TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/8 W174 2126212-1

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Veröffentlicht am 08.10.2020
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Entscheidungsdatum

08.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §3 Abs3 Z1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W174 2126212-1/20E

W174 2126212-2/12E
IM NAMEN DER REPUBLIK!

1. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 2.4.2016, Zl. 14-1031246605 - 14958705, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird abgewiesen.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.

2. Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Viktoria MUGLI-MASCHEK, als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.2.2019, Zl. 1031246605 - 14958705 / BMI-BFA_KNT_AST, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird stattgegeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am 10.9.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Im Rahmen seiner Erstbefragung vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am selben Tag gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dem moslemischen Glauben und der Volksgruppe der Paschtunen anzugehören, in Paktia geboren, ledig und Analphabet zu sein. Einer seiner Brüder befinde sich in Deutschland.

Zu seinem Fluchtgrund erklärte er, mit den Taliban Probleme gehabt zu haben. Da sie eine seiner Schwestern umgebracht hätten, habe der Beschwerdeführer die Heimat verlassen. Sonst gebe es keine weiteren Fluchtgründe.

In weiterer Folge reichte der Beschwerdeführer seine Tazkira nach.

3. Am 20.10.2015 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) niederschriftlich einvernommen. Dabei erklärte er zunächst im Wesentlichen wie bisher, ledig und kinderlos, moslemisch-sunnitischen Glaubens und in einem näher genannten Dorf in Paktia geboren zu sein, welches bis vor vier Monaten zum Distrikt Gardez gehört habe und nunmehr Teil des neuen Distriktes „Ozi“ sei. Der Beschwerdeführer habe nie die Schule besucht, sondern bis zu seiner Flucht in Paktia und Tagab Maschinen (eine Art Bagger) gefahren. Er hätte eine Schwester gehabt, zudem gebe es fünf Halbbrüder und fünf Halbschwestern. Seine Familie habe im Heimatdorf ein eigenes Haus und Grundstück und befinde sich noch immer dort. Ihr habe eine Landwirtschaft und Holzfällerrei gehört, die finanzielle Situation sei gut gewesen. Er selbst habe im Monat ca. 40.000,00 Afghani verdient.

Zu seinem Fluchtgrund brachte er vor, Probleme mit den Taliban gehabt zu haben. Diese hätten eine Feindschaft mit seinem Arbeitgeber und sogar in den Feldern Minen verlegt um „uns“ umzubringen. Das Leben des Beschwerdeführers sei in Gefahr gewesen. Nachdem er in Tagab Probleme bekommen habe, sei er in sein Dorf gefahren, in dem ihm die Taliban ebenfalls das Leben schwergemacht hätten, sie hätten überall Kontakte.

Er sei auch konkret bedroht und verfolgt worden, die Taliban hätten den Beschwerdeführer wegen seines Arbeitgebers unter Druck setzen wollen. Dieser habe zu den Arbaki, einer regionalen Zivilpolizei, gehört, die von den Amerikanern finanziell unterstützt werde und für diese Aufträge erledige. Deswegen hätten die Taliban dem Beschwerdeführer vorgeworfen, für die Amerikaner zu arbeiten. In jenem Dorf seien die Taliban die Bewohner gewesen, hätten den Beschwerdeführer bedroht und verwarnt, diese Tätigkeit nicht mehr auszuüben. Sie hätten ihm oft gesagt, dass er für diese Leute nicht arbeiten dürfe, hätten vor seinem Fahrzeug Minen verlegt und versucht, ihn umzubringen. Danach sei der Beschwerdeführer in sein Dorf gefahren, wo man versucht hätte, ihn zu töten. Deswegen habe sein Vater mit einem Schlepper geredet, der die Ausreise des Beschwerdeführers organisiert habe.

Aufgefordert, den Vorfall zu schildern, als er bedroht und verwarnt worden sei, erwiderte der Beschwerdeführer, sie hätten ihn bedroht, diese Tätigkeit nicht mehr auszuüben, sonst würden sie ihn töten. Wo er gearbeitet habe, habe es auch einen Stützpunkt der Amerikaner gegeben. Der Beschwerdeführer habe nicht auf sie gehört. Danach hätten sie Straßenminen auf dem Weg des Beschwerdeführers verlegt, und bei einer Attacke versucht, ihn umzubringen. Diese Minen seien für ihn persönlich gewesen, weil sie ihn vorher bedroht hätten. Auch seien sie in seinem Arbeitsgebiet gelegen, am Land, auf einer Stätte sozusagen. Er selbst habe sie nicht gesehen, aber die Bewohner hätten ihn darauf aufmerksam gemacht, dass dort Minen verlegt worden sein. Wann und von wem hätten sie ihm nicht genau mitgeteilt, aber alle hätten gewollt, dass der Beschwerdeführer nicht mehr dort arbeite. Unter „alle“ verstehe er die, die gegen den Fortschritt in Afghanistan seien, die Bewohner von Tagab.

Die Zivilpolizei habe Aufträge von Stützpunkt der Amerikaner bekommen, die Taliban hätten nicht gewollt, dass der Beschwerdeführer das tue. Persönlich kenne er die Mitglieder der Taliban jedoch nicht. Sie hätten ihm durch die Bewohner mitgeteilt, dass er nicht für die Zivilpolizei arbeiten dürfe und es bestehe die Möglichkeit, dass diese Bewohner Taliban sein könnten. Wann konkret der Vorfall mit den Straßenminen gewesen sei, wisse der Beschwerdeführer zeitlich nicht. Es sei vor der Rückkehr in sein Dorf gewesen.

In seinem Heimatdorf habe man versucht, ihn umzubringen. Eines Tages, drei Monate vor seiner Flucht aus Afghanistan, hätte eine unbekannte Person den Beschwerdeführer im Jahr 1393 spätnachmittags bzw. abends angeschossen, als er das Grundstück gegossen habe. Er sei dann sofort zu seinem Onkel gegangen, habe Kontakt mit seinem Vater aufgenommen und sei nach einem Monat Aufenthalt bei seinem Onkel nach Kabul gegangen. Der Beschwerdeführer habe nicht sehen können, wer ihn angeschossen habe, die Kugeln hätten ihn nicht getroffen, die Schüsse habe er nicht gezählt. Auch habe er nicht gesehen, wohin die Schüsse gegangen seien. Er habe nur gesehen, dass in der Nähe etwas getroffen worden wäre, es sei dunkel gewesen und er habe den Ort sofort verlassen. An die Polizei habe er sich nicht gewandt, weil die Regierung gegen die Taliban nichts machen könne.

Zwei Monate vor seiner Flucht habe sich der Beschwerdeführer in Kabul aufgehalten, einen Pass beantragt und sei dann legal per Flugzeug in den Iran gereist. Das Dokument sei ihm jedoch an der Grenze zur Türkei vom Schlepper weggenommen worden.

Nachgefragt, was mit seiner von den Taliban getöteten Schwester sei, erklärte er, es handle sich um seine leibliche Schwester, dies sei vor einigen Jahren gewesen, genau wisse er es nicht. Dass er das in der Erstbefragung zum Fluchtgrund nicht angegeben habe, begründete der Beschwerdeführer damit, man habe ihm gesagt, sich kurz zu halten.

Weitere Probleme in der Heimat gebe es nicht.

In Österreich lebe er von der Grundversorgung und erhalte zweimal wöchentlich Deutschunterricht in seinem Quartier.

4. Mit dem gegenständlichen, im Spruch genannten, Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem Beschwerdeführer gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV.).

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass die vom Beschwerdeführer angegebenen Gründe für das Verlassen seines Heimatlandes nicht glaubhaft seien. Es drohe ihm auch keine Gefahr, die die Erteilung eines subsidiären Schutzes rechtfertigen würde. Der Beschwerdeführer verfüge in Österreich zudem über kein schützenswertes Privat- und Familienleben, welches einer Rückkehrentscheidung entgegenstehen würde.

5. Dagegen wurde Beschwerde in vollem Umfang erhoben.

6. Mit GZ: 72 Hv62/18z des Landesgerichtes Klagenfurt wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens nach § 28a Abs. 1 5. Fall SMG mit 21.10.2018 in Untersuchungshaft genommen

Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31.1.2019, GZ: 72 Hv 62/18z wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG und § 28a Abs. 1 (fünfter Fall) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. 12 Monate davon wurden unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

7. Mit Bescheid vom 12.2.2019, Zahl: 1031246605 - 14958705 / BMI-BFA_KNT_AST, hob das Bundesamt gemäß § 68 Abs. 2 AVG den Bescheid vom 2.4.2016, IFA 1031246605-14958705, betreffend Spruchpunkt III, §52 Absatz 9 FPG, von Amts wegen auf.

Dazu wurde ausgeführt, dass dieser Bescheid nur erlassen worden sei, um den seit der Rechtskraft des oa. Bescheides neu entstandenen Sachverhalt – die rechtskräftige Verurteilung -festzustellen, bzw. zu würdigen. Es sei beabsichtigt, nach Rechtskraft dieses Bescheides seitens der Behörde ein Einreiseverbot zu erlassen.

8. Mit Schriftsatz vom 14.2.2019 übermittelte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer Parteiengehör im Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot, eine entsprechende Stellungnahme des Beschwerdeführers wurde am 1.3.2019 erstattet.

9. Gegen den Bescheid vom 12.2.2019 wurde rechtzeitig Beschwerde erhoben und beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge den gesamten Bescheid ersatzlos beheben.

10. Am 7.7.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht im Beisein einer Dolmetscherin für die Sprache Paschtu eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei erklärte der Beschwerdeführer zunächst im Wesentlichen wie bisher, in einem Dorf in der Provinz Paktia geboren, ledig, Paschtune und sunnitischer Moslem zu sein. Er habe die Zeit in seiner Heimatprovinz verbracht, die bei der Behörde vorgelegte Tazkira habe er sich in Paktia ausstellen lassen.

Diese wurde von der Dolmetscherin im Rahmen der Verhandlung übersetzt.

Weiters erklärte der Beschwerdeführer, dass ihm sein von der afghanischen Behörde ausgestellter Pass im Iran abgenommen worden sei. Dorthin sei er legal von Afghanistan aus geflogen und dann ohne Pass illegal weitergereist.

In der Heimat habe er mit seinen Eltern und Geschwistern im familieneigenen Haus gewohnt, die Familie habe auch Grundstücke in der Nähe besessen. Das Haus alleine habe zwei Jerib, die Größe der Grundstücke kenne er nicht. Zudem besitze der Beschwerdeführer Geschäfte und Maschinen. Außer seinen Eltern gebe es in der Heimat noch vier Schwestern und fünf Brüder. Dabei handle es sich um seine Halbgeschwister, seine leibliche Schwester sei gestorben. Zu Lebzeiten seiner leiblichen Mutter sei sein Vater gleichzeitig mit der Stiefmutter verheiratet gewesen. Weiters habe der Beschwerdeführer einen Onkel väterlicherseits. Die Geschwister bzw. Familie seiner Mutter habe er nie gesehen, sie seien mit seinem Vater verfeindet gewesen. Der leibliche Bruder seines Vaters lebe nunmehr in Saudi-Arabien, der Halbbruder in Pakistan. Einmal monatlich spreche er mit seinem Onkel in Pakistan, seit seiner Ausreise aus Afghanistan habe er keinen Kontakt zu seiner Familie, weil er Angst habe, dass ihr wegen ihm etwas geschehe. Im Dorf gebe es viele Spitzel der Taliban, die diese bestimmt benachrichtigen würden. Der älteste Bruder befinde sich in Deutschland.

Er selbst habe nie eine Schule besucht, sondern sei nur in eine Madrassa gegangen. Der Beschwerdeführer sei mit zwei Maschinen gefahren, einem Bagger und einer Maschine, die Steine zerkleinere. Zudem habe er in der Erde gearbeitet, weißem Sand ausgehoben. Dieser habe immer einen guten Preis gemacht, viele Kunden hätten ihn für Baustellen gebraucht. Manchmal habe der Beschwerdeführer 200.000,00 Afghani verdient. Vorgehalten, er habe vor der Behörde anderes behauptet, korrigierte sich der Beschwerdeführer dahingehend, dabei habe es sich um den Wert des Sandes gehandelt, von dem er jedoch keinen Nutzen gehabt hätte. Sein fixes Einkommen sei jedoch 40.000,00 Afghani gewesen, was dort ein sehr gutes Einkommen sei. Die Maschine habe seinem Vater gehört, somit aber auch ihm. Finanziell sei es seiner Familie sehr gut gegangen, nur die Sicherheitslage sei schlecht gewesen. Nebenbei habe die Familie auch noch die Ernte aus den Grundstücken. Seit ca. einem Monat wäre seine ganze Familie am Corona Virus erkrankt, mit Ausnahme des jüngsten Bruders.

In Kapisa, Tagab habe er beim Dammbau geholfen, nachdem ein Dorf überschwemmt worden sei. Diesen Auftrag habe er von den Arbakis – den Dorfpolizisten – erhalten, die wiederum für die Amerikaner gearbeitet hätten.

Mit seiner Tätigkeit begonnen habe er im Alter von ca. zwölf Jahren und sich selbst alles beigebracht, insgesamt vier Jahre lang. Dann habe er drei Jahre lang in Kabul gearbeitet, in weiterer Folge vier Monate in Kunar gemeinsam mit einem japanischen Sozialarbeiter, sei danach eine Zeit lang zu Hause gewesen bevor er vier Monate eben bei dem Damm in Tagab gearbeitet habe.

Den Entschluss zur Ausreise habe der Beschwerdeführer gefasst, nachdem seine Probleme aufgetaucht seien. Die Vorbereitungen für die Reise hätten zwei bis drei Monate in Anspruch genommen und seien über seinen Onkel gelaufen, der für die Reise bezahlt habe.

Zwei Jahre vor seiner Ausreise sei seine leibliche Schwester verstorben. Es habe sich um keinen konkreten Angriff auf die Familie, sondern auf das Dorf gehandelt, bei dem viele Menschen ums Leben gekommen seien. Das Leben des Beschwerdeführers sei wie das eines jeden anderen Dorfbewohners in Gefahr gewesen. Sein eigentlicher Fluchtgrund sei jedoch ein anderer. Auf Vorhalt erklärte er, er habe auch bei der Erstbefragung die Taliban und seine Zusammenarbeit mit den Arbaki erwähnt.

Der Beschwerdeführer sei von den Taliban persönlich bedroht worden: Als er in Tagab bei diesem Dammbau gearbeitet habe, sei er eines Tages, als er die Maschine gefahren habe, von einem Mann aufgesucht worden, der ihn aufgefordert habe, nicht für diese Menschen zu arbeiten. Später habe der Beschwerdeführer erfahren, dass es sich dabei um einen Talib gehandelt habe. Dort seien viele Minen vergraben worden und viele Menschen durch diese Minen ums Leben gekommen. Der Mann, für den der Beschwerdeführer tätig gewesen sei, sei der Führer der Arbaki gewesen und der Beschwerdeführer sei selbst zwei bis dreimal bedroht worden. Diese Person, von der er vorher gesprochen habe, habe ihn nicht direkt bedroht, sondern lediglich gesagt, er solle seine Arbeit beenden. An einem anderen Tag sei über einen Dorfbewohner ein Drohbrief gekommen. Dabei habe es sich um eine mündliche Drohung gehandelt, die der Dorfbewohner von den Taliban an „uns“ (gemeint ihn und noch drei oder vier weitere Mitarbeitern) übermittelt habe. Sie seien aufgefordert worden, mit dieser Arbeit aufzuhören und stattdessen für die Taliban Schutzeinrichtungen zu bauen. Weiters sollte der Beschwerdeführer seine Maschine den Taliban zur Verfügung stellen und selbst mitarbeiten. Ansonsten würden sie ihn umbringen, wo er sich auch immer aufhalte. Daraufhin habe der Beschwerdeführer Angst bekommen, seine Maschine bei der amerikanischen Basis abgestellt und sei nach Kabul gegangen. Die Person, die die Drohung ausgesprochen habe, stamme vermutlich aus einem Nachbardorf, der Beschwerdeführer habe dort niemanden gekannt.

Weitere persönliche Bedrohungen habe es zwar nicht mehr gegeben, aber es sei zu Schüssen in seinem Heimatdorf gekommen, während sich der Beschwerdeführer auf dem Feld befunden habe.

Zu den Minen gefragt, erklärte der Beschwerdeführer zunächst, er habe viele brutal ermordete Franzosen gesehen und auch, wie Leute vor seinen Augen erschossen worden seien. Von den Minen hätten sie erfahren, als sie wieder mit ihrer Arbeit hätten beginnen wollen. Die Dorfbewohner hätten sie gewarnt, aufzupassen, denn am Vorabend hätten sich Taliban dort lange Zeit aufgehalten. Sie hätten Angst gehabt, dass tatsächlich Minen vergraben worden seien, aber zu diesem Zeitpunkt habe es zum Glück keine gegeben. Die Minen seien dort eingegraben worden, wo sie gearbeitet hätten. Ziel sei gewesen, die Maschine in die Luft zu sprengen. Die Fläche sei ca. so groß wie der Verhandlungssaal gewesen. Vorgehalten, der Beschwerdeführer habe bei der Behörde davon gesprochen, dass diese Minen am Weg, am Land, auf den Feldern bzw. auf der Stätte gelegt worden seien, erwiderte er, es habe sich um seine Arbeitsfläche gehandelt, die zweimal so groß wie der Verhandlungssaal gewesen sei. Nachgefragt, wieso er bei der Behörde angegeben habe, dass diese Minen eine Attacke gegen ihn persönlich gewesen wären, antwortete der Beschwerdeführer, die amerikanischen Hubschrauber seien geflogen, um die Minen auszuforschen, es seien jedoch keine dagewesen. Das Ziel der Taliban wäre gewesen, sowohl den Beschwerdeführer als auch die Maschine zu zerstören, sie hätten den Bau des Dammes verhindern wollen. Die Dorfbewohner hätten nur vermutet, dass die Taliban dort Minen eingebaut hätten.

Konkret hätten die Taliban gewollt, dass der Beschwerdeführer für sie eine Art Schutzwall errichte. Hätte er dies getan, hätten ihn die Arbaki umgebracht. Da er von keinen von beiden hätte getötet werden wollen, sei er weggegangen. Genaue Zeitangaben könne er nicht machen, er habe seine Maschine bei der amerikanischen Basis abgestellt und sei dann nach Kabul gegangen, wo er sich ca. drei Monate für seine Reisevorbereitungen aufgehalten hätte. Die Taliban glaubten, dass er ein Mitarbeiter der Zivilpolizei sei, weil er für diese gearbeitet hätte. Deswegen sei er gleich ein Feind. Zudem wäre er in Lebensgefahr, weil er ihren Forderungen nicht Folge geleistet hätte.

Vorgehalten, der Beschwerdeführer habe am Beginn der Verhandlung erklärt, seine Reise von seinem Heimatdorf aus begonnen zu haben, erwiderte er, die Reise habe er von seinem Dorf aus angetreten, den Flug von Kabul. Weiters vorgehalten, er hätte sich seinen vorherigen Angaben zufolge mehrere Monate lang in Kabul aufgehalten, erklärte er, er sei nachdem er die Arbeit in Tagab beendet hätte, in sein Heimatdorf zurückgekehrt, wo es am Abend einen Vorfall gegeben habe, bei dem Schüsse gefallen seien. Danach sei er nach Kabul geflohen, wo er auf sein Visum gewartet habe und von wo er ausgereist sei. Es habe keinen direkten Weg von Tagab zu seinem Dorf gegeben, sie seien über Kabul gegangen.

Nachgefragt, wie lange er sich dann in seinem Heimatdorf aufgehalten habe, meinte er, es sei ca. mehr als ein Monat gewesen, insgesamt bis zu drei Monaten habe er dann in Kabul verbracht. Vorgehalten, er habe vor der Behörde davon gesprochen, sich ca. einen Monat bei seinem Onkel versteckt gehalten zu haben, antwortete der Beschwerdeführer, er sei nach diesem Vorfall zu seinem Onkel gegangen und habe sich bei diesem versteckt. Der Onkel wohne in Kabul und er sei nicht einen, sondern drei Monate bis zu seiner Ausreise dort gewesen.

Als auf ihn geschossen worden sei, sei jeder in alle Richtungen weggelaufen, er selbst auch, ohne zurückzuschauen. Sie seien zu der Zeit auf den Feldern gewesen, um die Grundstücke zu bewässern. Außer ihm hätten sich noch Nachbarn dort befunden, es sei zur Abendzeit und schon etwas dunkel gewesen. Wo die Kugeln eingeschlagen hätten, habe er nicht beobachten können. Wie oft geschossen wurde, habe er nicht mitgezählt.

Anzeige hätten sie nicht erstattet, weil die Taliban mächtiger als die Polizei seien.

Bei einer Rückkehr wäre sein Leben in Gefahr, finanzielle Probleme habe er keine, sondern könnte dort gut leben. Er habe jedoch Angst, dass ihn die Taliban umbringen könnten, die überall Spitzel hätten.

In Österreich habe der Beschwerdeführer Integrationskurse und Sprachcafés besucht, die Bestätigungen seien ihm jedoch samt seiner Bekleidung und anderen Habseligkeiten nach seiner polizeilichen Festnahme gestohlen worden. Vor der Coronakrise habe er einen Kurs begonnen, dieser sei jedoch abgebrochen worden. In seiner Pension helfe er seiner Chefin, wo er gebraucht werde und erledige die Reinigungstätigkeiten. Für diese Aushilfe bekomme er ein kleines Trinkgeld, ansonsten arbeite er auch auf freiwilliger Basis. Es gebe eine Flaschenfirma, wo sie die Deckel sammelten, dazu würden die Bestätigungen vorliegen. Zudem habe er einen großen Freundeskreis, sowohl an seinem Wohnort, als auch in Wien und Graz, darunter auch weibliche Freundinnen. Momentan sei er verlobt, die Verlobte befinde sich mit ihrer Familie in Deutschland. Dort habe sich auch der Beschwerdeführer aufgehalten, sei jedoch coronabedingt wieder nach Österreich zurückgekehrt. Wenn sich die Lage bessere, werde die Verlobte, eine deutsche Staatsangehörige, kommen und den Beschwerdeführer heiraten. In seiner Einrichtung sei es schwer gewesen, sich zusammen aufzuhalten, deshalb habe er sie außerhalb getroffen.

Der Rechtsvertretung wurde eine Stellungnahmefrist von zwei Wochen zum übermittelten bzw. ausgehändigten Länderinformationsmaterial gewährt.

11. Diese Stellungnahme langte beim Bundesverwaltungsgericht am 24.7.2020 ein.

II.     Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen:

1.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Der volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger und gehört der Volksgruppe der Paschtunen an. Er ist sunnitischer Moslem. Seine Muttersprache ist Paschtu. Er ist ledig und kinderlos.

Der Beschwerdeführer wurde in seinem Heimatort in der Provinz Paktia geboren und wuchs dort mit seinen Eltern, einer Schwester und seinen Halbgeschwistern auf. Er besuchte eine Madrassa, hat mehrjährige Berufserfahrung in der Arbeit mit familieneigenen Baumaschinen (zum Beispiel Baggern) und war unter anderem drei Jahre in Kabul tätig. Sein Einkommen beschrieb er als sehr gut.

Die Familie (Eltern und Halbgeschwister) lebt im eigenen Haus im Heimatort, hat dort Grundstücke sowie Geschäfte und Baumaschinen. Laut seinen eigenen Angaben ist die finanzielle Situation sehr gut. Es ist nicht glaubwürdig, dass der Beschwerdeführer nicht mit ihr in Kontakt steht.

Der Beschwerdeführer ist nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert, er ist mit den afghanischen Gepflogenheiten vertraut.

Der Beschwerdeführer ist gesund.

1.2.    Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1.  Weder der Beschwerdeführer noch seine Familie wurden in Afghanistan jemals von den Taliban oder von anderen Personen aufgesucht oder von diesen bedroht. Es wurde weder konkret wegen dem Beschwerdeführer Landminen verlegt, noch auf ihn persönlich gezielt geschossen.

Der Beschwerdeführer wurde weder direkt von den Taliban noch über Dorfbewohner aufgefordert, mit den Taliban zusammen zu arbeiten oder diese zu unterstützen. Der Beschwerdeführer wurde von den Taliban weder angesprochen noch angeworben. Er hatte in Afghanistan persönlich keinen Kontakt zu den Taliban.

Der Beschwerdeführer hat Afghanistan weder aus Furcht vor Eingriffen in die körperliche Integrität noch wegen Lebensgefahr verlassen.

Der Beschwerdeführer ist wegen seines Aufenthalts in einem westlichen Land oder wegen seiner Wertehaltung in Afghanistan keinen psychischen oder physischen Eingriffen in seine körperliche Integrität ausgesetzt. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.

1.2.2.  Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.

Der Beschwerdeführer ist bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund seines in Österreich ausgeübten Lebensstils oder seinem Aufenthalt in einem europäischen Land weder psychischer noch physischer Gewalt ausgesetzt.

1.3.    Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Der Beschwerdeführer reiste unter Umgehung der Grenzkontrollen nach Österreich ein und hält sich zumindest seit 10.9.2014 in Österreich auf, wobei er auch eine Zeit lang in Deutschland war. Er ist nach seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 10.9.2014 in Österreich aufgrund einer vorübergehenden Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG durchgehend rechtmäßig aufhältig.

Der Beschwerdeführer lebt von der Grundversorgung, er ist am österreichischen Arbeitsmarkt nicht integriert und geht keiner Erwerbstätigkeit nach. Er verfügt über keine verbindliche Arbeitszusage.

Der Beschwerdeführer besuchte laut eigenen Angaben Integrationskurse und Sprachcafés, konnte jedoch kein Zertifikat vorlegen.

Der Beschwerdeführer war ehrenamtlich tätig und hilft gegen ein Taschengeld in seiner Pension aus.

Er konnte in Österreich nach eigenen Angaben Freundschaften knüpfen, verfügt jedoch weder über Verwandte noch über sonstige enge soziale Bindungen, wie Ehefrau oder Kinder in Österreich. Eine Verlobte befindet sich in Deutschland.

Der Beschwerdeführer wurde mit Mit Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt vom 31.1.2019, GZ: 72 Hv 62/18z wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs. 1 SMG und § 28a Abs. 1 (fünfter Fall) SMG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt. 12 Monate davon wurden unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen.

1.4.    Zu einer möglichen Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

Dem Beschwerdeführer könnte bei einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz Paktia aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Die Eltern und (Halb-)Geschwister des Beschwerdeführers wohnen derzeit Im Heimatdorf. Es ist nicht glaubwürdig, dass er mit ihnen nicht in Kontakt steht. Der Familie des Beschwerdeführers gehört ein Haus sowie landwirtschaftliche Grundstücke, Geschäfte und Baumaschinen in Paktia. Ihre finanzielle Lage ist sehr gut. Der Beschwerdeführer unterstützt seine Familie derzeit finanziell nicht. Die Familie des Beschwerdeführers kann ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan finanziell unterstützen. Er erklärte vor der erkennenden Richterin ausdrücklich, bei einer Rückkehr würde er keine finanziellen Probleme haben.

Der Beschwerdeführer kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Der Beschwerdeführer ist anpassungsfähig und kann einer regelmäßigen Arbeit nachgehen.

Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer alternativen Ansiedelung in die Städte Herat bzw. Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen und in den genannten Städten einer Arbeit nachgehen und sich selber erhalten.

Es ist dem Beschwerdeführer auch möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in einer dieser Städte Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zudem hat der Beschwerdeführer drei Jahre in Kabul gelebt und gearbeitet und sich zuletzt drei Monate vor seiner Ausreise bei einem in Kabul lebenden Onkel aufgehalten. Somit wäre alternativ im konkreten Fall auch eine Rückkehr nach Kabul möglich.

1.5.    Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat:

Das Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Afghanistan, Stand Gesamtaktualisierung 13.11.2019 samt letzter Information vom 18.5.2020, die Kurzinformation der Staatendokumentation betreffend COVID-19 Afghanistan, Stand 29.6.2020, der ACCORD-Bericht vom 5.6.2020 zur Lage in Afghanistan in Zusammenhang mit COVID-19, die EASO Country Guidance: Afghanistan vom Juni 2019 (EASO) und die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs Afghanischer Schutzsuchender vom 30.8.2018 (siehe Anlage) stellen einen integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses dar und werden als Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat herangezogen.

1.6. Lage der Pandemie aufgrund des Corona-Virus:

Zur allgemeinen Situation betreffend COVID-19 ist auszuführen, COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Die Wahrscheinlichkeit von schweren Erkrankungen und Todesfällen steigt bei Personen über 65 Jahren und bei Personen mit definierten Risikofaktoren wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf- Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen, geschwächtem Immunstatus, Krebs und Fettleibigkeit deutlich an. Diese Risikogruppen sind bis heute für die Mehrheit der schweren Erkrankungen und Todesfälle verantwortlich. Nach der Infektion gibt es aktuell (noch) keine spezifische Behandlung für COVID-19, jedoch kann eine frühzeitige unterstützende Therapie, sofern die Gesundheitsfürsorge dazu in der Lage ist, die Ergebnisse verbessern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Krankheitsverlauf des COVID-19, sofern es durch das Coronavirus ausgelöst wurde, für die Allgemeinbevölkerung als mild bis moderat, für ältere Menschen mit definierten Risikofaktoren jedoch als gravierend bis tödlich eingeschätzt wird (s. www.who.int/health topics/coronavirus).

Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie, aufgrund des Corona-Virus, wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer nicht unter die Risikogruppe der Personen über 65 Jahren und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ein bei einer Überstellung des Beschwerdeführers nach Afghanistan vorliegendes „real risk“ einer Verletzung des Art. 2 oder 3 EMRK ist hierzu nicht erkennbar.

2.       Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakt und dem vom Bundesverwaltungsgericht durchgeführten Ermittlungsverfahren.

2.1.    Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers, zu seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, seiner Muttersprache, seinem Lebenslauf, seinem Aufwachsen sowie seiner familiären Situation in Afghanistan, seiner Schulausbildung und seiner Berufserfahrung gründen sich auf seine diesbezüglich schlüssigen und stringenten Angaben. Das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen im gesamten Verfahren gleich gebliebenen Aussagen des Beschwerdeführers zu zweifeln.

Die Feststellung zur Sozialisierung des Beschwerdeführers nach den afghanischen Gepflogenheiten ergibt sich daraus, dass er in Afghanistan mit seiner afghanischen Familie aufgewachsen und dort in die Koranschule gegangen ist sowie über mehrere Jahre dort gearbeitet hat.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand gründen auf den diesbezüglich glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers und auf dem Umstand, dass im Verfahren nichts Gegenteiliges hervorgekommen ist.

2.2.    Zum Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers:

Das Gericht verkennt bei der Würdigung der Aussagen des Beschwerdeführers in der Erstbefragung nicht, dass gemäß § 19 Abs. 1 AsylG die Erstbefragung zwar "insbesondere" der Ermittlung der Identität und der Reiseroute eines Fremden dient und sich nicht auf die "näheren" Fluchtgründe zu beziehen hat. Die Beweisergebnisse der Erstbefragung dürfen nicht unreflektiert übernommen werden (vgl. VwGH 13.11.2014, Ra 2014/18/0061). Ein vollständiges Beweisverwertungsverbot normiert § 19 Abs. 1 AsylG jedoch nicht. Im Rahmen beweiswürdigender Überlegungen können Widersprüche und sonstige Ungereimtheiten in den Angaben in der Erstbefragung zu späteren Angaben - unter Abklärung und in der Begründung vorzunehmender Offenlegung, worauf diese fallbezogen zurückzuführen sind – einbezogen werden (VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0607 bis 0608-12, VwGH 28.6.2018, Ra 2018/19/0271, mwN). Es ist davon auszugehen, dass jemand, der ein derartig einschneidendes Erlebnis wie eine Bedrohung und einen Zwangsrekrutierungsversuch durch die Taliban sowie ein Schussattentat erlebt, dieses im Rahmen der Erstbefragung zuerst nennt und nach seinem Ausreisegrund gefragt nicht stattdessen vom Tod seiner Schwester spricht, der seinen späteren Angaben zufolge nicht fluchtauslösend war und den er vor dem Bundesamt von sich aus nicht einmal erwähnte. Erst auf Nachfrage hin, was mit seiner von den Taliban getöteten Schwester sei, erklärte der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde, es handle sich um seine leibliche Schwester, dies sei vor einigen Jahren gewesen, genau wisse er es nicht. Dass er das in der Erstbefragung zum Fluchtgrund angegeben habe, begründete der Beschwerdeführer damit, man habe ihm gesagt, sich kurz zu halten.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er dazu an, zwei Jahre vor seiner Ausreise sei seine leibliche Schwester verstorben. Es habe sich um keinen konkreten Angriff auf die Familie, sondern auf das Dorf gehandelt, bei dem viele Menschen ums Leben gekommen seien. Das Leben des Beschwerdeführers sei wie das eines jeden anderen Dorfbewohners in Gefahr gewesen. Sein eigentlicher Fluchtgrund sei jedoch ein anderer. Auf Vorhalt erklärte er, er habe auch bei der Erstbefragung die Taliban und seine Zusammenarbeit mit den Arbaki erwähnt.

Das Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers war insgesamt widersprüchlich, äußerst vage, gesteigert und nicht plausibel. Der Beschwerdeführer war nicht in der Lage, ein in den wesentlichen Punkten gleichbleibendes und nachvollziehbares Vorbringen zu erstatten.

Zu den fluchtauslösenden Ereignissen selbst und den angeblichen Drohungen der Taliban konnte der Beschwerdeführer trotz mehrfachen Nachfragens sowohl vor der belangten Behörde als auch vor der erkennenden Richterin nur äußerst vage Angaben machen und antwortete häufig ausweichend, gesteigert und in wesentlichen Punkten widersprüchlich.

Insbesondere brachte er vor, die Taliban hätten ihn wegen seines Arbeitgebers unter Druck setzen wollen. Dieser Arbeitgeber habe zu den Arbaki, einer regionalen Zivilpolizei, gehört, die von den Amerikanern finanziell unterstützt werde und für diese Aufträge erledige. Deswegen hätten die Taliban dem Beschwerdeführer vorgeworfen, für die Amerikaner zu arbeiten.

Auch erklärte er dazu vage, in jenem Dorf seien die Taliban die Bewohner gewesen und diese hätten ihn bedroht und verwarnt, diese Tätigkeit nicht mehr auszuüben. Sie hätten ihm oft gesagt, dass er für diese Leute nicht arbeiten dürfe, hätten vor seinem Fahrzeug Minen verlegt und versucht, ihn umzubringen bzw. sogar in den Feldern Minen verlegt um „uns“, also auch mehrere Personen bzw. jede Person, die dort wenn auch zufällig vorbeikommt und nicht konkret den Beschwerdeführer umzubringen.

Aufgefordert, konkrete Angaben dazu zu machen, gab er vor der Behörde wieder nur allgemein an, danach (nachdem er gewarnt worden sei) hätten sie Straßenminen auf dem, also seinem verlegt, und bei einer Attacke versucht, ihn umzubringen. Diese Minen seien deshalb für ihn persönlich gewesen, weil die Taliban ihn vorher bedroht hätten. Damit widerlegte der Beschwerdeführer jedoch seine vorigen Angaben, wonach die Taliban nicht nur ihn selbst, sondern „uns“, somit auch andere Personen hätten töten wollen. Weiters meinte der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang, dass die Minen in seinem Arbeitsgebiet gelegen seien und zwar am Land und auf einer Stätte sozusagen. Genaueres konnte er dazu nicht sagen und räumte dann ein, er selbst habe die Minen nicht gesehen, aber die Bewohner hätten ihn darauf aufmerksam gemacht, dass dort Minen verlegt worden seien. Wann und von wem hätten die Bewohner ihm allerdings nicht genau mitgeteilt, aber alle hätten gewollt, dass der Beschwerdeführer nicht mehr dort arbeite. Unter „alle“ verstehe der Beschwerdeführer jene Personen, die gegen den Fortschritt in Afghanistan seien, nämlich die Bewohner von Tagab. Abgesehen davon, dass der Beschwerdeführer somit nicht in der Lage war, konkrete Angaben darüber zu machen, wer und wo genau die Minen verlegt haben soll bzw., ob es tatsächlich welche gegeben hat und ob nur er persönlich als Fahrer oder auch andere Personen (Mitarbeiter, Arbeitskollegen, zufällig vorbeikommende Passaten etc.) das Ziel gewesen sein sollen, ist schon nicht plausibel, dass die Dorfbewohner, die nach anfänglichen Angaben des Beschwerdeführers selbst Taliban sein sollen, ihn dann vor den angeblich bereits verlegten Minen warnen sollten, wenn sie ihn tatsächlich töten wollten.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erklärte der Beschwerdeführer wiederum aber auch, dort seien viele Minen vergraben worden und viele Menschen durch diese Minen ums Leben gekommen. Von den Minen hätten sie, gemeint die Arbeiter erfahren, als sie wieder mit ihrer Arbeit hätten beginnen wollen. Die Dorfbewohner hätten sie gewarnt aufzupassen, denn am Vorabend hätten sich Taliban dort lange Zeit aufgehalten, was zum wiederholten Male dem früheren bzw. anderslautenden Vorbringen widerspricht, die Dorfbewohner wären selbst die Taliban.

Ausdrücklich gab der Beschwerdeführer dann noch an, sie hätten Angst gehabt, dass tatsächlich Minen vergraben worden seien, aber zu diesem Zeitpunkt habe es zum Glück keine gegeben und brachte kurze Zeit später im Widerspruch dazu vor, die (nicht vorhandenen) Minen seien dort eingegraben worden, wo sie gearbeitet hätten. Ziel sei gewesen, die Maschine in die Luft zu sprengen. Die Fläche sei ca. so groß wie der Verhandlungssaal gewesen. Vorgehalten, der Beschwerdeführer habe bei der Behörde davon gesprochen, dass diese Minen am Weg, am Land, auf den Feldern bzw. auf der Stätte gelegt worden seien, korrigierte er sich dahingehend, es habe sich um seine Arbeitsfläche gehandelt, die zweimal so groß wie der Verhandlungssaal gewesen sei. Nachgefragt, wieso er bei der Behörde angegeben habe, dass diese Minen eine Attacke gegen ihn persönlich gewesen wären, antwortete der Beschwerdeführer ausweichend, die amerikanischen Hubschrauber seien geflogen, um die Minen auszuforschen, und dann wieder, es seien jedoch keine Minen dagewesen. Das Ziel der Taliban wäre gewesen, sowohl den Beschwerdeführer als auch die Maschine zu zerstören, sie hätten den Bau des Dammes verhindern wollen. Die Dorfbewohner hätten nur vermutet, dass die Taliban dort Minen eingebaut hätten. Somit widersprach sich der Beschwerdeführer innerhalb kurzer Zeit mehrmals in dem Punkt, ob es überhaupt Minen gegeben hat.

Auch relativierte er bereits vor dem Bundesamt sein ursprüngliches Vorbringen bezüglich der Drohungen durch die Taliban selbst dahingehend, persönlich kenne er die Mitglieder der Taliban nicht. Sie hätten ihm durch die Bewohner mitgeteilt, dass er nicht für die Zivilpolizei arbeiten dürfe und es bestehe die Möglichkeit, dass diese Bewohner Taliban sein könnten. Im Widerspruch dazu gab er im Rahmen der mündlichen Verhandlung an, er sei von den Taliban persönlich bedroht worden und zwar als er in Tagab bei diesem Dammbau gearbeitet habe, sei er eines Tages, als er die Maschine gefahren habe, von einem Mann aufgesucht worden, der ihn aufgefordert habe, nicht für diese Menschen zu arbeiten. Später habe der Beschwerdeführer erfahren, dass es sich dabei um einen Talib gehandelt habe. Dann gab der Beschwerdeführer an, er wäre zwei- bis dreimal bedroht worden. Diese Person, von der er zuvor gesprochen habe, habe ihn jedoch nicht direkt bedroht, sondern lediglich gesagt, er solle seine Arbeit beenden. An einem anderen Tag habe der Beschwerdeführer über einen Dorfbewohner ein „Drohbrief“ bekommen. Es sich dabei um eine mündliche Drohung gehandelt – somit um keinen schriftliche Nachricht in Form eines Briefes sondern vielmehr um eine mündlich überbrachte Nachricht! –, die der Dorfbewohner von den Taliban an „uns“ (also den Beschwerdeführer und noch drei oder vier weitere Mitarbeiter) übermittelt habe. Sie seien aufgefordert worden, mit dieser Arbeit aufzuhören und stattdessen für die Taliban Schutzeinrichtungen zu bauen. Der Beschwerdeführer solle seine Maschine den Taliban zur Verfügung stellen und selbst mitarbeiten. Ansonsten würden sie ihn umbringen, wo er sich auch immer aufhalte.

Somit sind nicht nur die Angaben zu den Drohungen in jeder Hinsicht – und zwar wer sie wann, wie oft, wie und gegen wen – ausgesprochen hat, insgesamt nicht nur äußerst vage und mehrfach grob widersprüchlich, sondern der Beschwerdeführer brachte auch die Aufforderung, er bzw. die Arbeiter sollten stattdessen für die Taliban arbeiten, erstmals im Laufe der mündlichen Verhandlung, offenbar um seinem Vorbringen mehr Nachdruck zu verleihen gesteigert vor.

Wann konkret der Vorfall mit den Straßenminen gewesen sei, konnte der Beschwerdeführer ebenfalls nicht angeben. Vor der Behörde erklärte er nur, es sei vor der Rückkehr in sein Dorf gewesen. Auch wenn man den geringen Bildungsgrad des Beschwerdeführers berücksichtigt, ist dennoch zu erwarten, dass ein erwachsener selbstständiger Mann konkretere Angaben zum Zeitpunkt seines fluchtauslösenden Ereignisses machen kann.

Aber auch das angebliche zweite Attentat wurde ausgesprochen vage geschildert und lässt sich daraus keine persönliche Bedrohung entnehmen. Nach dem Anschlag in Tagab sei der Beschwerdeführer in sein Dorf gefahren, in dem ihm die Taliban ebenfalls das Leben schwergemacht hätten, sie hätten überall Kontakte. Erst in weiterer Folge erklärte er vor dem Bundesamt, dass sie dort auch versucht hätten, ihn zu töten. Der Beschwerdeführer habe jedoch nicht sehen können, wer ihn angeschossen habe, die Kugeln hätten ihn nicht getroffen, die Schüsse habe er nicht gezählt. Auch habe er nicht gesehen, wohin die Schüsse gegangen seien. Er habe nur bemerkt, dass in der Nähe etwas getroffen worden wäre, es sei dunkel gewesen und er habe den Ort sofort verlassen. Detaillierter konnte der Beschwerdeführer den Vorfall trotz mehrfachen Nachfragens weder vor dem Bundesamt noch vor der erkennenden Richterin schildern. In der Verhandlung ergänzte er jedoch, es seien auch Nachbarn auf dem Feld gewesen als die Schüsse gefallen seien, sodass auch hier nicht davon ausgegangen werden müsste, er persönlich wäre das Ziel gewesen.

Widersprüchlich sind auch die Angaben zur Flucht selbst. Vor der Behörde erklärte der Beschwerdeführer, sein Vater habe nach den Schüssen mit einem Schlepper geredet, der die Ausreise organisiert habe. Vor dem Bundesverwaltungsgericht hingegen brachte der Beschwerdeführer vor, die Vorbereitungen seien über seinen Onkel gelaufen, der für die Reise bezahlt habe.

Er selbst sei laut seinen ersten Angaben nach den Schüssen sofort zu seinem Onkel gegangen, habe Kontakt mit seinem Vater aufgenommen und sei nach einem Monat Aufenthalt bei seinem Onkel nach Kabul gegangen, wo er sich zwei Monate vor seiner Flucht aufgehalten hätte. Im Unterschied dazu erklärte der Beschwerdeführer vor dem Bundesverwaltungsgericht, nach der Aufforderung in Tagab, für die Taliban zu arbeiten, habe er Angst bekommen, seine Maschine bei der amerikanischen Basis abgestellt und sei nach Kabul gegangen und dort drei Monate geblieben. Dies widerspricht aber wiederum seinem ersten Vorbringen, wonach er von Tagab aus zuerst in sein Heimatdorf geflohen sei will und erst nach den Schüssen nach Kabul gegangen bzw. einen Monat bei seinem Onkel geblieben und dann für zwei Monate nach Kabul gegangen wäre.

Vorgehalten, der Beschwerdeführer habe am Beginn der Verhandlung erklärt, seine Reise von seinem Heimatdorf aus begonnen zu haben, erwiderte er, die Reise habe er von seinem Dorf aus angetreten, den Flug von Kabul. Weiters vorgehalten, er hätte sich seinen vorherigen Angaben zufolge mehrere Monate lang in Kabul aufgehalten, erklärte er, er sei nachdem er die Arbeit in Tagab beendet hätte, in sein Heimatdorf zurückgekehrt, wo es am Abend einen Vorfall gegeben habe, bei dem Schüsse gefallen seien. Danach sei er nach Kabul geflohen, wo er auf sein Visum gewartet habe und von wo er ausgereist sei. Nachgefragt, wie lange er sich dann in seinem Heimatdorf aufgehalten habe, meinte er, es sei ca. mehr als ein Monat gewesen, insgesamt bis zu drei Monate habe er dann in Kabul verbracht. Vorgehalten, er habe vor der Behörde davon gesprochen, sich ca. einen Monat bei seinem Onkel versteckt gehalten zu haben, antwortete der Beschwerdeführer, er sei nach diesem Vorfall zu seinem Onkel gegangen und habe sich bei diesem versteckt. Der Onkel wohne in Kabul und er sei nicht einen, sondern drei Monate bis zu seiner Ausreise dort gewesen. Somit sind auch diese Angaben insgesamt durcheinander und widersprüchlich.

Es ist dem Beschwerdeführer somit nicht gelungen, glaubhaft zu machen, in der Heimat von den Taliban bedroht zu werden.

2.3.    Zum (Privat)Leben des Beschwerdeführers in Österreich:

Die Feststellungen zum Leben des Beschwerdeführers in Österreich, insbesondere zur Aufenthaltsdauer, seinen Deutschkenntnissen, seinen fehlenden familiären oder engen sozialen Anknüpfungspunkten in Österreich und seiner Integration in Österreich, stützen sich auf die Aktenlage und auf die Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Feststellung zu der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers ergibt sich aus der diesbezüglich vorliegenden Urteilsausfertigung und wurde vom Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung bestätigt.

2.4.    Zur Rückkehr des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat:

2.4.1 Die Feststellungen zum Aufenthaltsort, zu den Eigentums- und Vermögensverhältnissen sowie zur finanziellen Situation der Familie des Beschwerdeführers in Afghanistan ergeben sich aus seinem Vorbringen im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowie daraus, dass er stets angab, seine Familie lebe nach wie vor im Heimatdorf, besitze ein Haus, Grund, Geschäfte und Baumaschinen. Die finanzielle Lage sei sehr gut.

Dass es unglaubwürdig ist, dass der Beschwerdeführer seit seiner Ausreise keinen Kontakt zu seiner Familie hat, beruht darauf, dass er diesen Umstand nur (äußerst vage) damit begründete, er würde sie wegen seiner Probleme in Gefahr bringen. Da jedoch das gesamte Fluchtvorbringen an sich nicht glaubwürdig ist, ist es auch nicht plausibel und nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer sich deswegen von seinen Angehörigen fernhalte.

Die Feststellung zur finanziellen Unterstützungsfähigkeit seiner Familie in Afghanistan, ergibt sich aus den im Verfahren gleichbleibenden Angaben des Beschwerdeführers wonach die Familie ein Haus und Grund, Geschäfte und Baumaschinen besitze. Weiters bestätigte der Beschwerdeführer deren sehr gute finanzielle Lage. Daran ändert auch die nur kurz angedeutete und im Gesamtvorbringen ebenfalls nicht glaubwürdige Corona-Erkrankung der Familie nichts. Auch gestand der Beschwerdeführer im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausdrücklich zu, im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keine finanziellen Probleme zu haben.

Die Feststellungen zur Rückkehrhilfe ergeben sich aus den Länderberichten.

Die Feststellung zur Anpassungsfähigkeit und Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich daraus, dass er bereits in der Heimat jahrelang arbeitete und nach eigenen Angaben sehr gut verdiente, er sich in Österreich an sich zurechtfindet und angab einer Arbeit nachgehen zu können. Es sind im Verfahren keine Umstände hervorgekommen, die gegen eine grundsätzliche Anpassungsfähigkeit oder gegen eine Arbeitsfähigkeit des Beschwerdeführers sprechen.

2.4.2. Die Feststellungen zu den Folgen einer Ansiedlung des Beschwerdeführers in den Städten Herat/Mazar-e Sharif, ergeben sich – unter Berücksichtigung der von UNHCR und EASO aufgestellten Kriterien für das Bestehen einer internen Schutzalternative für Afghanistan – aus den oben angeführten Länderberichten und aus den Angaben des Beschwerdeführers. Die Feststellung zur Prognose, dass sich der Beschwerdeführer in den Städten Herat/Mazar-e Sharif eine Existenz aufbauen kann, ergibt sich aus folgenden Erwägungen:

Aus den Länderinformationen ergibt sich, dass die Städte Herat bzw. Mazar-e Sharif als relativ sicher gelten und unter der Kontrolle der Regierung stehen. Diese sind auch sicher erreichbar. Die Versorgung der Bevölkerung ist in diesen Städten grundlegend gesichert.

Der Beschwerdeführer ist mit der afghanischen Kultur und den afghanischen Gepflogenheiten sozialisiert. Er kann sich daher in diesen beiden Städten durchaus zurechtfinden. Der Beschwerdeführer hat in der Heimat die Koranschule besucht und jahrelang ein gutes Einkommen verdient, darunter drei Jahre lang in Kabul. Der Beschwerdeführer ist im erwerbsfähigen Alter, gesund, volljährig, anpassungsfähig und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer kann von seiner Familie finanziell unterstützt werden. Er kann auch Rückkehrhilfe in Anspruch nehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht geht daher auf Grund dieser Umstände davon aus, dass sich der Beschwerdeführer nach anfänglichen Schwierigkeiten in Kabul aber auch in Herat bzw. Mazar-e Sharif niederlassen und sich dort eine Existenz ohne unbillige Härte aufbauen kann.

2.5.    Zur Situation im Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur maßgeblichen Situation im Herkunftsstaat stützen sich auf die zitierten Länderberichte. Da diese aktuellen Länderberichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger Quellen von regierungsoffiziellen und nicht-regierungsoffiziellen Stellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wesentliche Widersprüche bieten, besteht im vorliegenden Fall für das Bundesverwaltungsgericht kein Anlass, an der Richtigkeit der herangezogenen Länderinformationen zu zweifeln. Die den Feststellungen zugrundeliegenden Länderberichte sind in Bezug auf die Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan aktuell. Das Bundesverwaltungsgericht hat sich durch Einsichtnahme in die jeweils verfügbaren Quellen (u.a. laufende Aktualisierung des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation) davon versichert, dass zwischen dem Stichtag der herangezogenen Berichte und dem Entscheidungszeitpunkt keine wesentliche Veränderung der Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan eingetreten ist.

1.6. zur Covid-19 – Pandemie:

Die Feststellungen zur Covid-19 – Pandemie stützen sich auf die in den Feststellungen genannten Quellen.

3.       Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zuständigkeit und verfahrensrechtliche Grundlagen:

Gemäß § 6 Bundesverwaltungsgerichtsgesetz (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, liegt gegenständlich die Zuständigkeit der nach der geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichts zuständigen Einzelrichterin vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte ist mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts durch das Verwaltungsgerichtsverfahrens (VwGVG) geregelt. Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG idgF bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zweck des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG idgF sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art 130 Abs 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 7 Abs 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß §§ 16 Abs 6 und 18 Abs 7 BFA-VG idgF sind die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anwendbar.

3.2. Zu Spruchpunkt 1. A)

3.2.1.  Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides – Nichtzuerkennung des Status des Asylberechtigten

3.2.1.1. § 3 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet auszugsweise:

„Status des Asylberechtigten

§ 3. (1) Einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht.

(2) Die Verfolgung kann auch auf Ereignissen beruhen, die eingetreten sind, nachdem der Fremde seinen Herkunftsstaat verlassen hat (objektive Nachfluchtgründe) oder auf Aktivitäten des Fremden beruhen, die dieser seit Verlassen des Herkunftsstaates gesetzt hat, die insbesondere Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind (subjektive Nachfluchtgründe). Einem Fremden, der einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) stellt, wird in der Regel nicht der Status des Asylberechtigten zuerkannt, wenn die Verfolgungsgefahr auf Umständen beruht, die der Fremde nach Verlassen seines Herkunftsstaates selbst geschaffen hat, es sei denn, es handelt sich um in Österreich erlaubte Aktivitäten, die nachweislich Ausdruck und Fortsetzung einer bereits im Herkunftsstaat bestehenden Überzeugung sind.

(3) Der Antrag auf internationalen Schutz ist bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn
1.         dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11) offen steht oder
2.         der Fremde einen Asylausschlussgrund (§ 6) gesetzt hat.

…“

3.2.1.2. Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention (GFK) ist, wer sich aus der begründeten Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder der staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Ein in seiner Intensität asylrelevanter Eingriff in die vom Staat zu schützende Sphäre des Einzelnen führt also dann zur Flüchtlingseigenschaft, wenn er an einem in Art 1 Abschnitt A Z 2 der GFK festgelegten Grund, nämlich die Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politische Gesinnung anknüpft.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG liegt es am Beschwerdeführer, entsprechend glaubhaft zu machen, dass ihm im Herkunftsstaat eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht.

Nur eine aktuelle Verfolgungsgefahr kann relevant sein, diese muss im Entscheidungszeitpunkt vorliegen. Auf diesen Zeitpunkt hat die der Asylentscheidung immanente Prognose abzustellen, ob der Asylwerber mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgung aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK genannten Gründen zu befürchten habe (VwGH 19.10.2000, 98/20/0233).

Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Eine Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH 09.03.1999, Zahl 98/01/0370; 22.10.2002, Zahl 2000/01/0322).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH 01.06.1994, Zl. 94/18/0263; 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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