Entscheidungsdatum
29.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
W163 2154168-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Daniel LEITNER als Einzelrichter über die Beschwerde des Herrn XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 02.09.2020, Zahl XXXX , zu Recht erkannt:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 68 Abs 1 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt
I.1. Erstes Verfahren
1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste nach seinen Angaben irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 26.09.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).
1.1.2. Mit Bescheid vom 04.04.2017 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt; gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung für die freiwillige Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.).
1.1.3. Mit Erkenntnis vom 19.11.2019, Zahl W257 2154168-1/9E, wies das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 04.04.2017 nach Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung am 13.11.2019 als unbegründet ab.
I.2. Beschwerdegegenständliches Zweitverfahren
1.2.1. Am 14.07.2020 stellte der BF den gegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005. Am selben Tag erfolgte die Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes. In weiterer Folge legte der BF die Kopie eines Schreibens der XXXX , datiert mit 09.07.2020, vor (AS 437).
1.2.2. Am 13.08.2020 wurde der BF vor dem BFA zum gegenständlichen Antrag niederschriftlich einvernommen. Anlässlich der Einvernahme legte der BF ein Taufzertifikat des XXXX vor, derzufolge der BF am 11.08.2020 getauft wurde (AS 449).
1.2.3. Mit dem im Spruch genannten Bescheid, zugestellt am 08.09.2020, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkt I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Afghanistan gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG wurde festgestellt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.).
1.2.4. Gegen den oben genannten Bescheid des BFA richtet sich die fristgerecht beim BFA eingebrachte und mit 22.09.2020 datierte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht (BVwG).
1.2.5. Die Beschwerde und die bezughabenden Verwaltungsakten wurden dem BVwG am 25.09.2020 vom BFA vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Das Bundesverwaltungsgericht stellt den Verfahrensgang fest, wie er unter Punkt I. wiedergegeben ist.
1.2. Der BF hat den in der Sache entschiedenen ersten Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst damit begründet, dass ihm eine Verfolgung durch Dorfbewohner im Zusammenhang mit Wassernutzungsrechten, Grundstücksstreitigkeiten sowie wegen einer vom Vater veranlassten Verlobung des BF mit der Tochter seiner Stiefmutter drohe. Eine Zuwendung zum Christentum oder eine beabsichtigte Konversion hat der BF weder vor dem BFA noch vor dem BVwG behauptet. Mit in Rechtskraft erwachsender Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.11.2019, wurde der Antrag auf internationalen Schutz für den Status eines Asyl- sowie subsidiär Schutzberechtigten vom BFA abgewiesen.
1.3. Der BF hat den verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf einen Sachverhalt gestützt, welcher sich nach Abschluss des ersten Verfahrens ereignet hätte, nämlich seine Konversion zum Christentum und seine Taufe und kommt diesem Vorbringen einer Verfolgung zumindest ein glaubhafter Kern zu.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Die Feststellungen zum Verfahrensgang sowie zum Fluchtvorbringen des BF im ersten Verfahren auf internationalen Schutz stützen sich auf die unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalte der Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und aus den Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.
2.2. Die Feststellungen, dass sich der BF im verfahrensgegenständlichen Folgeantrag auf einen Sachverhalt stützt, welcher sich nach Abschluss des ersten Verfahrens ereignet hätte und dem ein glaubhafter Kern nicht abgesprochen werden kann, ergibt sich aus den Angaben des BF, den vorgelegten Beweismittel und den in das Verfahren eingebrachten Länderfeststellungen.
Das Verfahren zum ersten Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Entscheidung des BVwG vom 19.11.2019 rechtswirksam abgeschlossen. Der BF hat im Verfahren zum gegenständlichen Folgeantrag bei der Einvernahme vor dem BFA am 13.08.2020 auf konkrete Fragen angegeben, er habe das erste Mal im Jänner 2020 mit einem Freund die Kirche aufgesucht und sich Ende Februar 2020 entschlossen, zum Christentum zu konvertieren. Er habe einen Taufkurs besucht und am 11.08.2020 die Taufe in Baden unter einer Brücke empfangen. Der BF hat im Verfahren eine mit 09.07.2020 datierte Bestätigung vorgelegt, derzufolge er von 18.01.2020 bis 14.03.2020 am Taufunterricht teilgenommen, diesen aber wegen der „Corona-Krise“ nicht hätte abschließen können (AS 437). Der BF hat ein von einem Verein ausgestelltes Taufzertifikat vorgelegt (AS 449).
Dass der BF die behaupteten Schritte zur Konversion erst nach dem Abschluss des ersten Verfahrens gesetzt hat, wurde von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid auch nicht in Zweifel gezogen.
In Hinblick auf die Angaben des BF, die vorgelegten Beweismittel und die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zu den Folgen einer Konversion in Afghanistan (AS 911) kann nicht gesagt werden, dass das neue Vorbringen bereits prima vista völlig unglaubwürdig ist und keinen glaubhaften Kern aufweist.
III. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
III.1. Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet. Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, 94/08/0183; 30.05.1995, 93/08/0207; 09.09.1999, 97/21/0913; 07.06.2000, 99/01/0321).
„Entschiedene Sache“ iSd § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber der Vorentscheidung weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, 97/21/0913; 27.09.2000, 98/12/0057; 25.04.2002, 2000/07/0235). Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides bzw. -erkenntnisses entgegen (VwGH 10.06.1998, 96/20/0266). Es kann aber nur eine solche behauptete Änderung des Sachverhaltes die Behörde zu einer neuen Sachentscheidung - nach etwa notwendigen amtswegigen Ermittlungen – berechtigen und verpflichten, der für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen rechtlich Asylrelevanz zukäme; eine andere rechtliche Beurteilung des Antrages darf nicht von vornherein ausgeschlossen sein (vgl. etwa VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN).
Infolge des in § 17 VwGVG normierten Ausschlusses der Anwendbarkeit des 4. Hauptstücks des AVG im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, welcher auch die in § 68 Abs. 1 AVG normierte Zurückweisung wegen entschiedener Sache umfasst, kommt eine unmittelbare Zurückweisung einer Angelegenheit aufgrund der genannten Bestimmung durch das Bundesverwaltungsgericht grundsätzlich nicht in Betracht. Davon unberührt bleibt, dass das Verwaltungsgericht im Verfahren über Bescheidbeschwerden zur Überprüfung der rechtmäßigen Anwendung von § 68 AVG in Bescheiden durch die Verwaltungsbehörde berufen ist (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K10.; vgl. auch VfSlg. 19.882/2014). Sache des vorliegenden Beschwerdeverfahrens im Sinne des § 28 Abs. 2 VwGVG ist somit zunächst die Frage, ob das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu Recht die neuerlichen Anträge auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückgewiesen hat.
In Beschwerdeverfahren über zurückweisende Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wegen entschiedener Sache gemäß § 68 AVG ist „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht die Frage, ob die Zurückweisung des verfahrenseinleitenden Antrags auf internationalen Schutz durch die erstinstanzliche Behörde gemäß § 68 Abs. 1 AVG zu Recht erfolgt ist, ob die Behörde also auf Grundlage des von ihr zu berücksichtigenden Sachverhalts zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Vergleich zum rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren auf internationalen Schutz keine wesentliche Änderung der maßgeblichen Umstände eingetreten ist.
Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird. Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/ Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).
Bei einer Überprüfung einer gemäß § 68 Abs. 1 AVG bescheidmäßig abgesprochenen Zurückweisung eines Asylantrages hat es lediglich darauf anzukommen, ob sich die Zurückweisung auf ein rechtskräftig abgeschlossenes Verfahren bei gleichbleibender Sach- und Rechtslage stützen dürfte. Dabei hat die Prüfung der Zulässigkeit einer Durchbrechung der Rechtskraft auf Grund geänderten Sachverhalts nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ausschließlich anhand jener Gründe zu erfolgen, die von der Partei in erster Instanz zur Begründung ihres Begehrens auf neuerliche Entscheidung geltend gemacht worden sind. Derartige Gründe können im Rechtsmittelverfahren nicht neu geltend gemacht werden (s. zB VwSlg. 5642A; VwGH 23.05.1995, 94/04/0081; zur Frage der Änderung der Rechtslage während des anhängigen Berufungsverfahrens s. VwSlg. 12799 A). Allgemein bekannte Tatsachen sind dagegen jedenfalls auch von Amts wegen zu berücksichtigen (VwGH 29.06.2000, 99/01/0400; 07.06.2000, 99/01/0321).
Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, 92/12/0127; 23.11.1993, 91/04/0205; 26.04.1994, 93/08/0212; 30.01.1995, 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, 83/07/0274; 21.02.1991, 90/09/0162; 10.06.1991, 89/10/0078; 04.08.1992, 88/12/0169; 18.03.1994, 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A, VwGH 05.05.1960, 1202/58; 03.12.1990, 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung – obgleich auch diese Möglichkeit besteht – nicht zu einem anderen von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung hat zumindest einen „glaubhaften Kern“ aufzuweisen, dem Asylrelevanz zukommt (VwGH 21.3.2006, 2006/01/0028, sowie VwGH 18.6.2014, Ra 2014/01/0029, mwN). Neues Sachverhaltsvorbringen in der Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Bescheid nach § 68 AVG ist von der „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht nicht umfasst und daher unbeachtlich (VwGH vom 24.6.2014, Ra 2014/19/0018, mwN).
Als Vergleichsbescheid (Vergleichserkenntnis) ist der Bescheid (das Erkenntnis) heranzuziehen, mit dem zuletzt in der Sache entschieden wurde (vgl. in Bezug auf mehrere Folgeanträge VwGH 26.07.2005, 2005/20/0226, mwN). Dem neuen Tatsachenvorbringen muss eine Sachverhaltsänderung zu entnehmen sein, die – falls feststellbar – zu einem anderen Ergebnis als im ersten Verfahren führen kann, wobei die behauptete Sachverhaltsänderung zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen muss, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (vgl. VwGH 04.11.2004, 2002/20/0391, mwN). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung der Zulässigkeit des (neuerlichen) Asylantrages mit der Glaubwürdigkeit des Vorbringens des BF (und gegebenenfalls mit der Beweiskraft von Urkunden) auseinander zu setzen. Ergeben die Ermittlungen der Behörde, dass eine Sachverhaltsänderung, die eine andere Beurteilung nicht von vornherein ausgeschlossen erscheinen ließe, entgegen den Behauptungen der Partei in Wahrheit nicht eingetreten ist, so ist der Asylantrag gemäß § 68 Abs. 1 AVG zurückzuweisen. (VwGH 21.10.1999, 98/20/0467; vgl. auch VwGH 17.09.2008, 2008/23/0684; 19.02.2009, 2008/01/0344).
Wird die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Asylwerber auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt (bzw. sein „Fortbestehen und Weiterwirken“ behauptet; vgl. VwGH 20.03.2003, 99/20/0480), über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist. Mit einem solchen Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 07.06.2000, 99/01/0321).
Ein auf das AsylG 2005 gestützter Antrag auf internationalen Schutz ist nicht bloß auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, sondern hilfsweise – für den Fall der Nichtzuerkennung dieses Status – auch auf die Gewährung von subsidiärem Schutz gerichtet. Dies wirkt sich ebenso bei der Prüfung eines Folgeantrages nach dem AsylG 2005 aus: Asylbehörden sind verpflichtet, Sachverhaltsänderungen nicht nur in Bezug auf den Asylstatus, sondern auch auf den subsidiären Schutzstatus zu prüfen (vgl. VfGH 29.06.2011, U 1533/10; VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344 mwN).
III.2. Für den vorliegenden Fall bedeutet dies:
Zum hier maßgeblichen Antrag auf internationalen Schutz bringt der BF – wie in der Beweiswürdigung dargelegt – vor, sich nach Abschluss des ersten Verfahrens dem Christentum zugewandt und zum Christentum konvertiert zu sein.
Somit begründete der BF seinen neuerlichen Antrag mit Ereignissen, die erst nach Rechtskraft der Entscheidung über seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erteilung des Status der Asylberechtigten beziehungsweise subsidiär Schutzberechtigten eingetreten und demnach als wesentliche Änderung der Sachlage nach dem Zeitpunkt der rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 19.11.2019 zu qualifizieren sind.
Aus den Länderberichten des BFA ergibt sich unbestritten eine Verfolgung von Personen die der Apostasie beschuldigt werden beziehungsweise bei denen sich der Anschein einer solchen ergeben könnte. Der BF legte ein als Taufzertifikat bezeichnetes Schreiben vor, dass eine Konversion des BF zu einer anderen Religion als dem Islam zum Inhalt hat, weshalb dem Vorbringen der glaubhafte Kern nicht von vornherein abgesprochen werden kann. Dieses in einem Asylverfahren per se relevante Vorbringen schließt ein anderes Verfahrensergebnis als im vorhergehenden Bescheid nicht von vornherein aus.
Ohne das Ergebnis der umfassenden Glaubhaftigkeitsprüfung an dieser Stelle vorwegzunehmen, welche letztlich auch eine Auseinandersetzung mit den vorgelegten Urkunden und allenfalls eine Befragung des Taufspenders oder des Taufvorbereiters erforderlich macht, hat das BFA die im Ansatz bereits vorgenommene Glaubhaftigkeitsprüfung im inhaltlichen Verfahren vorzunehmen, zumal dem Vorbringen – wie oben dargelegt - der glaubhafte Kern nicht abgesprochen werden kann.
Zusammenfassend ist somit festzuhalten, dass das BFA zu Unrecht davon ausgegangen ist, dass der Behandlung des gegenständlichen Antrages auf internationalen Schutz das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache entgegensteht, weshalb der angefochtene Bescheid in den Spruchpunkten I. und II. zu beheben war. Da die übrigen angefochtenen Spruchpunkte die Zurückweisung des Antrages auf internationalen Schutz voraussetzten, waren auch diese bereits aus diesem Grund zu beheben.
3. Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben, da bereits aufgrund der Aktenlage feststand, dass der angefochtene Bescheid zu beheben ist.
Daher war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B)
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung, des Weiteren ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu Spruchteil A wiedergegeben. Insoweit die in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu früheren Rechtslagen ergangen ist, ist diese nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.
Schlagworte
Apostasie Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben entschiedene Sache glaubhafter Kern Konversion Religion Rückkehrentscheidung behoben wesentliche SachverhaltsänderungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W163.2154168.2.00Im RIS seit
11.12.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020