränkung erforderlicher Aktenvermerk (vgl. VwGH 31.1.2014, 2013/02/0244) ist darin nicht ersichtlich. Daher setzte sich das Verwaltungsgericht auch mit seiner Annahme, der Aktenvermerk habe offensichtlich von der Behörde nicht beigebracht werden können, nicht mit dem Akteninhalt in Widerspruch. Die zur Zulässigkeit der Revision behauptete Aktenwidrigkeit konnte somit nicht dargelegt werden.

15       Weiter bringt die Revision zu ihrer Zulässigkeit vor, das Verwaltungsgericht habe seinen Prüfungsumfang nach § 27 VwGVG überschritten, weil das Fehlen eines Aktenvermerks nicht vorgebracht worden sei.

16       Dieses Vorbringen trifft schon deshalb nicht zu, weil der Mitbeteiligte das im Straferkenntnis zu Grunde gelegte Verkehrszeichen insofern bestritt, als es mit einem Zusatz für Kraftfahrzeuge über 3,5 t versehen gewesen sei. Im Übrigen wird zum Prüfungsumfang der Verwaltungsgerichte gemäß § 27 VwGVG auf die hg. Rechtsprechung verwiesen (z.B. VwGH 9.9.2015, Ra 2015/03/0019; VwGH 27.2.2019, Ra 2018/05/0054; VwGH 24.7.2019, Ra 2018/02/0034).

17       Zur Verletzung der Verhandlungspflicht bringt die Zulässigkeitsbegründung der Revision vor, das Verwaltungsgericht sei von den Erkenntnissen VwGH 28.5.2014, Ra 2014/20/0017 bis 0018, und VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0011 bis 0016 und 0083, abgewichen. Da beiden genannten Erkenntnissen kein Verwaltungsstrafverfahren zu Grunde lag, wird damit ein Abweichen des Verwaltungsgerichts von der für das Verfahren der Verwaltungsgerichte in Verwaltungsstrafsachen maßgeblichen Bestimmung des § 44 VwGVG nicht aufgezeigt.

18       Die zuletzt noch für die Zulässigkeit der Revision formulierte Rechtsfrage, ob Aktenvermerke gemäß § 97 Abs. 5 StVO auch ohne Parteienvorbringen eingeholt werden müssen, lässt die Behauptungen des Mitbeteiligten über den von ihm bestrittenen Inhalt des dem Straferkenntnis zu Grunde liegenden Verkehrszeichens außer Acht, sodass die Revision von der Beantwortung dieser Frage nicht abhängt.

19       In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

20       Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das in der Revisionsbeantwortung auf die Zuerkennung von Aufwendungen für Pauschalgebühr von € 30,-- und ERV-Gebühr von € 2,10 gerichtete Mehrbegehren war abzuweisen, weil gemäß § 24a VwGG eine Eingabengebühr (von € 240,--) nur für Revisionen, Fristsetzungsanträge und Anträge auf Wiederaufnahme des Verfahrens und auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand einschließlich der Beilagen zu entrichten ist und in der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014 ein Zuschlag für eine im Weg des elektronischen Rechtsverkehrs erfolgte Einbringung von Schriftsätzen nicht vorgesehen ist (vgl. VwGH 26.5.2020, Ra 2020/20/0031, mwN).

Wien, am 2. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019020132.L00

Im RIS seit

18.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

18.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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