TE Bvwg Erkenntnis 2020/9/16 W279 2232695-1

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Veröffentlicht am 16.09.2020
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Entscheidungsdatum

16.09.2020

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art133 Abs4
FPG §76 Abs2 Z2
VwGVG §35

Spruch

W279 2232695-1/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Kamerun, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.06.2020, Zl. XXXX , sowie die erfolgte Anhaltung des Beschwerdeführers in Schubhaft von 27.06.2020 bis 06.07.2020, zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 27.06.2020 wird gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen und die Anhaltung in Schubhaft von 27.06.2020 bis 06.07.2020 für rechtmäßig erklärt.

II. Der Beschwerdeführer hat gemäß § 35 VwGVG dem Bund (Bundesminister für Inneres) den Verfahrensaufwand in Höhe von 426,20 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Beschwerdeführers auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer (BF) reiste am 25.06.2020 mit dem Zug aus XXXX , Deutschland, in das Bundesgebiet ein. Am 27.06.2020 um 07.00 Uhr wurde er von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes angehalten, kontrolliert, mangels Vorlage von Personaldokumenten festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum (PAZ) Hernalser Gürtel eingeliefert.

2. Am 27.06.2020 wurde der BF vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) bezüglich einer möglichen Schubhaftverhängung niederschriftlich in der Sprache Englisch einvernommen.

Er gab an, XXXX zu heißen und am XXXX im Dorf XXXX in XXXX in der Provinz Southwest Region Kamerun geboren zu sein. Er habe seine Mutter in Kamerun besuchen und anschließend wieder zurückkehren wollen. Reisepass habe er keinen, lediglich eine Kopie des abgelaufenen Passes. Er habe nach Budapest reisen wollen, um von dort nach Kamerun zu gelangen. In Deutschland habe er eine Ausbildung als Koch gemacht. Er lebe in XXXX in einem Haus, habe keine Kinder und sei nicht verheiratet. Seine Eltern, seine Schwester und ein Bruder würden nach wie vor in Kamerun leben.

Er verfüge über etwa 9.500 Euro in bar, dieses Geld sei ihm jedoch von der Polizei abgenommen worden.

Der BF verfügt über eine deutsche Duldungskarte.

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid wurde über den BF die Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) iVm § 57 AVG zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Festgestellt wurde, dass der BF illegal nach Österreich eingereist sei und sich illegal in Österreich aufhalte, jedoch eine deutsche Duldungskarte, gültig bis 04.11.2020, besitze. Er besitze kein gültiges Reisedokument und habe keinen ordentlichen Wohnsitz in Österreich. Darüber hinaus sei er in keinster Weise integriert und verfüge weder über soziale noch familiäre oder berufliche Anknüpfungspunkte. Es sei zu befürchten, dass der BF untertauchen und sich den Grenzkontrollen zu entziehen versuchen würde. Er halte sich seit zwei Tagen, ohne eine Adresse gemeldet zu habe, im Bundesgebiet auf.

4. Mit Bescheid vom 02.07.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 Asylgesetz 2005 (AsylG) nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gem. § 61 Abs. 1 Z 2 FPG eine Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet. Eine Abschiebung nach Deutschland sei gem. § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

Da das Asylverfahren des BF in Deutschland bereits rechtskräftig abgeschlossen worden sei, sei die Dublin-III Verordnung nicht mehr anwendbar. Es existiere jedoch ein Rücknahmeübereinkommen zwischen der Republik Österreich und Deutschland.

5. Mit Schreiben vom 03.07.2020 erhob der BF fristgerecht das Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid gem. § 22a BFA-VG und brachte vor, dass er seine Dokumente in Deutschland habe erneuern und danach weiterreisen wollen. Da ihm das in XXXX nicht möglich gewesen sei, habe er es in einer größeren deutschen Stadt versuchen wollen. Er habe irrtümlicherweise angenommen, dass Wien zu Deutschland gehöre. In Wien habe er sich sodann an die Polizei gewandt, die ihn an die MA 62 verwiesen habe.

Weiters wurde angemerkt, dass sich der BF zwar rechtswidrig in Österreich befinde, er wäre jedoch gem. § 52 Abs. 6 FPG aufzufordern gewesen, sich in das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaates zu begeben, von welchem er in Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung sei. Erst wenn der BF seiner Ausreiseentscheidung nicht nachkomme oder seine sofortige Ausreise aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich sei, sei die Erlassung einer Rückkehrentscheidung zulässig. Ein solches Verhalten sei nicht zu erkennen. Es liege zudem keine Fluchtgefahr vor. Der BF habe aus eigenem zwei Mal die Polizei aufgesucht und habe Kontakt mit der MA 62 aufgenommen. Der BF sei zum Zeitpunkt seiner Festnahme erst zwei Tage im Bundesgebiet aufhältig gewesen. Da eine Meldung innerhalb von drei Tagen vorzunehmen sei, habe er seine Meldeverpflichtung nicht verletzen können. Selbst unter der Annahme der Fluchtgefahr hätte die Behörde von einem gelinderen Mittel Gebrauch machen müssen, zudem der BF im Besitz von etwa 9.500 Euro sei und damit eine finanzielle Sicherheitsleistung hätte hinterlegen können.

6. Mit Schriftsatz vom 06.07.2020 brachte das BFA eine Stellungnahme zur Schubhaftbeschwerde ein. Ausgeführt wurde, dass mit Deutschland ein Konsultationsverfahren zwecks Rücküberstellung eingeleitet worden sei, eine Antwort sei jedoch noch ausständig. Die von der Bundesrepublik Deutschland ausgestellte Duldungskarte stelle nach Ansicht des BFA keinen Aufenthaltstitel dar und sei dies auf der Karte auch dezidiert angeführt. Der BF verfüge über keinen Aufenthaltstitel und keine Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, weshalb der Grenzübertritt in das österreichische Bundesgebiet illegal erfolgt sei. Eine legale Rückreise nach Deutschland sei mit der Duldungskarte nicht möglich. Aufgrund des laufenden Konsultationsverfahrens mit Deutschland sei am 06.07.2020, ein Mandatsbescheid hinsichtlich eines gelinderen Mittels gem. § 77 FPG (tägliche Meldeverpflichtung) erlassen worden.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde vom 03.07.2020 gegen den angefochtenen Schubhaftbescheid des BFA vom 27.06.2020, sowie der Einsicht in den bezughabenden Verwaltungsakt werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zu Grunde gelegt:

1.1      Zur Person des BF:

Der BF reiste am 25.06.2020 illegal mit dem Zug von XXXX , Deutschland, nach Österreich ein. Am 27.06.2020 wurde der BF im Rahmen einer fremdenrechtlichen Kontrolle angehalten, mangels identitätsnachweisendem Dokument festgenommen und in das PAZ XXXX gebracht.

Der BF verfügt über eine Duldungskarte der Bundesrepublik Deutschland, Nr. XXXX , befristet bis 04.11.2020.

Der BF befand sich von 27.06.2020 bis 06.07.2020 in Schubhaft und wurde am 06.07.2020 in ein gelinderes Mittel gem. § 77 FPG (periodische Meldeverpflichtung) entlassen.

Mit Bescheid vom 02.07.2020 wurde dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gem. § 61 Abs. 1 Z 2 FPG eine Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet. Eine Abschiebung nach Deutschland ist gem. § 61 Abs. 2 FPG zulässig.

1.2 Zur Fluchtgefahr des BF und der Verhältnismäßigkeit der Schubhaftverhängung

Es wird festgestellt, dass der BF zum Zeitpunkt der Anordnung der Schubhaft in Österreich keiner ordentlichen Beschäftigung nachgegangen ist. Eine familiäre, berufliche oder soziale Verankerung des BF im Bundesgebiet kann nicht festgestellt werden. Er verfügt über 9.500 Euro in bar.

Darüber hinaus kam der BF seiner Meldeverpflichtung nicht nach und verfügte über keinen gesicherten Wohnsitz.

Der BF war zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft haftfähig. Es gibt keine stichhaltigen Hinweise für substanzielle gesundheitliche Probleme körperlicher oder psychischer Natur.

Das erkennende Gericht stellt fest, dass für den BF eine konkrete Fluchtgefahr gegeben und die Verhängung der Schubhaft verhältnismäßig war. Aufgrund des Verhaltens des BF und dem daraus folgenden, überwiegenden öffentlichen Interesse an der Aufenthaltsbeendigung war im gegenständlichen Fall von einem erhöhten Sicherungsbedarf auszugehen.

2        Beweiswürdigung:

Die Feststellungen hinsichtlich der illegalen Einreise, der Festnahme sowie der Verbringung des BF in das PAZ XXXX ergeben sich aus der Anzeige der Landespolizeidirektion (LPD) Wien vom 27.06.2020.

Die Feststellung, dass der BF eine Duldungskarte der Bundesrepublik Deutschland besitzt, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Kopie der Karte.

Dass sich der BF von 27.06.2020 bis 06.07.2020 in Schubhaft befunden hat und am 06.07.2020 in ein gelinderes Mittel entlassen wurde, ergibt sich einerseits aus einem Auszug aus der Anhaltedatei und andererseits aus der Stellungnahme des BFA vom 06.07.2020.

Die Feststellung, dass dem BF mit Bescheid vom 02.07.2020 ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt und eine Anordnung zur Außerlandesbringung angeordnet wurde, ergibt sich aus der im Akt einliegenden Kopie des Bescheides.

Die Feststellung, dass der BF keiner ordentlichen Beschäftigung im Bundesgebiet nachgegangen ist, ergibt sich aus der Tatsache, dass er sich vor seiner Inschubhaftnahme lediglich zwei Tage im Bundesgebiet aufgehalten hat und nichts Diesbezügliches vorbrachte. Dass der BF im Bundesgebiet weder sozial, familiär noch beruflich verankert ist, ergibt sich aus dessen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme. Der BF gab an, in Österreich keine Familienangehörigen zu haben. Seine Eltern, seine Schwester und ein Bruder würden in Kamerun, eine Tante in Berlin wohnen (AS 95).

Dass der BF über Barmittel in Höhe von 9.500 Euro verfügt, ergibt sich aus seinen eigenen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme (AS 97).

Die Feststellung, dass der BF seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen ist und über keinen gesicherten Wohnsitz verfügte, ergibt sich aus den Angaben des BF in der Beschwerdeschrift. So gab er an, dass er am Bahnhof übernachtet habe (AS 255).

Konkrete Fluchtgefahr war gegeben, da die angestrebten Reisebewegungen des BF unklar waren und der BF für die Behörde nicht greifbar war.

Der BF gab in der niederschriftlichen Einvernahme an, dass er in Österreich lediglich auf der Durchreise gewesen sei und weiter nach Budapest haben fahren wollen, um sich dort Hilfe für eine Reise zu seiner Mutter nach Kamerun zu suchen. In der Beschwerdeschrift wurde jedoch widersprüchlich dazu vorgebracht, dass der BF seine Dokumente habe erneuern wollen, was in XXXX nicht möglich gewesen sei, weshalb er in eine größere deutsche Stadt habe fahren wollen. Irrtümlicherweise habe er geglaubt, dass Wien zu Deutschland gehöre.

Wenn zudem in der Beschwerde angegeben wird, dass der BF nicht gegen seine Meldeverpflichtung verstoßen habe, da er sich innerhalb von drei Tagen zu melden habe und er sich lediglich zwei Tage im Bundesgebiet befunden hat, so ist anzumerken, dass der BF aufgrund seiner Reiseintention und der Tatsache, dass er über keine meldefähige Adresse verfügt hat, offensichtlich nicht die Absicht hatte, sich ordnungsgemäß zu melden.

Darüber hinaus ist unklar, wieso der BF Barmittel in der Höhe von 9.500 Euro mit sich führte, wenn er lediglich seine Dokumente habe erneuern wollen.

Aufgrund der ungeklärten, diversen Reisebewegungen sowie der widersprüchlichen Angaben diesbezüglich war von Seiten des BFA von Fluchtgefahr auszugehen.

Hinweise auf schwerwiegende, gesundheitliche Probleme des BF sowie eine mögliche Haftunfähigkeit sind im gesamten Verfahren nicht hervorgekommen und wurden insbesondere auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht vom BF behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Zu Spruchteil A. – Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft

3.1. Gesetzliche Grundlagen

Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des FPG, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:

„§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c.es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.“

Der mit „Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft“ überschriebene § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes lautet:

㤠22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig.“

§ 77 Gelinderes Mittel:

Gemäß § 77 Abs. 1 FPG hat das Bundesamt bei Vorliegen der in § 76 genannten Gründe gelindere Mittel anzuordnen, wenn es Grund zur Annahme hat, dass der Zweck der Schubhaft durch Anwendung des gelinderen Mittels erreicht werden kann. Gegen mündige Minderjährige hat das Bundesamt gelindere Mittel anzuwenden, es sei denn bestimmte Tatsachen rechtfertigen die Annahme, dass der Zweck der Schubhaft damit nicht erreicht werden kann; diesfalls gilt § 80 Abs. 2 Z 1 FPG.

Gemäß § 77 Abs. 2 FPG ist Voraussetzung für die Anordnung gelinderer Mittel, dass der Fremde seiner erkennungsdienstlichen Behandlung zustimmt, es sei denn, diese wäre bereits aus dem Grunde des § 24 Abs. 1 Z 4 BFA-VG von Amts wegen erfolgt.

Gemäß § 77 Abs. 3 FPG sind gelindere Mittel insbesondere die Anordnung, (Z 1) in vom Bundesamt bestimmten Räumen Unterkunft zu nehmen, (Z 2) sich in periodischen Abständen bei einer Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden oder (Z 3) eine angemessene finanzielle Sicherheit beim Bundesamt zu hinterlegen.

Kommt der Fremde gemäß § 77 Abs. 4 FPG seinen Verpflichtungen nach Abs. 3 nicht nach oder leistet er ohne ausreichende Entschuldigung einer ihm zugegangenen Ladung zum Bundesamt, in der auf diese Konsequenz hingewiesen wurde, nicht Folge, ist die Schubhaft anzuordnen. Für die in der Unterkunft verbrachte Zeit gilt § 80 mit der Maßgabe, dass die Dauer der Zulässigkeit verdoppelt wird.

Gemäß § 77 Abs. 5 FPG steht die Anwendung eines gelinderen Mittels der für die Durchsetzung der Abschiebung erforderlichen Ausübung von Befehls- und Zwangsgewalt nicht entgegen. Soweit dies zur Abwicklung dieser Maßnahmen erforderlich ist, kann den Betroffenen aufgetragen werden, sich für insgesamt 72 Stunden nicht übersteigende Zeiträume an bestimmten Orten aufzuhalten.

Gemäß § 77 Abs. 6 FPG hat sich zur Erfüllung der Meldeverpflichtung gemäß Abs. 3 Z 2 der Fremde in periodischen, 24 Stunden nicht unterschreitenden Abständen bei einer zu bestimmenden Dienststelle einer Landespolizeidirektion zu melden. Die dafür notwendigen Angaben, wie insbesondere die zuständige Dienststelle einer Landespolizeidirektion sowie Zeitraum und Zeitpunkt der Meldung, sind dem Fremden vom Bundesamt mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Eine Verletzung der Meldeverpflichtung liegt nicht vor, wenn deren Erfüllung für den Fremden nachweislich nicht möglich oder nicht zumutbar war.

Gemäß § 77 Abs. 7 FPG können die näheren Bestimmungen, welche die Hinterlegung einer finanziellen Sicherheit gemäß Abs. 3 Z 3 regeln, der Bundesminister für Inneres durch Verordnung festlegen.

Gemäß § 77 Abs. 8 FPG ist das gelindere Mittel mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Bescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

Gemäß § 77 Abs. 9 FPG können die Landespolizeidirektionen betreffend die Räumlichkeiten zur Unterkunftnahme gemäß Abs. 3 Z 1 Vorsorge treffen.

3.2 Zur Judikatur:

Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).

Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).

Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).

„Die Entscheidung über die Anwendung gelinderer Mittel iSd § 77 Abs. 1 FrPolG 2005 ist eine Ermessensentscheidung. Auch die Anwendung gelinderer Mittel setzt das Vorliegen eines Sicherungsbedürfnisses voraus. Fehlt ein Sicherungsbedarf, dann darf weder Schubhaft noch ein gelinderes Mittel verhängt werden. Insoweit besteht kein Ermessensspielraum. Der Behörde kommt aber auch dann kein Ermessen zu, wenn der Sicherungsbedarf im Verhältnis zum Eingriff in die persönliche Freiheit nicht groß genug ist, um die Verhängung von Schubhaft zu rechtfertigen. Das ergibt sich schon daraus, dass Schubhaft immer ultima ratio sein muss (Hinweis E 17.03.2009, 2007/21/0542; E 30.08.2007, 2007/21/0043). Mit anderen Worten: Kann das zu sichernde Ziel auch durch die Anwendung gelinderer Mittel erreicht werden, dann wäre es rechtswidrig, Schubhaft zu verhängen; in diesem Fall hat die Behörde lediglich die Anordnung des gelinderen Mittels vorzunehmen (Hinweis E 28.05.2008, 2007/21/0246). Der Ermessenspielraum besteht also für die Behörde nur insoweit, als trotz eines die Schubhaft rechtfertigenden Sicherungsbedarfs davon Abstand genommen und bloß ein gelinderes Mittel angeordnet werden kann. Diesbezüglich liegt eine Rechtswidrigkeit nur dann vor, wenn die eingeräumten Grenzen des Ermessens überschritten wurden, also nicht vom Ermessen im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht wurde“ (VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, vgl. auch VwGH vom 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

„Je mehr das Erfordernis, die Effektivität der Abschiebung zu sichern, auf der Hand liegt, umso weniger bedarf es einer Begründung für die Nichtanwendung gelinderer Mittel. Das diesbezügliche Begründungserfordernis wird dagegen größer sein, wenn die Anordnung gelinderer Mittel naheliegt. Das wurde in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes insbesondere beim Vorliegen von gegen ein Untertauchen sprechenden Umständen, wie familiäre Bindungen oder Krankheit, angenommen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 22.05.2007, Zl. 006/21/0052, und daran anknüpfend das Erkenntnis vom 29.04.2008, Zl. 2008/21/0085; siehe auch die Erkenntnisse vom 28.02.2008, Zl. 2007/21/0512, und Zl. 2007/21/0391) und wird weiters auch regelmäßig bei Bestehen eines festen Wohnsitzes oder ausreichender beruflicher Bindungen zu unterstellen sein. Mit bestimmten gelinderen Mitteln wird man sich insbesondere dann auseinander zu setzen haben, wenn deren Anordnung vom Fremden konkret ins Treffen geführt wird“ (VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0008).

3.3 Der BF besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft, er ist daher Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Er ist volljährig und in Österreich weder Asylberechtigter noch subsidiär Schutzberechtigter, weshalb die Anordnung der Schubhaft über den BF grundsätzlich – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – möglich ist. Voraussetzung für die Verhängung der Schubhaft gem. § 76 Abs. 2 Z 2 FPG ist das Vorliegen eines Sicherungsbedarfes, das Bestehen von Fluchtgefahr sowie die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft. Zur Sicherung der Abschiebung kommt Schubhaft darüber hinaus nur dann in Betracht, wenn die Abschiebung auch tatsächlich im Raum steht.

3.4 Im vorliegenden Fall wurde Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bzw. zur Erlassung einer Anordnung zur Außerlandesbringung und zur Sicherung der Abschiebung angeordnet. Mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück des FPG (Anordnung zur Außerlandesbringung gem. § 61 FPG) war zu rechnen, zumal diese mittels Bescheid am 02.07.2020 erlassen wurde. Auch mit der Abschiebung des BF nach Deutschland war aufgrund des Rückübernahmeübereinkommens und des am 03.07.2020 eingeleiteten Konsultationsverfahrens mit Deutschland zu rechnen.

Der BF wurde aufgrund des eingeleiteten Konsultationsverfahren mit Deutschland und dem damit einhergehenden Fristende für eine Beantwortung der Anfrage am 18.07.2020 am 06.07.2020 aus der Schubhaft in ein gelinderes Mittel gem. § 77 FPG (periodische Meldeverpflichtung) entlassen.

Bezüglich der Fluchtgefahr führte das BFA im angefochtenen Bescheid begründend insbesondere aus, dass diese gegeben sei, da der BF lediglich eine deutsche Duldungskarte besitze, die ihn nicht zu Reisen in der EU ermächtige. Dennoch sei er nicht rechtmäßig in das österreichische Bundesgebiet eingereist und sei seiner Meldeverpflichtung nicht nachgekommen. Er verfüge über keine soziale, familiäre oder berufliche Verankerung in Österreich. Da er nicht legal reisen könne, sei zu befürchten, dass er im Bundesgebiet untertauchen und sich so den Grenzkontrollen zu entziehen versuchen würde.

Bei der Beurteilung der Fluchtgefahr ist gemäß § 76 Abs. 3 Z 9 FPG der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes zu berücksichtigen. Der BF verfügte über keine sozialen, familiären oder beruflichen Verankerungen im Bundesgebiet. Er ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und war in Österreich weder gemeldet noch verfügte er über einen gesicherten Wohnsitz.

Bei der Beurteilung des Sicherungsbedarfes ist das gesamte Verhalten des BF vor Anordnung der Schubhaft sowie seine familiäre, soziale und berufliche Verankerung im Inland in einer Gesamtbetrachtung zu berücksichtigen.

In Zusammenschau mit seinen nicht geklärten Reisebewegungen und der Tatsache, dass der BF nicht legal reisen kann und somit die Gefahr des Untertauchens für die Umgehung der Grenzkontrollen gegeben ist, ist die Behörde berechtigterweise von einer Fluchtgefahr, die die Verhängung einer Schubhaft rechtfertigt, ausgegangen.

3.5. Als weitere Voraussetzung ist die Verhältnismäßigkeit der angeordneten Schubhaft zu prüfen. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen.

Der BF verletzte seine Meldeverpflichtung, verfügte über keinen gesicherten Wohnsitz und ging keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet, und verfügte über keine sozialen, familiären oder beruflichen Anknüpfungspunkte. Zudem war mit Fluchtgefahr des BF zu rechnen, da dieser lediglich über eine Duldungskarte der Bundesrepublik Deutschland verfügte und mit dieser nicht legal reisen konnte. Es war daher mit dem Untertauchen des BF zu rechnen.

Insgesamt kommt den persönlichen Interessen des BF daher ein geringerer Stellenwert zu als dem öffentlichen Interesse an der Sicherung seiner Aufenthaltsbeendigung. Der BF hat bereits in der Vergangenheit gezeigt, dass er die ihn treffenden Verpflichtungen nicht einhält und illegal innerhalb Europas herumzureisen versucht. Im Verfahren liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass er dieses Verhalten in Zukunft unter Berücksichtigung der bevorstehenden Abschiebung ändern wird.

Die angeordnete Schubhaft erfüllte daher auch das Kriterium der Verhältnismäßigkeit.

3.6. Die Prüfung, ob ein gelinderes Mittel im Sinne des § 77 FPG den gleichen Zweck wie die angeordnete Schubhaft erfüllt, führt zu dem Ergebnis, dass ein gelinderes Mittel zu Recht nicht zur Anwendung kam.

Auf Grund des vom BF in der Vergangenheit gezeigten Verhaltens – insbesondere der Tatsache, dass der BF gegen seine Meldeverpflichtung verstoßen hat, keinen aufrechten Wohnsitz im Bundesgebiet hatte, trotz lediglicher Duldung in Deutschland unrechtmäßig in das Bundesgebiet einreiste und angab, nach Budapest reisen zu wollen, war mit einer erheblichen Fluchtgefahr und dem Untertauchen des BF zu rechnen, weshalb mit einem gelinderen Mittel iSd § 77 FPG nicht das Auslangen gefunden werden konnte.

Aufgrund der mangelnden Bereitschaft, sich an österreichische Gesetze zu halten und der Verletzung seiner Meldeverpflichtung hat sich der BF als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Die Möglichkeit der Auferlegung von in § 77 Abs. 3 vorgesehenen Aufenthalts- und Meldepflichten erscheint dem erkennenden Gericht vor dem Hintergrund des durch das bisherige Verhalten des BF begründeten konkreten Risikos des Abtauchens seiner Person kein probates Sicherungsmittel gewesen zu sein.

3.1.7. Die hier zu prüfende Schubhaft stellte eine „ultima ratio“ dar, da sowohl ein Sicherungsbedarf als auch Verhältnismäßigkeit vorlagen und ein gelinderes Mittel nicht den Zweck der Schubhaft erfüllte. Das Verfahren hat keine andere Möglichkeit ergeben, eine gesicherte Außerlandesbringung des BF zu gewährleisten. Zu dem Zeitpunkt, als das Konsultationsverfahren mit Deutschland eingeleitet worden war und die Abschiebung gesichert erschien, wurde der BF aus der Schubhaft entlassen.

Die Beschwerde war daher gemäß § 76 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchteil A. – Spruchpunkte II. und III. – Kostenersatz

Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der BF die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom BF vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der BF die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

Die belangte Behörde ist auf Grund der Abweisung der Beschwerde obsiegende Partei, weshalb sie Anspruch auf Kostenersatz im beantragten Umfang hat. Dem BF gebührt als unterlegener Partei kein Kostenersatz.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Fluchtgefahr gelinderes Mittel Haftfähigkeit Interessenabwägung Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Meldeverpflichtung Meldeverstoß öffentliche Interessen Rückkehrentscheidung Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Untertauchen Verhalten Verhältnismäßigkeit Wohnsitz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W279.2232695.1.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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