TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/11 G309 2230143-1

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Veröffentlicht am 11.09.2020
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Entscheidungsdatum

11.09.2020

Norm

Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen §1
BBG §42
BBG §45
B-VG Art133 Abs4

Spruch

G309 2230143-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Ing. Mag. Franz SANDRIESSER als Vorsitzenden, sowie dem Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS und der fachkundigen Laienrichterin Maria HIERZER als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , vertreten durch Mag. Robert PÖSCHL, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten, vom 05.03.2020, OB: XXXX , betreffend der Feststellung, dass die Voraussetzungen für die Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass nicht vorliegen, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 27.08.2020, zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin (im Folgenden: BF) brachte am 16.10.2019 via der Zentralen Poststelle, beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen, Landesstelle Kärnten (im Folgenden: belangte Behörde), einen Antrag auf Ausstellung eines Behindertenpasses („Aufhebung der Befristung“) ein. Dazu brachte die BF verschiedene medizinische Beweismittel (Befunde udgl.) in Vorlage.

2. Im Rahmen des seitens der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungsverfahrens wurden mehrere Sachverständigengutachten eingeholt. XXXX , Facharzt für Orthopädie, vom 26.11.2019, XXXX Dr. XXXX , Facharzt für Innere Medizin, vom 19.02.2020, ein Gutachten auf Grund der Aktenlage vom 25.02.2020, Dr. XXXX , Ärztin für Allgemeinmedizin, sowie eine Gesamtbeurteilung durch den ärztlichen Dienst der belangten Behörde vom 26.02.2020.

3. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 05.03.2020 wurde der Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung“ in den Behindertenpass abgewiesen und diese Entscheidung im Wesentlichen auf die eingeholten ärztlichen Sachverständigengutachten gestützt. Unter einem wurde der beantragte Behindertenpass ausgestellt.

4. Mit Schreiben vom 18.03.2020 erhob die BF binnen offener Frist gegen den Bescheid der belangten Behörde Beschwerde.

5. Die gegenständliche Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) durch die belangte Behörde einlangend mit 03.04.2020 vorgelegt.

6. Am 27.08.2020 führte das BVwG in der Außenstelle Graz eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein der BF, ihres Rechtsvertreters und des Amtssachverständigen XXXX Dr. XXXX durch. Die belangte Behörde hat auf die Teilnahme an der Verhandlung verzichtet. Die Niederschrift der Verhandlung wurde dem Rechtsvertreter der BF im Anschluss ausgefolgt und der belangten Behörde auf elektronischem Wege übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Beschwerdeführerin war im Besitz eines mit 01.02.2020 befristeten Behindertenpasses mit der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung auf einer Behinderung“. Die Beschwerdeführerin ist im Besitz eines unbefristet ausgestellten Behindertenpasses mit einem eingetragenen Grad der Behinderung von 70 (siebzig) von Hundert (v.H.). Die BF ist im Besitz eines am 20.09.2011, unbefristet durch die Bezirkshauptmannschaft XXXX gemäß § 29b Straßenverkehrsordnung (StVO) ausgestellten Parkausweises.

Die BF leidet an einer juvenilen Polyarthritis mit notwendiger Dauertherapie, sowie an einer Funktionseinschränkung mittleren Grade der Wirbelsäule mit Zustand nach Fraktur L2 mit passagerer Spondylodese L1 bis L3 ohne radikuläre Ausfälle.

Eine dauerhafte erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten oder der körperlichen Belastbarkeit oder erhebliche psychische, neurologische oder intellektuelle Einschränkungen bzw. eine schwere anhaltende Immunerkrankung, kann nicht festgestellt werden. Das selbständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Bedingungen sind der BF möglich und zumutbar. Die Voraussetzungen für die Vornahme der Zusatzeintragung „Der Inhaberin des Passes ist die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar“ in den Behindertenpass liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt den vorgelegten Verwaltungsakten und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht in der mündlichen Verhandlung und auf Grund der vorliegenden Akten durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt.

Die Ausführungen des der Verhandlung hinzugezogenen Amtssachverständigen XXXX Dr. XXXX , Arzt für Allgemeinmedizin, sind schlüssig, nachvollziehbar und weisen keine Widersprüche auf. Es wurde auf die Art der Leiden und deren Ausmaß ausführlich eingegangen sowie zu deren Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel Stellung genommen. Der Amtssachverständige kommt im Wesentlichen zu denselben Ergebnissen wie die von der belangten Behörde eingeholten Vorgutachten.

Unbestritten liegt bei der BF im Falle des Auftretens eines akuten Arthritisschubes eine deutliche Immobilität vor, sind diese dann vorliegenden Einschränkungen jedoch nicht als dauerhaft im Sinne des Bundesbehindertengesetzes (BBG) anzusehen. Zudem sind, wie unter der rechtlichen Beurteilung noch ausgeführt wird, bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Wenngleich noch nach (alter) Rechtslage nach dem 01.01.2001 durch die Bezirksverwaltungsbehörden ausgestellten Parkausweise ihre Gültigkeit behalten, bewirkt ein solcher gültiger Parkausweis mangels Rechtsgrundlage nicht die Eintragung der verfahrensgegenständlichen Zusatzeintragung in den Behindertenpass.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 6 BVwGG (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gemäß § 45 Abs. 3 BBG (Bundesbehindertengesetzes) hat in Verfahren auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme von Zusatzeintragungen oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Senat zu erfolgen.

Bei Senatsentscheidungen in Verfahren gemäß § 45 Abs. 3 BBG hat eine Vertreterin oder ein Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung als fachkundige Laienrichterin oder fachkundiger Laienrichter mitzuwirken. Die im § 10 Abs. 1 Z 6 BBG genannte Vereinigung entsendet die Vertreterin oder den Vertreter der Interessenvertretung der Menschen mit Behinderung. Hinsichtlich der Aufteilung des Nominierungsrechtes auf gleichartige Vereinigungen ist § 10 Abs. 2 BBG anzuwenden. Für die Vertreterin oder den Vertreter ist jeweils auch die erforderliche Anzahl von Ersatzmitgliedern zu entsenden.

Gegenständlich liegt somit Senatszuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) geregelt (§ 1 VwGVG).

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG (Bundes-Verfassungsgesetz) die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben ist, den angefochtenen Bescheid auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4 VwGVG) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3 VwGVG) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß
Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

3.2. Zu Spruchteil A):

Unter Behinderung im Sinne des Bundesbehindertengesetzes ist gemäß § 1 Abs. 2 BBG die Auswirkung einer nicht nur vorübergehenden körperlichen, geistigen oder psychischen Funktionsbeeinträchtigung oder Beeinträchtigung der Sinnesfunktionen zu verstehen, die geeignet ist, die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft zu erschweren. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von mehr als voraussichtlich sechs Monaten.

Der Behindertenpass hat den Vornamen sowie den Familien- oder Nachnamen, das Geburtsdatum eine allfällige Versicherungsnummer und den festgestellten Grad der Behinderung oder der Minderung der Erwerbsfähigkeit gemäß § 42 Abs. 1 BBG zu enthalten und ist mit einem Lichtbild auszustatten. Zusätzliche Eintragungen, die dem Nachweis von Rechten und Vergünstigungen dienen, sind auf Antrag des behinderten Menschen zulässig. Die Eintragung ist vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen vorzunehmen.

Gemäß § 45 BBG Abs. 1 sind Anträge auf Ausstellung eines Behindertenpasses, auf Vornahme einer Zusatzeintragung oder auf Einschätzung des Grades der Behinderung unter Anschluss der erforderlichen Nachweise bei dem Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen einzubringen.

Ein Bescheid ist gemäß § 45 Abs. 2 BBG nur dann zu erteilen, wenn einem Antrag gemäß Abs. 1 nicht stattgegeben, das Verfahren eingestellt (§ 41 Abs. 3 BBG) oder der Pass eingezogen wird. Dem ausgestellten Behindertenpass kommt Bescheidcharakter zu.

Gemäß § 1 Abs. 4 Z 3 der Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz über die Ausstellung von Behindertenpässen und von Parkausweisen, ist auf Antrag des Menschen mit Behinderung jedenfalls die Feststellung, dass dem Inhaber/der Inhaberin des Passes die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung nicht zumutbar ist, einzutragen. Die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel ist insbesondere dann nicht zumutbar, wenn das
36. Lebensmonat vollendet ist und

-        erhebliche Einschränkungen der Funktionen der unteren Extremitäten oder

-        erhebliche Einschränkungen der körperlichen Belastbarkeit oder

-        erhebliche Einschränkungen psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten, Funktionen oder

-        eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems oder

-        eine hochgradige Sehbehinderung, Blindheit oder Taubblindheit nach
§ 1 Abs. 4 Z 1 lit. b oder d vorliegen.

Gemäß § 1 Abs. 5 der obig angeführten Verordnung ist die Grundlage für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für die in Abs. 4 genannten Eintragungen erfüllt sind, ein Gutachten eines/einer ärztlichen Sachverständigen des Sozialministeriumservice. Soweit es zur ganzheitlichen Beurteilung der Funktionsbeeinträchtigungen erforderlich erscheint, können Experten/Expertinnen aus anderen Fachbereichen beigezogen werden. Bei der Ermittlung der Funktionsbeeinträchtigungen sind alle zumutbaren therapeutischen Optionen, wechselseitigen Beeinflussungen und Kompensationsmöglichkeiten zu berücksichtigen.

Inhabern und Inhaberinnen eines Behindertenpasses nach dem Bundesbehindertengesetz, die über die Zusatzeintragung "Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" verfügen, ist gemäß § 29b Abs. 1 StVO als Nachweis über die Berechtigungen nach Abs. 2 bis 4 auf Antrag vom Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen ein Ausweis auszufolgen. Die näheren Bestimmungen über diesen Ausweis sind durch Verordnung des Bundesministers für Arbeit, Soziales und Konsumentenschutz zu treffen.

Ausweise, die vor dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 16. November 1976, BGBl. Nr. 655/1976, zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 80/1990, entsprechen, verlieren ihre Gültigkeit mit 31. Dezember 2015. Ausweise, die nach dem 1. Jänner 2001 ausgestellt worden sind und der Verordnung des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie über den Ausweis für dauernd stark gehbehinderte Personen (Gehbehindertenausweisverordnung), BGBl. II Nr. 252/2000, entsprechen, bleiben weiterhin gültig (§ 29b Abs. 6 StVO).

Nach der bis 31.12.2013 geltenden Rechtslage waren die Parkausweise (§ 29b StVO) an eine dauernde starke Gehbehinderung gebunden. Im Gegensatz dazu wurde die Eintragung der Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel im Behindertenpass auch bei anderen schweren Behinderungen eingetragen, wenn diese ebenfalls dazu führten, dass die betroffenen Menschen in ihrer persönlichen Mobilität ähnlich eingeschränkt waren wie stark gehbehinderte Personen. Die Ausstellung solcher Parkausweise wurden durch die Bezirksverwaltungsbehörden (Bezirkshauptmannschaften, Magistrate) besorgt, die Ausstellung der Behindertenpässe durch das Sozialministeriumsservice (Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen).

Mit 01.01.2014 hat der Gesetzgeber zur Vereinheitlichung der Voraussetzungen für die Ausstellung der Parkausweise die Voraussetzungen in der Straßenverkehrsordnung insofern modifiziert, als die Voraussetzungen nunmehr von der "Unzumutbarkeit der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauerhafter Mobilitätseinschränkung aufgrund einer Behinderung" und deren Eintrag in dem Behindertenpass abhängig gemacht wurde, und solche Parkausweise nunmehr auch über Antrag auch durch das Sozialministeriumsservice ausgestellt werden.

Sofern nicht die Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel auf Grund der Art und der Schwere der Gesundheitsschädigung auf der Hand liegt, bedarf es in einem Verfahren über einen Antrag auf Vornahme der Zusatzeintragung „Unzumutbarkeit der Benützung öffentlicher Verkehrsmittel wegen dauernder Gesundheitsschädigung“ regelmäßig eines ärztlichen Sachverständigengutachtens, in dem die dauernde Gesundheitsschädigung und ihre Auswirkungen auf die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel in nachvollziehbarer Weise dargestellt werden (vgl. etwa VwGH 18.12.2006, Zl. 2006/11/0211; VwGH 20.04.2004, Zl. 2003/11/0078 ua.).

Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches Gutachten, dann ist es nach Ansicht des VwGH an ihr gelegen, auf gleichem fachlichen Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Anbietung von tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind (VwGH vom 20.10.1978, 1353/78). Eine Partei kann ein Sachverständigengutachten nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn sie unter präziser Darstellung der gegen die Gutachten gerichteten sachlichen Einwände ausdrücklich erklärt, dass sie die Einholung eines weiteren Gutachtens bestimmter Fachrichtung zur vollständigen Ermittlung des Sachverhaltes für erforderlich halte und daher einen Antrag auf Beiziehung eines weiteren Sachverständigen stellt (VwGH vom 23.11.1978, GZ 0705/77).

Es war aus folgenden Gründen spruchgemäß zu entscheiden:

Die Leiden der BF bewirken nachvollziehbar eine Einschränkung der Mobilität. Eine erhebliche Einschränkung der Funktion der unteren Extremitäten, eine erhebliche Einschränkung der körperlichen Belastbarkeit, eine erhebliche Einschränkung psychischer, neurologischer oder intellektueller Fähigkeiten oder eine schwere anhaltende Erkrankung des Immunsystems, konnten jedoch nicht dauerhaft vorliegend festgestellt werden. Der BF ist das selbständige Zurücklegen einer kurzen Wegstrecke, das Ein- und Aussteigen ohne fremde Hilfe und der sichere Transport in einem öffentlichen Verkehrsmittel unter den üblichen Bedingungen möglich und zumutbar.

Es war daher die Beschwerde gegen den im Spruch angeführten Bescheid als unbegründet abzuweisen.

3.3. Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG) hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzlicher Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung. Weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die Zulassung der Revision war gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zudem zu verneinen, weil die gegenständliche Entscheidung in Wesentlichen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, sondern von Tatsachenfragen. Maßgebend ist das festgestellte Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigungen.

Schlagworte

Behindertenpass Sachverständigengutachten Zumutbarkeit Zusatzeintragung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G309.2230143.1.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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