TE Bvwg Beschluss 2020/7/24 W282 2231625-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 24.07.2020
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Entscheidungsdatum

24.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18 Abs2 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs1

Spruch

W282 2231625-1/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Florian KLICKA, BA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit: Serbien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A)       

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Feststellungen:

1. Die Beschwerdeführerin (BF) trägt die im Spruch angegebene Identität und ist serbische Staatsbürgerin. Sie stellte bei der Magistratsabteilung 35 (MA 35) der Stadt Wien einen Antrag auf einen Aufenthaltstitel „Familienangehöriger“, welcher am XXXX .2019 abgewiesen wurde. Die MA 35 informierte unter einem das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt oder belangte Behörde) von dieser Entscheidung.

2. Am 30.01.2020 wurde der BF vom Bundesamt schriftliches Parteiengehör eingeräumt. Der Rechtsvertreter (RV) der BF gab als Rechtsanwalt mit E-Mail vom 06.02.2020 ggü. dem Bundesamt sein Einschreiten unter Berufung auf die ihm von der BF erteilten Vollmacht bekannt. Gleichzeitig beantragte er Akteneinsicht und eine Erstreckung der Frist für die Einbringung einer Stellungnahme. Das E-Mail mit dem dieser Schriftsatz übermittelt wurde, erging an die E-Mailadresse „BFA-RD-W-Einlaufstelle@bmi.gv.at“. Dies entspricht jener
E-Mailadresse, die die belangte Behörde unter „https://www.bfa.gv.at/kontakt/start.aspx“ für elektronische Einbringungen öffentlich angibt. In dem dort zum Download bereit gehaltenen Dokument als Kundmachung nach § 13 Abs. 2 und 5 AVG lautet es wie folgt:

„In der Direktion (Zentrale) findet kein Parteienverkehr statt. Telefonisch, postalisch und elektronisch ist die Direktion während der Amtsstunden zu erreichen.

Bitte wenden Sie sich in Angelegenheiten, die ein konkretes Verfahren betreffen, an die jeweilige verfahrensführende Erstaufnahmestelle, Regionaldirektion oder Außenstelle, die dieses führt. Ist diese nicht bekannt, wenden Sie sich bitte an die nächstgelegene Regionaldirektion oder Außenstelle.

Hinweis:

Elektronische Sendungen (E-Mail, Fax) gelten auch dann als rechtzeitig eingebracht, wenn sie zwar außerhalb der Amtsstunden, aber noch am Tag des Fristablaufes beim Bundesamt einlangen (Fristwahrung für die Partei). Die Entscheidungsfristen der Behörde beginnen mit dem Wiederbeginn der Amtsstunden zu laufen (Fristauslösung für die Behörde).

Die Kontaktadressen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (Post, Fax, E-Mail, Telefon) sind auf der Website des Bundesamtes (https://www.bfa.gv.at) bekanntgemacht. Es gelten die technischen Voraussetzungen für den E-Mail-Verkehr mit dem Bundesministerium für Inneres sinngemäß.“

Es konnte nicht festgestellt werden, dass das E-Mail des RV der BF der belangten Behörde nicht zugegangen ist.

3. Mit (angefochtenem) Bescheid vom XXXX 2020 , Zl.: XXXX , hat das Bundesamt der BF einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt IV.), einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt V.) und gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG gegen sie ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

4. Der angefochtene Bescheid wurde an die BF persönlich adressiert und ihr an ihre Wohnadresse zu eigenen Handen zugestellt. In Folge hat die BF ihrem RV eine Kopie des angefochtenen Bescheids ausgehändigt.

5. Der RV der BF erhob gegen den angefochtenen Bescheid fristgerecht Beschwerde und bringt darin vor, dass die Beschwerde wohl zurückzuweisen sein wird, da der angefochtene Bescheid nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, da dieser direkt an die BF übermittelt wurde, obwohl durch sein bereits am 06.02.2020 mitgeteiltes Einschreiten der Bescheid ihm hätte zugestellt werden müssen. Ihm liege der Bescheid nur in Kopie vor, es sei somit auch keine Heilung des Zustellmangels eingetreten.

6. Am 05.06.2020 hat die belangte Behörde die gegen den angefochtenen Bescheid erhobene Beschwerde und die Bezug habenden Akten dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom 25.06.2020 wurde das ggst. Verfahren der Gerichtsabteilung G313 abgenommen und der Gerichtsabteilung W282 neu zugewiesen.

7. Über Aufforderung des Bundesverwaltungsgerichts legte der RV der BF am 17.07.2020 das entsprechende E-Mail, mit dem er am 06.02.2020 das Bundesamt über sein Einschreiten und die ihm erteilte Vollmacht informiert hat, vor. Dieses wurde dem Bundesamt am selben Tag zur Stellungnahme binnen 7 Tagen übermittelt. Am 24.07.2020 langte eine Stellungnahme des Bundesamtes ein, in der angegeben wird, dass die Vertretung der BF nicht berücksichtigt wurde, weil das E-Mail des RV vom 06.02.2020 dem verfahrensführenden Referenten nicht bekannt war.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich zweifel- und widerspruchsfrei aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichts sowie dem Verwaltungsakt des Bundesamtes. Festzuhalten ist, dass im Verwaltungsakt des Bundesamtes das E-Mail des RV mit der Vollmachtsbekanntgabe vom 06.02.2020 (OZ 4) nicht einliegt, welches auf Anforderung des Bundesverwaltungsgerichts vorgelegt wurde. Es bestehen hinsichtlich der Echtheit und Richtigkeit der vorgelegten Unterlagen keinerlei Zweifel, zumal das vorgelegte E-Mail im Betreff die auch die korrekte Fremdenzahl (IFA-Zahl) und die korrekte Verfahrenszahl, sowie den Namen der BF aufweist. Es ist daher davon auszugehen, dass aus einem nun nicht mehr feststellbaren Grund das E-Mail bei der belangten Behörde in Verstoß geriet, dem verfahrensführenden Referenten somit nicht zur Kenntnis gelangte und das Einschreiten des RV vom Bundesamt hierdurch versehentlich nicht beachtet wurde (Stellungnahme OZ 7).

Das der Bescheid der BF selbst und nicht dem RV zugestellt wurde, ergibt sich aus dem im Verwaltungsakt einliegenden Zustellnachweis. Die Feststellung, dass dem RV der angefochtene Bescheid nur in Kopie vorliegt, stützt sich auf die glaubhaften Angaben in der Beschwerde, denen das Bundesamt in seiner Stellungnahme auch nicht entgegengetreten ist.

Die Angaben zu den auf der Website der belangten Behörde veröffentlichen Mittel zur Kontaktaufnahme beruhen auf Einsichtnahmen in die in den Feststellungen angegeben Website und auf der dort bereitgehaltenen Kundmachung nach § 13 Abs. 2 und 5 AVG (OZ 6).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 BFA-VG idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes. Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

Zur Zurückweisung wegen Unzulässigkeit

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen Bescheide einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit. Ausgangspunkt und Voraussetzung jeder Bescheidbeschwerde iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG ist ein ggü. dem Bescheidadressaten rechtswirksam erlassener Bescheid.

Richtet sich eine Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG somit nicht gegen einen Bescheid, weil die dem Bescheidadressaten übermittelte Erledigung (§ 18 AVG) keine Bescheidqualität aufweist oder Formfehler bei Erlassung (§ 56 AVG) des Bescheides geschehen sind, ist die Beschwerde mangels Vorliegen eines rechtskonform erlassenen Bescheides oder Vorliegen eines „Nicht-Bescheides“ zurückzuweisen. Gegenständlich liegt ein Formfehler der belangten Behörde bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides vor. Ein Bescheid gilt erst dann ggü. dem Bescheidadressaten rechtswirksam als erlassen, wenn dieser entsprechend der Bestimmungen des Zustellgesetzes rechtskonform zugestellt oder ausgefolgt bzw. mündlich verkündet wurde.

Im gegenständlichen Fall ist der belangten Behörde ein Formfehler bei der Erlassung (Zustellung) des angefochtenen Bescheides unterlaufen, der dazu führt, dass der angefochtene Bescheid ggü. der BF nicht rechtswirksam erlassen wurde. Konkret hat das Bundesamt versehentlich die Vollmachtsbekanntgabe und das Einschreiten des RV der BF nicht berücksichtigt. Ab dem Einschreiten des RV für die BF am 06.02.2020 wären, da sich der RV gemäß § 8 Abs. 1 RAO auf die ihm erteilte Vollmacht berufen hat, die im Zweifel auch eine Zustellvollmacht gemäß § 9 Abs. 1 ZustG einschließt, alle Zustellungen zu Handen des RV vorzunehmen gewesen. Die belangte Behörde hat aber die Zustellung des Bescheids direkt an die BF zu deren eigenen Handen (§ 21 ZustG) an ihre Wohnadresse verfügt. Diese Zustellung war daher gemäß § 9 Abs. 3 ZustG unwirksam, weshalb der angefochtene Bescheid ggü. der BF als nicht erlassen gilt. Eine nachträgliche Heilung des Zustellmangels (§ 9 Abs. 3 2. Satz ZustG) ist ebenfalls nicht eingetreten, da dem BF nur eine Kopie des Bescheides übergeben wurde. Hierzu hält der VwGH u.a. wie folgt fest:

„Gemäß der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Kenntnisnahme von einem Bescheid im Zuge einer Akteneinsicht durch einen Parteienvertreter bzw der Umstand, dass diesem tatsächlich eine Kopie eines Bescheides zukommt, der im Original nicht dem im Verfahren ausgewiesenen Vertreter der Partei sondern der Partei selbst zugestellt wurde, den in der unterlassenen Zustellung an den Parteienvertreter gelegenen Verfahrensmangel nicht heilen (vgl VwGH vom 30. September 1999, 99/02/0102, vom 12. April 1999, 98/11/0289, und vom 27. Mai 1999, 99/02/0083). Sollte nach dem Vorbringen in der Revision dem Vertreter der Revisionswerberin tatsächlich erst im Zuge der Akteneinsicht am 12. November 2014 eine mit diesem Tag datierte Kopie des Bescheides zugekommen sein, ist somit im fortzusetzenden Verfahren zu beachten, dass dies einen allfälligen Zustellmangel gemäß § 9 Abs 3 ZustG nicht heilt.“ (VwGH 19.11.2015, Ra 2015/17/0026)

Dass dem RV der BF eine Kopie des angefochtenen Bescheides übermittelt wurde, ändert somit nichts daran, dass der Bescheid ggü. der BF nach wie vor nicht rechtswirksam erlassen wurde. Der gegenständlichen Beschwerde fehlt es daher an einem tauglichen Beschwerdegegenstand iSd Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in Form eines ggü. der BF rechtwirksam erlassenen Bescheids.

Die Beschwerde war daher ohne weitere inhaltliche Behandlung als unzulässig zurückzuweisen.

Zu B)

Zur Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen (jeweils in der Begründung zitierten) Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Bescheid Rechtswidrigkeit Stellungnahme Vollmacht Zustellmangel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W282.2231625.1.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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