Entscheidungsdatum
29.06.2020Index
66/01 Allgemeines SozialversicherungsgesetzNorm
ASVG §4 Abs1 Z1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien hat durch den Richter Mag. Zotter nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung über die Beschwerde des Herrn A. B., vertreten durch SteuerberatungsgmbH, gegen das Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien, Magistratisches Bezirksamt für den ... Bezirk, vom 27.05.2019, Zl. MBA/..., wegen Übertretung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes, zu Recht erkannt:
I.
Der Beschwerde wird Folge gegeben, das Straferkenntnis behoben und das Verfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG eingestellt.
II.
Gemäß § 52 Abs. 8 VwGVG hat der Beschwerdeführer keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III.
Gegen diese Entscheidung ist eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
Der Magistrat der Stadt Wien erließ gegen den nunmehrigen Beschwerdeführer ein Straferkenntnis mit folgendem Spruch:
„Datum: 07.11.2018 - 27.01.2019, 09:20 Uhr
Ort: Wien, C.-Straße
Funktion: handelsrechtlicher Geschäftsführer
Firma D. GmbH mit Sitz in Wien,
E.-straße
Sie haben es als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit als gemäß § 9 Abs.1 VStG 1991 zur Vertretung nach außen Berufener der D. GmbH (FN: ...) mit Sitz in E.-straße, Wien, das ist der Ort, von dem aus die erforderlichen Meldungen zu erstatten gewesen wären, zu verantworten, dass es diese Gesellschaft, berechtigt zur Ausübung des Gewerbes ‚Denkmal-, Fassaden- und Gebäudereinigung (Handwerk)‘ im Standort E.-straße, Wien (Gisa-Zl. ...), als Dienstgeberin laut vorliegender Anzeige der Finanzpolizei - Team ..., in derZeit vom 07.11.2018 bis zum 27.01.2019 unterlassen hat, den von ihr im Rahmen der Gewerbeausübung
als Materiallieferant mit einer Entlohnung von € 10,-/Stunde vollzeitbeschäftigten Herrn F. G., geb. am ...1995, bosnischer Staatsbürger,
bei dem es sich um eine in der Krankenversicherung pflichtversicherte Person (Vollversicherten) handelt, vor Arbeitsantritt beim zuständigen Krankenversicherungsträger anzumelden, wobei die Anmeldeverpflichtung so erfüllt hätte werden können, dass die Dienstgeberin in zwei Schritten meldet, und zwar vor Arbeitsantritt die Dienstgeberkontonummern, Namen und Versicherungsnummern, bzw. die Geburtsdaten der beschäftigten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme (Mindestangaben Anmeldung) und die noch fehlenden Angaben innerhalb von sieben Tagen ab Beginn der Pflichtversicherung (vollständige Anmeldung), weil die Dienstgeberkontonummern, die Namen und die Versicherungsnummern, bzw. die Geburtsdaten der oben angeführten Personen sowie Ort und Tag der Beschäftigungsaufnahme vor Arbeitsantritt nicht dem zuständigen Krankenversicherungsträger gemeldet worden waren.
Die Sachverhaltsfeststellung erfolgte anlässlich einer Kontrolle am 27.01.2019 um 09:20 Uhr in Wien, C.-Straße durch Organe der Finanzpolizei FPT ...-Finanzamt Wien ....
Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschrift verletzt: § 111 Abs. 1 Ziff. 1 i.V.m. § 33 Abs. 1 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG
Wegen dieser Verwaltungsübertretung wird über Sie folgende Strafe verhängt:
Geldstrafe von € 910,00 falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafe von1 Tag Gemäß § 111 Abs. 2 ASVG i.d.g.F
Ferner haben Sie gemäß § 64 des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 – VStG zu zahlen: € 91,00 als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens, das sind 10% der Strafe.
Der zu zahlende Gesamtbetrag beträgt daher € 1.001,00
II: Die D. GmbH. haftet für die mit diesem Bescheid über den zur Vertretung nach außen Berufenen, Herr A. B. verhängte Geldstrafe von € 910,00 und die Verfahrenskosten in der Höhe von € 91,00 sowie für sonstige in Geld bemessene Unrechtsfolgen gemäß § 9 Abs. 7 VStG zur ungeteilten Hand.“
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird vorgebracht, F. G. sei kein Dienstnehmer der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft gewesen. Er habe am 1.11.2018 einen Gewerbebetrieb eröffnet und sei ab 8.11.2018 nicht mehr bei der D. GmbH beschäftigt gewesen. Unstrittig sei, dass F. G. am 27.1.2019 mit dem Firmenfahrzeug der D. GmbH Transportleistungen durchgeführt habe. Zu diesem Zeitpunkt habe er den Firmenstandort noch in den Räumlichkeiten der D. GmbH gehabt. Bei der vorgelegten Abrechnung habe es sich um jene des selbständigen Unternehmers F. G. gehandelt, welche auch im Rahmen der Steuererklärungen erfasst worden sei. F. G. agiere als Unternehmer vollkommen selbständig und habe keinerlei Verpflichtungen gegenüber dem Unternehmen des Beschwerdeführers.
Das gegenständliche Strafverfahren wurde aufgrund eines Strafantrages der Finanzpolizei eingeleitet. Danach habe am 27.01.2019 gegen 9:20 Uhr im H. in Wien eine behördliche Kontrolle stattgefunden. Dabei sei der Geschäftsführer der D. GmbH angetroffen worden. Kurz darauf seien weitere vier Personen eingetroffen, unter anderem F. G.. Auf einem in bosnischer Sprache vorgelegten Personenblatt habe dieser angegeben, selbständig für die Firma D. tätig zu sein. Arbeitsanweisungen erhalte er vom Beschwerdeführer, für die Arbeiten erhalte er einen Stundenlohn von 10 Euro. Die Entlohnung erfolge monatlich auf sein Konto. Er sei alleine mit dem Firmenfahrzeug der Firma D. in die Nähe des Kontrollortes gefahren. Es handle sich daher um eine scheinselbständige Arbeitskraft, da auch das Büro im Büro der Firma D. etabliert sei, wobei es sich lediglich um einen Schreibtisch handle. G. habe überdies von 1.10.2018 bis 30.11.2018 bei der Firma D. als Arbeitnehmer gearbeitet und daraufhin habe G. selbständig sein wollen und könne er nunmehr eine vom Beschwerdeführer aufgetragene Arbeit auch ablehnen. Der Beschwerdeführer habe G. grundsätzlich anmelden wollen, jedoch habe G. dann selbständig sein wollen.
Im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren verantwortete sich der Beschwerdeführer wie in der Beschwerde. Er hat dazu einen Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem vorgelegt, wonach F. G. seit 1.11.2018 das Gewerbe Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen angemeldet hat. Für den Zeitraum 2.1.2019 bis 31.01.2019 hat er eine von F. G. an die D. GmbH gelegte Rechnung mit einem Pauschalbetrag von 1.200 Euro vorgelegt.
Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat die belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt und wurde eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Beschwerdeführer als Partei sowie F. G. und I. als Zeugen einvernommen wurden.
Sie machten folgende Angaben:
Beschwerdeführer:
„Ich bin seit 2016 Geschäftsführer der Firma ‚D.‘. Wir sind in der Gebäudereinigung tätig. Zurzeit beschäftigen wir 48 Dienstnehmer. Der Firmensitz ist in der E.-straße. Wir verfügen derzeit über ca. 15 Firmenfahrzeuge.
Herr G. war früher bei mir als Arbeiter beschäftigt. Er hat in dieser Zeit Reinigungsarbeiten durchgeführt. Ab November 2018 wollte er dann selbstständig sein. Ab dieser Zeit hat er dann die Lieferungen gemacht und kleinere Reinigungsarbeiten. Am Tag der Kontrolle war es so, dass ich im H. eine Baustelle besichtigt habe, die wir reinigen sollten. Es war ein Sonntag und war ich bei Beginn der Kontrolle alleine vor Ort. Meine Arbeiter waren noch frühstücken und sollten dann zu arbeiten beginnen. Herr G. war gemeinsam mit diesen Arbeitern im Kaffeehaus. Als die Kontrolle kam, habe ich Herrn G. und die Arbeiter verständigt, damit sie auf die Baustelle kommen.
Herr G. war zu dieser Zeit selbstständig. An diesem Tag sollte er Material zu dieser Baustelle liefern. Dabei handelte es sich um Reinigungsmaterial. In der Früh dieses Tages hab ich ihn angerufen, damit er dieses Material dort hinbringt. Er ist mit unserem Firmenfahrzeug gefahren. Er hat ein eigenes Fahrzeug gehabt, das an diesem Tag allerdings defekt war. Unsere Firmenfahrzeuge sind bei unsere Firma abgestellt. Herr G. ist dann dort hin gefahren und hat das Material geholt und sich das Firmenfahrzeug genommen.
Bei Herrn G. waren seinerzeit über 10 Dienstnehmer beschäftigt. Er hatte sicher mehrere Auftragnehmer. Wir hatten eine mündliche Vereinbarung. Inhalt dieser Vereinbarung war wie folgt: Wenn ich eine Auftrag bekomme etwa ein bestimmtes Haus zu reinigen dann schicke ich Herrn G. hin und er sagt mir wie viel er für diese Reinigung bekommt. Dafür stellt er mir eine Pauschale in Rechnung. Herr G. macht dann mit seinen Leuten die Reinigung. Wenn ich ausreichend Kapazitäten habe führe ich die Reinigung mit eigenen Leuten durch. Ansonsten engagiere ich Herrn G. als Subfirma. Während der Wintermonate hat er weniger für mich gemacht, im Sommer dann wieder mehr. Befragt, ob ich über Rechnungen für diese Aufträge verfüge: Dazu verweise ich auf die im Verfahren vorgelegte Rechnung (Aktenblatt 23). Über Vorhalt, dass daraus nicht ersichtlich ist welche konkreten Aufträge Herr G. abgewickelt hat: Es gibt auch detaillierte Rechnungen. Für Dezember 2018 oder Februar 2019 gibt es Rechnungen die genauso aussehen, wie die Vorliegende. Es gibt dann dazu detaillierte Auftragsschreiben. Wie viele Stunden Herr G. etwa im Jänner 2019 für mich tätig war, kann ich jetzt nicht sagen, das ergibt sich aus den konkreten Auftragsbestätigungen. Im Jänner dürfte der Arbeitsumfang ca. 7 Tage betragen haben. Herr G. hat ein eigenes Büro. Damals befand sich dieses Büro an meinem Firmensitz. Er hatte dort einen Schreibtisch angemietet. Darüber gibt es einen schriftlichen Mietvertrag. Ab März oder April 2019 hatte er einen eigenen Bürostandort im ... Bezirk. Normalerweise erledigte er die Aufträge mit seinem eigenen Fahrzeug, ausgenommen am Tag der Kontrolle. Die von mir erteilten Aufträge erfüllt er mit seinen eigenen Leuten. Im November 2018 hat er damit begonnen und hatte er ab Mitte November eigenes Personal. Herr G. hat für mich Materiallieferungen zu den Einsatzorten durchgeführt. Er hat aber auch Reinigungsarbeiten durchgeführt und zwar an anderen Orten. Das hat er dann mit eigenen Betriebsmitteln durchgeführt.
Am Kontrolltag hat Herr G. für mich die Lieferung von Reinigungswerkzeugen zum H. übernommen. Gereinigt haben dort meine eigenen Leute. Am Telefon habe ich ihm gesagt, dass er sich den Fahrzeugschlüssel im Büro nehmen soll und das Material, das im Keller war, ins H. liefern soll. Herr G. hat ab Beginn seiner Selbstständigkeit in meinem Räumlichkeiten über einen Schreibtisch verfügt. Das war auch zum Zeitpunkt der ggst. Kontrolle noch so. Wenn bei einer Reinigung durch ihn ein Schaden entsteht, dann haftet er selbst. Die drei weiteren bei der Kontrolle anwesenden Arbeiter waren meine Angestellten. Diese haben nicht gemeinsam mit Herrn G. für mich gearbeitet. Herr G. hat nur wie gesagt die Lieferung durchgeführt. Ich hab ihn zur Kontrolle gerufen, da ich nichts zu verbergen habe. Abgerechnet wird immer pauschal, wie man das aus der vorgelegten Rechnung sieht. Dem liegen einzelne Aufträge zu Grunde. Wie Herr G. dazu kam bei der Kontrolle anzugeben 10 Euro pro Stunde bezahlt zu bekommen: Das entspricht nicht der Realität. Vielleicht hat er gemeint, was er früher von der Firma ‚D.‘ bekommen hat. Vielleicht war es ein Missverständnis.“
F. G.:
„Ich bin seit März 2015 in Österreich. Ich war bevor ich mein Einzelunternehmen gegründet habe bei der Firma „D.“ beschäftigt. Ich war dort als Arbeiter tätig. Ich habe dort Reinigungstätigkeiten gemacht. Nach Gründung meines Einzelunternehmens habe ich für das Unternehmen des Bf Reinigungstätigkeiten aufgrund von Aufträgen durchgeführt. Der Unterscheid zu vorher war, dass ich selbständig war, dass ich auch für andere Firmen arbeiten konnte und dass ich mehr Geld verdienen konnte. Als Arbeiter habe ich bei der Firma ‚D.‘ ca. 1.260 Euro im Monat verdient. Ab meiner Selbstständigkeit habe ich für mehrere Firmen gearbeitet und habe ich derzeit Aufträge von 3 bis 4 Unternehmen. Mein Unternehmen habe ich ab 01.11.2018 gegründet. Ab Jänner 2019 habe ich ein eigenes Firmenfahrzeug. Derzeit habe ich 10 bis 15 Angestellte. Ab Mitte November 2018 habe ich eigenes Personal, das waren zu Beginn 8 bis 20 Leute und Ende 2018 12 Personen. Ich habe ein eigenes Büro, das war im November 2018 in der E.-straße und bin ich jetzt in der J.-gasse. Dort bin ich seit Mai 2019. Mit dem Bf habe ich einen mündlichen Vertrag. Zum Inhalt diese Vertrages: Wenn ich einen Auftrag vom Bf erhalte so kalkuliere ich diesen mit meinem eigenen Personal und mit meinem eigenen Fahrzeug und dann überlege ich, ob ich den Auftrag übernehmen kann. Zu Beginn habe ich mehrere Aufträge von der Firma des Bf bekommen, da ich nebenbei nur die Auftraggeber K. und L. hatte. Jetzt habe ich schon mehrere Auftraggeber und daher nicht mehr so viele Aufträge vom Bf. Abgerechnet wird pauschal. Diese Summe ermittle ich nach meinem Aufwand für Personal und Material. Durchschnittlich komme ich dabei auf einen Stundensatz von 17,00 bis 20,00 Euro. Über Vorhalt der Rechnung Aktenblatt 23 und befragt wie viele Aufträge dieser zu Grunde liegen: Es handelte sich um Hausreinigungen und Materiallieferungen. Wie oft ich diese Arbeiten durchgeführt habe kann ich daraus jetzt nicht ersehen. Es gibt auch schriftliche Unterlagen aus denen der Umfang der einzelnen Aufträge hervorgeht.
Am Tag der Kontrolle war mein Fahrzeug kaputt. Am Tag der Kontrolle habe ich eine Materiallieferung für den Bf gemacht. Diesbezüglich hat er mich angerufen und da mein eigenes Fahrzeug kaputt war hat er mir sein Firmenfahrzeug zur Verfügung gestellt. Über diesen Auftrag gibt es keine gesonderte Rechnung. Dies ist in der Rechnung vom 31.01.2019 enthalten. Ich schreibe die Rechnungen immer Ende des Monats. Das mache ich bei allen Auftraggebern so.
Wenn ich im Personenblatt angegeben habe 10 Euro pro Stunde von der Firma ‚D.‘ zu bekommen, so habe ich gemeint, dass ich diesen Lohn bekommen habe, als ich dort noch angestellt war. Ich habe damals die auf Deutsch gestellten Fragen nicht vollständig verstanden. Über Hinweis, dass auf dem Personenblatt alle Fragen auf Bosnisch aufscheinen: Die Fragen war für mich trotzdem nicht völlig klar.
Zwei Fragen auf dem Personenblatt waren mir nicht ganz klar und habe ich die Dame vom FA gefragt. Dabei handelt es sich um die Frage nach der Entlohnung und die Frage nach der Selbstständigkeit. Ich dachte man meint was ich bei der Firma ‚D.‘ verdient habe, als ich dort angestellt war.“
M. I.:
„Ich arbeite seit 2018 für die Firma D.. Ich bin dort als Reinigungskraft tätig. Herr G. ist mir persönlich bekannt. Er war früher mein Kollege. Ich habe mit ihm ein bis zwei Jahre zusammen gearbeitet. Ich habe mit ihm bei der Firma N. zusammen gearbeitet, nicht jedoch bei der Firma D.. Wie viele Arbeiter bei der Firma D. insgesamt tätig waren, als ich dort begonnen habe, weiß ich nicht. Wir haben immer zu viert oder zu fünft gemeinsam gearbeitet. Ich habe mit ihnen zusammen gearbeitet bei der Fensterreinigung und auch im H.. Im H. mussten wir die Fenster reinigen und die Fassade. Die Arbeiten dort dauerten zwei bis drei Tage. Im H. waren wir öfter. Am 27.01.2019 habe ich auch dort gearbeitet. Ich habe dort in der Früh angefangen. Das war der erste Tag, an dem ich im H. gearbeitet habe. Wir haben dort gearbeitet, weil an einem Sonntag dort wenige Leute sind. Ich habe dort mit O. und P. gearbeitet. An diesem 27.01 habe ich mit O. in einem anderen Teil des H. gearbeitet und hat mich der Chef angerufen, dass eine Kontrolle ist. Dann bin ich dort zu der Kontrolle hingegangen. F. G. war auch dort. Arbeiten habe ich ihn an diesem Tag dort nicht gesehen. Was er bei der Kontrolle gemacht hat, weiß ich nicht, er hat die Papiere ausgefüllt. Nach der Kontrolle habe ich F. G. nicht gesehen. Ich habe um 6 oder 7 Uhr mit der Arbeit begonnen. An diesem Tag habe ich dort Fenster gereinigt und am Dach den Kanal gesaugt. Das dafür erforderliche Gerät hat O. mit seinem Auto mitgebracht. O. ist mit dem Firmenauto gekommen. Auch die Geräte für das Fensterputzen hat O. mitgebracht. Dass Herr G. zumindest im Jahr 2018 auch für die Firma D. gearbeitet hat weiß ich nicht. Ich komme nicht in das Büro der Firma sondern bekomme ich die Mitteilung, wo ich reinigen soll und gehe ich dann direkt dort hin. Herrn G. habe ich bei der Firma D. nie gesehen. Bei der Firma N. habe ich mit ihm im Jahr 2017 gearbeitet. Im Sommer 2018 habe ich dann zur Firma D. gewechselt. Dass Herr G. am 01.10.2018 auch zur Firma D. gewechselt hat wusste ich nicht.
Wenn in der letzten VH ausgesagt wurde, dass ich vor der Arbeit an diesem 27.01.2019 gemeinsam mit meinem Kollegen und Herrn G. in einem Kaffeehaus war so stimmt das nicht. Ich bin von zuhause direkt in die Arbeit gefahren. Ich fuhr an diesem 27.01 mit der U-Bahn zur Arbeit. O. war mit dem Firmenauto schon dort. Ob jemand mit ihm gefahren ist weiß ich nicht.
Ich war wie gesagt nicht im Kaffeehaus. Ich bin ein wenig zu spät gekommen und haben wir dann gemeinsam gearbeitet. Ob die anderen vorher im Kaffeehaus waren weiß ich nicht. Als ich angerufen wurde wegen der Kontrolle war O. auch bei mir. Zuerst habe ich die Fenster geputzt, da habe ich den Industriestaubsauger nicht gebraucht. Der Staubsauger wurde erst gegen 9 Uhr gebracht. Von wem er gebracht wurde weiß ich nicht. Ich habe die Fenster geputzt und O. hat ihn geholt. Er hat mir nicht gesagt wer ihn gebracht hat.“
In der mündlichen Verhandlung wurde ein Auszug aus der Sozialversicherungsdatei vorgelegt, wonach von F. G. als Dienstgeber zum Zeitpunkt der gegenständlichen Kontrolle acht Beschäftigte bei der Sozialversicherung gemeldet waren. Der Beschwerdeführer hat darüber hinaus Auftragsschreiben vorgelegt, wonach von F. G. im Jänner 2019 im Auftrag der D. GesmbH eine Materiallieferung in das H. erfolgt sei (Auftragssumme 50 Euro).
Aufgrund der aufgenommenen Beweise hat das Verwaltungsgericht Wien erwogen:
Gemäß § 4 Abs. 1 Z 1 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG) sind die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den §§ 5 und 6 von der Versicherung ausgenommen ist, noch nach § 7 nur eine Teilversicherung begründet.
Nach § 4 Abs. 2 ASVG ist Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; dazu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen.
Ob bei der Beschäftigung die Merkmale persönlicher Abhängigkeit des Beschäftigten vom Empfänger der Arbeitsleistung gegenüber jenen persönlicher Unabhängigkeit überwiegen und somit persönliche Abhängigkeit im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG gegeben ist, hängt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 10. Dezember 1986, Slg. Nr. 12.325/A) davon ab, ob nach dem Gesamtbild dieser konkret zu beurteilenden Beschäftigung die Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch diese und während dieser Beschäftigung weitgehend ausgeschaltet oder - wie bei anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung - nur beschränkt ist. Die wirtschaftliche Abhängigkeit, die nach der Rechtsprechung ihren sinnfälligen Ausdruck im Fehlen der im eigenen Namen auszuübenden Verfügungsmacht über die nach dem Einzelfall wesentlichen organisatorischen Einrichtungen und Betriebsmittel findet, ist bei entgeltlichen Arbeitsverhältnissen die zwangsläufige Folge persönlicher Abhängigkeit.
Für das Vorliegen der persönlichen Abhängigkeit sind - im Ergebnis in Übereinstimmung mit dem arbeitsrechtlichen Verständnis dieses Begriffes - als Ausdruck der weitgehenden Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch seine Beschäftigung nur seine Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit, das arbeitsbezogene Verhalten sowie die sich darauf beziehenden Weisungs- und Kontrollbefugnisse und die damit eng verbundene (grundsätzlich) persönliche Arbeitspflicht unterscheidungskräftige Kriterien zur Abgrenzung von anderen Formen der Gestaltung einer Beschäftigung, während das Fehlen anderer (im Regelfall freilich auch vorliegender) Umstände (wie z. B. einer längeren Dauer des Beschäftigungsverhältnisses oder eines das Arbeitsverfahren betreffenden Weisungsrechtes des Empfängers der Arbeitsleistung) dann, wenn die unterscheidungskräftigen Kriterien kumulativ vorliegen, persönliche Abhängigkeit nicht ausschließt. Erlaubt allerdings im Einzelfall die konkrete Gestaltung der organisatorischen Gebundenheit des Beschäftigten in Bezug auf Arbeitsort, Arbeitszeit und arbeitsbezogenes Verhalten keine abschließende Beurteilung des Überwiegens der Merkmale persönlicher Abhängigkeit, so können im Rahmen der vorzunehmenden Beurteilung des Gesamtbildes der Beschäftigung auch diese an sich nicht unterscheidungskräftigen Kriterien von maßgeblicher Bedeutung sein (vgl. unter vielen das hg. Erkenntnis vom 27. April 2011, Zl. 2009/08/0123).
Es ist keineswegs ausgeschlossen, dass ein Dienstverhältnis vorliegt, wenn der Dienstnehmer zusätzlich über einen Gewerbeschein verfügt. Ebenso steht die Gewährung eines leistungsbezogenen Entgeltes einem Dienstverhältnis nicht entgegen. Die für die persönliche Abhängigkeit charakteristische weitgehende Ausschaltung der Bestimmungsfreiheit des Beschäftigten durch die Tätigkeit kann unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles auch dann vorliegen, wenn der Beschäftigte aufgrund einer Vereinbarung oder der Betriebsübung oder der Art seiner Beschäftigung Beginn und Dauer der täglichen Arbeitszeit weithin selbst bestimmen kann. Hat aber die allfällige Ungebundenheit des Beschäftigten hinsichtlich Arbeitsablauf und Arbeitszeit ihre Grenze in der unterschiedlichen Dringlichkeit der zu besorgenden Angelegenheiten und den betrieblichen Erfordernissen, sodass die Arbeitserbringung letztlich doch im Kern an den Bedürfnissen des Dienstgebers orientiert sein muss, so spricht dies für ein Verhältnis persönlicher Abhängigkeit (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Dezember 2011, Zl. 2010/08/0129, mwN).
Wird jemand bei der Erbringung von Dienstleistungen unter solchen Umständen arbeitend angetroffen, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten (wie dies bei Hilfsarbeiten auf einer Baustelle der Fall ist), dann ist die Behörde berechtigt, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinn auszugehen, sofern im Verfahren nicht jene atypischen Umstände dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegenstehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. Jänner 2013, Zl. 2011/08/0199, mwN).
Im Beschwerdefall ist strittig, ob - wie von der belangten Behörde angenommen - F. G. von der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft im Sinne des ASVG als pflichtversicherte Person beschäftigt wurde. Es war daher zu prüfen, ob F. G. in einem Verhältnis persönlich und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt tätig wurde.
Ausgangspunkt des gegenständlichen Verfahrens war die am 27.01.2019 durchgeführte behördliche Kontrolle. Nach den bei der Kontrolle sich dargebotenen Gegebenheiten bestand Grund zur Annahme, dass F. G. als Dienstnehmer der D. GmbH tätig war. Der Genannte wurde zwar nicht arbeitend angetroffen, aufgrund seiner im Personenblatt gemachten Angaben war jedoch die Vermutung der Kontrollbeamten, dass es sich hier um eine Scheinselbständigkeit handelt, nicht von der Hand zu weisen. Auch die im verwaltungsbehördlichen Strafverfahren in der Folge vorgelegten Beweismittel, insbesondere die für den Zeitraum Jänner 2019 vorgelegte Rechnung ließen noch nicht erkennen, dass eine Dienstnehmereigenschaft von F. G. ausscheidet. Erst im verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat sich herausgestellt, dass F. G. seit November 2018 und damit auch zum Zeitpunkt der behördlichen Kontrolle tatsächlich unternehmerisch tätig war. Dies folgt aus dem Auszug aus dem Gewerberegister, wonach F. G. am 1.11.2018 das Gewerbe Schneeräumung, Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen angemeldet hat, in Zusammenhalt mit der Dienstnehmerauskunft der Sozialversicherung, wonach er seit November 2018 als Dienstgeber mehrere und konkret im Jänner 2019 neun Dienstnehmer zur Pflichtversicherung gemeldet hatte. Damit kann nicht mehr ausgeschlossen werden, dass F. G. zum Zeitpunkt 27.01.2019 für die vom Beschwerdeführer vertretene Gesellschaft im Rahmen seines Gewerbebetriebes selbständig tätig wurde. In dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren vorgelegten Auftragsschreiben ist für Jänner 2019 eine Materiallieferung für das H. mit einer Auftragssumme von 50 Euro enthalten.
Ein Nachweis für die Annahme, dass F. G. seit November 2018 seine Leistungen für die D. GmbH in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit, also in Bindung an Ordnungsvorschriften über den Arbeitsort, die Arbeitszeit und das arbeitsbezogene Verhalten erbracht hat und diesbezüglichen Weisungs- und Kontrollbefugnissen unterworfen war, liegt nicht vor. Die vorgelegten Auftragsschreiben beinhalten Reinigungs- und Transportleistungen, die nach den nicht zu widerlegenden Angaben von F. G. im Auftrag der D. GmbH von ihm und seinen Mitarbeitern erbracht wurden. Mangels dem entgegen stehender Beweise ist nicht auszuschließen, dass diesen Dienstleistungen Werkverträge zugrunde lagen, hatte doch F. G. im fraglichen Zeitraum Dienstnehmer beschäftigt, was auf eine diesbezüglich selbständige Tätigkeit hinweist.
Was die Tätigkeit am Kontrolltag anlangt, ist erwiesen, dass F. G. im Auftrag der D. GmbH Arbeitsmaterial (einen Industriestaubsauger) ins H. geliefert hat. Dass er darüber hinaus auch Reinigungsarbeiten verrichtet hat, ist weder bei der Kontrolle wahrgenommen noch durch eine sonstige Aussage bestätigt worden. Für die Annahme eines diesbezüglich versicherungspflichtigen Dienstverhältnisses, also eine Erbringung dieser Transportleistung gegenüber der vom Beschwerdeführer vertretenen Gesellschaft in persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit spricht zwar, dass F. G. den Transportauftrag mit dem Firmenfahrzeug der D. GesmbH durchgeführt und im Personenblatt angegeben hat, einen Stundenlohn von 10 Euro zu erhalten. Dem steht jedoch entgegen, dass ein Transportauftrag auch auf Basis einer selbständigen Tätigkeit erfüllt werden kann und F. G. im fraglichen Zeitraum Inhaber einer Gewerbeberechtigung und – wie dargelegt – auch tatsächlich unternehmerisch tätig war. Die Elemente persönlicher Abhängigkeit als Voraussetzung für die Dienstnehmereigenschaft sind auch in Bezug auf den gegenständlichen Transportauftrag nicht nachgewiesen. Eine Bindung an eine vom Auftraggeber vorgegebenen Arbeitszeit ist nicht hervorgekommen, da G. lediglich einen Transportauftrag durchgeführt hat, der zu einem bestimmten Zeitpunkt zu erfüllen war. F. G. ist auch nicht bei der Erbringung von Dienstleistungen unter solchen Umständen arbeitend angetroffen worden, die aus der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeuten und in welchen Fällen die Behörde berechtigt ist, von einem Dienstverhältnis im üblichen Sinne auszugehen, sofern im Verfahren nicht in atypischen Umständen dargelegt werden können, die einer solchen Deutung ohne nähere Untersuchung entgegen stehen (F. G. ist vielmehr überhaupt nicht arbeitend angetroffen, sondern telefonisch von der Kontrolle verständigt worden und freiwillig am Kontrollort erschienen). Die Erfüllung eines Transportauftrages kann auch nicht als Erbringung einer Dienstleistung angesehen werden, die nach der Lebenserfahrung üblicherweise auf ein Dienstverhältnis hindeutet, wie dies bei Hilfsarbeiten auf einer Baustelle der Fall ist.
Wie es zur Verwendung des Firmenfahrzeuges der Auftraggeberin und zur Angabe eines Stundenlohnes im Personenblatt gekommen ist, haben der Beschwerdeführer und der Zeuge G. im verwaltungsgerichtlichen Verfahren dargelegt. Mögen diese Erklärungen auch nicht gänzlich überzeugen, sind diese beiden Elemente im Hinblick auf das bisher Gesagte nicht ausschlaggebend, um von der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes auszugehen, hat doch im Verwaltungsstrafverfahren die Behörde einen Beschuldigten die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes nachzuweisen. Haben die für und gegen den Beschuldigten sprechenden Umstände zumindest gleiches Gewicht, ist im Zweifel zu Gunsten des Beschuldigten zu entscheiden und gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein Strafverfahren einzustellen, wenn die Verwaltungsübertretung nicht erwiesen werden kann. Nach dem Gesagten ist im Beschwerdefall davon auszugehen, dass die für und gegen den Beschuldigten Umstände in etwa gleiches Gewicht haben. Der Beschwerde war daher spruchgemäß Folge zu geben, das Straferkenntnis zu beheben und das Verfahren nach § 45 Abs. 1 Z 1 VStG einzustellen.
Die ordentliche Revision gegen diese Entscheidung ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Pflichtversicherung; Anmeldeverpflichtung; versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis; persönliche Abhängigkeit; wirtschaftliche AbhängigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2020:VGW.041.028.8077.2019Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020