Entscheidungsdatum
26.08.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W159 1244596-2/14E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Clemens KUZMINSKI als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX StA. von Serbien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.07.2018, Zl. XXXX , nach einer mündlichen Verhandlung am 16.07.2020, zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte I. und II. des angefochtenen Bescheides wird als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wird abgewiesen.
III. Der Beschwerde gegen die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung und die Nichterteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 AsylG wird stattgegeben und festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gegen XXXX auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß §§ 54, 55 und 58 Abs. 2 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung Plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
IV. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchteile V.-VI. stattgegeben und diese ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer reiste irregulär in Österreich ein und stellte am 11.02.2003 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 24.11.2003, Zl.: XXXX , den (ersten) Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 idgF (AsylG) ab. (Spruchpunkt I.) Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro war gemäß § 8 AsylG zulässig (Spruchpunkt II.).
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, welche jedoch vom Asylgerichtshof mit Zl. XXXX vom 15.03.2012 abgewiesen wurde. Dieses Erkenntnis wurde in der Folge rechtskräftig.
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger, stellte am 23.03.2016, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
In der Befragung am 30.03.2016 wies er sich mit seinem Führerschein, BPD Wien / VA, 26.09.2006, 06261768 aus. Er gab an seine Muttersprache sei Romanes und er könne in Wort und Schrift auch Serbokroatisch. Er sei serbisch orthodoxer Christ und wohne im XXXX .
Seitens der Behörde wurde dem Beschwerdeführer vorgehalten, dass er bereits und der Zahl VZ 2258250 einen Asylantrag gestellt habe, welcher bereits rechtskräftig am 19.03.2012 entschieden wurde. Die Frage, ob der Beschwerdeführer seit dieser Entscheidung Österreich verlassen habe, beantwortete er mit nein.
Der Beschwerdeführer gab an, er stelle einen neuen Antrag auf internationalen Schutz, weil seine ganze Familie sich hier in Österreich aufhalten würde. Er habe in Serbien niemanden mehr. Er habe drei Droh-SMS, die letzten beiden am 20.03.2016 erhalten. Er habe diese Droh-SMS bei der Polizei nicht angezeigt. Nach der ersten SMS sei es dem Beschwerdeführer noch halbwegs gut gegangen, nach den beiden anderen, habe er nicht mehr schlafen können und sei ins Krankenhaus gebracht worden. Er brachte einen Ambulanzbericht vom 20.03.2016 mit Diagnose: Verdacht auf Posttraumatische Belastungsstörung (PTSD) in Vorlage. Der Beschwerdeführer erläuterte, er nehme seit 2002 manchmal Beruhigungstabletten, die er nunmehr regelmäßig einnehmen würde.
Im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA), gab der Beschwerdeführer befragt am 23.03.2016 an, er wisse, dass eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot in II. Instanz rechtskräftig und seit zwei Jahren durchsetzbar sei. Er habe Österreich nicht verlassen, weil sämtliche Angehörigen in Österreich leben würden und er keine mehr in Serbien habe. Der Beschwerdeführer gab an in Serbien mit dem Tod bedroht zu werden.
In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 16.01.2017 brachte der Beschwerdeführer Fotos von einem Handy, welche Droh-SMS zeigen, Kopien von den Aufenthaltstiteln der Partnerin und der Kinder Bestätigungen der Meldung der Partei und den Familienangehörigen in Vorlage. Er gab an serbischer Staatsangehöriger zu sein und ausschließlich in Serbien verfolgt zu werden. Er sei einmal bei der serbischen Polizei vorstellig geworden, weil auf sein Haus geschossen worden sei und im Zuge dessen sein Hund erschossen worden sei. Er habe Anzeige erstattet. Diese Anzeige könne er nicht in Vorlage bringen. Er sei nicht in Serbien, jedoch in Österreich mit dem Gesetz in Konflikt geraten und strafrechtlich verurteilt worden. Er hätte keine Probleme mit der Polizei, weiteren (Sicherheits)Behörden, dem Militär oder Gerichten in Serbien gehabt. Er oder seine Familienangehörigen hätten sich in Serbien weder religiös oder politisch betätigt. Der Beschwerdeführer gab an, Roma und serbisch orthodox zu sein. Er habe deswegen Probleme mit Privatpersonen, mit den Dorfbewohnern, jedoch nicht mit dem Staat, in Serbien. Er habe keinen Kontakt zu Islamisten gehabt. Er habe Serbien illegal 2002 verlassen und sei im Jänner 2003 illegal nach Österreich eingereist. Nach einer negativen Entscheidung im Asylverfahren, gleichzeitig wurde eine Ausweisung nach Serbien erlassen (Rechtskraft 2. Instanz vom 19.03.2012), war der Beschwerdeführer in Österreich gemeldet und hat sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. In dieser Zeit, hätte seine Familie ihn unterstützt. Er habe auch nicht versucht über das Magistrat einen Aufenthaltstitel zu bekommen.
Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, er habe bis zum 33. Lebensjahr, 2002 im Dorf XXXX mit seiner Ehegattin, seinen Kindern, Eltern und Großeltern gewohnt. Er wisse nicht, wo seine Familie zurzeit wohne, er hätte keinen Kontakt zu ihnen.
Hier in Österreich habe er eine Partnerin, welche er nicht geheiratet habe, jedoch eine Beziehung seit 1989 führe. Seine Partnerin lebe hier in Österreich und habe ein Visum für drei Jahre. Seine Partnerin sei in Österreich beim AMS gemeldet. Er habe mit seiner Partnerin zwei Söhne, alle seien serbische Staatsangehörige. Er habe österreichische Freunde, welche er mit Vornamen aufzählte, jedoch wisse er nicht deren Adresse.
Der in Vorlage gebracht psychiatrisch-neurologische Befund vom 23.01.2017 gab als Diagnose an depressives Syndrom mit paranoiden Ideen (Verfolgungswahn); Panikattacken, Insomnie, arterielle Hypertonie, posttraumatische Belastungsstörung mit entsprechender medikamentöser Therapie an
In der niederschriftlichen Einvernahme vom 29.06.2018 vor dem BFA gab der Beschwerdeführer nachgefragt an, dass sich in seinem Privat- und Familienleben keine Änderungen ergeben hätten. Der Beschwerdeführer gab hinsichtlich seines Gesundheitszustandes an, er werde nach wie vor medikamentös behandelt. Er habe diese Panikattacken bekommen, weil er in Serbien Probleme bekommen habe, man schicke ihn nach Serbien zurück, obwohl er Drohnachrichten bekomme. Nachgefragt gab er an, er könne keine neuen Beweismittel in Vorlage bringen.
Das BFA brachte vor, dass aufgrund der Antwort auf eine Anfrage an das BFA/Staatendokumentation ersichtlich sei, dass die Erkrankung des Beschwerdeführers in Serbien behandelbar sei. Der Beschwerdeführer gab an, er sei krank, weil er Angst vor Serbien habe. Er habe keine Bezugspunkte und keine Krankenversicherung in Serbien.
In Österreich würde er mit seiner Lebenspartnerin und seinen Söhnen, welche ihn alle unterstützen würden, in einem Haushalt leben. Er habe keinen Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Serbien. Der Beschwerdeführer gab neuerlich an, er habe trotz der am 19.03.2012 in Rechtskraft erwachsenen Entscheidung und dem zweiten Asylantrag durchgehend hier in Österreich gelebt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des BFA vom 05.07.2018, wurde der Antrag auf internationalen Schutz vom 23.03.2016 hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Absatz 1 AsylG idgF (Spruchpunkt I.) und hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Absatz 1 AsylG idgF (Spruchpunkt II.) abgewiesen sowie ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG idgF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde gem. § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG idgF eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Absatz 2 Ziffer 4 Fremdenpolizeigesetz 2005 idgF erlassen (Spruchpunkt IV.), die Abschiebung nach Serbien als zulässig erklärt (Spruchpunkt V.) und keine Frist für die freiwillige Ausreise festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Absatz 1 Ziffer 1 BFA-Verfahrensgesetz idgF die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.).
Folgende Feststellungen wurden im Wesentlichen dem Bescheid zugrunde gelegt: Die Behauptungen bzgl. der Fluchtgründe, wonach der Beschwerdeführer Furcht vor Verfolgung durch private Dritte oder private Gruppierungen äußerte, wurden nicht als wahr erachtet. Es drohe dem Beschwerdeführer aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit als Roma in Serbien keine konkret gegen ihn gerichtete psychische bzw. physische Gewalt. Es könne nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer in Serbien aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit verfolgt werde.
Der Beschwerdeführer leide an keiner lebensbedrohlichen Krankheit, welche ein Rückkehrhindernis darstellen würden. Seine Behandlungen wären auch im Herkunftsland realisierbar. Er verfüge über ausreichende heimatliche Sprachkenntnisse, schulisches Ausbildungsniveau und Arbeitserfahrung, er sei auch arbeitsfähig und -willig. Er könne auch in Serbien die Unterstützung durch seine im Bundesgebiet lebenden Familienangehörigen erhalten. Der Beschwerdeführer würde nicht in eine Notlage entsprechend Artikel 2 bzw. Artikel 3 EMRK gelangen.
Seine Lebensgefährtin und seine beiden Söhne würden im gemeinsamen Haushalt im Bundesgebiet leben, welche den Beschwerdeführer finanziell unterstützen würden. Der Beschwerdeführer sei nicht selbsterhaltungsfähig und lebe von der Grundversorgung und der finanziellen Unterstützung der Familienangehörigen im Bundesgebiet. Er verfüge über keine berufliche Einstellungszusage. Es hätten keine substantiellen Anknüpfungspunkte im Bereich des Privatlebens festgestellt werden können.
Der Beschwerdeführer sei nach Rechtskraft der Rückkehrentscheidung nicht nachweislich aus dem Bundesgebiet ausgereist, er hielt sich bis zur neuerlichen Asylantragstellung unrechtmäßig im Bundesgebiet auf. Die rechtskräftigen Verurteilungen wurden bereits getilgt und scheinen im Strafregisterauszug gegenwärtig nicht auf.
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass die neuerliche Asylantragstellung die Folge eines langjährigen, unrechtmäßigen Aufenthalts im Bundesgebiet in Zusammenhang mit dem Mangel an weiteren Möglichkeiten den Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren sei. Es seien im Zuge der Einvernahmen keine neuen Fluchtgründe hervorgekommen. Die Angaben des Beschwerdeführers seien vage und unkonkret gewesen, sodass ihm erneut jegliche Glaubwürdigkeit zu entziehen gewesen sei. Im Zusammenhang mit den Länderberichten und der aktuellen Sicherheitslage in Serbien, sowie der Volksgruppenzugehörigkeit als Roma und seinen Einvernahmen, werde ausgeführt, dass keine gezielte, gegen die Person des Beschwerdeführers gerichtete Verfolgung in Zusammenhang mit der Volksgruppenzugehörigkeit hervorgekommen sei.
In der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde zu Spruchpunkt I. aus, dass das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers im Sinne der des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nicht glaubhaft war. Zu Spruchpunkt II. wurde angeführt, dass die nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH vorzunehmende Einzelfallprüfung ergeben habe, dass dem Beschwerdeführer bei einer der Rückkehr in seinem Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer gegen Art. 3 EMRK verstoßenden Behandlung drohen würde. Die Gesamtbeurteilung des psychischen Zustands würde kein Rückkehrhindernis darstellen. Er würde in Serbien in der Lage sein, die dringendsten Lebensbedürfnisse zu befriedigen und nicht, über anfängliche Schwierigkeiten hinaus, in eine dauerhaft aussichtslose Lage geraten. Zu Spruchpunkt III. führte die belangte Behörde aus, dass sich keinerlei Anhaltspunkte ergeben hätten, welche die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gem. § 57 AsylG rechtfertigen würden. Im Spruchpunkt IV. erläuterte das BFA zur Achtung des Familienlebens, dass es festgestellt werden hätte können, dass der Beschwerdeführer mit seiner Lebensgefährtin und den beiden Söhnen in einem gemeinsamen Haushalt leben würde. Es würde aufgrund der finanziellen Unterstützung durch die Lebensgefährtin ein Abhängigkeitsverhältnis bestehen. Da der Beschwerdeführer nie über einen rechtmäßigen Aufenthaltstatus in Österreich verfügt habe, erscheine das Familienleben in diesem Kontext wenig schützenswert. Die Schutzwürdigkeit des Privatlebens stehe daher nicht über die Berücksichtigung öffentlicher Interessen. Der Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigenden Gründen werde nicht erteilt und eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1-3 BFA-VG erteilt. Im Spruchpunkt V. wurde angemerkt, dass mit der Rückkehrentscheidung eine Abschiebung durchsetzbar ist. In den Spruchpunkten VI. und VII. wurde angemerkt, dass die aufschiebende Wirkung abzuerkennen sei, weil der Beschwerdeführer aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme und gegen den Beschwerdeführer vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung und ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist.
Gegen diesen Bescheid wurde vom Beschwerdeführer, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, rechtzeitig, beim Bundesverwaltungsgericht, Beschwerde im vollem Umfang gemäß Artikel 130 Absatz 1 Ziffer 1 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie Verletzung der Verfahrensvorschriften eingebracht. Es wurde ersucht die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Es wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer ein serbischer Staatsangehöriger der Volksgruppe der Roma angehöre und er in seiner Heimat seit vielen Jahren Drohungen von Unbekannten ausgesetzt sei. Der Beschwerdeführer erstattete Anzeige, diese blieb jedoch folgenlos. Außerdem verfüge der Beschwerdeführer über intensive familiäre Bindungen in Österreich.
Mit Beschluss XXXX des BVwG vom 10.08.2018 wurde der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Am 16.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung statt, an welcher der Beschwerdeführer, seine Rechtsvertretung, zwei Zeugen und ein Dolmetscher teilnahmen.
Der Beschwerdeführer gab befragt an, es gehe ihm gut und er sei in der Lage der stattfindenden Verhandlung ohne Probleme zu folgen.
Die Rechtsvertretung brachte folgende Schreiben/Dokumente in Vorlage: einen Rahmenvertrag Winterbetreuung zwischen der XXXX , eine Einstellungszusage des XXXX , die Gewerbeanmeldung des XXXX betreffend Hausbetreuung, sowie für Schneeräumung Betreuung und Reinigung von Verkehrsflächen, Hauptmieterbestätigung von Wiener Wohnen für Fr. XXXX , Unterstützungsschreiben des XXXX und Verdienstnachweise bei der Firma XXXX .
Der Beschwerdeführer hält seine Beschwerde und das bisherige Vorbringen aufrecht. Er wies nachgefragt darauf hin, dass er keine Familie in Serbien habe. Alle seine Familienangehörigen seien hier in Österreich.
Er sei serbischer Staatsangehöriger, gehöre der Volksgruppe der Roma an und sei orthodoxer Christ. Er sei in XXXX geboren worden und habe in XXXX , bis er etwa 30 Jahre alt gewesen sei, 2002. Danach habe er in Österreich, immer in Wien gelebt. Er sei nach dem Jahr 2003 weder auf Urlaub oder Besuch in Serbien oder im Ausland gewesen. Er habe keine wirtschaftlichen Probleme in Serbien gehabt, er hätte in einer Firma gearbeitet und Gänsefedern gekauft und verkauft. Er hätte nur mit den Bewohnern seines Heimatortes Probleme gehabt.
Der Beschwerdeführer erzählte dem Richter: „Ich hatte Probleme mit den Leuten in meiner Stadt und zwar mit den Serben. Sie haben meinen Hund erschossen und wollten von mir Geld erpressen.“ In Österreich sei er zweimal mit SMS, welche im Akt aufliegen (AS 87-93), bedroht worden. Der Beschwerdeführer gab nachgefragt an, diese Drohungen seien in den Jahren 2017 oder 2018 gekommen, und er wisse nicht, von wem sie ausgegangen seien. Er gab an: „Ich habe versucht anzurufen, aber es war keine Verbindung möglich.“
Der Dolmetscher wurde ersucht, die im Akt befindlichen Droh-SMS (AS 87-93) zu übersetzen:
„SMS 1: Was hast du gedacht, dass die dich dort ständig behalten werden? Du Schwabbo wir warten auf dich. Wenn du kommst, wir werden deine Roma Mutter ficken. Wir werden dich umbringen. Wir warten auf dich jetzt.
SMS 2: Schwabbo, ich ficke deine Mutter. Du wirst einmal nach Serbien kommen. Wir werden dich umbringen. Wir werde nicht herumschießen. Wir werden auf deinen Kopf schießen. Hast du das gehört?
SMS 3: Mein Lieber, wir haben gehört, dass du nach Serbien kommst, sonst Inhalt wie SMS 1.
SMS 4: Wo bist du Idiot? Ich werde deine Roma Mutter ficken. Was meinst du, dass der Schwabbo dich so lange behalten wird? Du wirst nach Hause kommen. Wir werden dich umbringen.“
Nachgefragt gab der Beschwerdeführer an, es hab drei oder vier Droh-SMS gegeben. Es habe keine weiteren Drohungen gegeben. Der Beschwerdeführer gab weiter nachgefragt an, er hätte seiner Zeit in Serbien keine Probleme mit staatlichen Behördenorganen gehabt. Er wisse nicht, wer ihn Serbien verfolgen würde. Auf die Frage des Richters: „Gibt es einen Zusammenhang zwischen den seinerzeitigen Verfolgungen in Serbien, Ihren zwischenzeitig (getilgten) Verurteilungen und den nunmehr übersetzten Droh-SMS“ antwortete der Beschwerdeführer, dass er es schon glaube.
Der Beschwerdeführer gab des Weiteren an, er wisse nicht, ob seine Eltern noch leben würden, er glaube sie seien gestorben. Zu seiner Schwester habe er keinen Kontakt. Seine ganze Familie würde sich in Österreich, in der Schweiz oder in Deutschland leben.
Auf die Frage, wovon er in Serbien leben könnte, antwortete der Beschwerdeführer, er wisse es nicht, er sei schon ewig nicht in Serbien gewesen. Seine psychischen Probleme hätten sich gebessert, er hätte jedoch wegen dieser SMS Angst gehabt. Er sei nicht mehr in ärztlicher oder psychotherapeutischer Behandlung. Jetzt würde er in der Firma seines Sohnes arbeiten.
Mit seiner Lebensgefährtin Frau XXXX , sei er seit 31 Jahren immer zusammen, sie seien nie getrennt gewesen. Seine Lebensgefährtin habe eine Rot-Weiss-Rot Plus Karte für 3 Jahre. Sie würde auch in der Firma des gemeinsamen Sohnes arbeiten.
Der Beschwerdeführer gab nachgefragt gab an, er habe zwei Söhne. Sie würden alle noch in einer Wohnung wohnen, werden aber demnächst in eine größere Wohnung siedeln und der ältere Sohn werde in der jetzigen Wohnung bleiben. Beide Söhne hätte eine Rot-Weiss-Rot Plus Karte.
Der Beschwerdeführer gab an, er habe keine Deutschkurse in Österreich gemacht, jedoch würde er seit zwei Jahren im Winter 6 Monate bei seinem Sohn in der Firma arbeiten.
Er habe es schon probiert, aber noch keinen Aufenthaltstitel oder keine Staatsbürgerschaft erhalten. Wenn er in Österreich bleiben dürfe, wolle er mit seiner Frau und seinen Kindern zusammenbleiben und weiter in der Firma des gemeinsamen Sohnes arbeiten.
Der Beschwerdeführer antwortete Großteils in deutscher Sprache. Es war mit ihm eine Verständigung in deutscher Sprache möglich.
Befragung der Zeugin XXXX
Sie gab an, sie habe den Beschwerdeführer in der Schule kennengelernt. Sie seien seit 31 Jahren ununterbrochen zusammen und hätte zwei gemeinsame Söhne: XXXX .
Alle würden im gemeinsamen Haushalt leben. Sie würden von der Arbeit bei dem gemeinsamen Sohn leben. Die Firma des Sohnes sei eine Reinigungsfirma und auch für die Schneeräumung zuständig.
Nachgefragt gab die Zeugin an, sie brauche im Alltag die Hilfe ihres Lebensgefährten. Sie seien seit 31 Jahre zusammen. Dies sei ihre Familie. Sie hätten einen engen Zusammenhalt. Sie habe eine Rot-Weiss-Rot Plus Karte als Aufenthaltstitel.
Die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen, sei nicht so billig, sie wolle jedoch in Österreich bleiben. Sie könne mit ihrem Lebensgefährten und ihren Söhnen nicht in Serbien leben, sie hätten keinen Rückhalt in Serbien. Sie wünsche sich, dass ihr Lebensgefährte bei ihr bleibe.
Befragung des Zeugen XXXX , Serbischer Staatsangehöriger
Er gab nachgefragt an, er würde sich seit 2003 oder 2004 in Österreich aufhalten und habe seine gesamte Schulausbildung in Österreich erhalten. Aufgrund eines mangelnden Aufenthaltstitels habe er keine Berufsausbildung machen können.
Nach dem Erhalt eines Aufenthaltstitels hätte er bei einer Tankstelle und danach als Security gearbeitet. Vor zwei Jahren habe er seine Firma für Reinigung und Schneeräumung gegründet. Er werde das Tätigkeitsfeld nächstes Jahr um Gartenarbeiten erweitern. Er würde als Subunternehmern für die Firma XXXX . arbeiten. Sein Vater, seine Mutter und sein älterer Bruder würden so wie ein zusätzlicher Mitarbeiter in seiner Firma arbeiten. Diesen Winter würde er noch vier bis fünf zusätzliche Mitarbeiter benötigen. Seine Firma würde gut laufen.
Im Sommer, wenn es keine Schneeräumung gibt, widme er sich der Reinigung. Durch Corona habe er Aufträge verloren, die er hoffe wiederzugewinnen.
Sein Aufenthaltstitel sei die Rot-Weiss-Rot Karte Plus für 3 Jahre. Er plane die österreichische Staatsbürgerschaft zu erwerben. Er leben mit seinen Eltern in einem Haushalt. Sein Vater verdiene ungefähr 1.350 € netto pro Monat, wenn er arbeite.
Er wünsche sich, dass sein Vater bei der Familie bleiben könne. Seine Eltern seien über 30 Jahre zusammen und hätten einen engen Zusammenhalt.
Die Rechtsvertretung gibt folgende Stellungnahme ab:
„Der Beschwerdeführer befindet sich seit fast 18 Jahren im österreichischen Bundesgebiet und hat hier ein intensives und schützenswertes privat- und Familienleben. Er ist seit über 30 Jahren mit seiner Lebensgefährtin zusammen, diese haben 2 gemeinsame Kinder miteinander und leben in einem gemeinsamen Haushalt. Der VwGH spricht in seinem Erkenntnis vom 31.01.2013 2012/23/0006 aus, dass eine Ausweisung auch ohne Familienleben bei einer derartig langen Dauer nur als verhältnismäßig anzusehen ist, wenn sich der BF weder sozial noch beruflich integriert hat. Desweiteren ist auf die Rechtsprechung des VwGH vom 12.12.2012 hinzuweisen, wo in einem Fall in dem der Beschwerdeführer über kein nennenswertes Privat- und Familienleben, keinen A2 Abschluss hatte und sein langer Aufenthalt 9 Jahre lang unrechtmäßig war, ausgesprochen, dass es auch in diesem Fall nicht an jeglicher Integration mangelt und der Aufenthaltsdauer ein hohes Gewicht zukommt. Der BF war seit über 17 Jahren nicht mehr in seiner Heimat, ist dort entwurzelt und befindet sich seine gesamte Familie zu der sowohl ein emotionales als auch finanzielles Abhängigkeitsverhältnis besteht, in Österreich. Ebenso muss erwähnt werden, dass für Serbien aufgrund der COVID-19 Pandemie von BMI eine Reisewarnung der höchsten Sicherheitsstufe ausgesprochen wurde. Seit heute gibt es ein Landeverbot für Flugzeuge und es wird ausgeführt, dass die Kapazität von Krankenhäusern am Limit sind und eine Medizinversorgung nicht gewährleistet werden kann. Der BF verfügt über keine Unterkunft und kein soziales und familiäres Netzwerk in Serbien, das ihn im Falle einer Rückkehr auch in Bezug der COVID-19 Pandemie unterstützen könnte. Bezugnehmend auf des asylrelevanten Vorbringen wird auf die Ausführungen in der Beschwerde verwiesen und die Stattgabe der Beschwerde beantragt.“
Der aktuelle Strafregisterauszug des Beschwerdeführers wies keine Verurteilung auf.
Mit Eingabe vom 20.07.2020 gab die Beschwerdeführervertreterin bekannt, dass der Beschwerdeführer schon jetzt ein Einkommen über die Geringfügigkeitsgrenze hinaus bezieht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat wie folgt festgestellt und erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger, der Volksgruppe der Roma zugehörig und christlich orthodoxen Glaubens. Der Beschwerdeführer hat seinen österreichischen Führerschein vorgelegt.
Der Beschwerdeführer reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 11.02.2003 einen (ersten) Asylantrag. Dieser wurde mit Bescheid vom 24.11.2003, Zl.: XXXX , gemäß § 7 Asylgesetz 1997, BGBl I 1997/76 idgF (AsylG) abgewiesen (Spruchpunkt I.). Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Serbien und Montenegro war gemäß § 8 AsylG zulässig (Spruchpunkt II.). Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung, welche jedoch vom Asylgerichtshof mit Zl. XXXX vom 15.03.2012 abgewiesen wurde. Dieses Erkenntnis wurde in der Folge rechtskräftig.
Der Beschwerdeführer, ein serbischer Staatsangehöriger stellte am 23.03.2016, einen neuerlichen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich.
Der Beschwerdeführer hat trotz der Rechtskräftigkeit der Abschiebung, Österreich nicht verlassen. Er ist seit 2003, seit weit mehr als 10 Jahren in Österreich aufhältig. Er lebt mit seiner Lebensgefährtin und den beiden Söhnen in Wien, die alle einen Aufenthaltstitel besitzen. Mit seiner Lebensgefährtin ist er seit 31 Jahren leiert. Es besteht ein enger Familienzusammenhalt.
Der Beschwerdeführer hat nur eine geringe Schulbildung (2 Jahre Volksschule) und ist dementsprechend ein einfacher Mensch in seinem Denken und Handeln. Im Strafregister ist keine Verurteilung ersichtlich.
Sein jüngerer Sohn hat eine Firma für Schneeräumung und Reinigung gegründet. Er ist ein Subunternehmer der XXXX . Die Lebensgefährtin des Beschwerdeführers und der ältere Sohn des Beschwerdeführers sind in der Firma des jüngeren Sohns des Beschwerdeführers angestellt. Der Beschwerdeführer hat bereits in der Firma seines Sohnes gearbeitet und hat nunmehr eine Einstellungszusage mit entsprechendem Gehalt.
Der Beschwerdeführer hatte psychische Probleme und war in ärztlicher Behandlung. Zurzeit ist er in einem guten Gesundheitszustand.
Das Bundesverwaltungsgericht hat nicht feststellen können, dass der Beschwerdeführer asylrelevant verfolgt wird.
Zu Serbien wird folgendes verfahrensbezogen festgestellt:
Hinweis:
Im vorliegenden Länderinformationsblatt erfolgt keine erschöpfende Berücksichtigung der aktuellen CORONA-VIRUS-PANDEMIE (COVID-19), weil die zur Bekämpfung der Krankheit eingeleiteten oder noch einzuleitenden Maßnahmen ständigen Änderungen unterworfen sind und zu deren Auswirkungen zum gegenwärtigen Zeitpunkt Informationen fehlen.
Insbesondere können zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine seriösen Informationen zu den Auswirkungen der Pandemie auf das Gesundheitswesen, auf Versorgungslage sowie auf Bewegungs- und Reisefreiheit der Bürgerinnen und Bürger sowie generell zu politischen, wirtschaftlichen, sozialen und anderen Folgen zusammengestellt werden.
Bezüglich der aktuellen Anzahl der Krankheits- und Todesfälle in den einzelnen Ländern empfiehlt die Staatendokumentation bei Interesse/Bedarf folgende Website der WHO: https://www.who.int/emergencies/diseases/novel-coronavirus-2019/situation-reports, oder der John Hopkins-Universität: https://gisanddata.maps.arcgis.com/apps/opsdashboard/index.html#/bda7594740fd40299423467b48e9ecf6 mit täglich aktualisierten Zahlen, zu kontaktieren.
1. Politische Lage
Letzte Änderung: 17.10.2019
Die Volksvertretung in der Republik Serbien ist ein Einkammerparlament (Narodna skupština, 250 Abgeordnete). Vorgezogene Parlamentswahlen fanden zuletzt am 24.4.2016 statt. Stärkste Kraft ist erneut die Liste der proeuropäischen Serbischen Fortschrittspartei SNS (sie spaltete sich 2008 von der Serbischen Radikalen Partei SRS ab; zusammen mit kleineren Parteien wie der SNP 105 Mandate) gefolgt von der Sozialistischen Partei Serbiens (SPS, 22 Mandate). Die oppositionelle proeuropäische Demokratische Partei (DS, 15 Mandate mit einem kleinen Partner) ist seit der Abspaltung einer Gruppe um den ehemaligen Staatspräsidenten Boris Tadi? 2014 deutlich geschwächt. Einige Oppositionsparteien haben sich in der „Allianz für Serbien“ zusammengeschlossen. Sie unterstützen die seit 8. Dezember anhaltenden Demonstrationen in zahlreichen Städten des Landes, die sich gegen Missstände und die Politik der Regierung richten. Aleksandar Vucic (SNS) ist der Präsident und Ministerpräsidentin der R. Serbien ist die parteilose Ana Brnabic (AA 3.5.2019a).
Die zehnte Sitzung der Beitrittskonferenz mit Serbien auf Ministerebene fand am 27.6.2019 in Brüssel statt, um Verhandlungen über Kapitel 9 - Finanzdienstleistungen - aufzunehmen. Mit dieser Konferenz wurden von insgesamt 35 Verhandlungskapiteln 17 für die Verhandlungen geöffnet, von denen zwei bereits vorläufig abgeschlossen wurden. Weitere Beitrittskonferenzen werden gegebenenfalls geplant, um den Prozess in der zweiten Jahreshälfte 2019 voranzutreiben (Der Europäische Rat 27.6.2019).
Serbien führt bereits seit 2014 Beitrittsverhandlungen mit der EU. Die Aussöhnung mit dem Kosovo gilt aber als zentrale Bedingung dafür, dass die Gespräche irgendwann einmal erfolgreich abgeschlossen werden können (Handelsblatt 26.4.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.5.2019a): Serbien, Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/innen/207554, Zugriff 19.9.2019
- Der Europäische Rat, Der Rat der Europäischen Union (27.6.2019): Pressemitteilung, Tenth meeting of the Accession Conference with Serbia at Ministerial level, Brussels, 27 June 2019
https://www.consilium.europa.eu/de/press/press-releases/2019/06/27/tenth-meeting-of-the-accession-conference-with-serbia-at-ministerial-level-brussels-27-june-2019/, Zugriff 20.9.2019
- Handelsblatt (26.4.2019): EU-Beitritt, Balkanstaaten können auf Start von EU-Beitrittsverhandlungen hoffen,
https://www.handelsblatt.com/politik/international/eu-beitritt-balkanstaaten-koennen-auf-start-von-eu-beitrittsverhandlungen-hoffen/24261104.html?ticket=ST-4670786-2vsL5mwajJEBcdLU5dAX-ap2, Zugriff 20.9.2019
2. Sicherheitslage
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die politische Lage ist stabil. In der Grenzregion zu Kosovo kann es zu Spannungen kommen. Insbesondere in Belgrad und anderen Städten sind vereinzelt Proteste und Demonstrationen möglich, die meistens friedlich verlaufen (AA 23.9.2019b).
Tausende von Demonstranten gingen auch am 11.5.2019 auf die Straßen, um gegen Präsident Aleksandar Vu?i? und seine Regierung zu demonstrieren. Sie werfen der Regierung Korruption und Einschränkung der Medienfreiheit vor. Die wöchentlichen Proteste begannen im Dezember 2018 und wurden durch einen Angriff auf einen Oppositionsführer ausgelöst (BN 13.5.2019).
Serbien hat ein gewisses Maß an Vorbereitung bei der Umsetzung des Rechtsbestands im Bereich Sicherheit erreicht. Einige Fortschritte wurden durch die Stärkung des Rechtsrahmens zur Bekämpfung der Geldwäsche und die Erfüllung der meisten Empfehlungen des letzten Jahres erzielt. Serbien trägt als Transitland weiterhin erheblich zur Steuerung der gemischten Migrationsströme in die EU bei, indem Serbien eine aktive und konstruktive Rolle spielt und effektiv mit seinen Nachbarn und EU-Mitgliedstaaten zusammenarbeitet. Bei der Umsetzung der integrierten Grenzschutzstrategie und des Aktionsplans hat Serbien einige Fortschritte erzielt. Die Strategie und der Aktionsplan zur Bekämpfung der irregulären Migration wurden angenommen (EK 29.5.2019).
Ein Zwischenfall mit serbischen Soldaten, denen am 7.9.2019 die Einreise zu einer Gedenkfeier in Kroatien verweigert wurde, hat zu einem Eklat zwischen den beiden Ländern geführt. Zagreb kritisierte eine "Provokation" aus Belgrad, in Serbien wurde dem Nachbarland Geschichtsrevisionismus vorgeworfen. Die serbische Militärdelegation hatte am 7.9.2019 in Jasenovac an einer Gedenkfeier der serbisch-orthodoxen Kirche für die Opfer des dortigen Konzentrationslagers teilnehmen wollen. Elf Militärangehörigen, die laut Medien in Zivil unterwegs waren und ihre Uniformen im Gepäck hatten, hatte die kroatische Grenzpolizei die Einreise verweigert. Laut Kroatien war die Delegation nicht angemeldet, die serbische Seite behauptet das Gegenteil. Der Delegation gehörten Berichten zufolge Offiziere der Militärakademie sowie Kadetten und Schüler des Militärgymnasiums an (Der Standard 9.9.2019).
Die im Norden der Republik Serbien gelegene Provinz Vojvodina zeichnet sich durch eine eigenständige, durch jahrhundertealte Koexistenz der Serben mit verschiedenen nationalen Minderheiten (u.a. Ungarn, Rumänen, Ruthenen, Kroaten, Deutschen) geprägte Tradition aus. In der mehrheitlich von ethnischen Albanern bewohnten Grenzregion Südserbiens zu Kosovo und Nordmazedonien (Gebiet der Gemeinden Bujanovac, Preševo, Medvedja) ist die Lage stabil (AA 3.11.2019).
Die von serbischer Seite als politische Strafzölle empfundenen 100 %-Erhöhungen der Importzölle für Waren in den Kosovo bleiben weiterhin der Hauptgrund der erneut belasteten bilateralen Beziehungen zu Pristina (VB 29.9.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (23.9.2019b): Serbien: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/serbiensicherheit/207502, Zugriff 23.9.2019
- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (13.5.2019): Briefing Notes (BN) 13. Mai 2019, Serbien, Proteste halten an, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010672/Deutschland___Bundesamt_f%C3%Bcr_Migration_und_Fl%C3%Bcchtlinge%2C_Briefing_Notes%2C_13.05.2019_%28deutsch%29.pdf, Zugriff 20.9.2019
- Der Standard (9.9.2019): International Europa, Kroatien, Gedenkfeier, Neue Spannungen zwischen Kroatien und Serbien, https://www.derstandard.at/story/2000108422227/neue-spannungen-zwischen-kroatien-und-serbien; Zugriff 24.9.2019
- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
3. Rechtsschutz / Justizwesen
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die Verfassung sieht eine unabhängige Justiz vor, aber die Gerichte bleiben weiterhin anfällig für Korruption und politischen Einfluss (USDOS 11.3.2020).
Das serbische Justizwesen besteht aus einem Verfassungsgericht, dem Obersten Gerichtshof, 30 Bezirksgerichten und 138 Gemeindegerichten. Daneben bestehen spezielle Gerichte wie Verwaltungsgerichte und Handelsgerichte. Im Belgrader Bezirksgericht existiert eine Sonderkammer für die Verfolgung von Kriegsverbrechen, daneben existiert eine Staatsanwaltschaft für Kriegsverbrechen - beiden zusammen obliegt die juristische Aufarbeitung der Kriegsverbrechen aus den Balkankriegen der 1990er Jahre. Ihre Einrichtung ist Teil des Prozesses der Schließung des UN-Kriegsverbrechertribunals für das ehemalige Jugoslawien (Den Haag) und der Überführung seiner Aufgaben auf die nationalen Justizbehörden in den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien (LIPortal 6.2019).
Serbien hat im Bereich Justiz einige Fortschritte erzielt; während die Empfehlungen des Vorjahres nur teilweise umgesetzt wurden, wurden bei der Reduzierung alter Vollstreckungsfälle und der Weiterverfolgung von Maßnahmen zur Harmonisierung der Gerichtspraxis Fortschritte erzielt. Einige Änderungen der Regeln für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten und für die Bewertung der Arbeit von Richtern und Staatsanwälten wurden angenommen, aber das System muss nach der Annahme der Verfassungsänderungen grundlegend überarbeitet werden, um eine leistungsbezogene Stellenbesetzungen und Beförderungen von Richtern zu ermöglichen. Politische Einflussnahme im Bereich der Justiz bleibt weiterhin ein Problem. Die Verfassungsreform befindet sich im Gange (EK 25.9.2019).
Das Parlament hat am 21.5.2019 eine umstrittene Änderung des Strafrechts gebilligt, gemäß der Straftäter, die wegen Vergewaltigung und Ermordung eines Minderjährigen oder einer schwangeren oder behinderten Person zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt werden, zukünftig keine Möglichkeit einer frühzeitigen Entlassung mehr haben. Bislang belief sich die Höchststrafe in Serbien auf 40 Jahre. Der Europarat kritisierte den Gesetzesentwurf und sprach von einem Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (BN 27.5.2019).
Prinzipiell kann sich jede Person in Serbien, die sich privaten Verfolgungshandlungen ausgesetzt sieht, sowohl an die Polizei wenden als auch direkt bei der Staatsanwaltschaft persönlich oder schriftlich eine Anzeige einbringen. Auch können entsprechende Beschwerden an die Ombudsmann Institutionen getätigt werden. Darüber hinaus besteht auch für solche Personen, die Möglichkeit der Aufnahme in das Zeugen- bzw. Opferschutzprogramm. Die Bevölkerung hat die Möglichkeit, sich wegen rechtswidriger Akte der Sicherheitsdienste an den serbischen Ombudsmann oder den serbischen Datenschutzbeauftragten zu wenden (VB 29.9.2019).
Quellen:
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (27.5.2019): Briefing Notes (BN) 27. Mai 2019, Serbien, Parlament beschließt lebenslange Haft ohne vorzeitige Entlassung in besonders
schweren Fällen, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 20.9.2019
- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat,
https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
4. Sicherheitsbehörden
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die Polizei des Landes untersteht der Aufsicht des Innenministeriums, wobei die Behörden eine wirksame Kontrolle über die Sicherheitskräfte ausüben. Die Effektivität der Polizei variiert. Die meisten Beamten sind ethnische Serben, jedoch sind auch Angehörige von Minderheiten als Polizeibeamte tätig. Korruption und Straffreiheit in der Polizei sind ein Problem. Im Laufe des Jahres 2019 stellten Experten der Zivilgesellschaft fest, dass sich die Qualität der polizeilichen internen Ermittlungen weiter verbessert hat. Die neu geschaffene Antikorruptionsabteilung im Innenministerium wurde geschaffen, um schwere Korruption zu untersuchen. Es gibt keine spezialisierte Regierungsstelle, die Morde durch die Sicherheitskräfte untersuchen kann. Die Polizei, das Sicherheitsinformationszentrum (BIA) und die Direktion für die Vollstreckung strafrechtlicher Sanktionen untersuchen solche Fälle durch interne Kontrollen. In den ersten acht Monaten 2019 reichte die interne Kontrolle des Innenministeriums 136 Strafanzeigen gegen 285 Personen wegen 388 Verbrechen ein; 124 waren Polizisten und 161 Zivilbeamte. In 45 der Fälle wurden die Täter zu Haftstrafen verurteilt (USDOS 13.3.2020).
Durch eine unsystematische Umsetzung der Reform, ohne größeren Plan und Strategie, sind die eigentlichen Ziele, die Polizei zu de-kriminalisieren, de-politisieren, de-militarisieren und eine Dezentralisierung einzuleiten, bis heute nur bedingt erreicht. Gegenwärtig unterstehen die etwa 43.000 Polizisten des Landes dem Innenministerium und sind u.a. unterteilt in Zoll, Kriminalpolizei, Grenzpolizei sowie zwei Anti-Terroreinheiten, die „Special Antiterrorist Unit“ und die „Counterterrorist Unit“ (BICC 6.2019).
Es kommt in Einzelfällen immer noch vor, dass die Sicherheitsbehörden ihre Vollmachten überschreiten oder Anträge und Anfragen nicht so effizient bearbeiten. Dies beschränkt sich jedoch nicht auf bestimmte Personengruppen, sondern bezieht sich auf alle Einwohner der Republik Serbien. Alle Einwohner bzw. Bürger der Republik Serbien haben den gleichen Zugang zum Justizwesen, zu den Gerichten und den Polizeibehörden. Rechtsschutzmittel gegen polizeiliche Übergriffe sind vorgesehen, nämlich Strafanzeige und/oder Disziplinarverfahren. Jedoch gibt es keine „besonderen“ Rechtsschutzmittel betreffend Übergriffe gegen Roma-Angehörige. Diese sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich (VB 29.9.2019).
Quellen:
- BICC - Bonn International Center for Conversion (6.2019): Länderbericht Serbien, http://ruestungsexport.info/user/pages/04.laenderberichte/serbien/2019_Serbien.pdf, Zugriff 20.9.2019
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
5. Allgemeine Menschenrechtslage
Letzte Änderung: 17.10.2019
Die rechtlichen und institutionellen Rahmen für die Wahrung der Grundrechte sind weitgehend vorhanden. Es wurden Änderungen zur Verbesserung des Rechtsrahmens für nationale Minderheiten angenommen. Eine konsequente und effiziente Umsetzung der Rechtsvorschriften und der politischen Maßnahmen muss jedoch sichergestellt werden (EK 29.5.2019).
Die Lage der Menschenrechte in Serbien ist insgesamt gut. Serbien hat die wichtigsten internationalen Menschenrechtskonventionen in nationales Recht übernommen. 2013 hat die serbische Regierung eine Anti-Diskriminierungsstrategie verabschiedet. Ein effektiver gesetzlicher Rahmen zum Schutz von Serbiens zahlreichen ethnischen Minderheiten existiert. Trotzdem existieren verschiedene Schwächen im Menschenrechts- und Minderheitenschutz. Probleme in der Verwirklichung der Menschenrechte bestehen etwa durch die Schwäche des Rechtsstaats und die noch immer unzureichende juristische Aufarbeitung der Kriegszeit (GIZ Geschichte & Staat 6.2019).
In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Bürger im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.9.2019).
Quellen:
- EK - Europäische Kommission (29.5.2019): Serbia 2019 Report [SWD(2019) 219 final], Fortschrittsbericht zum Stand der Vorbereitungen auf die EU-Mitgliedschaft (Demokratie und Rechtsstaatlichkeit; Justiz, Freiheit und Sicherheit; wirtschaftliche Lage, einschließlich Freiheiten und Sozialpolitik), https://www.ecoi.net/en/file/local/2010473/20190529-serbia-report.pdf, Zugriff 20.9.2019
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (6.2019): Serbien, Geschichte & Staat,
https://www.liportal.de/serbien/geschichte-staat/#c19777, Zugriff 20.9.2019
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
5.1. Roma
Letzte Änderung: 5.6.2020
Roma sind, wie alle Einwohner der Republik Serbien, vor dem Gesetz gleich. In Serbien gibt es entsprechende Stellen auf Republiksebene (Ministerium für Menschen- und Minderheitenrechte, Staatsverwaltung und lokale Selbstverwaltungs-Abteilung für Menschen- und Minderheitenrechte), als auch auf der lokalen Ebene (Stadtgemeinden-Ombudsmann), an die sich Roma im Falle erlittenen Unrechts wenden können. Weiters bestehen auch zahlreiche NGOs, welche sich mit Rechten der nationalen Gemeinschaften befassen, u.a. Helsinki Committee for Human Rights, The Humanitarian Law Centre, The Lawyers Committee for Human Rights, Belgrade Centre for Human Rights, als auch zahlreiche Roma Organisationen in ganz Serbien (VB 29.09.2019).
Laut Recherchen des UNHCR sind vertriebene Roma die am stärksten gefährdete und marginalisierte Bevölkerung des Landes. 98 % der 20.000 intern vertriebenen Roma leben unterhalb der Armutsgrenze. Bei den vertriebenen Roma zeichnet sich eine Arbeitslosenquote von 74 % ab. Laut UNHCR leben fast 90 % der vertriebenen Roma in minderwertigen Wohnungen und die überwiegende Mehrheit kann sich nicht integrieren oder nach Hause zurückkehren. Nach Angaben des SCRM [the Serbian Commissariat for Refugees and Migration; Anm.] hat die Regierung in den letzten 18 Jahren mit Unterstützung der internationalen Gemeinschaft Maßnahmen und Aktivitäten im Zusammenhang mit der Aufnahme und Betreuung von Vertriebenen aus dem Kosovo durchgeführt, um angemessene Lebensbedingungen zu schaffen. Ihre jüngste Studie ergab, dass mehr als 4.700 Wohneinheiten, die im Allgemeinen als Wohnräume für eine Familie definiert sind, bereitgestellt wurden. Es ist nicht klar, wie viele dieser Einheiten den Roma-Vertriebenen zur Verfügung gestellt wurden, da diese sich oft nicht als Roma bezeichnen (USDOS 13.3.2020).
In der serbischen Öffentlichkeit sind Vorbehalte und Vorurteile gegen Angehörige bestimmter Minderheiten, darunter auch Roma, unverändert weit verbreitet. Allerdings sind in bestimmten Bereichen auch Fortschritte zu verzeichnen (z.B. höhere Einschulungsquote von Roma-Kindern, Einsatz pädagogischer Assistenten und Roma-Mediatorinnen oder Anerkennung von Schulbüchern in Minderheitensprachen). Im März 2016 verabschiedete die Regierung eine neue Strategie für die Inklusion von Roma (2016-2025), im Juni 2017 den zugehörigen Aktionsplan. Dieser ist Teil der Verpflichtungen aus EU-Verhandlungskapitel 23 (Justiz und Grundrechte). Die Strategiedokumente gelten als gut ausgearbeitet, die Umsetzung (und Finanzierung) bleibt fraglich. Roma haben, sofern sie mit einem ständigen Wohnsitz registriert sind, grundsätzlich Zugang zu allen staatlichen Einrichtungen und Dienstleistungen. Allerdings stellt die Registrierung in der Praxis ein ernsthaftes Hindernis beim Zugang zu Sozialleistungen, Gesundheitsfürsorge, Bildungseinrichtungen und Wohnraum dar. Serbiens Regierung ist in den vorigen Jahren das Problem der „rechtlichen Unsichtbarkeit“ von Roma angegangen: Seit 2012 ist mit dem Gesetz über dauerhaften und temporären Wohnsitz die Registrierung in einem Sozialamt möglich. Dennoch gestalten sich Einzelfälle oft schwierig. Insgesamt hat sich in den letzten Jahren die Situation der Roma verbessert. Staatliche Programme wie die Beschäftigung von Roma-Gesundheitsmediatorinnen, Zugang zu „Gesundheitsbüchlein“ und damit zum Gesundheitssystem - auch für nicht registrierte Personen - sowie die Einstellung von Pädagogischen Assistenten an Schulen zeigen erste Erfolge. Roma-Kinder sind jedoch in Serbiens Schulen weiterhin unterrepräsentiert. Während 98 % aller Kinder die Grundschule besuchen, sind es bei Kindern der Roma-Minderheit rund 84 % (AA 3.11.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020
- USDOS - US Department of State (11.3.2020): 2019 Country Reports on Human Rights Practices: Serbia, 11. März 2020, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026363.html, Zugriff 13.5.2020
- VB des BM.I in Serbien (29.9.2019): Auskunft des VB, per E-Mail
6. Grundversorgung / Wirtschaft
Letzte Änderung: 5.6.2020
Die Stärkung der serbischen Wirtschaft ist seit Jahren eines der innenpolitischen Hauptthemen. Als EU-Beitrittskandidat strebt Serbien nach Anpassung an die EU-Standards. Die Wirtschaftszahlen zeigen große Erfolge bei der Haushaltskonsolidierung sowie eine leichte Besserung mit Blick auf die allgemeine Wirtschaftsentwicklung (AA 2.5.2019c).
Trotz erheblicher Reformanstrengungen und dem grundsätzlichen Umbau einer verstaatlichten, reglementierten und von starken Einbrüchen geprägten zu einer modernen Marktwirtschaft sieht sich Serbien auch nach einem Jahrzehnt grundlegenden Strukturproblemen gegenüber, welche die wirtschaftliche und Haushaltsstabilität bedrohen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).
Im Jahr 2019 lag die Arbeitslosenquote in Serbien bei rund 10,9 %. Für das Jahr 2021 wird die Arbeitslosenquote in Serbien auf rund 13 % prognostiziert. Die Jugendarbeitslosenquote (bei 14 bis 24-jährigen) wird bei rund 32,05 % geschätzt. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt in Serbien rund 50,5 Milliarden US-Dollar. Für das Jahr 2024 wird das BIP Serbiens auf rund 75,2 Milliarden US-Dollar prognostiziert. Im Jahr 2018 betrug das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf in Serbien rund 7.223 US-Dollar. Im Jahr 2019 belief sich die durchschnittliche Inflationsrate in Serbien auf rund 2 % gegenüber dem Vorjahr (Statista 24.4.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (2.5.2019c): Serbien: Wirtschaft, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/serbien-node/wirtschaft/207504, Zugriff 3.10.2019
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/serbien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.10.2019
- Statista - deutsches Online-Portal für Statistik (24.4.2020): Serbien, Arbeitslosenquote in Serbien bis 2018, https://de.statista.com/statistik/daten/studie/368629/umfrage/bruttoinlandsprodukt-bip-pro-kopf-in-serbien/, Zugriff 5.6.2020
6.1. Ggf.: Sozialbeihilfen
Letzte Änderung: 5.6.2020
Armut in Serbien ist v.a. ein ländliches Phänomen und betrifft außerdem sozial benachteiligte Gruppe überproportional, unter anderem Roma. Zugleich ist das bisher gültige System der Sozialhilfe nicht angepasst an die Bedürfnisse der Bedürftigsten, es kommt bisher nur ein kleinerer Teil der Transferzahlungen bei Ihnen an. Mit Unterstützung der Weltbank hat die serbische Regierung in den letzten Jahren erste Schritte zu einer Reform des Sozialhilfesystems unternommen (LIPortal Wirtschaft & Entwicklung 9.2019).
Ein Sozialamt ist in allen Gemeinden Serbiens zu finden. Der Umfang der Aktivitäten, der seitens der Sozialämter angeboten wird, beinhaltet Unterstützung für folgende Personengruppen: Individuen oder Familien ohne Einkommen, Menschen mit Behinderungen oder ältere Menschen, die nicht in der Lage sind, für sich selber zu sorgen, Waisen, Drogen- oder Alkoholabhängige, Verurteilte, die sich im Gefängnis aufhalten, minderjährige Eltern, Familien mit drei oder mehr Kindern. Zusätzlich gibt es spezielle Unterstützung um Familiengewalt vorzubeugen. Sozialhilfe ist in Serbien kostenfrei. Das Sozialsystem ist für jeden serbischen Staatsbürger zugänglich (IOM Country Fact Sheet 2018).
Anspruch auf Sozialhilfe haben in Serbien Bürger, die arbeitsunfähig sind und auch sonst keine Mittel zum Unterhalt haben. Außerdem sind Bürger sozialhilfeberechtigt, die ihren Unterhalt durch ihre Arbeit allein, durch Unterhaltspflichten von Verwandten, durch ihr Vermögen oder auf andere Art und Weise nicht sichern können. Neben der Sozialhilfe wird als weitere staatliche Unterstützungsmaßnahme an Bedürftige monatlich Kindergeld in Höhe von umgerechnet ca. 25 Euro ausbezahlt (AA 3.11.2019).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (3.11.2019): Bericht im Hinblick auf die Einstufung der Republik Serbien als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29 a AsylG (Stand: August 2019), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/683266/684671/10074631/10075491/10075545/21601316/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_im_Hinblick_auf_die_Einstufung_der_Republik_Serbien_als_sicheres_Herkunftsland_im_Sinne_des_%C2%A7_29_a_AsylVfG_%28Stand_August_2019%29%2C_03%2E11.2019.pdf?nodeid=21601317&vernum=-2, Zugriff 13.5.2020
- LIPortal - Das Länder-Informations-Portal (9.2019): Serbien, Wirtschaft & Entwicklung, https://www.liportal.de/serbien/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 3.10.2019
- IOM - Internationale Organisation für Migration (geändert 1.4.2019): Länderinformationsblatt Serbien 2018, https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/772192/18363839/Serbien_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101616&vernum=-2, Zugriff 19.9.2019
Zur Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden unstrittigen Verwaltungsakt des Bundesasylamtes EDV Zahl XXXX und das vorliegende rechtskräftige Erkenntnis des Asylgerichtshofs XXXX vom 15.03.2012;
- Einsicht in den dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden unstrittigen Verwaltungsakt des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl und betreffend den Beschwerdeführer; insbesondere in die Befragungsprotokolle
- Einsicht in die in das Verfahren eingeführte Länderberichte zur aktuellen Situation im Herkunftsstaat;
- die öffentliche mündliche Verhandlung am Bundesverwaltungsgericht unter Einvernahme der Zeugen XXXX und XXXX am 16.07.2020 und die in Vorlage gebrachten Schriftstücke und Dokumente;
- Einsicht in das Strafregister.
a. 2. Beweiswürdigung:
Die Länderfeststellungen beruhen auf den in das Verfahren eingebrachten Länderberichten, insbesondere dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Teilaktualisierung am 05.06.2020, das basierend auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen – deren Zugrundelegung von Entscheidungen vom Verwaltungsgerichtshof in Vergangenheit in zahlreichen Fällen bestätigt wurde – einen in den Kernaussagen schlüssigen Überblick über die aktuelle Lage in Serbien gewährleistet.
Angesichts der Seriosität der genannten Quellen und der Plausibilität ihrer Aussagen besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln, sodass sie den Feststellungen zur Situation in Serbien zugrunde gelegt werden konnten.
Das Vorbringen des Beschwerdeführers wird wie folgt gewürdigt:
Das Vorbringen eines Asylwerbers ist dann glaubhaft, wenn es vier Grunderfordernisse erfüllt (diesbezüglich ist auf die Materialien zum Asylgesetz 1991 [RV 270 BlgNR 18. GP; AB 328 BlgNR 18. GP] zu verweisen, die wiederum der VwGH-Judikatur entnommen wurden).
1. Das Vorbringen des Asylwerbers ist genügend substantiiert. Dieses Erfordernis ist insbesondere dann nicht erfüllt, wenn der Asylwerber den Sachverhalt sehr vage schildert oder sich auf Gemeinplätze beschränkt, nicht aber in der Lage ist, konkrete und detaillierte Angaben über seine Erlebnisse zu machen.
2. Das Vorbringen muss, um als glaubhaft zu gelten, in sich schlüssig sein. Der Asylwerber darf sich nicht in wesentlichen Aussagen widersprechen.
3. Das Vorbringen muss plausibel sein, d.h. mit den Tatsachen oder der allgemeinen Erfahrung übereinstimmen. Diese Voraussetzung ist u.a. dann nicht erfüllt, wenn die Darlegungen mit den allgemeinen Verhältnissen im Heimatland nicht zu vereinbaren sind oder sonst unmöglich erscheinen und
4. Der Asylwerber muss persönlich glaubwürdig sein. Das wird dann nicht der Fall sein, wenn sein Vorbringen auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel abgestützt ist, aber auch dann, wenn er wichtige Tatsachen verheimlicht oder bewusst falsch darstellt, im Laufe des Verfahrens das Vorbringen auswechselt oder unbegründet einsilbig und verspätet erstattet oder mangelndes Interesse am Verfahrensablauf zeigt und die nötige Mitwirkung verweigert.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in zahlreichen Erkenntnissen betont, wie wichtig der persönliche Eindruck, den das zur Entscheidung berufene Mitglied der Berufungsbehörde im Rahmen der Berufungsverhandlung von dem Berufungswerber gewinnt, ist (siehe z.B. VwGH vom 24.06.1999, 98/20/0435, VwGH vom 20.05.1999, 98/20/0505, u.v.a.m.).
Vorausgeschickt wird, dass im Asylverfahren das Vorbringen des Asylwerbers als zentrales Entscheidungskriterium herangezogen werden muss (so schon VwGH vom 16.01.1987, Zl. 87/01/0230, VwGH vom 15.03.1989, Zl. 88/01/0339, UBAS vom 12.05.1998, Zahl: 203.037-0/IV/29/98 u.v.a.m.)
Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit sowie seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gründen sich auf die diesbezüglich glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren und die vorgelegten Dokumente.
Dass der Beschwerdeführer trotz der Rechtskräftigkeit der Abschiebung, Österreich nicht verlassen hat, ergibt sich aus seinen gleichbleibenden Angaben vor der belangten Behörde und dem Bundesverwaltungsgericht und den Angaben der Zeugen.
Dass der Besch