TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/1 W225 2115174-3

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Veröffentlicht am 01.10.2020
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Entscheidungsdatum

01.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs4
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W225 2115174-3/6E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Dr. Barbara WEIß, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX 1978, StA. Afghanistan, vertreten durch Migrantinnenverein St. Marx, Pulverturmstraße 4/2/R1, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 05.09.2019, Zl. 1047490708-181029249, zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. bis VI. wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter um weitere zwei Jahre gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 verlängert.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.




Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte am XXXX 2014 einen Antrag auf internationalen Schutz in Österreich. Die Erstbefragung fand am XXXX 2014 statt. Am 10.11.2015 fand eine mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht statt.

2. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.11.2015 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 18.11.2016 erteilt (Spruchpunkt III.).

3. Am 03.11.2016 wurde die befristete Aufenthaltsberechtigung bis zum 18.11.2018 verlängert.

4. Am 01.10.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung.

5. Mit angefochtenem Bescheid der belangten Behörde vom 05.09.2019 wurde der dem Beschwerdeführer zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer die befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Abs. 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.) Es wurde dem Beschwerdeführer kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt, eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise wurde mit 14 Tagen ab Rechtskraft der Entscheidung festgesetzt (Spruchpunkte III. bis VI.). Dessen Antrag auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung vom 01.10.2018 wurde gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt VII.).

6. Der Beschwerdeführer erhob gegen den Bescheid fristgerecht Beschwerde.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers

Der Beschwerdeführer führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX 1978. Er ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er ist schiitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er spricht zudem Dari. Er ist verheiratet und hat fünf Kinder. Der Beschwerdeführer wurde in der Provinz Baghlan geboren. In Afghanistan leben an Familienangehörigen seine Frau, seine Kinder sowie seine Brüder und Schwestern. Der Beschwerdeführer besuchte ca. zwölf Jahre lang die Schule. Der Beschwerdeführer absolvierte zudem eine zweijährige Lehrerausbildung und eine einjährige Militärausbildung. Der Beschwerdeführer arbeitete als Lehrer und als Armeeoffizier. Seit dem XXXX 2014 hält sich der Beschwerdeführer in Österreich auf.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

1.2.    Zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers

Im Erkenntnis vom 18.11.2015 wurde die Zuerkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer, obwohl es sich bei diesem um einen arbeitsfähigen und jungen Mann handeln würde, bei einer Rückkehr nach Afghanistan vorerst auf sich allein gestellt sein würde und gezwungen sein würde nach einem Wohnraum zu suchen, ohne jedoch über ausreichende Kenntnisse der örtlichen und infrastrukturellen Gegebenheiten zu verfügen. Zudem würde der Beschwerdeführer nicht auf sein soziales und familiäres Netzwerk in Baghlan zurückgreifen können.

Im angefochtenen Bescheid vom 05.09.2019 wurde die Aberkennung des subsidiären Schutzes im Wesentlichen damit begründet, dass sich die subjektive Lage des Beschwerdeführers geändert habe, da diesem nun eine innerstaatliche Fluchtalternative zur Verfügung stehen würde.

Seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten mit Erkenntnis vom 18.11.2015 bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung mit Bescheid vom 03.11.2016 ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers eingetreten.

2.       Beweiswürdigung:

Beweis wurde erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt sowie in den Gerichtsakt.

2.1.    Zu den Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers

Die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die getroffenen Feststellungen zum Namen und zum Geburtsdatum des Beschwerdeführers gelten ausschließlich zur Identifizierung der Person des Beschwerdeführers im Asylverfahren.

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seine familiäre Situation in Afghanistan, seiner Schul- und Berufsausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seinen diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers bei der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung bzw. auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

2.2.    Zu den Feststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers

Die Feststellungen hinsichtlich der Lage in Afghanistan und einer möglichen Änderung ergeben sich insbesondere aus einem Vergleich der dem Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 18.11.2015 bzw. dem Bescheid vom 03.11.2016 und dem Bescheid der belangten Behörde vom 05.09.2019 zugrundeliegenden Länderberichte, nämlich dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 19.11.2014 (letzte Kurzinformation eingefügt am 24.02.2015) bzw. dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 21.01.2016 (letzte Kurzinformation eingefügt am 05.10.2016) und dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu Afghanistan, Gesamtaktualisierung am 29.06.2018 (letzte Kurzinformation eingefügt am 04.06.2019).

Vorab ist anzumerken, dass den Ausführungen der belangten Behörde nicht entnommen werden kann, warum es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Änderung der subjektiven bzw. persönlichen Situation des Beschwerdeführers bzw. zu einer Verbesserung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan gekommen ist, da diese in ihren Ausführungen im Wesentlichen auf die aktuelle Situation abstellt, ohne dabei eine Prüfung dahingehend vorzunehmen, ob in den einzelnen Punkten eine maßgebliche Veränderung seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung stattgefunden hat.

Vergleicht man die allgemeinen sicherheitsrelevanten Vorfälle, so ist ersichtlich, dass sich diese über die Jahre leicht erhöht haben. Vergleicht man die Länderberichte in Bezug auf Kabul, so zeigt sich, dass sich die Sicherheitslage verschlechtert hat und Kabul von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen der Taliban betroffen ist. Die sicherheitsrelevanten Vorfälle haben sich seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erhöht. Auch in der Herkunftsprovinz des Beschwerdeführers Baghlan ist es zu keiner maßgeblichen Verbesserung gekommen. In dem dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Länderbericht wird ausgeführt, dass Baghlan zu jenen Provinzen zählt, in denen eine hohe Anzahl an Zivilisten aufgrund explosiver Kampfmittelrückstände und indirekter Waffeneinwirkung ums Leben kamen. Zudem galt Baghlan im Februar 2017 als eine der am schwersten umkämpften Provinzen von Afghanistan wo regelmäßig militärische Operationen durchgeführt werden. Auch in Bezug auf Herat ist keine wesentliche Veränderung erkennbar. Zwar gilt Herat aktuell als relativ friedliche Provinz, während Herat zu den früheren Zeitpunkten als schwierig einzuschätzen deklariert wurde, allerdings ist auch ersichtlich, dass sich die Zahl der sicherheitsrelevanten Vorfälle über die Jahre hinweg nicht wesentlich verändert hat. Auch in Bezug auf die Provinz Balkh zeigt sich ein ähnliches Bild. Schon zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes wurde im Länderbericht ausgeführt, dass die Hauptstadt Mazar-e Sharif eine Art „Vorzeigeprojekt“ Afghanistans fu?r wichtige ausländische Gäste darstellt und die Provinz Balkh zu den relativ friedlichen Provinzen in Nordafghanistan zählt. Auch im Bereich der Grundversorgung sind keine wesentlichen Verbesserungen erkennbar. Die Arbeitslosenquote ist seit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten angestiegen. Auch in vielen anderen Bereichen zeigt sich ein sehr ähnliches Bild. Ebenso verhält es sich mit dem Angebot von diversen Unterstützungsnetzwerken (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO‘s), sodass nicht von einer wesentlich geänderten Situation für Rückkehrer auszugehen ist. Im Ergebnis ist daher nicht zu erkennen, dass es zu einer nachhaltigen und maßgeblichen Verbesserung der Lage in Afghanistan gekommen ist.

Die Feststellungen hinsichtlich der subjektiven und persönlichen Situation und einer möglichen Änderung erfolgte durch einen Vergleich der individuellen Situation des Beschwerdeführers zum Zeitpunkt der rechtskräftigen Zuerkennung des subsidiären Schutzes und der damit verbundenen Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung bzw. deren Verlängerung einerseits und dem Zeitpunkt des angefochtenen Bescheides bzw. im nunmehrigen Entscheidungszeitpunkt andererseits.

Hinsichtlich der familiären Situation und dem sozialen Netzwerk des Beschwerdeführers in Afghanistan ist keine wesentliche Veränderung eingetreten. Die komplette Familie des Beschwerdeführers lebt, wie auch zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung, in Afghanistan. Die belangte Behörde verkennt zudem, dass der Beschwerdeführer auch in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht angeführt hat, dass dessen Familie nun in Kabul leben würde. Wenn die belangte Behörde vermeint, der Beschwerdeführer könne auch auf diverse Unterstützungsnetzwerke sowie auf die finanzielle Unterstützung seiner Familie zurückgreifen, so wäre ihm diese Möglichkeit wohl auch zum Zeitpunkt der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. zumindest zum Zeitpunkt der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung zur Verfügung gestanden.

Auch an der fehlenden Kenntnis der örtlichen Gegebenheiten ist keine wesentliche Änderung eingetreten. Der Beschwerdeführer hält sich seit Ende 2014 in Österreich auf. Wenn das erkennende Gericht schon im Jahr 2014 davon ausgegangen ist, dass es für den Beschwerdeführer von Nachteil sein würde, nach seinem Auslandsaufenthalt ohne Kenntnisse der örtlichen Verhältnisse zurückkehren zu müssen, so muss dies aktuell umso mehr gelten.

Wenn die belangte Behörde zudem anführt, dass die vom Beschwerdeführer in Österreich erworbenen Kenntnisse diesem bei der Arbeitssuche von Nutzen sein würden, so muss dieser zwar zugestimmt werden. Allerdings verkennt diese, dass die Arbeitsfähigkeit und die Berufserfahrung des Beschwerdeführers nicht infrage gestellt wurde und nicht zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt hat.

Wenn die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zudem anführt, dass sich die Rechtsprechung im Hinblick auf die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Fluchtalternative im Hinblick auf gesunde, alleinstehende, erwachsene, männliche afghanische Staatsangehörige geändert habe, so muss dieser dahingehend zugestimmt werden. Allerdings verkennt die belangte Behörde, dass die alleinige Änderung der Rechtsprechung keine Änderung des im Einzelfall relevanten Sachverhalts bedingt.

Insgesamt ist somit nicht ersichtlich, dass sich die subjektive und persönliche Situation des Beschwerdeführers, welche zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. zur Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung geführt hat, wesentlich und nachhaltig geändert hat.


3.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1.    Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

3.1.1. § 9 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:

„Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 9. (1) Einem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn

1.        die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1) nicht oder nicht mehr vorliegen;

2.       er den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat oder

3.       er die Staatsangehörigkeit eines anderen Staates erlangt hat und eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen neuen Herkunftsstaat keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention oder für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(2) Ist der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon aus den Gründen des Abs. 1 abzuerkennen, so hat eine Aberkennung auch dann zu erfolgen, wenn

1.        einer der in Art. 1 Abschnitt F der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe vorliegt;

2.       der Fremde eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Republik Österreich darstellt oder

3.       der Fremde von einem inländischen Gericht wegen eines Verbrechens (§ 17 StGB) rechtskräftig verurteilt worden ist. Einer Verurteilung durch ein inländisches Gericht ist eine Verurteilung durch ein ausländisches Gericht gleichzuhalten, die den Voraussetzungen des § 73 StGB, BGBl. Nr. 60/1974, entspricht.

In diesen Fällen ist die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

(3) Ein Verfahren zur Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist jedenfalls einzuleiten, wenn der Fremde straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3) und das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 oder 2 wahrscheinlich ist.

(4) Die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist mit dem Entzug der Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu verbinden. Der Fremde hat nach Rechtskraft der Aberkennung Karten, die den Status des subsidiär Schutzberechtigten bestätigen, der Behörde zurückzustellen.“

3.1.2. § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 enthält zwei unterschiedliche Aberkennungstatbestände: Dem Fremden ist der Status eines subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs. 1 AsylG 2005) nicht oder nicht mehr vorliegen. Der erste Fall des § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 erfasst die Konstellation, in der der Fremde schon im Zeitpunkt der Zuerkennung von subsidiärem Schutz die dafür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt hat. § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 betrifft hingegen jene Konstellationen, in denen die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nachträglich weggefallen sind (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005, mwN).

Die Heranziehung des Tatbestands des § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 setzt voraus, dass sich der Sachverhalt seit der Zuerkennung des subsidiären Schutzes bzw. der erfolgten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung nach § 8 Abs. 4 AsylG 2005 (die nur im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen für die Zuerkennung erteilt werden darf) geändert hat (vgl. dazu etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0353, mwN). Nicht jede Änderung des Sachverhalts rechtfertigt allerdings die Aberkennung des subsidiären Schutzes. Eine maßgebliche Änderung liegt unter Bedachtnahme auf die unionsrechtlichen Vorgaben von Art. 19 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 16 Abs. 2 der Richtlinie 2011/95/EU (Statusrichtlinie) vielmehr nur dann vor, wenn sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass ein Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht (VwGH 17.10.2019, Ro 2019/18/0005).

Als maßgeblich erweist sich, dass gerade in Bezug auf die Frage, ob sich die Umstände, die für die Zuerkennung von subsidiären Schutz von Bedeutung waren, so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, sodass Anspruch auf subsidiären Schutz nicht länger besteht, es regelmäßig nicht allein auf den Eintritt eines einzelnen Ereignisses ankommt. Der Wegfall der Notwendigkeit, auf den Schutz eines anderen Staates angewiesen zu sein, kann sich durchaus auch als Ergebnis unterschiedlicher Entwicklungen von Ereignissen, die sowohl in der Person des Fremden als auch in der in seinem Heimatland gegebenen Situation gelegen sind, darstellen (vgl. in diesem Zusammenhang sowohl die […] Rechtsprechung zu den Leitlinien der Prüfung, ob ein „real risk" der Verletzung des Art. 3 MRK droht, nach der die "die konkrete Einzelsituation des Fremden in ihrer Gesamtheit" zu beurteilen ist bzw. es einer „ganzheitlichen Bewertung" der individuellen Situation des Fremden bedarf) (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

Bei einer Beurteilung nach § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 sind nicht isoliert nur jene Sachverhaltsänderungen zu berücksichtigen, die zeitlich nach der zuletzt erfolgten Bewilligung der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten sind, sondern es dürfen im Rahmen der bei der Beurteilung vorzunehmenden umfassenden Betrachtung bei Hinzutreten neuer Umstände alle für die Entscheidung maßgeblichen Elemente einbezogen werden, selbst wenn sie sich vor der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung ereignet haben (VwGH 27.05.2019, Ra 2019/14/0153).

3.1.3. Aufgrund der oben getroffenen Feststellung ist keine wesentliche und nachhaltige Änderung der maßgeblichen Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan unter Berücksichtigung der persönlichen Situation des Beschwerdeführers seit dem Zeitpunkt der Zuerkennung des Status des subsidiären Schutzberechtigten bzw. der Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung eingetreten.

An diesem Ergebnis kann auch eine allenfalls geänderte Rechtsprechung zur Frage der Gewährung von subsidiärem Schutz von gesunden, alleinstehenden, erwachsenen, männlichen afghanischen Staatsangehörigen nichts ändern. Von einer nachträglichen Änderung der Sache ist der Fall zu unterscheiden, in dem der Sachverhalt anders rechtlich beurteilt wird oder (wie gegenständlich auch nicht der Fall) neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die bereits im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung vorlagen, aber erst später bekannt wurden („nova reperta"). Die schon vor Erlassung der Entscheidung bestehende Sachlage ist von der Rechtskraft des Bescheides erfasst und bindet Gerichte und Behörden, solange diese Entscheidung dem Rechtsbestand angehört (VwGH 09.01.2020, Ra 2019/19/0496, mwN).

Die Voraussetzungen für die amtswegige Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 - sowie auch gemäß erster Fall leg.cit. - lagen und liegen weiterhin sohin gegenständlich nicht vor.

3.1.4. Der Beschwerde ist daher zu diesem Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides stattzugeben. Dem Beschwerdeführer kommt demzufolge weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zu. Damit mangelt es den Spruchpunkten II. bis VI. an einer rechtlichen Grundlage, weshalb diese (ebenfalls) ersatzlos aufzuheben waren.

3.2.    Zu Spruchpunkt VII. des angefochtenen Bescheides – Abweisung des Antrags auf Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung

3.2.1. § 8 Abs. 4 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:

„Status des subsidiär Schutzberechtigten

§ 8. …

(4) Einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, ist vom Bundesamt oder vom Bundesverwaltungsgericht gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

…“

3.2.2. Da der Beschwerde gegen die Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten stattzugeben war und dem Beschwerdeführer aufgrund der Behebung der Spruchpunkte I. bis VI. des angefochtenen Bescheides weiterhin der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zukommt, ist nunmehr die befristete Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 8 Abs. 4 zweiter Satz AsylG 2005 um zwei weitere Jahre zu verlängern.

3.3. Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

Eine mündliche Verhandlung konnte im Fall des Beschwerdeführers deshalb unterbleiben, weil aus dem Inhalt des dem Bundesverwaltungsgericht vorliegenden Verwaltungsakts die Grundlage des bekämpften Bescheides unzweifelhaft nachvollziehbar ist. Es hat sich auch in der Beschwerde kein zusätzlicher Hinweis auf die Notwendigkeit ergeben, den maßgeblichen Sachverhalt mit dem Beschwerdeführer und der belangten Behörde in einer mündlichen Verhandlung zu erörtern.

Zu B)   Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

In der Beschwerde findet sich kein Hinweis auf das Bestehen von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Zusammenhang mit dem gegenständlichen Verfahren und sind solche auch aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts nicht gegeben. Die Entscheidung folgt der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten Aberkennungstatbestand § 9 Abs. 1 befristete Aufenthaltsberechtigung Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Rückkehrentscheidung behoben Sicherheitslage Verlängerung Versorgungslage wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W225.2115174.3.00

Im RIS seit

11.12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.12.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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