Entscheidungsdatum
24.09.2020Norm
B-VG Art133 Abs4Spruch
W 136 2230164-1/7E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Brigitte HABERMAYER-BINDER über die Beschwerde des XXXX , geboren am XXXX , gegen den Bescheid des Militärkommandos Burgenland vom 18.02.2020, GZ XXXX -MilKdo B/Kdo/ErgAbt/2019 (4), betreffend Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
1. Der Beschwerdeführer (BF) wurde mit Beschluss der Stellungskommission Wien vom 26.06.2015 für tauglich befunden und gab am selben Tag eine Zivildiensterklärung ab.
2. Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 13.07.2015 wurde der Eintritt der Zivildienstpflicht des BF mit 26.06.2015 festgestellt und mit Bescheid derselben Behörde vom 29.01.2018 wurde der BF der Caritas der Diözese XXXX für den Zeitraum 01.04.2018 bis 31.12.2018 zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes zugewiesen. Antragsgemäß wurde der BF mit Bescheid bis zum 30.11.2018 von der Verpflichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes befreit.
Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 12.11.2018 wurde der BF zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes für den Zeitraum 01.02.2019 bis 31.10.2019 zugewiesen. Da der BF den ordentlichen Zivildienst nicht angetreten hatte, wurde dieser Zuweisungsbescheid am 01.07.2019 gemäß § 22 Abs. 1a ZDG behoben. Mit Schreiben vom 23.07.2019 erhob der BF eine Beschwerde, welche mit Beschwerdevorentscheidung der Zivildienstserviceagentur vom 29.07.2019 abgewiesen wurde.
Mit Bescheid der Zivildienstserviceagentur vom 08.08.2019 wurde gemäß § 6 Abs. 1 und 2 ZDG festgestellt, dass aufgrund einer Widerrufserklärung des BF vom 06.08.2019 seine Zivildienstflicht mit gleichem Tag erloschen sei.
3. Mit Antrag vom 28.10.2019 ersuchte der BF um Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes aus wirtschaftlichen und familiären Interessen und brachte dazu im Wesentlichen Folgendes vor:
Aufgrund des schlechten Gesundheitszustandes des Vaters des BF und Eigentümers des Unternehmens XXXX sei der BF als gewerberechtlicher Geschäftsführer ausgebildet und herangezogen worden. Der BF sei seit September 2013 im Familienunternehmen beschäftigt, habe die Lehren als Elektro-, Gebäudetechniker und Bürokaufmann absolviert sowie die Berufsreifeprüfung und die Befähigungsprüfung im Bereich Elektrotechnik abgelegt. Im Juni 2017 habe er den Bereich der Elektrotechnik als verantwortlicher Abteilungsleiter übernommen. Die Übertragung der Geschäftsführung sei am 03.12.2018 erfolgt. Seit fast zwei Jahren sei er zusätzlich zu den elektrotechnischen Aufgabenbereichen für Personalagenden, Kundentermine und Arbeitsentwicklung auch in anderen Teilbereichen der Firma zuständig. Eine wirtschaftliche Weiterführung des Unternehmens und die Ausbildung eines Lehrlings sei ohne seine Person nicht ohne wirtschaftlichen Schaden umsetzbar.
4. Mit Schreiben vom 06.11.2019 erläuterte der BF den Krankheitsverlauf seines Vaters und legte dazu fachärztliche Befunde und den Behindertenausweis des Vaters bei. Der ärztlichen Begutachtung der vorgelegten Befunde vom 20.12.1019 ist zu entnehmen, dass der Vater des BF insulinpflichtiger Diabetiker sei und an diabetischen Folgekrankheiten leide. Daher könne angenommen werden, dass es Einschränkungen für den Arbeitsablauf gebe, jedoch könne nicht beurteilt werden, welche Einschränkungen und Beschwerden durch die Folgekrankheit derzeit bestehen würden.
5. Mit Schreiben des Militärkommandos Burgenland (belangte Behörde) vom 06.11.2019 wurde die Wirtschaftskammer Burgenland und der Magistrat XXXX hinsichtlich des Antrages des BF auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 ersucht, Angaben einerseits zum Unternehmen und zu den Aufgaben des BF im Unternehmensbetrieb und andererseits allgemein zum BF, zu allen im gemeinsamen Haushalt mit dem BF lebenden Personen sowie zu den Familienangehörigen des BF zu machen. Die Wirtschaftskammer kam diesem Ersuchen mit Schreiben vom 09.12.2019 nach und hielt darin zusammenfassend fest, dass sie das Ansuchen des BF als gerechtfertigt ansehe und mit Nachdruck die Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 befürworte. Auch der Magistrat XXXX übermittelte der belangten Behörde mit Schreiben vom 29.11.2019 ein Antwortschreiben zum Erhebungsbogen.
6. Am 15.01.2020 wurde der BF vom Ergebnis der Beweisaufnahme zu seinem Antrag vom 28.10.2019 auf gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes verständigt und ihm die Möglichkeit der Abgabe einer Stellungnahme eingeräumt.
In seiner diesbezüglichen Stellungnahme vom 31.01.2020 führte der BF aus, dass sein Vater sämtliche Funktionen in der Wirtschaftskammer und im Wirtschaftsparlament zurückgelegt habe und mit 31.01.2020 die Geschäftsführung der XXXX abgegeben habe. Daraufhin wurde er, der BF, am 01.02.2020 als alleiniger Geschäftsführer der XXXX bestellt. Der Stellungnahme wurden ein Gesellschafterbeschluss vom 31.01.2020 und ein Rücktrittsschreiben des Vaters des BF an die Wirtschaftskammer vom 27.01.2020 beigelegt. Ergänzend machte der BF in einem weiteren Schreiben vom 11.02.2020 spezifische Angaben zum Unternehmen. Darin gab er unter anderem an, dass die Prokura seiner Eltern ausschließlich Vertretungszwecken seiner Person im Falle seiner Abwesenheit in Form von Krankheit oder Urlaub diene und betonte abermals, dass sein Vater das operative Geschäft der XXXX seit 01.02.2020 nicht weiterführe und in der Übergangsphase maximal unterstützend zur Verfügung stehe.
7. Mit dem bekämpften Bescheid vom 18.02.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des BF vom 28.10.2019 auf gänzliche Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gemäß § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 ab. Hierzu wird in der Begründung nach ausführlicher Darlegung des bisherigen Verfahrensganges wie folgt ausgeführt (auszugsweise, Anonymisierung durch das BVwG):
„Gemäß § 26 Absatz 1 Ziffer 2 des im Spruch zitierten Wehrgesetzes 2001 sind taugliche Wehrpflichtige - sofern keine zwingenden militärischen Erfordernisse entgegenstehen – auf ihren Antrag von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern. Gemäß § 19 Abs. 1 Z 1 leg.cit. gilt der Grundwehrdienst als Präsenzdienstart.
Das Militärkommando Burgenland gelangte nach eingehender Prüfung und Beurteilung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes zu folgender Ansicht:
Es liegen in Ihren Fall keine besonders rücksichtswürdigen wirtschaftlichen Interessen vor, die gemäß der vorzitierten Gesetzesbestimmung eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes rechtfertigen. Dies deshalb, da die vorliegenden wirtschaftlichen Interessen nicht in Ihrer Person gelegen sind, sondern ausschließlich die Interessen der XXXX , deren Eigentümer und (Alleingesellschafter) Ihr Vater ist, sind. Laut Spruchpraxis des Verwaltungsgerichtshofes sind wirtschaftliche Interessen, auf die sich ein Wehrpflichtiger beruft, nur dann zu bejahen, wenn der Wehrpflichtige selbst Unternehmensinhaber (somit selbständiger Einzelunternehmer, Mitinhaber bzw. Gesellschafter im Falle des Betriebes des Unternehmens durch eine Gesellschaft) ist (vgl. dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Mai 2005, Zl. 2004/11/022, vom 24. April 2001, Zl. 2000/11/0082 und vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0206).
Die Tatsache, dass Sie seit 3. Dezember 2018 gewerberechtlicher- und seit 1. Februar 2020 handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX und als Technischer Angestellter mit 40 Wochenstunden im Unternehmen beschäftigt sind, vermag an der dargestellten Rechtsprechung auch nicht besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen für eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes im Sinne des § 26 Abs.1 Z. 2 des Wehrgesetzes 2001 darzutun, zumal Sie selbst nicht Gesellschafter bzw. Eigentümer des Unternehmens sind.
Auch die geplante Betriebsübergabe durch Ihren Vater an Sie und Ihren Bruder, ändert nichts daran, dass die wirtschaftlichen Interessen an der Befreiung derzeit nur bei Ihrem Vater, dem Eigentümer des Betriebes liegen. Die beabsichtigte Übernahme stellt ein in der Zukunft liegendes, nicht mit Sicherheit zu erwartendes Ereignis dar, das somit zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung wirtschaftliche Interessen im oben genannten Sinne nicht begründen kann (vgl. dazu u.a. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. Mai 1990, Zl. 89/11/0056 und vom 21. März 1995, Zl. 94/11/0402).
Mit Ihrem Vorbringen Ihr Vater sei seit der Gründung des Unternehmens insulinpflichtiger Diabetiker und leide auch an Folgeschäden, machen Sie auch familiäre Interessen geltend. Die Frage aber, ob diese Interessen im Sinne der bezogenen Gesetzesstelle so besonders rücksichtswürdig sind, dass Ihre Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes gerechtfertigt wäre, muss in gleicher Weise verneint werden. Dies deshalb, da nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen im Sinne des § 26 Abs. 1 Ziffer 2 des im Spruch zitierten Wehrgesetzes 2001 nur dann vorliegen, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Leistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren kann. Die besondere Rücksichtswürdigkeit solcher familiären Interessen ist dann anzunehmen, wenn durch die Nichtunterstützung des Angehörigen eine Gefährdung seiner Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen zu befürchten wäre. Zur Unterstützung des Angehörigen ist in diesem Zusammenhang nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0206-5).
Ein derartiges Unterstützungsbedürfnis Ihres Vaters durch Sie oder eine Gefährdung dessen Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen vermag die Behörde auf Grund des vorliegenden Sachverhaltes jedoch nicht zu erkennen. Dies deshalb, da aus den von Ihnen vorgelegten Teilbefunden ersichtlich ist, dass Ihr Vater bereits seit der Gründung des Unternehmens im Jahre 1996 insulinpflichtiger Diabetiker ist und an diabet. Folgekrankheiten leidet. Eine Begutachtung der Befunde durch den leitenden Militärarzt beim Kommando Streitkräfte hat ergeben, dass es Einschränkungen für den Arbeitsablauf gibt. Es wurden jedoch in keinem Befund Aussagen über das Zustandsbild der Grundkrankheit Diabetes mellitus mit seiner konkreten Einstellung, Therapie, BZSchwankungen getroffen und welche Einschränkungen und Beschwerden durch die Folgekrankheiten derzeit bestehen.
Es wird durch die Behörde daher angenommen, dass Ihr Vater in der Lage ist Arbeiten im Unternehmen durchzuführen. Dies auch deshalb, da er bis 28. November 2018 die Funktion des gewerberechtlichen und bis 31. Jänner 2020 die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers ausgeübt hat. Darüber hinaus haben Sie ja selbst in der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme mitgeteilt, dass Ihr Vater bei einer Abwesenheit Ihrer Person, sei es durch Krankheit oder Urlaub bzw. während der Übergangsphase für Vertretungszwecke zur Verfügung steht.
Weiters erlaubt sich die Behörde darauf hinzuweisen, dass Ihrem Vater trotz seines Gesundheitszustandes die Ausübung mehrerer Funktionen bei der Wirtschaftskammer Österreich und Wirtschaftskammer Burgenland möglich war. Diese Funktionen hat er erst mit 1. Februar 2020 zurückgelegt.
Darüber hinaus ist er trotz seiner Erkrankung nach wie vor Alleingesellschafter der XXXX , zu der neben der XXXX mit 100% Geschäftsanteile und der XXXX mit 100% Geschäftsanteile, die XXXX mit 80% Geschäftsanteile, die XXXX mit ebenfalls 80% Geschäftsanteile, die XXXX mit 100% Geschäftsanteile sowie die XXXX mit 33,33% Geschäftsanteile, gehören. Ihr Vater übt bei allen Firmen, außer der XXXX und der XXXX die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers aus.
Im Übrigen musste Ihr Vater seit der Feststellung Ihrer Tauglichkeit im Jahre 1995 damit rechnen, dass Sie den Grundwehrdienst leisten müssen. Da auch jene Familienangehörige, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten haben (siehe dazu die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 1. Dezember 1992, Zl. 92/11/0013 und vom 10. November 1998, Zl. 97/11/0377), hätte Ihr Vater als alleiniger Gesellschafter der XXXX Dispositionen treffen müssen, damit Sie während der Erfüllung der Präsenzdienstpflicht entsprechend vertreten werden können. Ob Ihr Vater dies überhaupt versucht hat, ist aus der Aktenlage nicht ersichtlich, weshalb den aus der Unterstützungsbedürftigkeit Ihres Vaters abgeleiteten familiären Interessen die besondere Rücksichtswürdigkeit fehlt.
Weiters erlaubt sich die Behörde darauf hinzuweisen, dass Ihrem Vater, mit Unterstützung der weiteren 11 Arbeitnehmer eine Aufrechterhaltung des gegenständlichen Betriebes, im unbedingt notwendigen Ausmaß, während Ihrer Präsenzdienstleistung zugemutet werden kann. Darüber hinaus vertritt die Behörde die Auffassung, dass insbesondere in Notsituationen, eine Mithilfe Ihrer Mutter, obwohl diese mit 30 Wochenstunden bei der Facility Services GmbH, deren Inhaber ebenfalls Ihr Vater ist, beschäftigt ist, zumutbar ist und somit eine Entlastung Ihres Vaters erreicht werden kann.
Die Behörde erlaubt sich darauf hinzuweisen, dass es Ihnen auch während Ihrer Präsenzdienstleistung möglich sein wird, nach Dienst und in Ihrer dienstfreien Zeit an Wochenenden, dem Betrieb zur Verfügung zu stehen. Darüber hinaus besteht auch die Möglichkeit, in dringenden Fällen bei Ihrem Einheitskommandanten um Dienstfreistellung anzusuchen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.“
8. Gegen diesen Bescheid erhob der BF am 17.03.2020 rechtzeitig Beschwerde und führte im Wesentlichen aus, dass der gewerberechtliche und im Besonderen der handelsrechtliche Geschäftsführer diejenigen seien, welche ein Unternehmen handlungsfähig und produktiv machen sowie im Steuersystem das wirtschaftliche Ergebnis wesentlich beeinflussen würden. Sie würden das Unternehmen nach außen vertreten, Rechte und Pflichten eingehen und die damit verbundenen Konsequenzen tragen. Die alleinige Möglichkeit des Eigentümers, den handelsrechtlichen Geschäftsführer abzuberufen, ihm Weisungen zu erteilen, etc. genüge nicht, um diesem eine wichtigere Position als dem handelsrechtlichen Geschäftsführer einzuräumen. Die Position des handelsrechtlichen Geschäftsführers sei auch mit einem entsprechenden persönlichen Arbeitseinsatz, mit Risiko, körperlicher als auch psychischer Belastung, etc. verbunden, welche dem Eigentümer, dem Vater des BF, über mehrere Monate, nicht zusätzlich zugemutet werden könne.
Ferner teilte der BF mit, dass die Mithilfe seiner Mutter, vor allem im Hinblick auf eine Übernahme der Geschäftsführung, nicht anzunehmen sei, da dieser die notwendigen Branchenkenntnisse sowie auch die Kenntnisse einer Führungsposition fehlen würden.
Auch seinem jüngeren Bruder sei dies nicht zuzumuten, da dieser sich noch in Ausbildung befinde und auch als branchenfremd gelte. Außerdem bestehe derzeit bereits eine Eigentumssituation insofern, als erbrechtlich im Falle des Ablebens seines Vaters oder auch bei Übergabe seitens des Vaters der Betrieb samt wirtschaftlicher Interessen auf ihn übergehen würden. Es sei bereits in Auftrag gegeben worden, mit Anwälten und Notaren eine dementsprechende Erbfolgeregelung auszuarbeiten, welche in den nächsten Monaten umgesetzt werden würde.
Der von der belangten Behörde ausgeführten Möglichkeit, während seiner dienstfreien Zeit dem Betrieb zur Verfügung stehen zu können, sei entgegenzuhalten, dass diese in der Praxis nicht umsetzbar sei, da Weisungen, Aufsicht, aber auch hochtechnische Arbeitsabläufe eine permanente Verfügbarkeit voraussetzen würden, weshalb ein regelmäßiger Arbeitseinsatz während des Präsenzdienstes nicht planbar sei. Ebenso könne es nicht Sinn und Zweck des Präsenzdienstes sein, dass eine Doppelbelastung seiner Person durch den Präsenzdienst und dem Arbeitseinsatz im Unternehmen entstehe.
Schließlich hielt der BF in seiner Beschwerde fest, dass die derzeitige Corona-Krise die gesamte Wirtschaft und auch ihr Unternehmen über die nächsten Jahre beeinträchtigen werde und er mit vollstem Einsatz alles daran setzen werde, den Weitererhalt des Unternehmens zu sichern. Zusätzlich würde es notwendig sein, Klein- und Mittelbetriebe zu unterstützen, indem man ihre Leistungsträger bzw. Schlüsselarbeitskräfte in den Betrieben belasse. Eine Abwesenheit seiner Person würde de facto ein Schließen des Unternehmens bedeuten, somit seine bisher erarbeitete persönliche Zukunft massiv schädigen und weitere Arbeitsplätze seiner Kollegen betreffen. Folglich sei ein Ableisten des Präsenzdienstes ohne extreme existenzielle Einbußen und wirtschaftliche Folgen nicht umsetzbar.
9. Mit Anschreiben vom 03.04.2020 wurden die Beschwerde und der gegenständliche Verfahrensakt dem BVwG vorgelegt.
10. Mit Schreiben vom 09.04.2020 wurde dem BF mitgeteilt, dass seine Beschwerde mangelhaft sei, da keine Gründe angegeben worden seien, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stütze, und die Beschwerde weder ein Begehren und noch eine eigenhändige Unterschrift enthalte. Folglich wurde dem BF der Auftrag erteilt, diese Mängel binnen einer Frist von zehn Tagen ab Zustellung zu verbessern.
11. Am 29.04.2020 ersuchte der BF in einem E-Mail angesichts der Corona-Krise um einen Fristenlauf ab dem 01.05.2020. Eine Übernahme des Briefes am 15.04.2020, wie im Zustellnachweis festgehalten, könne er nicht bestätigen, da der Brief erst zu einem späteren Zeitpunkt aus dem Briefkasten zwischen Prospekten aufgefunden worden sei und seitens des Zustellers keinerlei Information über den Einwurf in den Briefkasten angebracht worden sei.
12. Im verbesserten Beschwerdeschreiben vom 08.05.2020 verwies der BF zur Rechtzeitigkeit seiner Mängelbehebung auf sein E-Mail vom 29.04.2020 und auf die Covid-19-Sonderregelung, wonach die gegenständlich vorgesehene Frist mit 01.05.2020 neu zu laufen begonnen habe. In eventu stellte er einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. In der Folge führte er aus, dass er sich auf die unrichtige rechtliche Beurteilung der anzuwendenden Bestimmungen, insbesondere des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 stütze bzw. dass der angefochtene Bescheid rechtwidrig sei, da das Gesetz falsch ausgelegt worden sei und Verfahrensvorschriften verletzt worden seien. Er wiederholte seine Angaben vom 17.03.2020 und ergänzte, dass sein Bruder seine Lehre als HKLS Installateur sowie als Bürokaufmann in der XXXX mittlerweile vor Kurzem beendet habe und dieser bereits die Einberufung für die Ableistung des Präsenzdienstes ab 06.07.2020 erhalten habe. Zum Vorliegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen brachte der BF im Wesentlichen vor, dass sein Vater als Alleineigentümer des Unternehmens eingeschränkt arbeitsfähig bzw. arbeitswillig sei und sich nicht im Kranken- oder Vorruhestand befinde. Das Familienunternehmen, darunter auch die in der Verantwortung des BF liegende XXXX , bilde die Existenzgrundlage der Familie, was von der belangten Behörde gänzlich unberücksichtigt geblieben sei. Er wiederholte, dass eine Lehrlingsausbildung nur durch ihn erfolgen könne und dass weder Vater noch Mutter, ihn im Unternehmen ersetzen könnten. Zusammenfassend habe die belangte Behörde zu Unrecht unterlassen, sowohl rücksichtswürdige familiäre und sonstige lebenswichtige Interessen als auch besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen festzustellen. Der BF beantragte schließlich, den Bescheid der belangten Behörde ersatzlos aufzuheben und ihn gänzlich von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes zu befreien sowie seinen Vater und seine Mutter zu einer mündlichen Einvernahme zu laden.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerde wurde rechtzeitig erhoben und ist zulässig.
Für das Bundesverwaltungsgericht steht weiters der unter Punkt I dargelegte Sachverhalt, was insbesondere den Zeitpunkt des Eintrittes der Tauglichkeit des BF sowie die entscheidungswesentliche Tätigkeit des BF im Unternehmen seines Vaters betrifft, unstrittig fest. Dem Beschwerdeführer war im Zeitpunkt der Aufnahme seiner Tätigkeit als gewerberechtlicher Geschäftsführer im Dezember 2018 und als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Februar 2020 bekannt, dass er noch seinen Grundwehrdienst abzuleisten hat.
Dies ergibt sich aus der diesbezüglich vorliegenden Aktenlage sowie dem damit übereinstimmenden Vorbringen des BF.
Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden, da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint und eine mündliche Erörterung die weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Dem Entfall der Verhandlung stehen auch weder Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958 noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389 entgegen.
Insoweit im Beschwerdeschreiben des BF vom 08.05.2020 die Einvernahme der Eltern des BF, zum Beweis dafür, dass es dem Vater des BF gänzlich unmöglich sei, den BF im Unternehmen zu ersetzen und dass die Mutter den Vater im Unternehmen nicht entlasten könne, beantragt wurde, ist festzuhalten, dass diese Einvernahmen schon deshalb nicht in Erwägung gezogen werden, weil die sonst vorhandenen Beweismittel und insbesondere die Angaben des BF den Sachverhalt als geklärt erkennen lassen. Die Ergebnisse des Beweisverfahrens ergaben aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts ein hinreichend schlüssiges Gesamtbild, sodass im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu den getroffenen Feststellungen gelangt werden konnte.
2. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Gegenständlich liegt mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen eine Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Gemäß §§ 1, 6 des Bundesgesetzes betreffend Begleitmaßnahmen zu COVID-19 im Verwaltungsverfahren, im Verfahren der Verwaltungsgerichte sowie im Verfahren des Verwaltungsgerichtshofes und des Verfassungsgerichtshofes, kundgemacht mit BGBl. I. Nr. 16/2020 am 21.03.2020, wurden in anhängigen verwaltungsgerichtlichen Verfahren, auf die die Verwaltungsverfahrensgesetze (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 – AVG, BGBl. Nr. 51/1991, Verwaltungsstrafgesetz 1991 – VStG, BGBl. Nr. 52/1991, und Verwaltungsvollstreckungsgesetz 1991 – VVG, BGBl. Nr. 53/1991) anzuwenden waren, alle Fristen, deren fristauslösendes Ereignis in die Zeit nach Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes fiel, sowie Fristen, die bis zum Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen waren, bis zum Ablauf des 30.04.2020 unterbrochen und begannen mit 01.05.2020 neu zu laufen. Dementsprechend erfolgte die Mängelbehebung der Beschwerde durch den BF rechtzeitig.
Zu Spruchpunkt A):
2.1. § 26 des Wehrgesetzes 2001, BGBl. I Nr. 146/2001 (WG 2001) in der hier maßgebenden Fassung BGBl. I Nr. 102/2019, lautet auszugsweise:
"Befreiung und Aufschub
§ 26. (1) Taugliche Wehrpflichtige sind, soweit zwingende militärische Erfordernisse nicht entgegenstehen, von der Verpflichtung zur Leistung eines Präsenzdienstes zu befreien
1. von Amts wegen, wenn und solange es militärische Rücksichten oder sonstige öffentliche Interessen erfordern, und
2. auf ihren Antrag, wenn und solange es besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche oder familiäre Interessen erfordern. ..."
Der BF machte im Rahmen des Verfahrens geltend, dass er in seiner Funktion als gewerberechtlicher und handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX , welche im Eigentum seines Vaters stehe, aufgrund der gesundheitlichen Beschwerden seines Vaters im Betrieb unabkömmlich sei.
Es war demnach vorrangig zu prüfen, ob besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen im Verständnis des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 vorliegen, die eine Befreiung des BF von der Verpflichtung zur Leistung des Präsenzdienstes rechtfertigten könnten.
2.2. Die belangte Behörde hat das Vorliegen besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen verneint, weil die vorliegenden wirtschaftlichen Interessen nicht in der Person des BF liegen würden, sondern ausschließlich die Interessen der XXXX seien, deren Eigentümer und Alleingesellschafter sein Vater sei. Wirtschaftliche Interessen, auf die sich ein Wehrpflichtiger berufe, seien laut höchstgerichtlicher Rechtsprechung nur dann zu bejahen, wenn der Wehrpflichtige selbst Unternehmensinhaber sei. Die Tatsache, dass der BF seit 03.12.2018 gewerberechtlicher und seit 01.02.2020 handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX sei und als technischer Angestellter mit 40 Wochenstunden im Unternehmen beschäftigt sei, vermöge angesichts der Rechtsprechung auch nicht besonders rücksichtswürdige wirtschaftliche Interessen für eine Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 darzutun, zumal der BF selbst nicht Gesellschafter bzw. Eigentümer des Unternehmens sei. Eine geplante Betriebsübergabe durch den Vater an den BF und den Bruder ändere nichts daran, dass die wirtschaftlichen Interessen an der Befreiung derzeit nur beim Vater des BF, dem Eigentümer des Betriebes, liegen würden.
Des Weiteren hielt die belangte Behörde fest, dass der BF mit seinem Vorbringen, wonach sein Vater seit der Gründung des Unternehmens insulinpflichtiger Diabetiker sei und an Folgeschäden leide, auch familiäre Interessen geltend gemacht habe. Das Vorliegen besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen wurde von der belangten Behörde ebenfalls verneint, da aufgrund des vorliegenden Sachverhaltes ein Unterstützungsbedürfnis des Vaters durch den BF oder eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Vaters nicht zu erkennen seien. Vor dem Hintergrund, dass sein Vater bereits seit der Gründung des Unternehmens im Jahre 1996 insulinpflichtiger Diabetiker sei, und angesichts der Begutachtung der vorgelegten Befunde durch den Militärarzt sei anzunehmen, dass sein Vater in der Lage sei, Arbeiten im Unternehmen durchzuführen. Dies auch deshalb, da der Vater des BF bis 28.11.2018 die Funktion des gewerberechtlichen und bis 31.01.2020 die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers ausgeübt habe. Darüber hinaus habe der BF selbst in der Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme mitgeteilt, dass sein Vater bei einer Abwesenheit seiner Person, sei es durch Krankheit oder Urlaub bzw. während der Übergangsphase für Vertretungszwecke zur Verfügung stehe. Weiters wurde darauf hingewiesen, dass dem Vater des BF trotz seines Gesundheitszustandes die Ausübung mehrerer Funktionen bei der Wirtschaftskammer Österreich und Wirtschaftskammer Burgenland möglich gewesen sei. Darüber hinaus sei er trotz seiner Erkrankung nach wie vor Alleingesellschafter der XXXX und übe bei mehreren Firmen die Funktion des gewerberechtlichen Geschäftsführers aus. Außerdem habe der Vater seit der Feststellung der Tauglichkeit des BF damit rechnen müssen, dass sein Sohn den Grundwehrdienst leisten müsse und hätte dieser als alleiniger Gesellschafter der XXXX Dispositionen treffen müssen, damit der BF während der Erfüllung der Präsenzdienstpflicht entsprechend vertreten werde.
2.3. Der Behörde folgend wird seitens des BVwG in diesem Zusammenhang nochmals auf die Judikatur des VwGH zur „Harmonisierungspflicht“ verwiesen, welche den Wehrpflichtigen in Bezug auf seine öffentlich-rechtliche Verpflichtung zur Wehrdienstleistung und etwaige private, wirtschaftliche und berufliche Interessen trifft.
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ist der Wehrpflichtige nämlich gehalten, seine wirtschaftlichen Belange so zu gestalten, dass für den Fall seiner Einberufung zur Leistung eines Präsenzdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden und nicht durch die Aufnahme einer wirtschaftlichen Tätigkeit solche Schwierigkeiten erst geschaffen werden. Wenn der Wehrpflichtige es unterlässt, seine wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren, können die daraus abgeleiteten wirtschaftlichen Interessen nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 angesehen werden (Hinweis E 29.09.2005, 2003/11/0026). Die Auffassung, wirtschaftliche Interessen des Wehrpflichtigen seien immer dann besonders rücksichtswürdig, wenn durch die Leistung des Präsenzdienstes die wirtschaftlichen Interessen so schwer getroffen würden, dass mit dem Verlust der wirtschaftlichen Existenz gerechnet werden müsse, ist nicht zielführend, weil dabei außer Acht gelassen wird, dass der Wehrpflichtige derart durch entsprechende Dispositionen die Erfüllung seiner Präsenzdienstpflicht vereiteln könnte. Die wirtschaftlichen Interessen können somit auch dann nicht als besonders rücksichtswürdig im Sinne der Bestimmungen des WG 2001 anerkannt werden, wenn auf Grund der Verletzung der Verpflichtung, die Dispositionen in wirtschaftlicher Hinsicht so zu treffen, dass für den Fall der Einberufung zur Leistung des Grundwehrdienstes voraussehbare Schwierigkeiten vermieden werden, durch die Leistung des Präsenzdienstes eine Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz eintreten könnte (Hinweis E 01.10.1996, 95/11/0400; E 24. April 2001, 2000/11/0082). In einem solchen Fall hätte der Wehrpflichtige die Gefährdung seiner Existenz nämlich selbst herbeigeführt (VwGH 18.11.2008, 2008/11/0096 mwN). Hervorzuheben ist, dass der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis auch ausgesprochen hat, dass die Harmonisierungspflicht für den Wehrpflichtigen nicht erst ab Zustellung des Einberufungsbefehls besteht, wenn also der Termin, ab wann der Betreffende den Präsenzdienst zu leisten hat, bekannt ist, sondern bereits ab dem Zeitpunkt, ab dem von ihm verlangt werden kann, dass er nunmehr Handlungen unterlässt, die die Erfüllung der mit der Staatsbürgerschaft verbundenen Wehrpflicht vereiteln oder gefährden können (VwGH 18.11.2008, 2008/11/0096). Spätestens mit der Feststellung der Tauglichkeit ist mit der Einberufung zum Grundwehrdienst zu rechnen und spätestens zu diesem Zeitpunkt setzt auch die oben dargestellte Harmonisierungspflicht ein, die auch beinhaltet, mit der Aufnahme einer unternehmerischen Tätigkeit bis nach der Ableistung des Präsenzdienstes zuzuwarten, oder zu versuchen, den Präsenzdienst möglichst früh abzuleisten, um dann ungestört den Aufbau eines Unternehmens zu betreiben (VwGH vom 24.4.2001, GZ. 2000/11/0082). „Die Obliegenheit zur Harmonisierung der (beruflichen) Dispositionen mit der Wehrpflicht beinhaltet auch, rechtzeitig und vorausschauend - somit durch geeignete wirtschaftliche Dispositionen - für die Möglichkeit einer Vertretung des Wehrpflichtigen während der Dauer des Grundwehrdienstes zu sorgen (Hinweis Erkenntnisse vom 29. September 2005, 2003/11/0026, 27. März 2008, 2008/11/0011, und vom 27. März 2008, 2007/11/0202).“ (VwGH 23.09.2014, Ro 2014/11/0081) „Jedenfalls dann, wenn es an Anhaltspunkten dafür fehlt, dass der Wehrdienstpflichtige vor seiner Stellung vernünftigerweise hätte annehmen können, dass es ihm an der Tauglichkeit fehle, ist keinesfalls davon auszugehen, dass die Obliegenheit zur Harmonisierung etwa erst mit der Feststellung der Tauglichkeit besteht (Hinweis E vom 23.09.2014, Ro 2014/11/0081).“ (VwGH 10.06.2015, GZ 2013/11/0166)
Der belangten Behörde kann daher vor dem Hintergrund der ins Treffen geführten Judikatur im Ergebnis nicht entgegengetreten werden, wenn sie auf der Grundlage der Angaben des BF das Vorliegen rücksichtswürdiger wirtschaftlicher und in der Folge auch familiärer Interessen verneinte.
Der BF war daher zu allen Zeitpunkten im Sinne der Harmonisierungspflicht angehalten, keine Dispositionen zu treffen, die seine Wehrpflicht erschweren. Er bzw. sein Vater könnte auch jetzt noch, um die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Einberufung zu vermindern, beispielsweise durch Anstellung einer Vertretung für den Entfall seiner Arbeitskraft sorgen. Wenn der BF diesbezüglich vorbringt, dass von einer Unterstützung seiner Mutter oder seines jüngeren Bruders nicht auszugehen sei, da diese notwendige Branchenkenntnisse nicht hätten, ist ihm entgegenzuhalten, dass er längstens aufgrund der Stellung bzw. Tauglichkeitsfeststellung, somit seit 26.06.2015, damit rechnen musste, zum Grundwehrdienst einberufen zu werden, und ihm ab diesem Zeitpunkt, mit mehr als fünf Jahren ausreichend Zeit zur Verfügung stand, Vorkehrungen zu treffen.
Der belangten Behörde ist auch darin zuzustimmen, dass dem Vater des BF in Zusammenschau mit den im Verfahren vorgelegten Unterlagen eine Aufrechterhaltung des gegenständlichen Betriebes im unbedingt notwendigen Ausmaß, eventuell mit Unterstützung der weiteren Arbeitnehmer, während der Präsenzdienstleistung des BF zugemutet werden kann. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, in vereinzelt dringenden Fällen, die die persönliche Anwesenheit des BF unumgänglich erforderlich erscheinen lassen, beim Einheitskommandanten um eine Dienstfreistellung im Sinne des § 45 Abs. 4 WG 2001 anzusuchen. Immerhin hat der Vater des BF bis Ende Jänner 2020 die Funktion des handelsrechtlichen Geschäftsführers ausgeübt und ist dieser bei einer Abwesenheit des BF, sei es durch Krankheit oder Urlaub bzw. während der Übergangsphase, für Vertretungszwecke zur Verfügung gestanden. Dem Schreiben des BF vom 08.05.2020 ist unter anderem auch zu entnehmen, dass sein Vater immer noch eingeschränkt arbeitsfähig und arbeitswillig ist und sich nicht im Kranken- oder Vorruhestand befindet. Daher kann auch unter Bedachtnahme der vorgelegten ärztlichen Befunde nicht erkannt werden, warum der Vater des BF dem Betrieb während des sechsmonatigen Grundwehrdienstes des BF nicht zumindest zeitweise zur Verfügung stehen und die notwendigen Funktionen im Betrieb nicht gelegentlich weiter ausüben könnte.
Insoweit der BF ausführt, dass er als handelsrechtlicher Geschäftsführer im Wirtschaftsleben eine wichtigere Position innehabe als der Eigentümer des Unternehmens, ist für den BF daraus nichts zu gewinnen, zumal das Vorliegen besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher Interessen iSd § 26 Abs. 1 Z. 2 WG 2001 voraussetzt, dass der Wehrpflichtige selbst Unternehmensinhaber ist (VwGH 27.01.2014, 2013/11/0246; 24.05.2005, 2004/11/0022).
2.4. Im Zusammenhang mit dem Anspruch auf Befreiung von der Verpflichtung zur Leistung des Grundwehrdienstes wegen besonders rücksichtswürdiger familiärer Interessen hat der Verwaltungsgerichtshof Folgendes ausgesprochen:
Die besondere Rücksichtswürdigkeit familiärer Interessen ist dann anzunehmen, wenn durch die fehlende Unterstützung der Angehörigen eine Gefährdung ihrer Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen, wie zB der Verlust der Existenzgrundlage, zu befürchten ist. Zur Unterstützung der Angehörigen ist in diesem Zusammenhang aber nicht nur der Wehrpflichtige, sondern die ganze Familie berufen (VwGH 04.12.1987, ZI. 87/11/0094). Jene Familienangehörigen, deren Unterstützungsbedürftigkeit der Wehrpflichtige geltend macht, haben überdies ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen Angehörigen einzurichten (Hinweis E 23.01.2001, 2000/11/0206; E 26.02.2002, 2000/11/0269; E 04.06.1991, 90/11/0231; E 01.12.1992, 92/11/0113; E 10.11.1998, 97/11/0377; VwGH 13.12.2005, 2005/11/0167). Nicht nur der zur Leistung des Präsenzdienstes heranstehende Wehrpflichtige, sondern auch die übrigen Familienmitglieder sind zur Unterstützung des Angehörigen, der auf die Mithilfe des wehrpflichtigen Sohnes angewiesen ist, verpflichtet (Hinweis E 19.02.1991, 90/11/0120). Nach stRsp (Hinweis E 28.06.1988, 88/11/0040) hat auch der auf die Unterstützung durch den Wehrpflichtigen angewiesene Elternteil bei seinen wirtschaftlichen Dispositionen auf dessen Wehrpflicht entsprechend Bedacht zu nehmen. Andernfalls liegt kein besonders rücksichtswürdiges familiäres Interesse iSd § 36a Abs 1 Z 2 WehrG 1990 idF BGBl 1992/690 vor (VwGH 21.11.2000, Zl. 2000/11/0064).
Besonders rücksichtswürdige familiäre Interessen iSd § 36a Abs 1 Z 2 WehrG 1990 liegen nur dann vor, wenn ein Familienangehöriger des Wehrpflichtigen in seinen eigenen Belangen der Unterstützung durch den Wehrpflichtigen bedarf, die ihm dieser aber wegen der Ableistung des ordentlichen Präsenzdienstes nicht gewähren könnte, und wenn mangels Unterstützung des Angehörigen durch den Wehrpflichtigen eine Gefährdung der Gesundheit oder sonstiger lebenswichtiger Interessen des Angehörigen zu befürchten ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21.11.2000, Zl. 2000/11/0064, und vom 21.09.1990, Zl. 90/11/0044, VwSlg 13261 A/1990, m. w. N.; VwGH 27.03.2008, 2007/11/0202).
Insoweit der BF vorbringt, dass sein Vater ein Familienunternehmen betreibe und daher das in seiner Verantwortung liegende Unternehmen teilweise die Existenzgrundlage der Familie bilde, ist zunächst auf die, auch den Unterstützungsbedürftigen treffende Harmonisierungspflicht bzw. auch auf die vorgenannte Unterstützungsverpflichtung der übrigen Familienmitglieder hinzuweisen. Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, weshalb es dem Vater des BF bzw. dem BF selbst nicht möglich gewesen sei, ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten unter Bedachtnahme auf die Präsenzdienstpflicht des wehrpflichtigen BF einzurichten. Diesbezüglich ist wiederum den Ausführungen der belangten Behörde zu folgen, wonach aus der Aktenlage nicht ersichtlich sei, dass der Vater des BF Dispositionen getroffen habe, damit der BF während der Erfüllung der Präsenzdienstpflicht entsprechend vertreten werden könnte. Daher fehlt den aus der Unterstützungsbedürftigkeit des Vaters abgeleiteten familiären Interessen die besondere Rücksichtswürdigkeit. Darüber hinaus wäre auch in diesem Zusammenhang auf die bereits erwähnte Möglichkeit einer Dienstfreistellung zu verweisen.
Auch aus den sonstigen, erst in der Beschwerde angeführten Argumenten, lässt sich vor dem Hintergrund der Feststellungen – insbesondere auf Grund der Tatsache, dass der BF nicht Unternehmensinhaber ist und er bzw. sein Vater es unterlassen haben, nach Feststellung der Tauglichkeit ihre wirtschaftlichen Angelegenheiten mit der Wehrpflicht zu harmonisieren – kein besonders rücksichtwürdiges Interesse ableiten, weil der BF damit gegen seine Harmonisierungspflichten verstoßen hat.
Es liegen daher weder besonders rücksichtwürdige wirtschaftliche noch familiäre Interessen vor, die ein Befreiung i.S.d. § 26 WG 2001 rechtfertigen würden.
Da es für die Befreiung des BF vom Grundwehrdienst somit an den gesetzlichen Voraussetzungen fehlte, war die Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG in Verbindung mit § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 als unbegründet abzuweisen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Die maßgebliche Rechtsfrage des Vorliegens besonders rücksichtswürdiger wirtschaftlicher und familiärer Interessen im Verständnis des § 26 Abs. 1 Z 2 WG 2001 wurde in der bisherigen Rechtsprechung des VwGH mehrfach behandelt. Nach der oben zu Spruchpunkt A dargelegten Rechtsprechung waren im vorliegenden Fall solche zu verneinen.
Schlagworte
Arbeitsbelastung Befreiung Grundwehrdienst Befreiungsantrag Familienunternehmen Führungsfunktion Geschäftsführung Harmonisierung wirtschaftliche Interessen Harmonisierungspflicht Pandemie Wehrpflicht WehrpflichtbefreiungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W136.2230164.1.00Im RIS seit
11.12.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020