TE OGH 2020/11/4 3Ob122/20t

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Veröffentlicht am 04.11.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Roch als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.-Prof. PD Dr. Rassi, die Hofrätinnen Dr. Weixelbraun-Mohr und Dr. Kodek und den Hofrat Dr. Stefula als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr. Siegfried Zachhuber, Rechtsanwalt in Ried im Innkreis, gegen die beklagten Parteien 1. Krankenhaus ***** BetriebsgesmbH, *****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner Rechtsanwälte in Linz, 2. D*****, vertreten durch Dr. Josef Strasser ua, Rechtsanwälte in Ried im Innkreis, wegen 15.982 EUR sA und Feststellung, über den Revisionsrekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 5. Juni 2020, GZ 1 R 67/20h-25, mit dem der Rekurs der erstbeklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Ried im Innkreis vom 11. Februar 2020, GZ 2 Cg 52/19f-15a, zurückgewiesen wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1]            Mit Eingabe vom 31. 1. 2020 brachte die Erstbeklagte über Web-ERV einen vorbereitenden Schriftsatz ein, in welchem sie sich auf drei als Beilagen ./1 bis ./3 bezeichnete Urkunden in der Form eines Beweisanbots bezog, diese Urkunden der elektronischen Eingabe jedoch nicht anschloss, sondern lediglich deren Vorlage in der vorbereitenden Tagsatzung – ohne jede Erläuterung dafür – ankündigte.

[2]            In der Verhandlung am 11. 2. 2020 legte die Erstbeklagte wie angekündigt die genannten Urkunden in Papierform vor. Das Erstgericht erörterte die Bestimmungen des § 89c Abs 5 und 6 GOG, worauf die Erstbeklagte erwiderte, nach der Geo sei es nicht unzulässig, eine Urkunde dem Gericht vorzulegen, was auch der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur (gemeint:) vorbereitenden Tagsatzung entspreche; auch die ZPO erlaube die Vorlage der Urkunden in Papierform. Darauf trug das Erstgericht der Erstbeklagten mit mündlich verkündetem und später schriftlich ausgefertigtem Beschluss auf, die Vorlage der in Papierform vorgelegten Urkunden binnen 14 Tagen dadurch zu verbessern, dass diese im ERV eingebracht werden. Rechtsanwälte seien gemäß § 89c Abs 5 GOG zur Teilnahme am ERV verpflichtet. Der Verbesserungsauftrag sei zu erteilen, um den Formmangel zu beseitigen. Sodann stellte das Erstgericht die in Papierform vorgelegten Urkunden an die Erstbeklagte zurück, die das als Verfahrensmangel rügte.

[3]            Das Rekursgericht wies den Rekurs der Erstbeklagten (sowie die Rekursbeantwortung der Klägerin) als unzulässig zurück und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Sowohl aus dem Spruch als auch aus der Begründung des erstgerichtlichen Beschlusses lasse sich dessen Sinngehalt zweifelsfrei dahingehend ermitteln, dass das Erstgericht keine Zurückweisung und Präklusion der Urkundenvorlage anstrebt, sondern vielmehr einen Verbesserungsauftrag erteilt habe. Der angefochtene Beschluss sei sohin nicht als Zurückweisungsbeschluss iSd § 180 Abs 2 ZPO, sondern als – auch inhaltlich zutreffender – Verbesserungsauftrag nach § 84 Abs 1 ZPO zu behandeln. Ein solcher sei jedoch nach herrschender Ansicht nicht bekämpfbar, weshalb der Rekurs als unzulässig zurückzuweisen sei.

[4]            Der Revisionrekurs sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob der Rekurs gegen die Erteilung eines Verbesserungsauftrags zur elektronischen Urkundenvorlage zulässig sei, wenn ein Rechtsanwalt Urkunden, die einer Vorlagepflicht nach § 77 ZPO unterliegen, in Papierform vorlege.

Rechtliche Beurteilung

[5]            Der Revisionsrekurs ist – ungeachtet des nicht bindenden Ausspruchs des Rekursgerichts (§ 508a iVm § 526 Abs 3 ZPO) – nicht zulässig, weil die Erstbeklagte keine erhebliche Rechtsfrage aufzeigt. Das ist wie folgt kurz zu begründen (§ 510 Abs 3 iVm § 528a ZPO):

[6]            1. Gemäß § 84 Abs 1 zweiter Satz und § 85 Abs 3 ZPO können Verbesserungsaufträge durch ein abgesondertes Rechtsmittel nicht angefochten werden. Die Rechtsprechung und Lehre legt dies dahin aus, dass ein Verbesserungsauftrag überhaupt nicht bekämpft werden kann, weil erst die Zurückweisung des nicht verbesserten Schriftsatzes die Interessen des Einschreiters berührt (RIS-Justiz RS0036243; Gitschthaler in Rechberger/Klicka ZPO5 §§ 84–85 Rz 25; Kodek in Fasching/Konecny3 §§ 84, 85 ZPO Rz 281; Ziehensack in Höllwerth/Ziehensack ZPO-TaKom § 85 Rz 28). Das Wesen einer Verfügung zur Beseitigung eines Formgebrechens, gegen die ein abgesondertes Rechtsmittel nicht statthaft ist, wird auch dadurch nicht berührt, dass eine darin für den Fall der Nichtbefolgung angedrohte Maßnahme durch das Gesetz nicht gedeckt ist (RS0036446; RS0036243 [T9]).

[7]            2. Diese Rechtsmittelbeschränkung zieht der Revisionsrekurs nicht in Zweifel. Vielmehr wird argumentiert, es handle sich beim erstgerichtlichen Beschluss nicht um einen Verbesserungsauftrag, sondern um die Zurückweisung der zulässig in der Verhandlung durchgeführten Urkundenvorlage.

[8]            3. Fragen der Auslegung eines gerichtlichen Beschlusses entziehen sich im Allgemeinen generellen Aussagen; ihnen kann daher keine Bedeutung als erhebliche Rechtsfrage zukommen, sofern – wie hier – keine krasse Fehlbeurteilung zu erkennen ist (RS0118891 [T3]). Die Frage, welchen rechtlich erheblichen Inhalt eine gerichtliche Entscheidung hat, ist eine Rechtsfrage, die aufgrund des Wortlauts des Spruchs und der Gründe der Entscheidung in Verbindung mit dem dadurch angewendeten Gesetz gelöst werden muss und nicht durch Erforschung des vermeintlichen Willens der am Zustandekommen der Entscheidung beteiligten Organwalter (RS0008802).

[9]            Nach diesen Kriterien ist davon auszugehen, dass die Erstrichterin der Erstbeklagten einen Verbesserungsauftrag nach § 89c Abs 6 GOG wegen des Vorliegens eines Formmangels wegen eines Verstoßes gegen die Pflicht zur Teilnahme am ERV nach § 89c Abs 5 GOG erteilt hat (und dies auch wollte). Die Auslegung des erstinstanzlichen Beschlusses durch das Rekursgericht als Verbesserungsauftrag erweist sich daher als jedenfalls vertretbar, dies auch angesichts dessen, dass die Retournierung des zu verbessernden Schriftstücks oft mit einem Verbesserungsauftrag einhergeht. Ob der Verbesserungsauftrag zu Recht erteilt wurde, ist für die Frage der Rechtsmittelbeschränkung nach § 84 Abs 1 zweiter Satz und § 85 Abs 3 ZPO ohne Belang.

[10]     Somit hatte das Rekursgericht die von der Erstbeklagten ohnehin nicht in Frage gestellte Rechtsmittelbeschränkung wahrzunehmen und ihren dagegen erhobenen Rekurs zurückzuweisen.

Textnummer

E130062

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0030OB00122.20T.1104.000

Im RIS seit

16.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

16.12.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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