Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Hon.-Prof. PD Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin A. ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Zöchbauer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die Beklagte K***** Gesellschaft mbH & Co KG, *****, vertreten durch Gheneff – Rami – Sommer Rechtsanwälte OG in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Provisorialverfahren 34.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 26. Juni 2020, GZ 4 R 52/20a-14, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 14. April 2020, GZ 54 Cg 16/20m-8, abgeändert wurde, den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird mit der Maßgabe nicht Folge gegeben, dass die einstweilige Verfügung wie folgt zu lauten hat:
„Zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung, worauf das Klagebegehren gerichtet ist, wird der Beklagten aufgetragen, ab sofort und bis zur Rechtskraft des über den Unterlassungsanspruch ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr unter Berufung auf Daten der 'AGTT/GfK TELETEST' die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, 'PULS 24' sei der erfolgreichste österreichische Nachrichtensender und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen, so diese Spitzenstellung nicht aus allen Kategorien dieser Erhebungen hervorgeht, insbesondere wenn 'oe24.TV' in der Zielgruppe 'Erw 12+' einen höheren Marktanteil aufweist.“
Die Beklagte hat die Kosten ihres Revisionsrekurses endgültig und die Klägerin hat die Kosten ihrer Revisionsrekursbeantwortung vorläufig selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Die Klägerin ist Medieninhaberin und Veranstalterin des Kabel-TV-Programms und des ersten inländischen 24-Stunden-TV-Nachrichtensenders oe24.TV (2016 gestartet) sowie Medieninhaberin der Website www.oe24.at/tv, auf der sie den Mediendienst auf Abruf oe24.TV betreibt.
[2] Die Beklagte ist Medieninhaberin des periodischen Druckwerks Kronen Zeitung. Sie ist konzernverbunden mit der Krone Multimedia GmbH & Co KG (Krone Multimedia). Letztere ist Medieninhaberin der Website www.krone.at, auf der sie den Mediendienst auf Abruf krone.tv betreibt, und Veranstalterin des TV-Programms krone.tv. Die Streitteile wenden sich an einen überschneidenden Kreis von Zusehern/Lesern und Anzeigenkunden.
[3] Die PULS 4 TV GmbH & Co KG ist Veranstalterin des am 1. 9. 2019 gestarteten zweiten österreichischen Nachrichtensenders PULS 24.
[4] Die Arbeitsgemeinschaft TELETEST publiziert die in ihrem Auftrag erhobenen Einschaltquoten im österreichischen Fernsehmarkt. Dabei werden die Marktanteile der TV-Sender ua für die Zielgruppen Erw 12+ (Personen älter als 12 Jahre) und E 12–49 (Personen von 12 bis 49 Jahren) ermittelt. Bei der Quotenmessung erfolgt jede Bezugnahme auf eine Zielgruppe jeweils mit Angabe des Alterskorridors. Die – hier relevanten – Marktanteile für die Monate September 2019 bis Jänner 2020 waren:
[5] Die Beklagte hat in der Kronen Zeitung vom 31. 1. 2020, Ausgabe Wien Extra, und vom 1. 2. 2020 Folgendes veröffentlicht:
[6] PULS 24 verbreitete über APA-OTS am 31. 1. 2020 folgende Meldung (Auszug):
Rekordmonat für PULS 4 und PULS 24 mit erfolgreichstem Senderstart Österreichs = Rekordstart 2020
- […]
- PULS 24 erreicht im Jänner 0,5 Prozent Marktanteil und ist damit nach fünf Monaten bester Newssender Österreichs (E 12–49)
- PULS 24 hat erfolgreichsten Senderstart aller vergleichbaren Sender in Österreich bei technischer Reichweite hingelegt und liegt bei 42 Prozent
- Innerhalb dieser Haushalte ist PULS 24 stärkster Newssender Österreichs bei E 12–49 und E 12+ […]
NEU: PULS 24
Der am 1. September 2019 gestartete Nachrichtensender PULS 24 erzielt im Jänner starke 0,5 Prozent (E 12–49) Marktanteil und ist somit schon jetzt der erfolgreichste österreichische Nachrichtensender. Bereits nach 20 Sendetagen weist PULS 24 die schnellst aufgebaute technische Reichweite aller vergleichbaren Senderstarts in Österreich auf allen Verbreitungsebenen auf (Kabel, Satellit und Terrestrik). Die technische Reichweite liegt derzeit bei mehr als 42 Prozent. Innerhalb dieser Gruppe ist PULS 24 stärkster Newssender Österreichs bei E 12–49 und E12+. In der Gesamtbevölkerung erreicht PULS 24 aktuell 0,3 Prozent Marktanteil.
[7] Die Klägerin begehrte zur Sicherung ihres Klagsanspruchs die Erlassung folgender einstweiliger Verfügung gegen die Beklagte:
1. Der Beklagten werde ab sofort zur Sicherung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungs-ansprüche der Klägerin geboten, im geschäftlichen Verkehr die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, PULS 24 sei der erfolgreichste österreichische Nachrichtensender und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen, so diese Spitzenstellung nicht aus allen Kategorien der Erhebungen der AGTT/GfK TELETEST hervorgeht, insbesondere wenn oe24.TV in der Zielgruppe Erw 12+ einen höheren Marktanteil aufweist;
2. in eventu: Der Beklagten werde ab sofort zur Sicherung wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsansprüche der Klägerin geboten, zu Zwecken des Wettbewerbs die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, PULS 24 sei der erfolgreichste österreichische Nachrichtensender und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen, so diese Spitzenstellung nicht aus allen Kategorien der Erhebungen der AGTT/GfK TELETEST hervorgeht, insbesondere wenn oe24.TV in der Zielgruppe Erw 12+ einen höheren Marktanteil aufweist;
3. in eventu: Der Beklagten werde ab sofort zur Sicherung des Anspruchs der Klägerin auf Unterlassung der Verbreitung kreditschädigender Äußerungen geboten, die Behauptung und/oder Verbreitung der Äußerung, PULS 24 sei der erfolgreichste österreichische Nachrichtensender und/oder sinngleicher Äußerungen zu unterlassen, so diese Spitzenstellung nicht aus allen Kategorien der Erhebungen der AGTT/GfK TELETEST hervorgeht, insbesondere wenn oe24.TV in der Zielgruppe Erw 12+ einen höheren Marktanteil aufweist.
[8] Mit den beanstandeten Äußerungen erwecke die Beklagte den Eindruck, PULS 24 sei der erfolgreichste österreichische Nachrichtensender, also jener mit der größten Reichweite. Tatsächlich weise aber oe24.TV in der Zielgruppe der Personen über zwölf Jahre in den hier relevanten Monaten einen höheren Marktanteil auf. Diesen Umstand verschweige die Beklagte, die sich bei ihrer Behauptung offenbar auf eine Teilzielgruppe, nämlich die 12- bis 49-jährigen Personen, beziehe. Die Beklagte habe in der Absicht gehandelt, durch die Schmälerung des Erfolgs der Klägerin mittelbar den Wettbewerb von krone.tv zu fördern und jenen der Klägerin zu schädigen. Sie wende eine irreführende Geschäftspraktik an, weil sie über wesentliche Angaben unrichtige Angaben mache, nämlich über die im Wettbewerb in hohem Maß relevanten Marktanteile von TV-Sendern. Sie verstoße gegen das lauterkeitsrechtliche Irreführungsverbot, weil sie über den geschäftlichen Erfolg von PULS 24 täusche. Durch die beanstandeten Aussagen setze sie die Klägerin zugleich herab, denn sie unterstelle, dass deren Mitbewerber erfolgreicher als die Klägerin sei.
[9] Die Beklagte wendete ein, sie habe sich mit den von ihr verbreiteten Inhalten nicht identifiziert, sondern diese in ihren redaktionellen Beiträgen lediglich zitiert. Ausgangsbasis dafür sei eine Presseaussendung von PULS 24 gewesen. Die darin relevanten Passagen seien wahr gewesen. PULS 24 sei in den ersten fünf Monaten nach seinem Launch tatsächlich wesentlich erfolgreicher gewesen als oe24.TV nach dessen Launch (2016). Der Fokus beider Artikel liege auf dem Sendestart. Eine Spitzenstellungsbehauptung werde weiters nur hinsichtlich der Zielgruppe der 12- bis 49-jährigen erhoben. Die Äußerungen, die daher in diesem Licht zu beurteilen seien, seien zumindest im Kern wahr. Ziel der Berichterstattung sei gewesen, über brandneue Teletest-Daten von PULS 24 zu informieren, nicht hingegen den Wettbewerb zugunsten von PULS 24 zu fördern.
[10] Das Erstgericht gab dem Sicherungsbegehren im Umfang des zweiten Eventualantrags Folge. Das Hauptbegehren scheitere am Fehlen der Förderung fremden Wettbewerbs, weil die Berichterstattung der Beklagten überwiegend andere Ziele habe. Ein eigenes wirtschaftliches Interesse der Beklagten am Erfolg von PULS 24 sei nicht zu erkennen. Die gegenteilige Argumentation, durch die Förderung des genannten Senders werde mittelbar auch der Sender der Beklagten gefördert, sei nicht plausibel. Außerdem beruhten die redaktionellen Beiträge der Beklagten auf einer APA-Meldung. Zwar entspreche die Beschreibung von PULS 24 als erfolgreichster Fernsehsender nicht den Tatsachen, weil die Spitzenstellung der Klägerin in der Gruppe der Erwachsenen 12+ verschwiegen werde. Allerdings liege keine Irreführung iSd § 2 UWG vor, weil die Beklagte keine unrichtigen Angaben über ihre eigenen Leistungen gemacht habe. Die Berufung auf § 7 UWG scheitere an der fehlenden Wettbewerbsabsicht, spreche doch der Umstand, dass ein Konzernunternehmen der Beklagten einen eigenen derartigen Dienst betreibe, gegen die Absicht der Beklagten, den Wettbewerb zugunsten des Konkurrenten PULS 24 zu fördern. Die Klägerin habe auch nicht behauptet, die Beklagte hätte die Unrichtigkeit der inhaltlich unvollständigen APA-Pressemeldung, auf der ihr Artikel beruht habe, gekannt. Die Äußerung sei kreditschädigend, weil sie den größeren Marktanteil der Klägerin in der Zielgruppe der Erwachsenen 12+ verschweige. Ohne den aufklärenden Hinweis auf die jeweilige Alterszielgruppe könne der Durchschnittsleser die wesentliche Einschränkung der Spitzenstellung von PULS 24 nicht erkennen.
[11] Das von beiden Parteien angerufene Rekursgericht erließ die einstweilige Verfügung im Sinne des Hauptbegehrens. Der Irreführungstatbestand des § 2 UWG sei erfüllt. Die behauptete Spitzenstellung werde nach dem maßgebenden Gesamteindruck der Veröffentlichungen nicht auf die Startphase beschränkt, sondern es werde die Eigenschaft als erfolgreichster österreichischer Nachrichtensender isoliert – wenn auch als Ergebnis eines Raketenstarts – angesprochen.
[12] Das Rekursgericht bemaß den Wert des Entscheidungsgegenstands mit 30.000 EUR übersteigend und erklärte den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig.
[13] Dagegen richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs der Beklagten mit dem Antrag, die Sicherungsanträge der Klägerin abzuweisen.
[14] Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs zurück- bzw abzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
[15] Der Revisionsrekurs ist zulässig, aber nicht berechtigt.
[16] 1.1. Die Beklagte rügt zunächst, dass das Rekursgericht den Rekurs der Klägerin nicht mangels Beschwer zurückgewiesen habe, denn das vom Erstgericht zugesprochene zweite Eventualbegehren sei weiter gefasst
– nämlich ohne den einschränkenden Zusatz im geschäftlichen Verkehr – als das vom Rekursgericht zugesprochene Hauptbegehren.
[17] 1.2. Unterstellt man die Richtigkeit der Argumentation der Beklagten, fehlt es ihr selbst an der Beschwer ihres Revisionsrekurses. Wurde nämlich der Beklagten infolge der Stattgabe des Rekurses der Klägerin weniger untersagt als mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss, so hat sich dadurch auch ihre materielle Rechtsposition nicht verschlechtert. Das einzige Interesse der Beklagten an einer Zurückweisung des klägerischen Rekurses könnte dann in der Beseitigung einer ungünstigen Kostenentscheidung des Rekursgerichts gelegen sein; dieses Interesse begründet aber nach ständiger Rechtsprechung keine Beschwer (RIS-Justiz RS0043815 [T2]; RS0041770 [T78, T83, T87]).
[18] 2.1. Das weitere Revisionsrekursvorbringen, die Anspruchsvoraussetzungen der § 7 UWG, § 1330 Abs 2 ABGB lägen nicht vor, ist unerheblich, weil das Rekursgericht seine Entscheidung auf § 2 UWG gegründet hat.
[19] 2.2. Dazu argumentiert der Revisionsrekurs, der Artikel sei im Kern wahr und daher nicht irreführend. Abgesehen davon, dass sich diese Behauptung aus der zitierten Entscheidung 4 Ob 72/95, welche zu einem gänzlich anderen Sachverhalt die Relevanz der Irreführung verneinte, nicht ergibt, entspricht es ständiger Rechtsprechung, dass die Inanspruchnahme einer Spitzenstellung (hier durch die Behauptung, PULS 24 sei erfolgreichster österreichischer Nachrichtensender) voraussetzt, dass das so beworbene Produkt tatsächlich über einen stetigen und erheblichen Vorsprung vor allen Mitbewerbern verfügt (vgl RS0078557 [T5]). Eine solche Behauptung ist nur dann zulässig, wenn das beworbene Medium tatsächlich in allen untersuchten und für den Durchschnittsverbraucher relevanten Kategorien Marktführer ist (4 Ob 245/07v [2.3.1]).
[20] Dies war hier nicht der Fall, weil PULS 24 bei der Zielgruppe 12+ weniger Marktanteil als oe24 TV aufwies. Entgegen dem Revisionsrekurs ist der Artikel bei Beachtung des maßgeblichen Gesamteindrucks damit auch im Kern unwahr, weil die behauptete Spitzenstellung, erfolgreichster Nachrichtensender zu sein, allgemein aufgestellt und nicht auf die Zielgruppe der 12 bis 49-Jährigen beschränkt wurde. Damit verbunden ist die Irreführung darüber, diese Zielgruppe sei die einzig wesentliche für den wirtschaftlichen Erfolg und für die Werbewirksamkeit des Senders (vgl 4 Ob 38/19w, Die neue Nummer 1 in Wien).
[21] 3.1. Letztlich erhebt die Revisionsrekurswerberin den Einwand, dass eine Spitzenstellung nicht nur durch Daten der AGTT/GfK TELETEST nachgewiesen werden könne, sondern auch vergleichbar aussagekräftige Erhebungen anerkannter Institutionen ausreichen müssten. Mit diesem Einwand ist die Beklagte nicht im Recht.
[22] 3.2. Der Senat hat bereits wiederholt Werbung mit Mediadaten oder Spitzenstellungsbehauptungen verboten, wenn diese nicht den Daten der Erhebungen der ÖAK entsprechen. Dabei enthielt das Verbot immer die Formulierung „unter Bezugnahme auf Daten der ÖAK“ oder eine vergleichbare Formulierung (vgl ua 4 Ob 233/10h, Größte Gratis-Tageszeitung; 4 Ob 245/07v, Die neue Nr. 1 der ÖAK; 4 Ob 161/12y).
[23] Das Begehren der Klägerin ist in diesem Sinne zu verstehen. Das Gericht kann dem Spruch eine klare und deutliche, auch vom Begehren abweichende Fassung geben, sofern diese in den Behauptungen des Klägers ihre eindeutige Grundlage findet und sich im Wesentlichen mit seinem Begehren deckt (vgl RS0039357; RS0041254; 4 Ob 225/19t). Das angefochtene Unterlassungsgebot ist daher in Form einer Maßgabebestätigung mit dem Zusatz „unter Berufung auf Daten der ´AGTT/GfK TELETEST´“ zu ergänzen und in dieser Hinsicht im Rahmen des Gewollten zu präzisieren. Dem Revisionsrekurs der Beklagten ist damit der Erfolg zu versagen.
[24] 4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 393 Abs 1 EO, §§ 78, 402 EO iVm §§ 41, 50 ZPO.
Textnummer
E130044European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0040OB00139.20Z.1126.000Im RIS seit
14.12.2020Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021