Entscheidungsdatum
08.10.2020Norm
BFA-VG §22a Abs1Spruch
W171 2235678-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA, als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , alias XXXX geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Volksrepublik China, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 22.09.2020, Zl: XXXX zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG i.V.m. § 22a Abs. 1 BFA-VG als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 22a Abs. 3 BFA-VG i.V.m. § 76 Abs. 2 Z. 2 FPG wird festgestellt, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen.
III. Gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG i.V.m. § 1 Z. 3 und Z. 4 VwG-AufwErsV hat die beschwerdeführende Partei dem Bund Aufwendungen in Höhe von € 426,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer (in Folge auch BF) reiste illegal nach Österreich ein und stellte am 28.04.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde rechtskräftig am 19.05.2010 abgewiesen und mit einer asylrechtlichen Ausweisung verbunden. Der BF war vom 28.04.2010 bis zum 05.05.2010 in einer Bundesbetreuungsstelle gemeldet. Eine Obdachlosenmeldung vom 08.11.2012 bis zum 08.01.2013 bestand in Wien. Weitere Meldungen im Bundesgebiet scheinen nicht auf und hat der BF den illegalen Aufenthalt im Verborgenen fortgesetzt.
Am 22.09.2020 führten Beamte eine Amtshandlung in Wien XXXX durch. Im Rahmen dieser Amtshandlung wurde der BF angehalten und einer Personenkontrolle unterzogen. Es wurde festgestellt, dass der BF sich illegal im Bundesgebiet aufhält und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war. Nach einer Anzeige nach dem FPG wurde der BF nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen. Die Einlieferung erfolgte in ein Polizeianhaltezentrum.
Am 22.09.2020 erfolgte die niederschriftliche Einvernahme bei welcher der BF im Wesentlichen angab, nichts von einer Ausweisung gewusst zu haben, einen Antrag auf freiwillige Rückkehr beim VMÖ eingebracht zu haben und in der Vergangenheit sowohl in Parks, in Fahrzeugen, die er ent- oder ausgeladen habe, bzw. an verschiedensten Adressen wie etwa auch am Westbahnhof genächtigt zu haben Er werde von Freunden finanziell unterstützt und habe immer wieder schwarz gearbeitet. In Österreich sei er alleine und habe er einen abgelaufenen Reisepass der sich vielleicht bei einem Exkollegen befinden würde.
Am 22.09.2020 wurde der gegenständlich angefochtene Schubhaftbescheid zu Sicherung der Abschiebung erlassen und ausgeführt, der BF habe durch sein Vorverhalten die Tatbestandsmerkmale des § 76 Abs. 3 Zi. 1 u. 9 FPG erfüllt und sei von Fluchtgefahr auszugehen. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit habe ergeben, dass die privaten Interessen der Schonung der persönlichen Freiheit des BF dem Interesse des Staates am reibungslosen Funktionieren der öffentlichen Verwaltung hintanzustehen haben. Ein gelinderes Mittel sei nach Ansicht der Behörde nicht als ausreichende Sicherung anzusehen, um von einer gesicherten Rückführung des BF in seinen Herkunftsstaat ausgehen zu können. Die gegenständliche Schubhaft sei daher notwendig und rechtmäßig.
Mit Beschwerdeschrift vom 02.10.2020 wurde die Rechtswidrigkeit der laufenden Schubhaft vorgebracht. Schubhaft könne niemals als Standardmaßnahme verhängt werden und habe sich der BF im Juni 2020 mit dem VMÖ zwecks freiwilliger Ausreise in Verbindung gesetzt. Auch reiche schlichte Ausreiseunwilligkeit für die Annahme von Fluchtgefahr nicht aus. Der BF sei sohin ausreisewillig und läge keine Fluchtgefahr vor. Seitens der chinesischen Behörden konnte jedoch bisher die Identität des BF nicht bestätigt werden, da die zuständige Konsularabteilung zunächst geschlossen gewesen sei und könne dies dem BF nicht zur Last gelegt werden. Die behördliche Feststellung, dass der BF keine weiteren Bemühungen zur Ausreise getroffen hätte, sei daher nicht nachvollziehbar. Er könne auch weiterhin an der angegebenen Adresse wohnen. Schließlich sei der Ausschluss eines gelinderen Mittels zu Unrecht erfolgt.
Begehrt wurde die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zur Klärung des maßgeblichen Sachverhaltes. Kostenersatz wurde nicht beantragt.
Die Behörde legte dem Gericht den Schubhaftakt am 02.10.2020 vor und erstattete eine Stellungnahme unter Beantragung der Abweisung der Beschwerde sowie des Kostenersatzes für die Aufwendungen. Dabei wurde im Wesentlichen wie nachstehend gekürzt ausgeführt:
„Der BF stellte am 28.04.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Dieser Antrag wurde rechtskräftig am 19.05.2010 abgewiesen und mit einer asylrechtlichen Ausweisung verbunden. Der BF war vom 28.04.2010 bis zum 05.05.2010 in der Bundesbetreuungsstelle gemeldet. Eine Obdachlosenmeldung vom 08.11.2012 bis zum 08.01.2013 bestand in Wien 10. Weitere Meldungen im Bundesgebiet scheinen nicht auf und hat der BF den illegalen Aufenthalt im Verborgenen fortgesetzt.
Am 22.09.2020 um 13:30 Uhr führten Beamte eine Amtshandlung in Wien XXXX durch. Im Rahmen dieser Amtshandlung wurde der BF angehalten und einer Personenkontrolle unterzogen. Es wurde festgestellt, dass der BF sich illegal im Bundesgebiet aufhält und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen war. Nach einer Anzeige nach dem FPG wurde der BF nach den Bestimmungen des BFA-VG festgenommen. Die Einlieferung erfolgte in das PAZ.
Am 22.09.2020 um 18:00 Uhr erfolgte die niederschriftliche Einvernahme.
Am 22.09.2020 um 21:35 Uhr wurde der Schubbescheid dem BF persönlich zugestellt.
Das erforderliche Formular für die Erlangung eines Heimreisezertifikates wurde durch den BF ausgefüllt.
Am 24.09.2020 wurde ein HZ Verfahren gestartet und an die zuständige Abteilung der Direktion des BFA weitergeleitet.
Am 28.09.2020 wurde das Ersuchen um Ausstellung eines Heimreisezertifikates an die zuständige Vertretungsbehörde der Volksrepublik China gestellt.
Am 02.10.2020 um 13:19 Uhr langte die Schubhaftbeschwerde ein.
Der Beschwerde muss entgegengehalten werden, dass im Schubbescheid die Fluchtgefahr, die Verhältnismäßigkeit der Entscheidung und die Nichtanwendung des gelinderen Mittels entsprechend begründet wurden.
Der BF verweist darauf, dass im Juni 2020 mit dem VMÖ Kontakt aufgenommen wurde, um eine freiwillige Rückkehr in Anspruch zu nehmen. Entgegen den Ausführungen des BF muss festgehalten werden, dass sofern der BF die richtigen Angaben zu seiner Identität angegeben hat, die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beschleunigt. Eine freiwillige Rückkehr kann durch einen Fremden jederzeit widerrufen werden und besteht im konkreten Fall die Gefahr, dass der BF eine Entlassung dazu benützen würde, um sich dem Verfahren zur Sicherung der Abschiebung zu entziehen. Die fehlende Bereitschaft die bestehenden fremdenpolizeilichen Vorschriften einzuhalten lässt die Erlassung eines gelinderen Mittels nicht zu, da der BF behördliche Auflagen nicht einhalten wird. Die fehlende Ausreiseunwilligkeit führte dazu, dass der BF untertauchte und sich dem fremdenpolizeilichen Verfahren entzogen hat. Im Rahmen der Amtshandlung der Beamten versuchte der BF einer Kontrolle zu entgehen und schloss sich offensichtlich ein. Nur durch ein energisches Auftreten der Beamten öffnete der BF die Tür. Aufgrund der Vorlage der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG versuchte der BF einen legalen Aufenthalt vorzutäuschen.
Der BF tauchte bereits kurz nach der Asylantragstellung unter und entzog sich bereits 2010 dem Verfahren internationaler Schutz. Danach vermied es der BF, dass der Behörde der tatsächliche Aufenthaltsort bekannt wurde. Es ist damit zu rechnen, dass der BF die nunmehr bekannte Unterkunft aufgibt, um sich dadurch einem behördlichen Zugriff zu entziehen.
Es bestehen weder familiäre noch private Bindungen.
Der BF ist auch unkooperativ, da der BF nicht bereit ist den Aufenthaltsort des abgelaufenen Reisepasses bekanntzugeben.
Die chinesische Vertretungsbehörde wird die Angaben des BF überprüfen und erfolgt in jedem Fall eine Antwort über das Ergebnis dieser Überprüfung. Sollten wahrheitsgetreue Angaben im ausgefüllten Formular erfolgt sein, so ist innerhalb weniger Wochen mit einer Antwort der chinesischen Behörden zu rechnen.
Der Wunsch einer freiwilligen Rückkehr bedeutet nicht, dass der BF sich tatsächlich einem Verfahren vor dem BFA stellen würde. In der Vergangenheit setzte der BF ein Verhalten, welches keinen anderen Schluss zulässt, dass der BF nicht als vertrauenswürdig eingestuft werden muss.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass das Risiko, dass der BFA untergetaucht wäre, um sich dem Verfahren der Abschiebung nach China zu entziehen, als schlüssig anzusehen war.
Der Sicherungsbedarf war somit gegeben
1. die Beschwerde als unbegründet abweisen bzw. unzulässig zurückzuweisen,
2. gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen
3. den Beschwerdeführer zum Ersatz der unten angeführten Kosten verpflichten.
Ersatz für den Vorlageaufwand der belangten Behörde
€ 57,40
Ersatz für den Schriftsatzaufwand der belangten Behörde
€ 368,80
Ersatz für den Verhandlungsaufwand, sofern eine mündliche Verhandlung stattfindet und ein Behördenvertreter teilnimmt
€ 461,00
Summe
€ 887,20“
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Zur Person:
1.1. Der BF reiste vor vielen Jahren illegal in das Bundesgebiet ein und ist chinesischer Staatsangehöriger. Er ist Fremder i.S.d. Diktion des FPG.
1.2. Er stellte am 28.04.2010 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bisher hat der BF keinen gültigen dauerhaften Aufenthaltstitel in Österreich erhalten und wurde mit Bescheid vom 19.05.2010 eine Ausweisung rechtskräftig erlassen.
1.3. Der BF leidet an keinen objektivierten Erkrankungen.
Zu den allgemeinen Voraussetzungen der Schubhaft:
2.1. Mit Bescheid vom 19.05.2010 wurde gegen den BF eine durchsetzbare Ausweisung erlassen.
2.2. Am 28.09.2020 wurde für den BF der Antrag auf Ausstellung eines Heimreisezertifikats gestellt.
2.3. Der BF ist haftfähig.
Zum Sicherungsbedarf:
3.1. Gegen den BF liegt eine durchsetzbare Ausweisung vor.
3.2. Der BF war bisher mit kurzen Ausnahmen unsteten Aufenthalts und daher für die Behörde nicht greifbar und untergetaucht.
3.3. Der BF beantragte im Juni 2020 beim VMÖ die freiwillige Rückkehr, hat jedoch sonst keine relevanten weiteren Schritte zur Betreibung dieses Vorhabens gesetzt.
3.4. Er ist nicht vertrauenswürdig.
3.5. Er ist nicht rückreisewillig und nicht kooperativ.
Zur familiären/sozialen Komponente:
4.1. In Österreich bestehen keine familiären und sonstigen nennenswerten sozialen Beziehungen.
4.2. Der BF geht im Inland keiner legalen Erwerbstätigkeit nach, ist nicht selbsterhaltungsfähig und nicht im Besitz von wesentlichen Barmitteln.
4.3. Er verfügt nicht über einen gesicherten Wohnsitz in Österreich.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zur Person und zum Verfahrensgang (1.1.-1.3.):
Der Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Person des BF ergeben sich im Wesentlichen aus den vorgelegten Verwaltungsakten der Behörde sowie dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes (1.1.). Die Feststellung zu 1.2. hinsichtlich des Asylantrags und des Bestehens der durchsetzbaren Ausweisung ergibt sich aus dem Akteninhalt. Darüber hinaus hat der BF in der Einvernahme vom 22.09.2020 zwar angegeben gesundheitliche Probleme zu haben, doch liegen hiezu keine objektivierten Informationen wie etwa Befunde oder aktenkundige Krankenbehandlungen vor, sodass das Gericht in diesem Punkt nicht von wesentlichen Erkrankungen des BF ausgeht. Änderungen diesbezüglich haben sich im laufenden Schubhaftverfahren nicht ergeben und wurden auch in der Beschwerdeschrift nicht vorgebracht. Das Gericht konnte daher davon ausgehen, dass der BF im Wesentlichen gesund ist.
2.2. Zu den Voraussetzungen der Schubhaft (2.1.-2.3.):
Die Durchsetzbarkeit der Ausweisung ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und wurde seitens des Beschwerdeführers nicht in Zweifel gezogen (2.1.).
Die Feststellung zu 2.2. ergibt sich aus den Angaben im Akt woraus hervorgeht, dass für den BF mit Datum 28.09.2020 nunmehr die Ausstellung eines Heimreisezertifikates beantragt wurde. Die Feststellung zur Haftfähigkeit (2.3.) ergibt sich aus den Angaben im Akt (Auszug aus der Anhaltedatei) und liegen diesbezüglich dem Gericht zum Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung keine anderslautenden Informationen vor. Es war daher von einer bestehenden Haftfähigkeit auszugehen.
2.3. Zum Sicherungsbedarf (3.1.-3.5.):
Das Vorliegen einer durchsetzbaren und aufenthaltsbeendenden Maßnahme ergibt sich bereits aus dem Akteninhalt (3.1.). Aus dem ZMR ergibt sich, dass der BF im Zuge seiner Anwesenheit im Inland lediglich zu Beginn 2010 einige Tage in der Betreuungsstelle und Ende 2012 für ca. 2 Monate obdachlos gemeldet gewesen ist. Er war daher für die Behörde nahezu die gesamte Zeit nicht greifbar und war untergetaucht (3.2.).
Im laufenden Beschwerdeverfahren legte der BF nunmehr eine nicht unterschriebene Bestätigung eines laufenden Rückkehrverfahrens, datiert mit 24.09.2020 vor (3.3.). Daraus ist zu entnehmen, dass der BF offenbar einen derartigen „Antrag“ beim VMÖ gestellt haben dürfte. Darüber hinaus gibt es jedoch weder im Akt, noch in der Beschwerdeschrift weitere Anhaltspunkte, dass der BF den Fortgang dieses Verfahrens seit dem 03.06.2020 in irgendeiner Form vorangetrieben hätte. Es ist zwar richtig, dass eine geschlossene Konsularabteilung in dieser Form nicht hilfreich ist, doch hätte der BF insofern seine aktive Mithilfe zeigen können, indem er den von ihm erwähnten abgelaufenen Pass den Behörden bereits seit Längerem vorlegen hätte können. Es zeigt sich daher für das Gericht zwar, dass der BF einen Antrag gestellt hat, doch ist nicht zu ersehen, wie ernst es ihm bei der Verwirklichung dieses Ansinnens ist. Die Tatsache der Antragstellung alleine reicht sohin nicht, von einer Ausreisewilligkeit des BF ausgehen zu können (3.5.).
Aus dem Verfahrensakt lässt sich zudem entnehmen, dass der BF im Zuge seiner Festnahme am 22.09.2020 erst nach eingehender und nachdrücklicher Aufforderung der einschreitenden Beamten dann doch die Türe öffnete. Hinzu kommt, dass der BF auch bisher keinerlei Anstalten machte, den von ihm erwähnten abgelaufenen Reisepass der Behörde vorzulegen. Der BF kann daher auch nicht als kooperativ bezeichnet werden (3.5.).
Aus dem gesamten Verhalten des BF ergibt sich, dass dieser nicht vertrauenswürdig ist (3.4.).
2.4. Familiäre/soziale Komponente (4.1.-4.3.):
Ausgehend von den Angaben des BF im Zuge der Einvernahmen am 22.09.2020, deren Aktualität noch immer gegeben ist, sind hinsichtlich der Punkte (4.1. u. 4.2.)
- Familiäre und soziale Beziehungen und
- Erwerbstätigkeit und Selbsterhaltungsfähigkeit
keine dem entgegenstehenden Informationen hervorgekommen. Es war daher weiterhin davon auszugehen, dass der BF weder familiäre, noch sonstige nennenswerte soziale Kontakte im Inland hat, nicht selbsterhaltungsfähig ist, da er Zuwendungen von nicht näher genannten Freunden erhält und kaum Bargeld besitzt. Das Gericht konnte daher die unter 4.1. u. 4.2. angeführten Feststellungen treffen.
Der BF war bisher mit zwei kurzen Ausnahmen 2010 und Ende 2012 nicht im ZMR registriert und verfügte daher auch nicht über eine Meldeadresse. Er verblieb daher insgesamt mehr als neun Jahre im Verborgenen. Die nunmehr in der Beschwerdeschrift erstmals genannte Adresse in Wien XXXX stellt nach Ansicht des erkennenden Gerichtes im Lichte seines bisher üblichen Meldeverhaltens jedoch keinen ausreichend gesicherten möglichen Wohnsitz dar. Es wurde im Verfahren auch in keiner Weise näher ausgeführt, weshalb der BF vermeint, an dieser Adresse nun verbleiben zu können. Tatsache ist vielmehr, dass der BF an dieser Adresse bisher schon genächtigt hat, dort jedoch nicht angemeldet wurde. Es wurde nichts dementsprechend vorgebracht, weshalb nunmehr eine Anmeldung möglich sein sollte und auch sonst zum Berechtigten der Wohnung keinerlei Ausführungen gemacht, die einer gerichtlichen Prüfung unterzogen werden hätte können . Das Gericht konnte daher nicht davon ausgehen, dass der BF bei einer Freilassung tatsächlich dauerhaft an der angegebenen Adresse für die Behörde greifbar sein würde (4.3.).
2.5. Weitere Beweise waren wegen Entscheidungsreife nicht mehr aufzunehmen:
Von einer Anberaumung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf die geklärte Sachlage Abstand genommen werden.
3. Rechtliche Beurteilung
3.1. Zu Spruchpunkt I. – Schubhaftbescheid, Anhaltung in Schubhaft:
3.1.1. Gesetzliche Grundlage:
Der mit „Schubhaft“ betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005 idgF, lautet:
§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.
(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn
1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,
2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder
3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.
Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.
(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.
(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,
1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;
1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;
2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;
3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;
4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;
5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;
6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern
a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,
b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder
c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;
7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;
8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;
9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.
(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.
(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.
(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß.
Zur Judikatur:
3.1.2. Die Anhaltung in Schubhaft ist nach Maßgabe der grundrechtlichen Garantien des Art. 2 Abs. 1 Z 7 PersFrBVG und des Art. 5 Abs. 1 lit. f EMRK nur dann zulässig, wenn der Anordnung der Schubhaft ein konkreter Sicherungsbedarf zugrunde liegt und die Schubhaft unter Berücksichtigung der Umstände des jeweiligen Einzelfalls verhältnismäßig ist. Dabei sind das öffentliche Interesse an der Sicherung der Aufenthaltsbeendigung und das Interesse des Betroffenen an der Schonung seiner persönlichen Freiheit abzuwägen. Kann der Sicherungszweck auf eine andere, die Rechte des Betroffenen schonendere Weise, wie etwa durch die Anordnung eines gelinderen Mittels nach § 77 FPG, erreicht werden (§ 76 Abs. 1 FPG), ist die Anordnung der Schubhaft nicht zulässig (VfGH 03.10.2012, VfSlg. 19.675/2012; VwGH 22.01.2009, Zl. 2008/21/0647; 30.08.2007, Zl. 2007/21/0043).
Ein Sicherungsbedarf ist in der Regel dann gegeben, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen oder diese zumindest wesentlich erschweren werde (§ 76 Abs. 3 FPG). Es ist allerdings nicht erforderlich, dass ein Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme bereits eingeleitet worden ist (VwGH 28.06.2002, Zl. 2002/02/0138).
Die fehlende Ausreisewilligkeit des Fremden, d.h. das bloße Unterbleiben der Ausreise, obwohl keine Berechtigung zum Aufenthalt besteht, vermag für sich genommen die Verhängung der Schubhaft nicht zu rechtfertigen. Vielmehr muss der – aktuelle – Sicherungsbedarf in weiteren Umständen begründet sein, etwa in mangelnder sozialer Verankerung in Österreich. Dafür kommt insbesondere das Fehlen ausreichender familiärer, sozialer oder beruflicher Anknüpfungspunkte im Bundesgebiet in Betracht, was die Befürchtung, es bestehe das Risiko des Untertauchens eines Fremden, rechtfertigen kann. Abgesehen von der damit angesprochenen Integration des Fremden in Österreich ist bei der Prüfung des Sicherungsbedarfes auch sein bisheriges Verhalten in Betracht zu ziehen, wobei frühere Delinquenz das Gewicht des öffentlichen Interesses an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung maßgeblich vergrößern kann (VwGH 21.12.2010, Zl. 2007/21/0498; weiters VwGH 08.09.2005, Zl. 2005/21/0301; 23.09.2010, Zl. 2009/21/0280).
Schubhaft darf stets nur "ultima ratio" sein (vgl. VwGH 02.08.2013, Zl. 2013/21/0054; VwGH 11.06.2013, Zl. 2012/21/0114, VwGH 24.02.2011, Zl. 2010/21/0502; VwGH 17.03.2009, Zl. 2007/21/0542; VwGH 30.08.2007, 2007/21/0043). Daraus leitete der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527, unter Hervorhebung der in § 80 Abs. 1 FPG 2005 ausdrücklich festgehaltenen behördliche Verpflichtung, darauf hinzuwirken, dass die Schubhaft so kurz wie möglich dauert, insbesondere auch ab, „dass die Behörde schon von vornherein angehalten ist, im Fall der beabsichtigten Abschiebung eines Fremden ihre Vorgangsweise nach Möglichkeit so einzurichten, dass Schubhaft überhaupt unterbleiben kann. Unterlässt sie das, so erweist sich die Schubhaft als unverhältnismäßig“(VwGH vom 19.05.2011, Zl. 2008/21/0527). Bereits im Erkenntnis des VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595, wurde dazu klargestellt, dass der Schubhaft nicht der Charakter einer Straf- oder Beugehaft zu kommt, „weshalb ohne besondere Anhaltspunkte für eine absehbare Änderung der Einstellung des Fremden die Haft nicht allein im Hinblick darauf aufrechterhalten werden darf, diese ’Einstellungsänderung’ durch Haftdauer zu erwirken. (Hier: Der Fremde hatte, nachdem er nach zwei Monaten nicht aus der Schubhaft entlassen worden war, seine vorgetäuschte Mitwirkungsbereitschaft aufgegeben und zu erkennen gegeben, dass er nicht in den Kamerun zurückkehren wolle und auch nicht an einer Identitätsfeststellung mitwirken werde. Die mangelnde Kooperation des Fremden gipfelte schließlich in der Verweigerung jeglicher Angaben. Die belangte Behörde hat in Folge bis zu einem neuerlichen Einvernahmeversuch zugewartet ohne zwischenzeitig auf Basis der vorhandenen Daten zwecks Erstellung eines Heimreisezertifikates an die Botschaft von Kamerun heranzutreten oder sonst erkennbare Schritte in Richtung Bewerkstelligung einer Abschiebung zu setzen. In diesem Verhalten der belangten Behörde ist eine unangemessene Verzögerung zu erblicken).“ (VwGH vom 27.01.2011, Zl. 2008/21/0595; vgl. dazu etwa auch VwGH 19.04.2012, 2009/21/0047).
3.1.3. Aufgrund des gerichtlichen Beweisverfahrens sieht das Gericht Sicherungsbedarf für gegeben an, da der BF über ein Jahrzehnt lang nicht rechtmäßig im Inland aufhältig war und gegen ihn eine durchsetzbare Ausweisung aus dem Jahre 2010 besteht. Der BF hat in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt, jedoch keinen dauerhaften Aufenthaltstitel erhalten. Er war für die Behörde nicht greifbar und galt als untergetaucht. Er hat seinerzeit nicht einmal die Beendigung seines Asylverfahrens abgewartet und tauchte wenige Tage nach Antragstellung unter. Er hat sich daher bereits dem laufenden Asylantragsverfahren entzogen. Er hat sich zwar selbst beim VMÖ für eine freiwillige Rückreise gemeldet, dieses Verfahren jedoch in keiner Weise unterstützt, sodass das Gericht hier nicht von einer nötigen Ernsthaftigkeit seines Ausreisewillens ausgehen konnte. Er hat auch im behördlichen Verfahren den von ihm erwähnten abgelaufenen Reisepass nicht vorgelegt, der die baldige Erlangung eines Heimreisezertifikates durch eine erleichterte Identitätsfeststellung wesentlich erleichtert hätte.
Er kann sohin nach Ansicht des Gerichtes aufgrund seines Vorverhaltens nicht als kooperativ bzw. vertrauenswürdig angesehen werden, zumal im Rahmen des bisherigen Verfahrens auch die Verwendung einer Aliasidentität hervorgekommen ist. Einen möglichen Wohnsitz gibt er zwar im Beschwerdeverfahren an, doch konnte seitens des Gerichts nicht von einem für die Zeit bis zur Abschiebung gesicherten Wohnsitz ausgegangen werden. Darüber hinaus kamen im Zuge des Verfahrens auch keinerlei familiäre oder nennenswerten sozialen Kontakte des BF ans Tageslicht, wiewohl der BF bereits seit vielen Jahren in Österreich aufhältig ist. Nach den Ergebnissen des Verfahrens ist der BF weder selbsterhaltungsfähig, noch war er bisher legal erwerbstätig. Der BF ist gesund und haftfähig.
Das Gericht geht daher in einer Gesamtsicht des Verhaltens unter den oben angeführten und festgestellten Tatbeständen des § 76 Abs. 3 jedenfalls vom Bestehen erheblichen Sicherungsbedarfes hinsichtlich der Person des BF aus. Die im Bescheid erwähnten Kriterien zur Annahme des Sicherungsbedarfes haben sich im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens als weiterhin zutreffend erwiesen. Das Gericht sieht daher ebenso die Tatbestandsmerkmale der Zif. 1 und 9 als erfüllt an.
3.1.4. Darüber hinaus ist die Verhältnismäßigkeit der Schubhaftnahme nach Ansicht des erkennenden Gerichtes ebenso gegeben. Betrachtet man die Interessen des BF an den Rechten seiner persönlichen Freiheit in Bezug auf seine familiären bzw. sozialen Verhältnisse im Inland zeigt sich, dass der Beschwerdeführer keinerlei nennenswerten familiäre/soziale Kontakte im Inland hat, die im Rahmen der gerichtlichen und behördlichen Abwägung die Entscheidung zu Gunsten einer Freilassung bzw. eines Belassen in Freiheit zu beeinflussen ausreichend waren. Der BF hat durch seine über Jahre gehende Ignoranz seiner Ausreiseverpflichtung einerseits gegen geltende Gesetze des Landes verstoßen und andererseits damit zum Ausdruck gebracht, dass er ganz klar keine Unterordnung unter das im Inland bestehende Rechtssystem beabsichtigt. Er hat in Österreich erfolglos einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt und wurden über ihn eine aufenthaltsbeendende Entscheidung getroffen. Die Republik Österreich hat damit nach Ansicht des Gerichts bereits 2010 ausreichend klar dargestellt, dass ein Verbleib des BF im Inland rechtlich nicht gedeckt ist und sohin auch ein erhöhtes Interesse an einer Außerlandesbringung des BF bekundet. Dem gegenüber wiegen die persönlichen Interessen des BF weit weniger schwer als das öffentliche Interesse einer baldigen gesicherten Außerlandesbringung des BF. Das Gericht geht daher – wie oben angeführt – von der Verhältnismäßigkeit der Verhängung der Schubhaft aus, zumal davon auszugehen ist, dass schon bald ein Heimreisezertifikat für den BF vorliegen könnte. Dabei sei die manifestierte Unkooperativität des BF herauszuheben, die sich in den zwei bereits erwähnten Punkten deutlich gezeigt hat. Es ist daher dem BF nach heutiger Sicht zuzumuten, die Zeit bis zu seiner Rückführung in Schubhaft zuzubringen.
3.1.5. Das Gericht schließt nicht aus, dass es aufgrund der derzeitigen Pandemie (CoViD-19) in den kommenden Wochen weiterhin zu Verzögerungen oder Annullierungen von Flügen im internationalen Flugverkehr kommen könnte. Die realistische Möglichkeit einer Überstellung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat (innerhalb der gesetzlich normierten Zeitspanne für die Anhaltung in Schubhaft) besteht jedoch aus aktueller Sicht weiterhin, zumal im Verfahren die behördliche Absicht hervorgekommen ist, den BF mit dem nächsten realistisch zustandekommenden Abschiebeflug im Herbst/Winter 2020 in seinen Herkunftsstaat rückführen zu können. Die absehbare weitere Dauer der Anhaltung in Schubhaft ist nach derzeitigem Stand – kooperatives Verhalten des Beschwerdeführers vorausgesetzt – sohin mit wenigen Monaten einzustufen.
Wie oben unter 3.1.5. angeführt, hat der BF über viele Jahre die ihn treffende Ausreiseverpflichtung geradezu ignoriert und stellte im Ergebnis einen unberechtigten Asylantrag. Dieses Verhalten war vom Gericht in die Beurteilung miteinzubeziehen. Das öffentliche Interesse an einer gesicherten Abschiebung des BF ist daher im vorliegenden Fall durchaus erkennbar und ist es dem BF daher auch aus Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit zumutbar, weiter in Haft zu verbleiben.
3.1.6. Die Anordnung eines gelinderen Mittels führt nach Ansicht des Gerichts nicht zu einer ausreichenden Sicherung der Durchführbarkeit einer konkreter werdenden Abschiebung. Die Kriterien, die bereits unter dem Punkt „Sicherungsbedarf“ erörtert wurden, zeigen eindeutig, dass eine jederzeitige Erreichbarkeit des Beschwerdeführers nicht mit der erforderlichen Sicherheit gewährleistet wäre. Es ist nicht davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der ganz offenbar ein evidentes Interesse daran hat, dass er im Inland verbleiben kann, nicht abermals für die Behörde unerreichbar sein und nicht wieder erfolgreich untertauchen würde. Auch hat die Vergangenheit bereits gezeigt, dass der BF nicht gewillt war, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten und den behördlichen bzw. gerichtlichen Entscheidungen gemäß das Land zu verlassen. Es besteht daher für das Gericht kein Grund davon auszugehen, dass ein gelinderes Mittel eine ausreichende Sicherung der Abschiebung des BF bedeuten würde. Unter Berücksichtigung aller Umstände ist die Behörde daher zutreffend davon ausgegangen, dass mit der Anordnung gelinderer Mittel das Auslangen nicht gefunden werden kann.
3.1.7. Die gegenständlich verhängte Schubhaft erweist sich daher auch als „ultima ratio“ und wird die Schubhaft auch bis zur erfolgreichen Abschiebung vorerst weiterzuführen sein. Auf Grund des zuvor Ausgeführten ergibt sich, dass sowohl Sicherungsbedarf, als auch Verhältnismäßigkeit gegeben sind und die Anwendung eines gelinderen Mittels nicht als erfolgversprechend zu beurteilen war. In diesem Sinne ist auch das Kriterium der „ultima ratio“ im vorliegenden Schubhaftverfahren gegeben.
3.1.8. Die Behörde hat im gegenständlichen bekämpfen Schubhaftbescheid die Beweggründe für die Erforderlichkeit der Verhängung der Haft erkennbar aufgezeigt und sich mit der konkreten Situation des BF auseinandergesetzt. Wie oben näher ausgeführt wird, gelangt die gerichtliche Überprüfung der laufenden Schubhaft nicht zu einer Unrechtmäßigkeit der bescheidmäßig verhängte Schubhaft. Der Vorwurf einer mangelhaften Verfahrensführung hat sich als nicht berechtigt herausgestellt.
3.1.9. Im vorliegenden Fall konnte von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung Abstand genommen werden, da der Sachverhalt im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens hinreichend geklärt werden konnte. Der Sachverhalt konnte aus den Akten (Behördenakt und gerichtlicher Vorakt) abschließend ermittelt und beurteilt werden. Gründe für die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung liegen daher nicht vor. Das Gericht weicht nicht von der Beweiswürdigung der Behörde ab und hat sich bereits aus dem vorliegenden Akteninhalt klar ergeben, dass zur Klärung der Rechtmäßigkeit der vorliegenden Schubhaft die Abhaltung einer mündlichen Verhandlung nicht erforderlich gewesen ist. Eine Einvernahme des BF oder aber die Abhaltung einer Verhandlung zur Klärung des Sachverhalts bedurfte es nicht, zumal diesbezüglich ein konkretes Vorbringen nicht erstattet wurde.
Zu Spruchpunkt II. – Vorliegen der Voraussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft:
Die getroffenen Feststellungen und ihre rechtliche Würdigung lassen im Hinblick auf ihre Aktualität und ihres Zukunftsbezuges keine, die Frage der Rechtmäßigkeit der weiteren Anhaltung in Schubhaft ändernde Umstände erkennen. Es war daher spruchgemäß festzustellen, dass zum Zeitpunkt dieser Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.
Zu Spruchpunkt III. – Kostenbegehren
Die Behörde begehrte den Ersatz ihrer Aufwendungen entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen. Da diese vollständig obsiegte, steht ihr nach den angeführten Bestimmungen dem Grunde nach der Ersatz ihrer Aufwendungen zu. Die Höhe der zugesprochenen Verfahrenskosten stützt sich auf die im Spruch des Erkenntnisses genannten gesetzlichen Bestimmungen. Die beschwerdeführende Partei hatte keinen Kostenersatzantrag gestellt.
Zu Spruchpunkt B. – Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie zu Spruchpunkt I. und II. ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Ausreiseverpflichtung Ausreisewilligkeit Fluchtgefahr Fortsetzung der Schubhaft gelinderes Mittel Haftfähigkeit Heimreisezertifikat Kooperation Kostenentscheidung - Gericht Kostenersatz Kostenersatz - Antrag Obsiegen öffentliche Interessen Pandemie Schubhaft Schubhaftbeschwerde Schubhaftverfahren Sicherungsbedarf Ultima Ratio Verhältnismäßigkeit VertrauenswürdigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2235678.1.00Im RIS seit
11.12.2020Zuletzt aktualisiert am
11.12.2020