TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/8 W212 2213902-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 08.09.2020
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Entscheidungsdatum

08.09.2020

Norm

AsylG 2005 §54
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W212 2213902-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX (vormals: XXXX ), geb. XXXX , StA. Kosovo und vertreten durch XXXX , Rechtsanwalt in XXXX , gegen die Spruchpunkte IV. und V. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019, Zahl: 1031529208-180863844, zu Recht erkannt:

A) In Erledigung der Beschwerde wird ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 idgF wird XXXX (vormals: XXXX ) der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die damals minderjährige Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige des Kosovo, reiste infolge Stattgabe eines durch ihre gesetzliche Vertreterin gemäß § 35 AsylG 2005 eingebrachten Einreiseantrags in Begleitung ihrer Mutter und zweier Geschwister am 03.03.2015 legal in das Bundesgebiet ein und stellte am 06.03.2015 durch ihre gesetzliche Vertreterin einen Antrag auf internationalen Schutz.

Zur Begründung dieses sowie ihres eigenen Antrages auf internationalen Schutz verwies die Mutter der Beschwerdeführerin auf den Aufenthalt des Vaters und der älteren Schwester der Beschwerdeführerin in Österreich, welchen aufgrund einer schwerwiegenden Erkrankung jener Schwester der Beschwerdeführerin bereits der Status von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Die Anträge wurden mit dem Wunsch nach Familienzusammenführung begründet, auf den Kosovo bezogene individuelle Rückkehrbefürchtungen wurden im Verfahren der damals minderjährigen Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der – zwischenzeitlich volljährigen – Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, dieser gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 3 iVm Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Begründend wurde ausgeführt, im Verfahren der Beschwerdeführerin sei keine individuelle Gefährdungslage geltend gemacht worden und es habe eine solche unter Berücksichtigung der vorliegenden Länderberichte zur Lage im Kosovo auch nicht von Amts wegen festgestellt werden können. Da der Mutter der Beschwerdeführerin der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei, sei der Beschwerdeführerin als deren zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjährige ledige Tochter der gleiche Schutzumfang zu gewähren gewesen.

Dieser Bescheid erwuchs unangefochten in Rechtskraft.

3. Am 07.05.2018 stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005, zu welchem sie am 12.09.2018 im Beisein eines Dolmetschers für die albanische Sprache niederschriftlich vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einvernommen worden ist.

Die Beschwerdeführerin gab zusammengefasst an, sie sei gesund und befinde sich nicht in ärztlicher Behandlung. Sie lebe im Bundesgebiet seit fast vier Jahren gemeinsam mit ihrer Familie und habe Deutschkenntnisse auf dem Niveau A2 erlangt. Nachdem sie Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten hätte, habe sie sofort begonnen zu arbeiten und sei aktuell als Kassiererin in einem türkischen Supermarkt beschäftigt. In Österreich würden ihre Eltern und Geschwister leben, im Kosovo hielten sich noch Großeltern, Tanten und Onkeln der Beschwerdeführerin auf. Die Beschwerdeführerin sei unverheiratet und habe keine Kinder. Gegen eine Rückkehr in den Kosovo spreche ihre Integration; sie habe einen Freundeskreis und habe zu arbeiten begonnen. Ihre Familie lebe hier und sie ginge seit fünf Monaten der erwähnten Erwerbstätigkeit nach. Im Kosovo habe sie neun Jahre lang die Grundschule sowie zwei Jahre lang eine Mittelschule besucht. Sie sei im Kosovo von keinen persönlichen Problemen betroffen gewesen.

Angesprochen auf eine mögliche Aufenthaltsbeendigung sowie den Umstand, dass es sich beim Kosovo um einen sicheren Herkunftsstaat handeln würde, gab die Beschwerdeführerin an, sie sei noch jung gewesen und alles sei geschehen, damit sie mit ihrer Familie in Österreich leben könne. Der Kosovo sei vielleicht ein sicherer Staat, sie fühle sich in Österreich jedoch sicherer und sehe ihre Zukunft hier.

Die Beschwerdeführerin legte ein Konvolut an Einkommensnachweisen, ein ÖSD-Zertifikat über eine im April 2016 bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau A2 sowie ihren kosovarischen Reisepass vor.

4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.01.2019 wurde der Beschwerdeführerin der ihr mit Bescheid vom 17.01.2018 zuerkannte Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und die mit Bescheid vom gleichen Datum erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.). Überdies wurde der Beschwerdeführerin ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 5 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen diese eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG 2005 erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde die Feststellung getroffen, dass die Abschiebung der beschwerdeführenden Partei in den Kosovo gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und es wurde gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG eine vierzehntägige Frist für die freiwillige Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgelegt (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte im Rahmen der Entscheidungsbegründung die Identität, Staatsbürgerschaft, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit der Beschwerdeführerin fest und traf Feststellungen zur relevanten Lage in ihrem Herkunftsstaat. Zu den Gründen für die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde ausgeführt, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung jenes Status nicht mehr vorliegen würden. Die Beschwerdeführerin habe nie der Gefahr einer Verfolgung oder sonstigen relevanten Gefahrenlage unterlegen und leide an keinen schwerwiegenden Erkrankungen. Die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag auf internationalen Schutz auf ihren Wunsch nach Familienzusammenführung gestützt und keine darüberhinausgehenden Gründe geltend gemacht. Anhaltspunkte auf eine der Beschwerdeführerin im Falle einer Rückkehr in den Kosovo drohende Gefährdung im Sinne des Art. 3 EMRK hätten sich nicht ergeben. Diese sei zur Teilnahme am Erwerbsleben fähig und werde ihren Lebensunterhalt im Kosovo, einem sicheren Herkunftsstaat, durch eigene Erwerbstätigkeit und familiäre Unterstützung sichern können. Die der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführerin und ihre Familienmitglieder zugrunde gelegene Krebserkrankung der mittlerweile volljährigen Schwester der Beschwerdeführerin sei zufolge den vorgelegten ärztlichen Unterlagen ausgeheilt. Die erforderlichen Nachkontrollen seien im Kosovo durchführbar.

Die Beschwerdeführerin sei ledig und habe keine Kinder. Gegen ihre in Österreich aufhältigen Eltern und Geschwister sei gleichermaßen ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden. Die Beschwerdeführerin ginge in Österreich einer legalen Beschäftigung nach und beherrsche die deutsche Sprache mäßig. Da sich auch keine Gründe für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung gemäß § 57 AsylG 2005 ergeben hätten, sei gegen die Beschwerdeführerin angesichts der überwiegenden öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung eine Rückkehrentscheidung auszusprechen gewesen.

Entscheidungen gleichen Inhaltes ergingen am genannten Datum an die Eltern, die volljährige Schwester sowie die beiden minderjährigen Geschwister der Beschwerdeführerin.

5. Mit Eingabe vom 22.01.2019 wurde durch den damals bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin die verfahrensgegenständliche Beschwerde eingebracht, welche eingangs unter der Überschrift „Beschwerdegegenstand und Beschwerdeantrag“ ausführt: „Die Beschwerde richtet sich ausdrücklich nur gegen die Spruchpunkte IV: Erlassung einer Rückkehrentscheidung, sowie Spruchpunkt V. gegen die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo“ und enthält sodann den Antrag, „Den hier angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vollinhaltlich aufzuheben.“ Zur inhaltlichen Begründung der Beschwerde wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Behörde hätte sich, unabhängig davon, dass die Beschwerdeführerin keine asylrelevanten Gründe vorgebracht hätte, ihrer Aufgabe entzogen, den gesundheitlichen Zustand der Schwester der Beschwerdeführerin einer objektiven Überprüfung zu unterziehen. Die Schwester habe im Bundesgebiet aufgrund einer äußerst komplizierten Erkrankung in mehrmonatiger stationärer Behandlung gestanden und es wäre als völlig verfrüht zu erachten, von einer endgültigen Heilung zu sprechen. Jene Erkrankung sei nach wir vor keiner adäquaten Behandlung im Kosovo zugänglich. Beantragt werde daher die Einholung eines ärztlichen Befundes zur Feststellung der Notwendigkeit einer weiteren Behandlung der Schwester der Beschwerdeführerin in Österreich. Zudem habe die Behörde die äußerst gelungene Integration der Beschwerdeführerin in Österreich übersehen, welche sich Deutschkenntnisse auf dem Niveau „BA2“ angeeignet hätte und sich in einer festen Anstellung in einem türkischen Supermarkt befinde.

6. Die gegenständliche Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht am 31.01.2019 vorgelegt und zunächst der Gerichtsabteilung G311 zugewiesen.

7. Die ältere Schwester der Beschwerdeführerin ist am 21.02.2019 zusammen mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen minderjährigen Kind freiwillig in den Kosovo zurückgekehrt. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht zu den Zahlen: G301 2212841-1, G301 2210806-1 und G301 2212837-1 geführten Beschwerdeverfahren wurden in der Folge mit Beschlüssen vom 27.02.2019 gemäß § 24 Abs. 2a AsylG 2005 eingestellt.

8. Mit Eingabe vom 20.12.2019 wurden in den Verfahren der Beschwerdeführerin, ihrer Eltern und ihrer minderjährigen Geschwister im Rahmen einer Urkundenvorlage Unterlagen zum Beleg der Integrationsbemühungen der Familie vorgelegt.

9. Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.01.2020, Zahlen: G310 2213899-1, G310 2213894-1, G310 2213898-1 und G310 2213897-1, wurde den Beschwerden der Eltern und der minderjährigen Geschwister der Beschwerdeführerin Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BVA-VG auf Dauer unzulässig sei und den genannten Familienmitgliedern gemäß §§ 55 Abs. 1 iVm 58 Abs. 2 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ iSd § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG erteilt werde.

10. Mit Eingabe vom 24.03.2020 wurde durch den nunmehr bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin bekanntgegeben, dass diese im Jänner 2020 einen türkischen Staatsangehörigen standesamtlich im Bundesgebiet geheiratet hätte, welcher auf Grundlage einer „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Unter einem wurden Unterlagen zum Beleg der Eheschließung sowie der aktuellen Einkommens- und Wohnverhältnisse der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten übermittelt.

11. Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Beschwerdesache der ursprünglich zuständigen Gerichtsabteilung abgenommen und der nunmehr zuständigen Gerichtsabteilung neu zugewiesen.

12. Mit Schreiben vom 13.07.2020 wurde die Beschwerdeführerin im Wege ihres nunmehr bevollmächtigten Vertreters seitens des Bundesverwaltungsgerichts über die bislang nicht aktenkundige Vollmacht des Vereines, durch welchen der vorliegende Beschwerdeschriftsatz eingebracht worden war, hingewiesen und ein entsprechender Mängelbehebungsauftrag erteilt.

Mit Eingabe vom 17.07.2020 übermittelte der nunmehr bevollmächtigte Vertreter eine von der Beschwerdeführerin am 01.08.2018 unterfertigte Vollmachtsurkunde an den erwähnten Verein.

13. Mit hg. Schreiben vom 10.08.2020 wurde die Beschwerdeführerin im Wege ihres bevollmächtigten Vertreters aufgefordert, dem Bundesverwaltungsgericht bekannt zu geben, ob sich die Beschwerde vom 22.01.2019 tatsächlich nur, wie unter Punkt 1. des Schriftsatzes angeführt, gegen die Rückkehrentscheidung laut Spruchpunkt IV. sowie gegen die Zulässigkeit der Abschiebung in den Kosovo laut Spruchpunkt V. oder auch gegen die anderen Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides richtet. Des Weiteren erging die Aufforderung zur Bekanntgabe allfälliger Änderungen im Hinblick auf das Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin.

Hierzu bestätigte der bevollmächtigte Vertreter der Beschwerdeführerin in einer am 17.08.2020 eingebrachten Stellungnahme, dass sich die Beschwerde tatsächlich nur gegen die Spruchpunkte IV. und V. des angefochtenen Bescheides richte. Desweiteren wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin in Österreich in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem Ehemann lebe, zudem hielten sich die Eltern und Geschwister der Beschwerdeführerin in Österreich auf, welchen eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ erteilt worden sei. Es sei daher auf das im Bundesgebiet bestehende Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK sowie auf die langjährige Aufenthaltsdauer und die sprachliche, berufliche und soziale Integration der Beschwerdeführerin in Österreich zu verweisen.

Übermittelt wurden Nachweise über das Einkommen der Beschwerdeführerin und ihres Ehemannes im Zeitraum Mai bis Juli 2020.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die Beschwerdeführerin ist eine volljährige Staatsangehörige des Kosovo mit den im Spruch ersichtlichen Personalien, welche sich zum islamischen Glauben bekennt und muttersprachlich Albanisch spricht. Ihre Identität steht fest.

Die damals minderjährige Beschwerdeführerin reiste im März 2015 gemeinsam mit ihrer Mutter und ihren jüngeren Geschwistern aufgrund ihnen erteilter Einreisetitel gemäß § 35 AsylG 2005 legal in das österreichische Bundesgebiet ein und hält sich seither durchgehend in Österreich auf. Der Vater und die ältere Schwester der Beschwerdeführerin waren zu diesem Zeitpunkt bereits als subsidiär Schutzberechtigte in Österreich aufhältig.

1.2. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsenem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.01.2018 wurde der Antrag auf internationalen Schutz der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Zuerkennung des Status einer Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, dieser gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 34 Abs. 3 iVm Abs. 6 Z 2 AsylG 2005 der Status einer subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und ihr gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt.

Die volljährige Schwester der Beschwerdeführerin, von welcher die Eltern der Beschwerdeführerin und in der Folge auch die Beschwerdeführerin ihren Schutzstatus nach den Bestimmungen des Familienverfahrens ableiteten, ist am 21.02.2019 zusammen mit ihrem Ehemann und dem gemeinsamen minderjährigen Kind freiwillig in den Kosovo zurückgekehrt. Die vor dem Bundesverwaltungsgericht zu den Zahlen G301 2212841-1, G301 2210806-1 und G301 2212837-1 geführten Beschwerdeverfahren über die Aberkennung des Schutzstatus und Ausspruch einer Rückkehrentscheidung wurden in der Folge mit Beschlüssen vom 27.02.2019 gemäß § 24 Abs. 2a AsylG 2005 eingestellt.

Mit Erkenntnissen des Bundesverwaltungsgerichtes vom 16.01.2020, Zahlen G310 2213899-1,

G310 2213894-1, G310 2213898-1 und G310 2213897-1, wurde den Beschwerden der Eltern und der jüngeren Geschwister der Beschwerdeführerin, gegen welche gleichlautende Bescheide des Bundesamtes ergangen waren, Folge gegeben und die angefochtenen Bescheide dahingehend abgeändert, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 9 Abs. 1 bis 3 BVA-VG ist auf Dauer unzulässig sei und den genannten Familienmitgliedern gemäß §§ 55 Abs. 1 iVm 58 Abs. 2 AsylG eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ iSd § 54 Abs. 1 Z 1 AsylG erteilt werde.

1.3. Die Beschwerdeführerin hat am XXXX im Bundesgebiet die standesamtliche Ehe mit einem türkischen Staatsangehörigen geschlossen, welcher auf Grundlage einer „Rot-Weiß-Rot-Karte Plus“ zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt ist und lebt mit diesem seit Oktober 2019 in einer gemeinsamen Mietwohnung. Zuvor lebte sie mit ihren nunmehr zum dauernden Aufenthalt in Österreich berechtigten Eltern und jüngeren Geschwistern in einem gemeinsamen Haushalt, zu welchen unverändert eine enge Bindung besteht.

Die unbescholtene Beschwerdeführerin geht seit März 2018 einer unselbständigen Erwerbstätigkeit als Kassierern in einem Supermarkt nach und ist durch das dadurch laufend erwirtschaftete Einkommen in Höhe von monatlich rund EUR 1.200,- brutto in der Lage, selbständig für ihren Lebensunterhalt aufzukommen. Auch der Ehemann der Beschwerdeführerin ist unselbständig erwerbstätig und erzielte zuletzt ein monatliches Bruttogehalt von rund EUR 2.400,-

Die Beschwerdeführerin hat im April 2016 eine ÖSD-Deutschprüfung auf dem Niveau A2 bestanden und sich einen Freundeskreis im Bundesgebiet aufgebaut. Der Lebensmittelpunkt der Beschwerdeführerin befindet sich zwischenzeitlich in Österreich.

1.4. Die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten sowie die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 sind infolge insofern ungenutzten Ablaufs der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft erwachsen.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin und ihren persönlichen und familiären Verhältnissen ergeben sich aus den dahingehenden Angaben der Beschwerdeführerin vor dem BFA in Zusammenschau mit dem im Original in Vorlage gebrachten kosovarischen Reisepass der Beschwerdeführerin.

Die Feststellungen über den Verfahrensverlauf und die jeweilige aufenthaltsrechtliche Stellung der Beschwerdeführerin und ihrer Angehörigen ergeben sich aus dem unstrittigen Inhalt des vorliegenden Verwaltungsaktes und der Einsichtnahme in das Zentrale Fremdenregister.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2. Die Feststellungen über das aktuelle Familien- und Privatleben der Beschwerdeführerin ergeben sich aus ihren Angaben im Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie den im Verfahren laufend in Vorlage gebrachten Unterlagen zum Beleg der Integrationsbemühungen und der im Bundesgebiet bestehenden Bindungen der Beschwerdeführerin. Die vorgelegten Beweismittel sind in ihrer Gesamtschau schlüssig und nachvollziehbar und waren als Nachweis der Integration der Beschwerdeführerin anzuerkennen.

Die Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit und das dadurch erzielte Einkommen über der Geringfügigkeitsgrenze sind durch die in Vorlage gebrachten aktuellen Lohn- und Gehaltszettel belegt. Die Feststellung über die standesamtliche Eheschließung der Beschwerdeführerin ergibt sich aus der in Vorlage gebrachten Heiratsurkunde, der gemeinsame Wohnsitz mit ihrem Ehegatten ist im Zentralen Melderegister ersichtlich. Die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin sind durch das in Vorlage gebrachte ÖSD-Zertifikat belegt.

Verglichen mit dem Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist insofern eine maßgebliche Änderung bzw. Vertiefung der persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin an einem Verbleib im Bundesgebiet eingetreten, als diese einerseits zwischenzeitlich eine aufrechte Ehe mit einem in Österreich aufenthaltsberechtigten türkischen Staatsangehörigen führt und andererseits in den Verfahren ihrer Eltern und jüngeren Geschwister eine Rückkehrentscheidung für auf Dauer unzulässig erklärt worden ist und diese nunmehr rechtmäßig im Bundesgebiet leben.

2.3. Der Umfang der Beschwerde ergibt sich aus dem Beschwerdeschriftsatz und wurde durch den bevollmächtigten Vertreter der Beschwerdeführerin zuletzt mit Schriftsatz vom 17.08.2020 klargestellt.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die verfahrensgegenständliche Beschwerde richtet sich ausdrücklich ausschließlich gegen die in Spruchpunkt IV. des Bescheides ausgesprochene Rückkehrentscheidung sowie die in Spruchpunkt V. erfolgte Feststellung über die Zulässigkeit der Abschiebung. Die übrigen Spruchteile (Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und Entziehung der befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 9 Abs. 1 und 4 AsylG 2005, Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 erwuchsen demnach mit insofern ungenutztem Ablauf der vierwöchigen Beschwerdefrist in Rechtskraft, sodass sich die folgenden Ausführungen auf die Frage der Rechtmäßigkeit der gegen die Beschwerdeführerin ausgesprochenen Rückkehrentscheidung zu beschränken haben.

Zu Spruchteil A) Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.2. Zur Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung und Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung:

3.2.1. Da der Status der subsidiär Schutzberechtigten der beschwerdeführenden Partei abzuerkennen war, dieser ein Aufenthaltstitel gemäß § 57 AsylG 2005 nicht zu erteilen ist und die Beschwerdeführerin weder begünstigte Drittstaatsangehörige ist, noch aufgrund eines anderen Bundesgesetzes zum Aufenthalt berechtigt ist, lagen die Voraussetzungen für die Prüfung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 4 FPG vor.

3.2.2. Die Zulässigkeit einer Rückkehrentscheidung steht unter dem Vorbehalt des § 9 Abs. 1 BFA-VG, wonach dann, wenn (insbesondere) durch eine Rückkehrentscheidung in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen wird, deren Erlassung (nur) zulässig ist, wenn dies zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Dazu judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen ist (siehe zum Ganzen etwa VwGH 25.1.2018, Ra 2017/21/0218, Rn. 20, mwN).

Bei der Interessenabwägung sind insbesondere die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität, die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert, die Bindungen zum Heimatstaat, die strafgerichtliche Unbescholtenheit, Verstöße gegen das Einwanderungsrecht, Erfordernisse der öffentlichen Ordnung sowie die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren, zu berücksichtigen (vgl. grundlegend etwa VfGH 29.9.2007, B328/07, VfSlg 18223; sowie aus der jüngeren Rechtsprechung VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074, VwGH 18.3.2016, Ra 2015/01/0255; VwGH 15.3.2016, Ra 2016/19/0031; ebenso Ra 2016/19/0032 Ra 2016/19/0034 Ra 2016/19/0033 unter Hinweis auf Stammrechtssatz VwGH 15.12.2015, Ra 2015/18/0265 sowie VwGH 28.4.2014, Ra 2014/18/0146-0149 und 22.7.2011, 2009/22/0183; siehe auch Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention2, 194; Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 9 BFA-VG, K15 bis K30.; Ecker/Ziegelbecker, Die Rückkehrentscheidung in Filzwieser/Taucher [Hrsg.], Jahrbuch Asyl- und Fremdenrecht 2017, 151 bis 215).

Im Rahmen der so gebotenen Interessenabwägung kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter dem Gesichtspunkt der Bindungen zum Heimatstaat (§ 9 Abs. 2 Z 5 BFA-VG) auch der Frage Bedeutung zukommen, ob sich der Fremde bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat eine Existenzgrundlage schaffen kann (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101; siehe darauf bezugnehmend etwa auch VwGH 16.12.2015, Ra 2015/21/0119, 21.12.2017, Ra 2017/21/0135). Ferner judiziert der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass eine in Österreich vorgenommene medizinische Behandlung im Einzelfall zu einer maßgeblichen Verstärkung der persönlichen Interessen eines Fremden an einem Verbleib im Bundesgebiet führen kann. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, ob diese medizinische Behandlung auch außerhalb Österreichs erfolgen bzw. fortgesetzt werden kann (vgl. dazu etwa VwGH 23.3.2017, Ra 2017/21/0004, Rn. 12, mwN; 22.8.2019, Ra 2019/21/0026-8).

Bei einem mehr als zehn Jahre dauernden inländischen Aufenthalt des Fremden ist regelmäßig von einem Überwiegen der persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Nur dann, wenn der Fremde die in Österreich verbrachte Zeit überhaupt nicht genützt hat, um sich sozial und beruflich zu integrieren, sind Aufenthaltsbeendigungen ausnahmsweise auch nach so langem Inlandsaufenthalt noch für verhältnismäßig angesehen (VwGH 16.11.2016, Ra 2016/18/0041 mit Hinweis auf E 30.8.2011, 2008/21/0605; 14.4.2016, Ra 2016/21/0029 bis 0032; 30.6.2016, Ra 2016/21/0165; 4.8.2016, Ra 2015/21/0249 bis 0253-12; 19.12.2019, Ra 2019/21/0185; 15.1.2020, Ra 2017/22/0047).

3.4.3. Die Beschwerdeführerin ist unbescholten und lebt seit rund fünfeinhalb Jahren im Bundesgebiet, wobei sie zunächst infolge ihrer legalen Einreise im März 2015 als Asylwerberin sowie ab Jänner 2018 als subsidiär Schutzberechtigte zum Aufenthalt berechtigt gewesen ist.

Die Beschwerdeführerin hat ihren Aufenthalt zur beruflichen, sprachlichen und sozialen Integration im Bundesgebiet genutzt und hier ein Familienleben begründet:

Die Beschwerdeführerin hat im Jänner 2020 die standesamtliche Ehe mit einem im Bundesgebiet zum Aufenthalt berechtigten türkischen Staatsangehörigen geschlossen, mit welchem sie seit Oktober 2019 in einem gemeinsamen Haushalt lebt und eine familiäre Beziehung im Sinne des Art. 8 EMRK führt.

Zudem leben die Eltern und die beiden jüngeren Geschwister der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, bezüglich derer eine Rückkehrentscheidung jeweils für auf Dauer unzulässig erklärt worden ist und die nunmehr auf Grundlage des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind. Die Beschwerdeführerin lebte mit ihren Eltern und Geschwistern bis Oktober 2019 in einem gemeinsamen Haushalt und steht nach wie vor in einer engen Bindung zu diesen.

Die Beschwerdeführerin zeigte sich hinsichtlich einer berufliche Eingliederung und eigenständigen Bestreitung ihres Lebensunterhaltes bestrebt und hat bereits rund zwei Monate nach Erteilung des Schutzstatus eine unselbständige Erwerbstätigkeit aufgenommen, welche sie nunmehr seit rund zweieinhalb Jahren durchgehend ausübt. Durch das erzielte Einkommen ist die Beschwerdeführerin in der Lage, ihren Lebensunterhalt unabhängig vom Bezug staatlicher Unterstützungsleistungen zu finanzieren. Auch der Ehegatte der Beschwerdeführerin geht einer unselbständigen Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach, mit welcher er ein monatliches Bruttoeinkommen von rund EUR 2.400,- erzielt.

Die Beschwerdeführerin hat sich Kenntnisse der deutschen Sprache angeeignet und im April 2016 eine Deutschprüfung auf dem Niveau A2 erfolgreich abgelegt. Sie hat sich zudem einen Freundes- und Bekanntenkreis im Bundesgebiet aufgebaut.

Aufgrund der bisherigen Lebensumstände der Beschwerdeführerin, ihrer Unbescholtenheit, ihrer aktuellen Selbsterhaltungsfähigkeit, sowie der Eingliederung in ein enges familiäres Netz, ist von einer positiven Zukunftsprognose auszugehen.

Im Herkunftsstaat, in welchem die Beschwerdeführerin bis zum siebzehnten Lebensjahr gelebt und ihre Schulbildung absolviert hat, halten sich die ältere Schwester sowie Tanten und Onkeln der Beschwerdeführerin auf, sodass zwar nach wie vor Bindungen zum Kosovo bestehen, welchen jedoch angesichts des in Österreich geführten Ehelebens, des Aufenthalts ihrer Eltern und jüngeren Geschwister sowie der beruflichen Eingliederung der Beschwerdeführerin gegenüber den in Österreich begründeten Bindungen kein entscheidungsmaßgebliches Gewicht mehr zukommt.

Zwar war sich die Beschwerdeführerin der grundsätzlich befristeten Natur der ihr erteilten Aufenthaltsberechtigung bewusst, jedoch erweist sich ein Privat- und Familienleben, das während befristet erteilter Aufenthaltstitel begründet wird, durchaus als schützenswert; die daraus resultierende Verfestigung ist auch nicht als relativiert anzusehen, wie dies etwa während eines unrechtmäßigen Aufenthalts oder einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG 2005 der Fall wäre (siehe VwGH 8.11.2018, Ra 2018/22/0203).

Aufgrund der seitens der Beschwerdeführerin gesetzten Integrationsschritte sowie des aufrechten Familienlebens mit ihrem Ehemann und den Bindungen zu ihren hier aufenthaltsberechtigten Eltern und jüngeren Geschwistern würde eine Rückkehrentscheidung demnach gesamtbetrachtend einen ungerechtfertigten Eingriff in deren Privat- und Familienleben darstellen.

3.2.4. Wie dargelegt, ist das Interesse der beschwerdeführenden Partei an der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens als schützenswert anzusehen und überwiegt im konkreten Einzelfall die in Art. 8 Abs. 2 EMRK angeführten öffentlichen Interessen. Daher liegen die Voraussetzungen für eine Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005 fallgegenständlich vor. Es beruhen die drohenden Verletzungen des Privat- und Familienlebens auf Umständen, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind.

3.2.5. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn 1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und 2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird. Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist gemäß § 55 Abs. 2 AsylG 2005 eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.

Gemäß der Übergangsbestimmung des Art. 81 Abs. 36 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) gilt das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 IntG als erfüllt, wenn Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a NAG - in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl I 68/2017, d.h. vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bundesgesetzes BGBl I 68/2017, erfüllt haben oder von der Erfüllung ausgenommen waren. Mit dem BGBl I 68/2017 (Titel: Bundesgesetz, mit dem ein Integrationsgesetz und ein Anti-Gesichtsverhüllungsgesetz erlassen, sowie das Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz, das Asylgesetz 2005, das Fremdenpolizeigesetz 2005, das Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 und die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert werden) wurde das Integrationsgesetz erstmalig erlassen, welches für die §§ 1 bis 6 und 17 bis 28 leg. cit. mit 9.6.2017 und für die §§ 7 bis 16 leg. cit. am 01.10.2017 in Kraft trat.

Die Beschwerdeführerin verfügt über ein Deutsch-Zertifikat des ÖSD auf dem Niveau A2 aus April 2016, weshalb sie die Voraussetzung für das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 14a Abs. 4 Z 2 NAG in der Fassung vor dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 68/2017 vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des § 9 IntG BGBl. I Nr. 68/2017 erfüllt hat und insofern die Voraussetzungen für die Erteilung des Aufenthaltstitels „Aufenthaltsberechtigung plus“ vorliegen.

3.2.6. Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Vollständigkeitshalber festzuhalten ist, dass sich der in Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides erfolgte Ausspruch über die Festlegung einer vierzehntägigen Frist für die freiwillige Ausreise, wenn auch dieser vom Umfang der gegenständlichen Beschwerde ausgenommen wurde, angesichts des Wegfalls der Rückkehrentscheidung und des nunmehr rechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin als obsolet erweist.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Grundlegend sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und -0018, aus, dass eine mündliche Verhandlung unterbleiben kann, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa VwGH 23.1.2019, Ra 2018/19/0391, mwN).

Bei der Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen kommt der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Verhandlung besondere Bedeutung zu, und zwar sowohl in Bezug auf die (allenfalls erforderliche) Gefährdungsprognose als auch in Bezug auf die für die Abwägung nach Art. 8 EMRK (sonst) relevanten Umstände. In eindeutigen Fällen, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des Fremden sprechenden Fakten auch dann für ihn kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Verwaltungsgericht von ihm einen (positiven) persönlichen Eindruck verschafft, kann allerdings eine Verhandlung unterbleiben (vgl. etwa VwGH 17.11.2016, Ra 2016/21/0316; 26.1.2017, Ra 2016/21/0233; 29.8.2019, Ra 2017/19/0532, jeweils mwN).

Da unter Berücksichtigung der im Laufe des Beschwerdeverfahrens in Vorlage gebrachten Unterlagen bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass sich der Ausspruch einer Rückkehrentscheidung fallgegenständlich als unzulässig erweist und keine Anhaltspunkte für eine negative Zukunftsprognose bestehen, konnte die zusätzliche Verschaffung eines persönlichen Eindrucks im Rahmen einer mündlichen Beschwerdeverhandlung unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

Aufenthaltsberechtigung plus Deutschkenntnisse Familienleben Integration Interessenabwägung Privat- und Familienleben Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig Selbsterhaltungsfähigkeit Zukunftsprognose

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W212.2213902.1.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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