Entscheidungsdatum
02.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W211 2232358-1/4E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Mag.a SIMMA als Richterin über den Antrag von XXXX vom XXXX auf Bewilligung der Verfahrenshilfe im Rahmen der Beschwerde gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX :
A)
I. Der Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang wird abgewiesen.
II. Der Eventualantrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe in vollem Umfang mit Ausnahme der Beigebung eines Rechtsanwaltes wird abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Begründung:
I. Verfahrensgang/Feststellungen:
Der Antragsteller erhob mit Schreiben vom XXXX 2019 gegen die Parlamentsdirektion Beschwerde an die Datenschutzbehörde wegen behaupteter Verletzung in seinem Recht auf Auskunft. Das diesbezüglich von der Datenschutzbehörde eingeleitete Verwaltungsverfahren setzte diese mit Bescheid vom vom XXXX , bis zur Entscheidung über das beim Bezirksgericht XXXX zur XXXX anhängige Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters hinsichtlich des Antragstellers aus.
Mit Schreiben vom XXXX 2020 , bei der Datenschutzbehörde eingelangt am XXXX 2020 und verbessert mit Schreiben vom XXXX .2020, stellte der Antragsteller den gegenständlichen Antrag, Verfahrenshilfe in vollem Umfang zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Aussetzungsbescheid, in eventu den Antrag, ihm Verfahrenshilfe in vollem Umfang – mit Ausnahme der Beigebung eines Rechtsanwalts – zur Einbringung einer Beschwerde gegen den Aussetzungsbescheid, zu bewilligen.
Mit Schriftsatz vom XXXX .2020 legte die Datenschutzbehörde dem Bundesverwaltungsgericht den Verfahrenshilfeantrag unter Anschluss des Verwaltungsaktes vor.
Der Antragssteller bezieht Notstandshilfe in Höhe von täglich € 37,57 netto, verfügt über etwa € 40,00 an Bargeld sowie über ein Konto- und Sparguthaben von etwa € 370,00. Er hat € 239,19 pro Monat an Wohnkosten zu bezahlen und keine Unterhaltspflichten.
Hinsichtlich des Antragstellers ist beim Bezirksgericht XXXX zur XXXX ein Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters anhängig.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Frage der Prozessfähigkeit des Antragstellers:
Prozessfähigkeit ist die Fähigkeit, durch eigenes Verhalten oder durch das eines gewillkürten Vertreters prozessuale Rechte und Pflichten zu begründen. Die prozessunfähige Person kann keine wirksamen Verfahrenshandlungen setzen. Ein Mangel der Prozessfähigkeit ist von der Behörde von Amts wegen wahrzunehmen. (vgl. § 9 AVG; zum Ganzen Kolonovits/Muzak/Stöger Verwaltungsverfahrensrecht10, Rz 130 mwH auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs)
Beim Bezirksgericht XXXX ist ein Verfahren zur Überprüfung der Bestellung eines Erwachsenenvertreters für den Beschwerdeführer anhängig. Dennoch lässt das Verhalten des Antragstellers im gegenständlichen Verfahren keine Anhaltspunkte für eine etwaige Prozessunfähigkeit erkennen. So wirkt er in seinen Schreiben strukturiert und zielgerichtet und es gab in der bisherigen Korrespondenz mit dem Antragsteller in Bezug auf die Nachlieferung fehlender Unterlagen bei seinem Antrag auf Verfahrenshilfe keine Anzeichen, dass er seine Rechte im Verfahren über die Bewilligung der Verfahrenshilfe nicht wahrnehmen könnte.
Es war daher – zumindest für den gegenständlichen Antrag auf Verfahrenshilfe – von der Prozessfähigkeit des Antragstellers auszugehen.
3.2. Zum Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe:
3.2.1. Rechtsgrundlagen:
Gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG ist einer Partei, soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nichts anderes bestimmt ist, Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit diese aufgrund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl Nr. 210/1958, oder des Art 47 der Charta der Grundrechte der europäischen Union, ABL Nr. C 83 vom 30.03.2010, S 389 geboten ist, die Partei außer Stande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtige Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint.
Gemäß Abs. 2 leg cit. sind, soweit in diesem Paragraphen nicht anders bestimmt ist, die Voraussetzungen und die Wirkung der Bewilligung der Verfahrenshilfe nach den Vorschriften der Zivilprozessordnung zu beurteilen.
Gemäß § 63 Abs. 1 ZPO ist als notwendiger Unterhalt derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt.
Der notwendige Unterhalt liegt dabei über dem Existenzminimum (notdürftiger Unterhalt) und unter dem standesgemäßen Unterhalt. Bei der Ermittlung des notwendigen Unterhalts ist immer auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls, so etwa den Gesundheitszustand und die Erwerbsfähigkeit der Partei, Bedacht zu nehmen. Der maßgebliche der Partei verbleibende Geldbetrag muss dieser eine ihre Bedürfnisse berücksichtigende bescheidene Lebensführung gestatten (M. Bydlinski in Fasching/Konecny3 II/1 § 63 ZPO Rz 2 (Stand 1.9.2014, rdb.at)).
Bei der Beurteilung, ob die Kosten der Prozessführung den notwendigen Unterhalt beeinträchtigen würden, sind neben dem Einkommen der Partei auch ihr sonstiges Vermögen sowie bestehende Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, was sich schon aus § 66 Abs. 1 ZPO ergibt, der den notwendigen Inhalt des mit dem Antrag vorzulegenden Vermögensbekenntnisses regelt. Es ist eine Schätzung der auf Seiten der antragstellenden Partei voraussichtlich anfallenden Kosten vorzunehmen, wobei unter Berücksichtigung der zu diesem Zeitpunkt absehbaren Umstände des Einzelfalls (z.B. Auflaufen von Sachverständigengebühren oder Anwaltskosten) ein durchschnittlich zu erwartender Verfahrensablauf anzunehmen ist. (M. Bydlinski in Fasching/Konecny3 II/1 § 63 ZPO Rz 3 (Stand 1.9.2014, rdb.at))
Ob ein Verfahrenshelfer unentgeltlich beizugeben ist, hängt von verschiedenen Kriterien ab. Das sind zum einen Kriterien, die sich auf die Person der Parteien beziehen, nämlich ihre Vermögensverhältnisse oder ihre Fähigkeiten im Verkehr mit Behörden; zum anderen auch Kriterien, die in Zusammenhang mit der Rechtssache stehen, nämlich die Erfolgsaussichten, die Komplexität des Falles oder die Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien (siehe 1255 der Beilagen XXV. GP – Regierungsvorlage – Erläuterungen zu § 8a VwGVG).
3.2.2. Angewendet auf den Sachverhalt bedeutet das:
Im gegenständlichen Fall wird Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Beschwerde gegen einen Bescheid begehrt, mit dem die Datenschutzbehörde ein anhängiges datenschutzrechtliches Beschwerdeverfahren auf Grund der fraglichen Prozessfähigkeit des Antragstellers bis zur Entscheidung über ein gerichtlich anhängiges Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters gemäß § 38 AVG ausgesetzt hat. Fraglich ist, ob der Aussetzungsbeschluss zulässig war.
Damit reduziert sich der Verfahrensgegenstand im Wesentlichen auf die Rechtsfrage, ob die in einem Verwaltungsverfahren als Vorfrage zu klärende Prozessfähigkeit eines Einschreiters eine Hauptfrage im Sinne des § 38 AVG in einem gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung der Notwendigkeit der Bestellung eines Erwachsenenvertreters darstellt.
Diese Rechtsfrage ist klar umrissen und ihre Klärung nach dem Grundsatz „iura novit curia“ grundsätzlich Sache des Gerichts. Der Antragsteller wird im Verfahren weder umfangreiches oder schwieriges Vorbringen zu erstatten noch an Sachverhaltsermittlungen mitzuwirken haben. Da lediglich eine Rechtsfrage zu klären sein wird, ist auch davon auszugehen, dass von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG abgesehen wird. Die Komplexität des Falles ist somit gering.
Der Antragsteller ist auch in Hinblick auf die Formulierung seines Eventualantrags selbst in der Lage ein schlüssiges Vorbringen zu erstatten und rechtlich zu argumentieren. Er wäre allenfalls vom Gericht auf Grund seiner Manuduktionspflicht anzuleiten.
Die Bedeutung des Verfahrens ist für ihn eher gering, weil er lediglich eine absehbare Verfahrensverzögerung in einem Verfahren über die behauptete Verletzung einer datenschutzrechtlichen Geheimhaltungs- bzw. Auskunftspflicht zu befürchten hat. Ein zeitkritischer von der Datenschutzbehörde zu erfüllender Abhilfebedarf des Antragstellers ergibt sich daraus nicht.
Für den Antrag auf Beigebung eines Rechtsanwaltes bedeutet das, dass der Antragsteller in der Lage ist, auch ohne Vertretung durch einen Rechtsanwalt seine Rechte in einem etwaigen Beschwerdeverfahren wahrzunehmen, weshalb sich die unentgeltliche Beigebung eines Rechtsanwalts als nicht geboten erweist. Der darauf gerichtete Antrag war daher abzuweisen.
Für die weiteren beantragten Begünstigungen bedeutet das, dass der Antragsteller mit Kosten für die Verfahrensführung in Höhe der gemäß § 2 Abs. 1 1. Fall BuLVwG-EGebV zu zahlenden Pauschalgebühr für Bescheidbeschwerden von € 30,00 zu rechnen hat. Dass es zu darüberhinausgehenden Aufwendungen kommen könnte, ist nicht ersichtlich. Mit einem monatlichen Einkommen von etwa € 1.120,00 netto kann der Antragsteller aber auch unter Berücksichtigung seiner Wohnungskosten von € 239,19 und allfälliger Zusatzkosten durch Heizung oder Strom eine Pauschalgebühr in Höhe von € 30,00 tragen, ohne dass sein notwendiger Unterhalt gefährdet wäre.
Der Antrag auf Verfahrenshilfe war daher auch im übrigen Umfang abzuweisen.
3.3. Zum Eventualantrag:
Mit seinem Eventualantrag begehrt der Antragsteller – wie in seinem Hauptantrag – die Bewilligung der Verfahrenshilfe für die Einbringung einer Beschwerde gegen den Bescheid der Datenschutzbehörde vom XXXX . Er unterscheidet sich vom Hauptantrag nur dadurch, dass im Eventualantrag die Beigebung eines Rechtsanwaltes nicht beantragt wird. Der Antragsteller begehrt daher in Bezug auf seinen Hauptantrag ein „Minus“, über das im Hauptantrag bereits vollinhaltlich abgesprochen worden ist.
An sich steht einer – wie hier – neuerlichen Entscheidung in der Sache das Prozesshindernis der Unwiederholbarkeit entgegen (VwGH 30.05.2006, 2006/12/0066). Voraussetzung für den Eintritt der Bindungswirkung ist jedoch gemäß § 68 Abs. 1 iVm Abs. 2 bis 4 AVG, dass die Entscheidung etwa durch mündliche Verkündung oder Zustellung, erlassen worden ist (Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 Rz 21 (Stand 1.3.2018, rdb.at)). Da im gegenständlichen Fall die Entscheidung über den Hauptantrag noch nicht erlassen worden ist, ist das Prozesshindernis der Unwiederholbarkeit noch nicht eingetreten und es war über den Eventualantrag neuerlich inhaltlich abzusprechen.
Da der Antragsteller in seinem Eventualbegehren – abgesehen vom fehlenden Begehren, die unentgeltliche Beigabe eines Rechtsanwalts zu bewilligen – ein zum Hauptbegehren identisches Begehren stellt, war der Eventualantrag ebenfalls abzuweisen. Hinsichtlich der Begründung wird – mit Ausnahme der Ausführungen zur Beigabe eines Rechtsanwaltes – auf die Begründung der Entscheidung über den Hauptantrag verwiesen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die Frage, ob der notwendige Unterhalt ohne Gewährung der Verfahrenshilfe beeinträchtigt (VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0205) oder für die Rechtsverfolgung die Beiziehung eines Rechtsvertreters erforderlich ist, ist als einzelfallbezogene Beurteilung nicht reversibel.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Schlagworte
Datenschutzbehörde Datenschutzbeschwerde Erwachsenenvertreter Eventualantrag Eventualbegehren Prozessfähigkeit Verfahrenshilfe Verfahrenshilfe-Nichtgewährung wirtschaftliche SituationEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W211.2232358.1.00Im RIS seit
11.12.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020