TE Bvwg Beschluss 2020/9/29 W224 2228419-1

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Veröffentlicht am 29.09.2020
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Entscheidungsdatum

29.09.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
SchPflG 1985 §24
SchPflG 1985 §5
VwGG §33
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

W224 2228419-1/11E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von 1. XXXX im eigenen Namen sowie von 2. XXXX als Vertreter XXXX , geb. XXXX , wiederum vertreten durch RA Dr. Thomas LANGER, gegen den Bescheid der Bildungsdirektion für Wien vom 05.12.2019, Zl. 9160.006/0016-Präs6/2019:

A)

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

1. Der Erstbeschwerdeführer zeigte am 30.08.2019 mit einem Formularantrag die Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers am häuslichen Unterricht im Schuljahr 2019/2020 an.

Mit Bescheid vom 17.10.2019, Zl. 003.103/0215-Präs3a1/2019, untersagte die Bildungsdirektion für Wien mit Spruchpunkt 1. des Bescheides die Teilnahme des Zweitbeschwerdeführers am häuslichen Unterricht und ordnete mit Spruchpunkt 2. an, dass der Erziehungsberechtigte für die Erfüllung der Schulpflicht des Zweitbeschwerdeführers in einer öffentlichen oder mit dem Öffentlichkeitsrecht ausgestatteten Schule zu sorgen habe. Begründend führte die belangte Behörde aus, dass sich aus § 11 Abs. 4 Schulpflichtgesetz 1985 (SchPflG) iVm § 46 Abs. 6 letzter Satz SchPflG ergeben würde, dass der Zweitbeschwerdeführer am Ende des Schuljahres 2019/2020 eine Prüfung gemäß § 11 Abs. 4 SchPflG nicht ablegen könne, da er gegenwärtig die 7. Schulstufe zu wiederholen habe, und daher gemäß § 46 Abs. 6 SchPflG nicht vor Ablauf von 12 Monaten zu einer Externistenprüfung über diese Schulstufe antreten dürfe. Da somit der Erfolg des häuslichen Unterrichts am Ende des Schuljahres nicht nachgewiesen werden könne, sei dieser zu untersagen. Am Ende der Begründung des Bescheides der belangten Behörde finden sich Ausführungen zum Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, ohne dass eine solche spruchgemäß ausgeschlossen worden wäre.

Mit Schriftsatz vom 13.11.2019 erhob der Erstbeschwerdeführer durch seinen rechtsfreundlichen Vertreter Beschwerde gegen den bekämpften Bescheid und beantragte die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Begründend wurde ausgeführt, dass die Behörde nicht innerhalb einer angemessenen Zeit entschieden und die maßgeblichen Bestimmungen nicht richtig angewandt habe. Die von der Behörde getroffene Auslegung hielte einer näheren Prüfung nach den Auslegungsregeln des § 6 ABGB nicht stand.

2. Mit Beschluss vom 09.12.2019, W128 2225861-1/3E, hob das Bundesverwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Bildungsdirektion für Wien zurück. Gegen diesen Beschluss erhob die Bildungsdirektion für Wien am 23.01.2020 Amtsrevision an den Verwaltungsgerichtshof.

3. Mit Bescheid vom 05.12.2019, Zl. 9160.006/0016-Präs6/2019, ordnete die Bildungsdirektion für Wien an, dass der Zweibeschwerdeführer seine allgemeine Schulpflicht im Schuljahr 2019/2020 an der Neuen Mittelschule NMS XXXX , spätestens ab 10.12.2019 zu erfüllen habe (Spruchpunkt I.). Die Erziehungsberechtigten des Erstbeschwerdeführers seien verpflichtet, im Schuljahr 2019/2020 für den regelmäßigen Schulbesuch der genannten Schule und für die Mitnahme der erforderlichen Unterrichts-, Lern- und Arbeitsmittel durch den Zweitbeschwerdeführer spätestens ab 10.12.2019 zu sorgen (Spruchpunkt II.). Mit Spruchpunkt III. sprach die Bildungsdirektion für Wien aus, dass einer rechtzeitig eingebrachten Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukomme.

4. Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer rechtzeitig Beschwerde. Die Bildungsdirektion für Wien übermittelte die bei ihr eingebrachte Beschwerde dem Verwaltungsgericht Wien. Mit Verfügung vom 03.02.2020, eingelangt beim Bundesverwaltungsgericht am 07.02.2020, übermittelte das Verwaltungsgericht Wien das gegenständliche Beschwerdeverfahren gemäß § 6 AVG zuständigkeitshalber an das Bundesverwaltungsgericht.

5. Das Bundesverwaltungsgericht wies mit Beschluss vom 19.02.2020, W224 2228419-1/2Z, den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 22 Abs. 3 VwGVG ab und setzte das Beschwerdeverfahren gemäß § 17 VwGVG iVm § 38 AVG bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes über die Amtsrevision zu W128 2225861-1/3E aus.

6. Dagegen erhoben die Beschwerdeführer Revision an den Verwaltungsgerichtshof.

Mit Erkenntnis vom 29.05.2020, Ro 2020/10/0007, hob der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 09.12.2019, W128 2225861-1/3E, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts auf.

Mit Beschluss vom 31.07.2020, Ra 2020/10/0047, 0048, erklärte der Verwaltungsgerichtshof das Revisionsverfahren gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.02.2020, W224 2228419-1/2Z, als gegenstandslos geworden und stellte das Verfahren ein.

7. Das Bundesverwaltungsgericht hielt den beschwerdeführenden Parteien die Gegenstandslosigkeit des Beschwerdeverfahrens mit Schreiben vom 31.08.2020 vor. Da das Schuljahr 2019/2020, für welches die Erfüllung der allgemeinen Schulpflicht an der Neuen Mittelschule NMS XXXX , erfolgte, bereits verstrichen sei, erscheine das Beschwerdeverfahren gegenstandslos geworden zu sein (vgl. dazu die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten kann, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt [vgl. zB VwGH 15.12.2006, 2004/10/0213]).

Das Bundesverwaltungsgericht forderte die beschwerdeführenden Parteien im Rahmen des Parteiengehörs auf, binnen einer Frist von einer Woche ab Zustellung, dazu Stellung zu nehmen. Eine entsprechende Stellungnahme langte bis zum Datum der Beschlussfassung nicht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Gegenstandslosigkeit

Die Einstellung steht nach dem allgemeinen Verständnis am Ende jener Verfahren, in denen ein Erledigungsanspruch nach Beschwerdeeinbringung verloren geht. Neben dem Fall der Zurückziehung der Beschwerde oder des Untergangs des Beschwerdeführers kann analog zu § 33 VwGG eine Einstellung des Verfahrens auch bei materieller Klaglosstellung des Beschwerdeführers wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses in Betracht kommen (vgl. dazu auch Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren [2013], § 28 VwGVG, Anm 5).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eine Beschwerde mit Beschluss für gegenstandslos geworden zu erklären, wenn in irgendeiner Lage des Verfahrens offenbar wird, dass der Beschwerdeführer klaglos gestellt wurde.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist § 33 Abs. 1 VwGG allerdings nicht auf Fälle formeller Klaglosstellung beschränkt. Vielmehr kann eine zur Verfahrenseinstellung führende Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auch dann eintreten, wenn durch Änderung maßgeblicher Umstände zeitlicher, sachlicher oder prozessualer Art das rechtliche Interesse des Beschwerdeführers an der Entscheidung wegfällt (vgl. statt vieler VwGH 2.9.2008, 2007/10/0024, VwGH 2.7.2008, 2007/10/0010, VwGH 27.3.2012, 2008/10/0349, 15.12.2006, 2004/10/0213 und die dort zitierte Vorjudikatur).

Dabei ist zu beachten, dass die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit einer Partei nicht den Anspruch auf die verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Bescheiden an sich gewähren, sondern nur einen Anspruch auf Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen (siehe etwa VwGH 31.1.2007, 2005/10/0205; VwGH 28.11.2013, 2013/10/0084).

Das Rechtsschutzinteresse wird daher immer dann zu verneinen sein, wenn es auf Grund der geänderten Umstände für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers keinen Unterschied mehr macht, ob die angestrebte Entscheidung erlassen wird oder nicht bzw., wenn die Erreichung des Verfahrenszieles für den Beschwerdeführer keinen objektiven Nutzen hat, die in der Beschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen somit nur (mehr) theoretische Bedeutung besitzen (vgl. nochmals die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Im gegenständlichen Fall ist das Schuljahr 2019/2020, also jener Zeitraum, für welchen angeordnet wurde, dass der Zweibeschwerdeführer seine allgemeine Schulpflicht an der Neuen Mittelschule NMS XXXX , zu erfüllen habe (Spruchpunkt I.) und der erziehungsberechtigte Erstbeschwerdeführer verpflichtet war, für den regelmäßigen Schulbesuch der genannten Schule und für die Mitnahme der erforderlichen Unterrichts-, Lern- und Arbeitsmittel durch den Zweitbeschwerdeführer zu sorgen (Spruchpunkt II.), bereits verstrichen.

Zufolge materieller Klaglosstellung wegen Wegfalls des Rechtsschutzinteresses hinsichtlich der Erfüllung der Schulpflicht im abgelaufenen Schuljahr 2019/2020 war das Verfahren diesbezüglich als gegenstandlos geworden zu erklären und gemäß § 28 Abs. 1 iVm § 31 Abs. 1 VwGVG einzustellen.

Das Beschwerdeverfahren ist gegenstandslos geworden da mit Ablauf des Schuljahres 2019/2020 durch eine Entscheidung lediglich über theoretische Rechtsfragen, ohne praktische Relevanz, entschieden werden könnte und somit die Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid auch nicht mehr in ihren Rechten verletzt sein können. (vgl. VwGH 12.08.2010, 2010/10/0087). Das Vorliegen eines weiteren rechtlichen Interesses wurde von den Beschwerdeführern trotz Aufforderung nicht vorgebracht.

Eine Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG entfallen, weil eine mündliche Erörterung keine weitere Klärung erwarten lässt (vgl. Fister/Fuchs/Sachs, Verwaltungsgerichtsverfahren2, § 24 VwGVG Anm. 13 mit Hinweisen zur Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sowie VfGH 18.06.2012, B 155/12; EGMR Tusnovics v. Austria, 07.03.2017, 24.719/12).

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die hier anzuwendenden Regelungen erweisen sich als klar und eindeutig (vgl. dazu auch OGH 22.3.1992, 5 Ob 105/90; vgl. zur Unzulässigkeit der Revision bei eindeutiger Rechtslage trotz fehlender Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa VwGH 28.05.2014, Ro 2014/07/0053; 27.08.2014, Ra 2014/05/0007).

Die Gegenstandsloserklärung und Einstellung des Beschwerdeverfahrens ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 33 Abs. 1 VwGG (vgl. statt vieler VwGH 28.2.2013, 2010/10/0184, VwGH 19.12.2012, 2009/10/0111, VwGH 27.3.2012, 2008/10/0349, 29.2.2012, 2007/10/0294, 2008/10/0024 und 0095, und VwGH 29.9.2010, 2008/10/0029, VwGH 16.10.2006, 2003/10/0140, VwGH 19.3.2013, 2012/03/0179; vgl. zuletzt VwGH 31.7.2020, Ra 2020/10/0047, 0048). Das Unterbleiben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wird auf die zitierte Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte, des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes gestützt.

Schlagworte

allgemeine Schulpflicht Gegenstandslosigkeit Rechtsanschauung des VwGH Rechtschutzbedürfnis - Wegfall Schulpflicht Verfahrenseinstellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W224.2228419.1.02

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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