TE OGH 2020/11/26 4Ob171/20f

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 26.11.2020
beobachten
merken

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner, Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, gegen die beklagte und widerklagende Partei S***** Import- und Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Stanek Raidl Konlechner Rechtsanwälte OG in Wien, hier wegen Rechnungslegung (Widerklage [Stufenklage]; Streitwert 35.000 EUR) über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. Juli 2020, GZ 1 R 56/20t-34, mit dem das Teilurteil des Handelsgerichts Wien vom 3. Februar 2020, GZ 19 Cg 11/19t-29, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Urteil wird dahin abgeändert, dass dem Widerklagebegehren auf Rechnungslegung (Stufenklage) stattgegeben und insoweit das Teilurteil des Erstgerichts zu Spruchpunkt 2. wiederhergestellt wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens aller drei Instanzen bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Am 9. Oktober 2001 schlossen die Klägerin als Lizenzgeberin und die Beklagte als Lizenznehmerin eine Lizenzvereinbarung betreffend das Arzneimittel Dolorex, die auszugsweise lautet:

„1. Gegenstand des Vertrags:

Überlassung einer Zulassung nach § 17a AMG von Dolorex, Zusammensetzung laut Registrierungsbescheid, sowie die Verwendung der Wortmarke Dolorex.

2. Rechte und Pflichten:

Der LG überträgt die Zulassung von Dolorex, Zulassungsnummer 7.00862 auf dem LN.

Der LN erhält alle entsprechenden Unterlagen, insbesondere zur Produktion und Analyse.

Weiters wird die Verwendung des Markennamens Dolorex durch den LN ausdrücklich erlaubt.

3. Preise und Zahlungsbedingungen:

Der LG erhält einen Prozentanteil von 5 % vom FAP [Fabriksabgabepreis] als Lizenzgebühr.

Die Lizenzgebühr ist fällig vier Wochen nach der Rechnungslegung durch den LG.

4. Übertragung der Rechte der Wortmarke Dolorex:

Die Rechte an der Wortmarke Dolorex gehen an den LN über, sobald für Dolorex mindestens ATS 200.000 bzw EUR 14.534,57 an Lizenzgebühren bezahlt wurden.

5. Statistik:

Der LN ist verpflichtet, bis zum 15. nach Monatsende eine vollständige Aufstellung über Stückzahlen und FAP an den LG zu übermitteln.

Der LG ist berechtigt, durch einen eigenen Beauftragten oder, falls der LN widerspricht, durch einen zugelassenen Wirtschaftsprüfer nach Voranmeldung zu den üblichen Geschäftsstunden die Unterlagen prüfen zu lassen. Die Kosten der Prüfung trägt der LG.“

[2]       Bei Dolorex handelte es sich um ein Arzneimittel mit vereinfachter Zulassung nach § 17a (alt) AMG. Die für den Anlassfall maßgebende AMG-Novelle 2005, BGBl I 2005/153, sah in § 94c Abs 8 AMG vor, dass eine solche vereinfachte Zulassung spätestens mit Ablauf des 30. April 2011 erlosch und die betroffenen Arzneimittel ab 1. Mai 2011 nicht mehr in den Verkehr gebracht werden durften. Für den Fall, dass der Zulassungsinhaber bis zum 30. Oktober 2010 einen Zulassungsantrag oder Antrag auf Registrierung als traditionelle pflanzliche Arzneispezialität stellte, blieb die Zulassung bis zur Entscheidung des BASG über den Antrag auf Zulassung bzw Anmeldung zur Registrierung gültig.

[3]       Aufgrund der Erfordernisse nach der AMG-Novelle 2005 stellte der Geschäftsführer der Klägerin am 20. September 2010 im Namen der Klägerin einen Antrag auf Folgezulassung des Arzneimittels in einer geänderten Zusammensetzung; der Antrag bezog sich zunächst auf Dolorex, nachträglich wurde die Bezeichnung auf Algofina geändert.

[4]       Da sich der Geschäftsführer der Beklagten in der Folge überrascht zeigte, sicherte ihm der Geschäftsführer der Klägerin zu, dass sich an der Vereinbarung vom 9. Oktober 2001 nichts ändern werde. Die Parteien besprachen bereits im Jahr 2008 die geplante Veränderung der Zusammensetzung für die neue Zulassung von Dolorex, eine Änderung des Namens oder ein Ende des Lizenzvertrags sollte damit nicht einhergehen.

[5]            Mit Bescheid des BASG vom 22. Dezember 2017 wurde das Arzneimittel Algofina unter der Zulassungsnummer 138036 zugelassen. Mit Bescheid vom selben Tag wurde die Zulassung für Dolorex für erloschen erklärt. Das ursprüngliche Dolorex unterschied sich vom Dolorex, für das die Folgezulassung beantragt wurde, in folgenden zwei Punkten: Campher war im Dolorex laut Folgezulassung nicht enthalten; Menthol und Latschenkiefernöl wurden nur noch als Hilfsstoffe eingesetzt. Der Hauptwirkstoff blieb jedoch unverändert und ist in beiden Fällen Diethylaminsalicyl.

[6]       Am 15. Jänner 2018 ließ die Klägerin die Abrechnungen der Lizenzgebühren für den Zeitraum Jänner 2008 bis November 2017 von einem Wirtschaftsprüfer überprüfen. Dafür wendete sie Kosten in Höhe von 1.625 EUR netto auf.

[7]       Die Klägerin begehrte mit ihrer Klage restliche Lizenzgebühr in Höhe von 18.316,11 EUR netto (21.979,33 EUR brutto) sowie den Ersatz der Kosten für die Beiziehung des Wirtschaftsprüfers in Höhe von 1.625 EUR netto (1.950 EUR brutto).

[8]       Die Beklagte erhob vor allem den Einwand der Verjährung. Zudem begehrte sie mit Widerklage (in Form einer Stufenklage) von der Klägerin Rechnungslegung über die erzielten Einnahmen und die verkauften Stückzahlen aus dem Vertrieb des Arzneimittels Algofina ab 22. Dezember 2017.

[9]       Das Erstgericht verband die beiden Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung und gab mit Teilurteil dem Zahlungsbegehren der Klägerin im Ausmaß von 6.557,06 EUR sA sowie dem Rechnungslegungsbegehren der Beklagten (als Widerklägerin) statt. Die vor April 2015 angefallenen Lizenzgebühren seien verjährt. Die Kosten für den Wirtschaftsprüfer stünden der Klägerin nicht zu, weil die Überprüfung keine neuen Erkenntnisse gebracht habe. Das Rechnungslegungsbegehren der Beklagten (Widerklägerin) sei berechtigt, weil der Geschäftsführer der Klägerin den Antrag auf Folgezulassung im Namen der Beklagten hätte stellen müssen. Das vertragswidrige Verhalten der Klägerin habe zum Erlöschen der Lizenz der Beklagten geführt. Der Schaden der Beklagten bestehe im entgangenen Gewinn aus dem Verkauf des Arzneimittels Algofina.

[10]     Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und ihrem Klagebegehren im Ausmaß von 8.507,06 EUR sA statt; zudem wies es das Widerklagebegehren auf Rechnungslegung ab. Zum Zahlungsbegehren habe das Erstgericht die Verjährung zutreffend beurteilt. Der Klägerin stünden aufgrund der klaren vertraglichen Regelung aber die Kosten für die Beiziehung des Wirtschaftsprüfers zu. Der mit der Widerklage geltend gemachte Rechnungslegungsanspruch erweise sich schon im Ansatz als verfehlt. Die Lizenzvereinbarung beziehe sich auf die Überlassung der konkreten Zulassung für das Arzneimittel Dolorex in der Zusammensetzung nach dem Registrierungsbescheid. Mit dem Erlöschen dieser Zulassung sei der Vertragsgegenstand untergegangen, wodurch die vertraglichen Verbindlichkeiten aufgehoben worden seien. Eine Verpflichtung der Klägerin, nach dem Erlöschen der Zulassung für Dolorex eine Neuzulassung zu erwirken und auch diese der Beklagten zu übertragen, sei nicht erkennbar. Auch auf die Zusicherung des Geschäftsführers der Klägerin, durch den Antrag auf Folgezulassung werde sich an der Lizenzvereinbarung nichts ändern, könne sich die Beklagte nicht stützen, weil sie redlicherweise nicht hätte annehmen können, die Klägerin verpflichte sich damit, auch die neue Zulassung an die Beklagte zu übertragen. Davon sei die Frage zu unterscheiden, ob der Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet gewesen sei, den neuen Zulassungsantrag im Namen der Beklagten zu stellen. Eine Verpflichtung der Klägerin, nach dem Erlöschen der Zulassung für Dolorex im Namen der Beklagten eine Neuzulassung zu erwirken bzw diese der Beklagten zu übertragen, sei für das Berufungsgericht aber ebenfalls nicht erkennbar. Auch eine Verpflichtung der Klägerin, die Beklagte auf das bevorstehende Erlöschen der Zulassung für Dolorex aufmerksam zu machen, habe nicht bestanden. Dazu sprach das Berufungsgericht aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands betreffend die Widerklage 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision mangels erheblicher Rechtsfrage nicht zulässig sei.

[11]     Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die außerordentliche Revision der Beklagten, die zum Klagebegehren und zum Widerklagebegehren auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.

[12]     Mit ihrer – vom Obersten Gerichtshof freigestellten – Revisionsbeantwortung zum Widerklagebegehren beantragt die Klägerin, die Revision der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

[13]     Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision zum Widerklagebegehren zulässig, weil die Entscheidung über die Widerklage einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf. Die Revision ist dementsprechend auch berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[14]     I. Vorbemerkung:

[15]            1. Die Revision der Beklagten bezieht sich auf das Klagebegehren und das Widerklagebegehren. Die Verbindung zweier Rechtssachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung hat nicht zur Folge, dass deren Streitwerte zusammenzurechnen sind (RIS-Justiz RS0037271). Die Verbindung ist für die jeweils getrennt zu beurteilende Rechtsmittelzulässigkeit vielmehr ohne Belang (4 Ob 105/17w).

[16]     Der Wert des Entscheidungsgegenstands, über den das Berufungsgericht zum Klagebegehren entschieden hat, beläuft sich auf 17.372,27 EUR. Aus diesem Grund hat der Oberste Gerichtshof mit Beschluss vom 20. Oktober 2020 die Verbindung der Verfahren zu AZ 19 Cg 4/19p und AZ 19 Cg 11/19t je des Handelsgerichts Wien aufgehoben und hinsichtlich der außerordentlichen Revision der Beklagten zum Zahlungsbegehren (Klage) die Akten im Hinblick auf § 508 ZPO dem Erstgericht zurückgestellt.

[17]     Die hier vorliegende Entscheidung betrifft damit nur das Widerklagebegehren auf Rechnungslegung (Stufenklage).

[18]     II. Zur geltend gemachten Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens:

[19]            2. Der geltend gemachte Verfahrensmangel liegt – wie der Oberste Gerichtshof geprüft hat – nicht vor.

[20]     Die in der Revision angeführten Überlegungen des Berufungsgerichts zur Bedeutung der Zusicherung des Geschäftsführers der Klägerin, es werde sich durch den neuen Antrag an der Lizenzvereinbarung nichts ändern, betreffen die Auslegung dieser Erklärung. Diese Überlegungen sind der rechtlichen Beurteilung zuzuordnen; dabei handelt es sich nicht um den Versuch des Berufungsgerichts, von den Feststellungen des Erstgerichts abzuweichen.

[21]     Das Gleiche gilt für das Argument des Berufungsgerichts, es sei nicht anzunehmen, die Klägerin hätte der Beklagten auch die Folgezulassung überlassen wollen, zumal diese mit hohen Kosten verbunden gewesen sei. Dass die Klägerin solche Kosten von der Beklagten nicht verlangt hat, ist zwar eine Tatsachenfeststellung. Die Schlussfolgerung der Beklagten, dass sich daraus eine Abweichung von der ermittelten Sachverhaltsgrundlage ergäbe, ist aber nicht nachvollziehbar.

[22]     III. Zum Widerklagebegehren auf Rechnungslegung:

[23]            3.1 In dieser Hinsicht stützte sich die Beklagte (als Widerklägerin) im erstinstanzlichen Verfahren vor allem auf die Lizenzvereinbarung vom 9. Oktober 2001, auf eine Zusicherung des Geschäftsführers der Klägerin und auf ein pflichtwidriges Verhalten des Geschäftsführers der Klägerin. In der Revision bezieht sich die Beklagte in erster Linie auf die Auslegung der Lizenzvereinbarung, wobei sie in diesem Zusammenhang auch auf die von den Streitteilen getroffene mündliche Vereinbarung hinweist.

[24]            3.2 Im Rahmen der Auslegung der Lizenzvereinbarung gelangte das Berufungsgericht zum Ergebnis, dass zwischen den Arzneimitteln Dolorex und Algofina aufgrund der geänderten Zusammensetzung, der neuen Bezeichnung und der neuen Zulassungsnummer zu unterscheiden sei und sich die Lizenzvereinbarung nur auf das Arzneimittel Dolorex beziehe. Ergänzend führte das Berufungsgericht aus, dass sich die Beklagte im gegebenen Zusammenhang auch nicht auf die Zusicherung des Geschäftsführers der Klägerin stützen könne, es werde sich durch den Antrag auf Folgezulassung an der Lizenzvereinbarung nichts ändern.

[25]           4.1 Nach § 914 ABGB ist bei der Auslegung von Verträgen zunächst vom Wortlaut des schriftlichen Vertragstextes oder vom Wortsinn der mündlichen Vertragserklärungen auszugehen, aber nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften, sondern der Wille der Parteien zu erforschen. Wird kein – vom Vertragstext oder Wortsinn abweichender oder diesen präzisierender oder ergänzender – übereinstimmender Parteiwille behauptet oder festgestellt, so ist für die Auslegung der objektive Erklärungswert des Vertragstextes bzw der Erklärungen mit Rücksicht auf den Geschäftszweck maßgebend. Der Vertrag ist so zu verstehen, wie es der Übung des redlichen Verkehrs entspricht (RS0017915; RS0017797; 4 Ob 122/20z).

[26]            4.2 Gegenstand der Lizenzvereinbarung vom 9. Oktober 2001 ist nicht nur die Übertragung der Zulassung von Dolorex gegen Zahlung einer Lizenzgebühr an die Beklagte, sondern zudem auch die Übertragung der Wortmarke nach Erreichen einer bestimmten (geringen) Summe an Lizenzgebühren. Selbst für den Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung wurde der Beklagten das Recht auf Erwerb der Wortmarke eingeräumt.

[27]     Daraus folgt zunächst, dass die Lizenzvereinbarung auf Dauer ausgelegt war und der Vertrieb von Dolorex in Hinkunft nur mehr von der Beklagten erfolgen sollte.

[28]            4.3 Die Lizenzvereinbarung bezieht sich auf Dolorex. Dazu ist festgestellt, dass der Antrag auf Folgezulassung durch die AMG-Novelle 2005 notwendig wurde und sich dieser Antrag, der schließlich zur Zulassung von Algofina geführt hat, zunächst auch namensmäßig auf Dolorex bezog, wobei schon nach diesem Antrag eine Änderung der Zusammensetzung bei drei Neben- bzw Hilfsstoffen vorgesehen war; der Hauptwirkstoff blieb unverändert.

[29]           Daraus folgt, dass der Antrag auf Folgezulassung auch nach dem Willen und Verständnis des Geschäftsführers der Klägerin für Dolorex in einer geringfügig veränderten Zusammensetzung erfolgen sollte und dieser Antrag auf der Grundlage der Lizenzvereinbarung eingebracht wurde. Die Namensänderung erfolgte erst nachträglich und hat auf das ursprüngliche Verständnis keinen Einfluss. Schon daraus ist abzuleiten, dass sich die Lizenzvereinbarung nach dem übereinstimmenden Willen der Vertragsparteien auf das ursprüngliche Dolorex sowie auch auf das Dolorex in der geänderten Zusammensetzung als Nachfolgepräparat beziehen sollte. Durch die nachträgliche Namensänderung konnte sich an diesem Parteiwillen nichts ändern.

[30]            4.4 Entscheidend kommt Folgendes hinzu: Die Zusicherung des Geschäftsführers der Klägerin, auf die sich das Berufungsgericht mehrfach bezieht, erfolgte zeitlich nach der Einbringung des Antrags auf Folgezulassung vom 20. 9. 2010. Abgesehen von dieser Zusicherung des Geschäftsführers der Klägerin hat das Erstgericht zusätzlich auch festgestellt, dass die Parteien bereits im Jahr 2008 die – aufgrund der AMG-Novelle 2005 notwendig gewordene – Neuzulassung von Dolorex samt geplanter Veränderung der Zusammensetzung besprachen, sowie dass damit keine Änderung des Namens und kein Ende des Lizenzvertrags einhergehen sollte.

[31]     Dieses Gespräch, das sich konkret auf den zugrunde liegenden Antrag auf Folgezulassung bezog, hat das Berufungsgericht bei seiner Beurteilung unbeachtet gelassen. Dieses Gespräch bekräftigt das schon durch Auslegung des Textes der Lizenzvereinbarung erzielte Ergebnis. Daraus ergibt sich eindeutig, dass sich nach dem übereinstimmenden Parteiwillen die bestehende Lizenzvereinbarung auch auf die beantragte Folgezulassung beziehen soll und der nachträglich erfolgten Namensänderung in dieser Hinsicht keine Bedeutung zukommt.

[32]            4.5 Das Auslegungsergebnis des Berufungsgerichts erweist sich damit als korrekturbedürftig; dies ist vom Obersten Gerichtshof aufzugreifen.

[33]            5. Auf die weiteren (Hilfs-)Argumente in der Revision, insbesondere auf die Frage, ob der Geschäftsführer der Klägerin verpflichtet gewesen wäre, den Antrag auf Folgezulassung im Namen der Beklagten einzubringen, und ob ihm in diesem Zusammenhang eine aus dem Pflichtenkatalog der Lizenzvereinbarung ableitbare konkrete Pflichtwidrigkeit anzulasten ist, muss nicht mehr eingegangen werden.

[34]            6.1 Zweck der Rechnungslegung ist es, den Kläger (hier die Widerklägerin) in die Lage zu versetzen, die Grundlage für seine Zahlungsansprüche gegen den Beklagten zu ermitteln, sofern ihm eine verlässliche Bezifferung des Zahlungsbegehrens anderweitig nicht möglich ist. Die Verpflichtung zur Rechnungslegung muss sich dabei entweder unmittelbar aus einer Norm des bürgerlichen Rechts (zB bei der Verletzung von Immaterialgüterrechten; vgl 4 Ob 217/18t mwN) oder aus einer privatrechtlichen Vereinbarung zwischen den Parteien ergeben (RS0034986; RS0019051). Bei Bestehen einer gesetzlichen Sonderregelung oder aufgrund des jeweiligen konkreten Vertragsverhältnisses kommt ein Rechnungslegungsanspruch ausnahmsweise auch zur Geltendmachung von Herausgabe- oder Schadenersatzansprüchen in Betracht (vgl 6 Ob 40/19d mwN).

[35]            6.2 Im Anlassfall steht aufgrund der Lizenzvereinbarung der ausschließliche Vertrieb auch von Algofina ausschließlich der Beklagten zu. Sie hat daher Anspruch auf Herausgabe des ihr entgangenen Gewinns. Da dieser Anspruch nach dem konkreten Vertragsverhältnis (exklusiver Vertriebsvertrag mit wettbewerbsregelndem Charakter; vgl dazu 4 Ob 202/05t; 4 Ob 12/11k) von der Menge der von der Klägerin verkauften Präparate und den von ihr daraus erzielten Einnahmen abhängt und die Beklagte ohne Ermittlung dieser Bemessungsgrundlagen ihre darauf gerichteten Zahlungsansprüche nicht beziffern kann, bedarf es dafür der Rechnungslegung.

[36]           7. Das Widerklagebegehren auf Rechnungslegung in Form der Stufenklage erweist sich damit als berechtigt. In Stattgebung der Revision der Beklagten war in dieser Hinsicht die stattgebende Entscheidung des Erstgerichts wiederherzustellen.

[37]     Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO, zumal diese auch vom Ausgang des Verfahrens über die Klage abhängt. Außerdem hat bereits das Erstgericht die Kostenentscheidung teilweise der Endentscheidung vorbehalten.

Textnummer

E130046

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00171.20F.1126.000

Im RIS seit

14.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten