Entscheidungsdatum
28.10.2020Norm
AVG 1991 §57Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch den Richter
Hofrat Mag. Wallner über die Beschwerde von A, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Tulln vom 30.06.2020, ***, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung gegen einen Führerscheinentzugs-Mandatsbescheid nach dem Führerscheingesetz (FSG) zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Absatz 1 und Absatz 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
2. Eine Revision nach Artikel 133 Absatz 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) ist gegen dieses Erkenntnis nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
Die Bezirkshauptmannschaft Tulln entzog mit Mandatsbescheid vom 28.05.2020, ***, dem Beschwerdeführer gemäß § 57 Abs. 1 AVG iVm § 24 Abs. 1 und 3 sowie § 26 Abs. 2 FSG die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen AM, A1, A2, A, B, C1, C, B+E und F bis einschließlich 26.01.2021. Begründend führte die Behörde unter anderem aus, dass der Beschwerdeführer am 26.05.2020 um 19.40 Uhr im Ortsgebiet von *** ein Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit einem Atemluftalkoholwert von 0,78 mg/l (= 1,56 Promille) gelenkt hätte und bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 18.03.2016 ihm die Lenkberechtigung auf die Dauer von 4 Monaten entzogen worden wäre, dies ebenfalls wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (1,5 Promille Blutalkoholgehalt).
Der Mandatsbescheid wurde am 29.05.2020 durch Zurücklassen an der Abgabestelle zugestellt.
Der Beschwerdeführer begehrte dann mit Schreiben vom 23.06.2020, den Entzug auf 4 Monate herabzusetzen. Er argumentierte mit wirtschaftlichen Gründen. Weiters brachte er vor, eine grobe Verfehlung begangen zu haben, aber jährlich 50.000 km unfallfrei und übertretungsfrei im Jahr unterwegs zu sein.
Daraufhin wies die belangte Behörde dieses als Vorstellung gegen den Mandatsbescheid vom 28.05.2020 gewertete Schreiben vom 23.06.2020 mit Bescheid vom 30.06.2020, ***, als verspätet zurück.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer fristgerecht mit E-Mail vom 23.07.2020 „Einspruch“. Dem Einspruch war ein Schreiben vom selben Datum (23.07.2020) angeschlossen, in dem der Beschwerdeführer ausführte, den Bescheid vom 30.06.2020 deswegen zu beeinspruchen, da der Bescheid vom 28.05.2020 ihm nicht am 29.05.2020 zugestellt worden wäre. Er hätte sich bis einschließlich 01.06.2020 im Urlaub befunden und hätten daher weder er noch seine Frau das Schriftstück vom 29.05.2020 übernehmen können. Den Bescheid hätte er erstmals am Montag, den 01.06.2020, gesehen und gelesen, weshalb der Einspruch fristgerecht eingebracht worden wäre. Abschließend begehrte er eine Kopie der Übernahmebestätigung.
Folgender Sachverhalt wird anhand der klaren Aktenlage als erwiesen festgestellt:
Der Mandatsbescheid vom 28.05.2020 ist dem Beschwerdeführer jedenfalls am 01.06.2020 zugegangen. Das Schreiben des Beschwerdeführers vom 23.06.2020, mit dem er um Herabsetzung der Entzugszeit ersucht hat, ist bei der belangten Behörde am 23.06.2020 per E-Mail eingelangt.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich hat erwogen:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
Nach § 28 Abs. 2 leg. cit. hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht
selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
Die für gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 (AVG) lauten auszugsweise wie folgt:
(1) Wenn es sich um die Vorschreibung von Geldleistungen nach einem gesetzlich, statutarisch oder tarifmäßig feststehenden Maßstab oder bei Gefahr im Verzug um unaufschiebbare Maßnahmen handelt, ist die Behörde berechtigt, einen Bescheid auch ohne vorausgegangenes Ermittlungsverfahren zu erlassen.
(2) Gegen einen nach Abs. 1 erlassenen Bescheid kann bei der Behörde, die den Bescheid erlassen hat, binnen zwei Wochen Vorstellung erhoben werden. Die Vorstellung hat nur dann aufschiebende Wirkung, wenn sie gegen die Vorschreibung einer Geldleistung gerichtet ist.
(3) …“
Weiters sind die für gegenständlichen Fall relevanten Bestimmungen des Zustellgesetzes wie folgt auszugsweise angeführt:
Unterlaufen im Verfahren der Zustellung Mängel, so gilt die Zustellung als in dem Zeitpunkt dennoch bewirkt, in dem das Dokument dem Empfänger tatsächlich zugekommen ist.
...
Zustellrechtliche Begleitmaßnahmen zu COVID-19Zur Verhinderung der Verbreitung von COVID-19 gelten für die Zustellung mit Zustellnachweis der von Gerichten bzw. von Verwaltungsbehörden zu übermittelnden Dokumente sowie die durch die Gerichte bzw. die Verwaltungsbehörden vorzunehmende Zustellung von Dokumenten ausländischer Behörden (§ 1) folgende Erleichterungen:
1.
Das Dokument wird dem Empfänger zugestellt, indem es in die für die Abgabestelle bestimmte Abgabeeinrichtung (§ 17 Abs. 2) eingelegt oder an der Abgabestelle zurückgelassen wird; die Zustellung gilt in diesem Zeitpunkt als bewirkt. Soweit dies ohne Gefährdung der Gesundheit des Zustellers möglich ist, ist der Empfänger durch schriftliche, mündliche oder telefonische Mitteilung an ihn selbst oder an Personen, von denen angenommen werden kann, dass sie mit dem Empfänger in Verbindung treten können, von der Zustellung zu verständigen. Die Zustellung wird nicht bewirkt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung mit dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag wirksam.
2. ...
3. ...“
Vom Beschwerdeführer wird in der Beschwerde vom 23.07.2020 ausgeführt, den Bescheid vom 28.05.2020 am 01.06.2020 gelesen zu haben. Es ist daher unabhängig von der nach der Aktenlage erfolgten Zustellung dieses Bescheides am 29.05.2020 durch Zurücklassen an der Abgabestelle davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls am 01.06.2020 den Mandatsbescheid erhalten hat, und zwar durch tatsächliches Zukommen iSd § 7 ZustellG. Wenn man nun von der für ihn günstigeren Zustellung des Bescheides vom 28.05.2020 erst am 01.06.2020 ausgeht, dann ergibt sich, dass die Frist für die Erhebung einer Vorstellung mit Ablauf des 15.06.2020 verstrichen ist. Das Schreiben vom 23.06.2020, welches von der belangten Behörde als Vorstellung gewertet wurde, dies aufgrund des Begehrens auf Reduzierung der Entzugszeit, langte am 23.06.2020 per Mail bei der Behörde ein und ist damit nach Ablauf der Vorstellungsfrist eingebracht worden. Die Zurückweisung mit dem angefochtenen Bescheid vom 30.06.2020 erfolgte daher zu Recht.
Keine andere Beurteilung ergibt sich, wenn man von einer wirksamen Zustellung des Bescheides vom 28.05.2020 am 29.05.2020 ausgeht, indem der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes folgend eine Verkürzung der Rechtsmittelfrist von ein paar Tagen (hier 3 Tage) aufgrund Ortsabwesenheit unbeachtlich ist. In diesem Fall wäre die Vorstellungsfrist bereits mit Ablauf des 12.06.2020 verstrichen.
Zu erstem Fall der Zustellung des Bescheides vom 28.05.2020 (mit 29.05.2020) kann ergänzend als dritte Variante einer erfolgten Zustellung noch ausgeführt werden, dass im Falle einer Hinterlegung oder Zurücklassung bei Ortsabwesenheit des Empfängers von der Abgabestelle die Zustellung des Schriftstückes an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag, wenn dieser innerhalb der Abholfrist liegt, wirksam wird, an dem das Dokument behoben werden könnte. Schenkt man den Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich eines Urlaubs bis 01.06.2020 Glauben, dann wäre am 02.06.2020 die Zustellung wirksam geworden. Damit ist aber auch nichts zu gewinnen, da in diesem Fall die Vorstellungsfrist mit Ablauf des 16.06.2020 verstrichen wäre.
Abschließend wird angemerkt, dass die Anführung des Wortes „Wiedereinsetzungsantrag“ im E-Mail vom 23.07.2020, mit dem die Beschwerde bei der Behörde eingebracht wurde, nichts an der Beurteilung des Schriftstückes vom 23.07.2020 als Beschwerde ändert, da der Beschwerdeführer in diesem Schreiben ausdrücklich gegen den Bescheid vom 30.06.2020 vorbringt. Es handelt sich lediglich um eine Fehlbezeichnung und gilt der Grundsatz „Falsa demonstratio non nocet“, das heißt, dass eine Falschbezeichnung nicht schadet. Gleiches gilt für die Wortwahl „Ich möchte … beeinspruchen“. Nach dem Inhalt des Schreibens vom 23.07.2020 wendet sich der Beschwerdeführer eindeutig gegen den Bescheid der belangten Behörde vom 30.06.2020 in der Form, dass er dessen Aufhebung begehrt, da er der Ansicht ist, dass die Vorstellung vom 23.06.2020 rechtzeitig eingebracht wurde.
Das als Beschwerde zu wertende Schreiben vom 23.07.2020 erweist sich aus obigen Darlegungen als unbegründet.
Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 erster Fall VwGVG entfallen, da die Vorstellung vom 23.06.2020 zurückzuweisen war. Ein Antrag auf Durchführung einer Verhandlung wurde von keiner Partei gestellt.
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seiner Entscheidung auszusprechen, ob eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Eine Revision nach Artikel 133 Abs 4 B-VG ist nicht zulässig, da in gegenständlicher Angelegenheit keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen war. Die Entscheidung weicht weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche oder liegt eine nicht einheitliche Rechtsprechung vor.
Schlagworte
Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Lenkberechtigung; Entziehung; Verfahrensrecht; Mandatsbescheid; Vorstellung; Verspätung; Zurückweisung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.850.001.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020